010. Der Pöpelsträger im Bausenberg.

Im Bausenberg über Coburg, wo der Teufel seine Kanzel und die Hexen einen ihrer Tanzplätze hatten, ging einst ein Vogelsteller mit seinen Garnen und der Lockpfeife seinem Geschäfte nach, und durchirrte lange Gehölz und Gebüsche. Da sah er einen seltsamen fremden Mann, der einen, weißen Sack auf dem Rücken trug und seine Schritte nach dem Entensee unter der Teufelskanzel lenkte. Der Vogelsteller ließ sich mit dem Fremden in ein Gespräch ein und begleitete ihn die kurze Strecke, und am Entensee nahm jener seinen Sack von der Schulter, der nicht nach Rosenöl roch, und in dem etwas Lebendiges zappelte. Wenn er was sehen und im tiefsten Schweigen dabei beharren wolle, sprach darauf der Fremde zu dem Vogelsteller, so möge derselbe tun, wie er selbst, und dabei zog er seinen linken Schuh aus, der war rot und mit Kreuzen gezeichnet; dasselbe tat nun auch der Vogelsteller mit seinem linken Schuh, den jener auch mit roten Kreuzen zeichnete, und als dies geschehen war, sprang der Fremde von einem kleinen Hügel samt dem Sack, den er trug, hinab, und der Vogelsteller folgte ihm alsbald. Darauf geschah ein Donnerschlag und es wurde plötzlich Nacht um beide Männer, und sie fanden sich in einer Höhle wieder, darinnen eine Feuerlohe stammte, gleichwie im Hörseelenberge. In diese Glutlohe schleuderte jener den Sack samt dem, was darinnen verborgen war, und bedeutete seinen Gefährten da, wo die Lohe noch zuckte, hinab in die Tiefe zu schauen. Da erblickte der Vogelsteller mit Entsetzen die Glutwellen der Hölle und die Stätte ewiger Qual, wimmelnd von Teufelslarven und den gepeinigten Seelen der Verdammten. Vor Schrecken sank er in die Knie, und als er in der Lohe unter den armen Seelen seinen eigenen Sohn brennen und schmoren sah, war er nicht mehr des ihm auferlegten Gelübdes des Schweigens eingedenk, sondern schrie: Ach Gott! Dort ist mein Hannes! — Kaum war ihm das Wort aus dem Munde, so ging ein kochen, zischen, donnern, tosen, wirbeln und brodeln los, als wenn die Hölle platzen und die ganze Erde verschlingen wollte, und das Feuermeer begann aufzuwallen und höher zu steigen, und da entfloh der Fremde und riss auch den Vogelsteller mit sich von dannen — da kamen sie an ein Wasser, in das beide sprangen, und in welchem dem Vogelsteller hören und sehen ganz und gar verging. Endlich lag er elendiglich ächzend im Walde, nicht weit vom Entensee, wo ein Jäger ihn fand, wie er am ganzen Leibe blitzblau angelaufen und verbrannt war, nur der Fuß, an dem er den rotbekreuzten Schuh trug, war noch heil. Dem Jäger erzählte der Vogelsteller mit matter Stimme, was ihm begegnet war, und dann starb er. Aus allem wurde entnommen, dass jener Fremde ein sogenannter „Popanz-", oder wie man um Coburg sagt: ein „Pöpelsträger" gewesen, welche die Pütze, Kobolde und Poltergeister beschwören, fangen und sie in Säcken an Orte tragen, allwo sie gebannt bleiben, teils in Sümpfe, in Einöden, in Waldeswildnisse, teils, wie hier, in das helle Feuer, das dem Teufel bereitet ist und seinen Engeln. Solcher geheimnisvollen Bergesklüfte, darin die Abgrundqual der Verdammten zu Tage und vor das Auge einzelner Sterblichen noch bei ihrem Leben tritt, nennt die Sage in Thüringen mehrere, und es ist wichtig, ihrer zu achten, weil sie stets nach der Frühe heidnischen Kultes und Glaubens hinweisen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Thüringer Sagenbuch