Die Erblichkeit der Königswürde.

Erst sehr langsam ist den Völkern die soziale Bedeutung eines selbstständigen Königtums zum Bewusstsein gekommen. Schon in der angelsächsischen Zeit hielt man sich bei der Wahl des Königs in der Regel innerhalb Einer edlen Familie; übrigens wurde nach Umständen der Sohn dem Vater, der Bruder dem Sohn, der jüngere dem älteren, der uneheliche dem ehelichen Sohn vorgezogen; auch kam es vor, dass die Landesversammlung einen König absetzte. Selbst Wilhelm der Eroberer unterzog sich noch der Form einer Wahl. Betrachten wir die angelsächsischen und normannischen Könige als eine Reihe, so ist die Thronfolge der größeren Hälfte nach heutigen Begriffen unregelmäßig. Allerdings hatte der Lehnsstaat durch seinen großen Domainenbesitz die entschiedene Tendenz zur Erblichkeit bekommen; es ist indessen merkwürdig, wie schwer selbst mit Hilfe des Lehnswesens sich die feste Erblichkeit durchsetzte. Wilhelm der Rothe, Heinrich I. und Stephan waren nach neueren Rechtsbegriffen Usurpatoren, erwählt durch ihre Partei gegen die üblichen Grundsätze des Erbrechts und gegen ausdrückliche Verträge. So bekennt auch Heinrich I.: „Sciatis me Dei misericordia et communi consilio baronium totius regni Angliae ejusdem regem coronatum esse.“ Auch Heinrich II. succedierte seinem Vorgänger Stephan nicht durch Erbrecht, sondern kraft einer Convention, welche durch die Großen beider Parteien ratifiziert wurde. Richard Löwenherz ist der erste König von England, welcher den Thron ohne die Form einer Wahl, und ohne ein Interregnum, bestiegen hat. Dennoch nennt sein Nachfolger Johann sich „König durch Erbrecht, durch Consens und durch Gunst der Kirche und des Volks,“ und datiert seine Regierung nicht vom Todestage seines Vorgängers, sondern erst vom Tage der Krönung. Selbst Eduard I. datiert seine Regierung nicht vom Todestage seines Vaters, sondern vom Tage seiner Anerkennung, — und seine Vormünder fügen noch hinzu: die Krone sei auf ihn devolvirt „durch Erbrecht und durch den Willen der Barone.“ Diese letzten Worte bleiben weg seit Eduard II. Es ist von da an unbestrittener Grundsatz, dass der König nicht stirbt, dass also kein Interregnum stattfindet, und dass die Grundsätze von der gesetzlichen Erbfolge in das Grundeigentum auf die Krone Annahme finden. Damit ist das Legitimitätsprinzip vollendet, und in Verbindung damit steht der veränderte Titel des Königs, der nicht mehr wie früher rex Anglorum, sondern rex Angliae heißt, — ein Sprachgebrauch, der schon früher vorkommt, aber erst seit Richard I. fest wird. Siehe darüber Allen, Inquiry into the Rise and Progress of the Royal Prerogative in England, 2. Aufl. 1849. 8. p. 41 ff. Henry Hall am, View of the State ef Europe during the Middle-Ages. 2 Vol. 4. London 1818. (1. Aufl.) Vol. II. pag. 195 sqq.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber Adel und Ritterschaft in England.