008. Allerlei Zauber.

Von mancherlei zu Coburg verübtem Zauber, als Liebeszauber, Hexenzauber und Judenzauber weiß die örtliche Sage daselbst viel zu berichten. Edle Jungfrauen stellten neunerlei Essen auf den Tisch, und zwar in einer Christnacht, und setzten sich um denselben herum, da denn ihre künftigen Liebhaber erscheinen sollten. Und siehe, solches geschah auch, aber jeder der Liebhaber hielt ein Messer in der Hand gezückt, darüber die Jungfrauen solche Furcht ankam, dass sie schreiend von dannen eilten. Einer der Liebhaber warf sogar den Fliehenden das Messer nach, und eine Jungfrau kehrte sich um, sah ihn an, und hob das Messer auf. Diese bekam hernach den Mann in der Tat zum Liebsten. Bisweilen ist aber solcher Zauber gar übel abgelaufen, und ist statt eines künftigen Liebsten der kalte Buhle Tod eingetreten, hat sein Stundenglas vor die eine oder die andere der Jungfräulein hingesetzt, und sie zu seinem schaurigen Reigen abgeholt.

Manche nahmen auch neunerlei Holz am Christabend, zündeten es an, zogen sich aus bis aufs Hemde, und dieses dazu, warfen das Hemde vor die Stubentür, setzten sich um das Feuer und sprachen:


Hier sitz' ich splitter-fasernackt und blos;
Wenn doch mein Liebster käme
Und würfe mir mein Hemde in den Schoß!

Da kam nun bisweilen die entrückte Gestalt des Liebhabers, warf das Hemde herein, und wurde später der Sponse selben Mägdeleins. Auch dieser Zauber geriet nicht immer. Einst übten ihn viele manntolle Mägde zugleich, da kamen die Liebhaber zu Hauf vor die Türe, erhoben draußen grässlichen Lärm, rissen sich um die Hemden, und rissen sie kurz und klein — und keine von allen hat hernach einen Mann bekommen.

Ein hoher bewaldeter Berg nächst der Coburger Feste, der Bausenberg, war Tummelplatz der zahlreichen Hexen; auf ihm hatte der Teufel eine Kanzel, und rumorte viel im Walde umher; aber auch beim Brunnen zum heiligen Kreuz und bei dem Weiher waren Hexen-Tanzplätze, wohin sie ihre Mantelfahrten richteten, und allwo sie ihre Sabbathe feierten.

Auch mit bösen Juden war Coburg vor Alters übel gesegnet. Einem solchen schuldete ein Christenweib eine ziemliche Summe Geldes, und konnte die Summe nicht aufbringen zur Wiedererstattung. Da sprach der Hebräer, er wolle ihr die Schuld erlassen, so sie ihm doch geben wolle etwas von ihrer Milch, da sie gerade ein Kind stillte. Die Frau versprach das zu tun, dachte aber in ihrem Sinn: Warte Jude, Du sollst haben eine Muttermilch, wie sie Dir gehört. Und so bekam der Jude ein Glas voll Milch. Damit ging derselbe mit noch einem Gefährten Abends nach dem Galgen, hieß jenen die Leiter hinauf steigen, die Milch in die Hirnschale eines Gehenkten gießen, und wohl darinnen umschütteln. Als dieses nun geschehen war, rief der Jude: Schmuel, was sichstde? — Gor nix! antwortete der Gefährte. Darauf wiederholte drunten der Jude seine Frage, und der Gefährte droben auf dem Galgen seine Antwort. Und zum drittenmale fragte jener. Da sprach der droben: Als ich doch seh' eine mächtig große Herde Schwein'. — Waihe mir! schrie drunten der Jude. So hat mir gegieben das verdammte Weib die Milch von einer Schweinemutter, und nun wird kommen ein Sterb unter die Schwein, und nicht unter die Gojim! — Wie nun das Wort in Erfüllung ging, merkte jene Frau den Frevel, zeigte den Juden an, der wurde alsbald an jenen Galgen gehenkt, dann verbrannt, und von allen übrigen Juden wurde alsbald die Stadt gefegt und gesäubert, dass von ihnen nur noch der Name der Jüdengasse, des Jüdentores und des Jüdenberges übrig sind. Die damals aus Coburg getriebenen Juden sollen den Waldort Judenbach angebaut und bevölkert haben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Thüringer Sagenbuch