009. Das Nönnelein.

Bösen buhlerischen Liebeszauber verübte auch zu Coburg ein wälscher Umfahrer, des Namens Hieronymus Scottus, der in den Landen, durch die er kam, allerlei Künste und Gaukelspielereien trieb, gegen die Gemahlin des Herzogs Johann Casimir zu Sachsen, Anna, geborene Kurprinzessin zu Sachsen, missbrauchte ihr Vertrauen und verstrickte sie in ein Liebesnetz mit einem Baron Lichtenstein, das ihr zum Verderben gereichte. Herzogin Anna wurde verhaftet und musste ihr junges vorher so blühendes und liebeglühendes Leben in verschiedenen Kerkern vertrauern. Endlich starb sie und wurde im Kloster Sonnenfeld bei Coburg begraben, schon vorher aber hatte Herzog Johann Casimir sich wieder vermählt, und eine Spottmünze prägen lassen, deren Avers ein zärtliches Paar, der Revers aber eine Nonne mit Brevier und Rosenkranz zeigt; um das Paar läuft die Schrift: Wie küssen sich die Zwei so fein.
um die Nonne: Wer küsst mich armes Nünnelein.

Auch der Grabstein bildete die unglückliche Herzogin, in Nonnentracht ab — aber bald nach ihrer Beisetzung verbreitete sich das Gerücht, dass ihr Geist im Grabe keine Ruhe finde, sondern spukend umwandle. Vornehmlich soll sie dem Herzog Christian zu Sachsen-Eisenberg lange nach dem Tode ihres beleidigten Gemahls leibhaftig und zu mehreren Malen erschienen sein, und diesen aufgefordert haben, sie mit dem Schatten ihres Gemahls zu versöhnen. Solche Versöhnung soll auch erfolgt sein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Thüringer Sagenbuch