Abschnitt 12

Über die niedreren Stände
auf dem
flachen Lande in
Meklenburg-Schwerin


Allgemein ist der Aberglaube; Spuk, Zauberei und Sympathie sind ganz gewöhnliche Dinge, und obwohl viele, sorgfältig beobachtete Beispiele z. E. das Blutstillen als unnöthig darthun, so wird es doch gemeinhin nicht unterlassen, weil bei vielen Wunden das Blut rasch sich ergießt und dann von selbst steht, dies aber die Leute täuscht. Nicht anders ist es bei Brandwunden, der Rose Diese Sympathien sind alle von höchst lächerlichem Inhalte. Es ist jedoch nicht zu läugnen, daß manche Bauern im Verbinden, Reinigen der Wunde und Streichen bei Verrenkungen eine ziemliche Fertigkeit besitzen. - Ist ein Vieh krank, die Milch blau, das Bier lang, sterben die jungen Gänse, so haben es böse Leute gethan. Diese bösen Leute stehen zum Theil mit dem Teufel in Verbindung, und dann wird scharf mit Mohrenpulver geräuchert, die Hexe gestäupt, vernagelt, vergraben, gekocht, wobei manche Scharfrichter sich thätig beweisen; oder diese Leute haben es als eine Anlage mit auf die Welt gebracht, daß ihr Ansehen, Wünschen schadet, oder sich auch nachher aus Unvorsichtigkeit erworben, wenn sie z. B. beim Segensprechen in der Kirche sich umgesehen haben. Auch kann man sich und den Seinen durch Verrufen schaden und durch hundert andere Kleinigkeiten. 1669, den 11. Jun., wurde zu Gorow Anna Wilden, Hans Holstens Ehefrau, und den 23. Tieß Wilde wegen Zauberei verbrannt. 3) 1697, den 28. April, ist zu Haßdorf Trine Tiehlmanns, seligen Hans Schlorfen Wittwe, wegen Zauberei verbrannt. 4) - Feuerbesprechen, Festmachen, das Gestohlene wieder schaffen durch Vernageln oder Räuchern des Fußtapfens, durch Kaffeeaufguß, dem Dieb ein Auge ausschneiden, Geldbrennen, Schatzgraben sind noch immer Gegenstände des Aberglaubens, so wie Kreuze in der Walpurgisnacht an den Thüren Geister sind entweder überirdische, z. B. wilde Jäger, Waud (Wodan?), an der Elbe Fruh Wod genannt, oder unterirdische (Unnerirschen, Dümlings, d. h. Däumlinge), die mit jenem immer Krieg führen und zum Aufziehen eines größern Geschlechts ungetaufte Säuglinge stehlen (siehe oben Entbindung), nach Einigen aber durch Waud schon fast ausgerottet sind, oder Wassergeister (Watermäum, d. h. Wassermutter), welche zuweilen in Gestalt eines Käfers (Dytiscus marginalis wird als solcher angeklagt) Kinder und Andere ins Wasser ziehen. Der wilde Jäger ist ein Mann auf einem Schimmel mit vielen bellenden Hunden an einer Kette und vielen Kutschen über und neben einander, zuweilen auch (an der Elbe) in Gestalt eines Heuschobers, von Einigen für einen alten Edelmann gehalten. Er thut denen nichts, die mitten im Wege bleiben; daher sein Zuruf an den Wanderer: midden in den Wäg! Als Spuk erscheint auch der Teufel im langen, rothen Rocke mit einem Pferde- und einem Hühnerfuße, welche beide er sorgfältig versteckt, oder mit rauher Haut, Hörnern und Schwanz und einem Kuhmaule, oder auch als Meteor (Drak - Drache). Im letzteren Falle trägt er Schätze, die er herunterwirft, wenn man ihn bittet; steht man dann aber nicht unter einem Dache, so wirft er Koth nieder. In den Volksmärchen zeigt er sich häufig dumm und leicht zu betriegen. - Auch erscheinen Verstorbene, die etwa noch einen Wunsch haben. Als Scheidegänger wandern falsche Zeugen einer Gränze mit schrecklichem Weherufen. Fast kein Landweg ist, auf dem es nicht irgendwo spuken soll, und mit bedeutungsvollem Lächeln nennt der Bauer gewöhnlich irgend einen Edelmann oder Amtmann, der gegen die Unterthanen ungerecht und grausam verfahren sei und jetzt keine Ruhe finde -ein Beweis, wie sehr diese Leute vor der Einführung einer bessern Justiz gedrückt sind. Gespenster werden von den Bannern in Säcken gewöhnlich in ein Ellernbruch als den geheimen Aufenthalt der Kröten und anderer Wunder getragen, worauf auch ein Sprichwort hindeuten mag: er ist beim lieben Gott im Ellernbruch (hei is bi'n leiwen Gott in't Ellernbrauk) d. h. er ist gestorben. Auch glaubt man an Doppelgänger, Gedanken genannt. Die Pferde verrathen sogleich die Nähe eines Geistes, auch die Hunde durch Bellen und Heulen.





3) Sage darüber. Der Jäger Erdmann zu Neuhof geht des Abends bei der Gorowschen Holzkoppel vorüber, als plötzlich ihm ein Hirsch in den Weg tritt. Er schießt auf denselben, und da steht Tieß Wilde vor ihm und ist sehr ungehalten - Grund genug, ihn als Zauberer anzuklagen, der sich durch Hülfe des Bösen, d. h. des Teufels, in ein Thier verwandeln könne. Auf der Tortur giebt er seine Schwester als Theilnehmerin . an, die Anfangs Alles läugnet, aber nachher doch bekennt. Hans Holst heirathete den 24sten Julii Emmerentia Wilden wieder, und das war die Frau des verbrannten Zauberers.
4) Sage. Dieselbe hatte viel Böses gethan, z. B. das Bier in manchen Häusern so leberdick gemacht, daß man es auf einem Stocke hatte tragen können. Endlich läßt der Grundherr zu Neuhof sie holen. Die Häscher und mit ihnen der Inspector (Wirthschafter) versprechen unterweges ihr die Freiheit, wenn sie sich zu einem Kunststücke verstände, z. B. zwei Pflüger mit den Ochsen festbannete. Sie macht ihre Sache, und ein Pflüger sitzt fest. Auf die Frage, warum der andere nicht auch festgemacht sei, erwidert sie, derselbe habe am Pfluge einen Pflock von Kreuzdorn. Der Beweis ist gegeben; sie wird eingesetzt und gepeinigt, worauf sie denn ihren Umgang mit dem Satan bekennt. Auf dem Fußsteige von Haßdorf nach Neuhof wird ein Pfahl eingerammt, der in neuerer Zeit noch unter dem Namen Smokpahl (Schmauchpfahl) dastand, um den Pfahl ein Faden vierfüßiges Kluftholz gelegt, und die Frau mit einer Holzkette daran gebunden. Das ganze Feld, alle Ellern im Bruche sind voll von Zuschauern aus Rostock, Wismar, Bützow . gewesen. Vor dem Anketten zieht sie ihren rothen Rock aus, und bittet, denselben ihrer Enkelin aufzubewahren; man verspricht es ihr. Beim Anzünden hat sie guten Muth und singt den Gesang: Ach Gott und Herr, wie groß. Endlich aber verläßt der Böse sie, indem er in Gestalt eines schwarzen Vogels aus den Schuhspitzen auszieht. Da hat sie denn ganz erbärmlich geschrieen und an der Kette gezerrt, bis der Rauch ihr aus dem Halse gekommen ist. Den Rock hat man nachher auch weislich verbrannt.