Helene Paulowna schenkte ihrem Gemahl zwei Kinder: ...

Helene Paulowna schenkte ihrem Gemahl zwei Kinder: den am 15. September 1800 geborenen Prinzen Paul Friedrich und die Prinzessin Marie, die, geboren am 31. März 1803, sich 1825 mit dem Prinzen Georg von Sachsen-Hildburghausen (späteren regierenden Herzog von Sachsen-Altenburg) vermählte. Die Geburt dieser Tochter aber sollte die Erbprinzessin nicht lange überleben: sie starb am 24. September 1803.

Auch die Blätter unseres Tagebuches geben Zeugniß davon, ein wie inniges Andenken Friedrich Ludwig seiner geliebten ersten Gemahlin bewahrte. Seinem Schmerze sich lange hinzugeben, gestatteten ihm weder die wirrenreiche Zeit, noch die Pflichten des Thronerben. Mit größtem Eifer widmete er sich politischen Studien und arbeitete mit solchem Erfolge sich ein in die Verwaltungsgeschäfte, daß der Herzog nach dem Tode des Kammerpräsidenten von Dorne nichts besseres thun konnte, als den Erbprinzen zu dessen Nachfolger zu machen: am 21. März 1806 wurde Friedrich Ludwig zum Präsidenten des Kammer- und Forst-Collegii ernannt - der erste Fall, wo ein Mitglied der fürstlichen Familie in die Reihe des höheren Beamtenthums eintrat.


Im Jahre zuvor hatte der Erbprinz eine längere Erholungsreise in die Schweiz gemacht. Den Hinweg hatte er über Gotha, Weimar und Stuttgart genommen; in dem lieblichen Wilhelmsthal, wo die herzoglich weimarische Familie die Sommermonate zu verbringen pflegte, traf er mit der Prinzessin Caroline Luise zusammen, die einige Jahre später seine zweite Gemahlin werden sollte. 1) Auf der Rückreise stellte er sich in Wien dem Kaiser Franz vor und fand bei ihm eine überaus freundliche Aufnahme; sein Kavalier von Oertzen konnte dem Herzoge melden, „daß vielleicht nie ein deutscher Reichsfürst mit mehrerer Auszeichnung in Wien aufgenommen, wie Durchlaucht der Erbprinz.“ Auf Einladung und als Gast des Kaisers machte er einen interessanten Ausflug nach Presburg, um dort der Eröffnung des ungarischen Landtages am 18. Oktober beizuwohnen.

Um diese Zeit sah man in Wien der Ankunft des Kaisers von Rußland entgegen und der Erbprinz war entschlossen, Wien nicht eher zu verlassen als bis der Zar wieder abgereist sei, „que je crois sous tous les rapports si utile et nécessaire de voir,“ wie er seinem Vater schrieb; „je crois que cela serait prudent de Lui parler personnellement de l’avenir, et une occasion si favorable ne se retrouve pas si aisément.“ Doch nahmen die Dinge zunächst eine andere Wendung: die Kapitulation von Ulm am 17. Oktober 1805 öffnete den Franzosen den Weg nach Wien und am 7. November mußte Friedrich Ludwig dem Herzoge melden, „daß ich morgen frühe um 6 Uhr Wien verlassen werde. Die Umstände werden immer trauriger und man darf wohl nicht mehr zweiflen, daß in wenigen Tagen die Franzosen hier seyn werden. Sie können leicht denken welch eine confusion hier herscht, alles flüchtet, reiset ab, es ist ein Jammer mit anzusehen.“ Unterm 11. November theilte er dann aus Brünn mit: „Bis Presburg bin ich zu Wasser die Donau hinunter gefahren, und dann unter tausend Schwierigkeiten bis hierher, wo ich gestern Abend endlich anlangte.“

Bis zum 15. blieb der Erbprinz „in einem erbärmlichen Wirthshause“ in Brünn, in dessen Umgegend sich die österreichische und die russische Armee sammelten, um vereint dem heranrückenden Napoleon eine entscheidende Schlacht zu liefern. Dann fuhr er mit dem Erzherzog Anton nach Olmütz, wohin das kaiserliche Hauptquartier verlegt war, und wo die Begegnung des Kaisers Franz mit dem Zaren stattfinden sollte. Ueber dieses mehrmals bestimmt angekündigte und ebenso oft wieder hinausgeschobene Ereigniß, dessen Augenzeuge zu sein ihm vergönnt war, berichtet, als es endlich wirklich stattgefunden hatte, Friedrich Ludwig unterm 18. November:

„Wie ich heute morgen erwachte ließ mir Se. Majestät der Kaiser sagen, daß ich sogleich zu Ihnen kommen sollte, weil Sie dem Kaiser von Russland bis zur ersten Post entgegenfahren wollten. Der Kaiser fuhr mit dem Prinzen Ferdinand v. Würtemberg, dem Graf Cobenzl und meiner Wenigkeit. In Sternberg der ersten Post warteten wir eine ganze Zeit, bis daß es hieß daß der Kaiser v. Russland zu Fuß ankäme, welcher einer Herunterfahrt wegen abgestiegen war. Sogleich ging ihm der Teutsche Kaiser entgegen, und Sie begegneten sich in der Strasse, wo Sie Bekanntschaft machten. Der Kaiser von Russland empfing mich mit seiner gewöhnlichen Güte. Wir waren beide so gerührt, daß keiner ein Wort reden konnte. Sie können leicht denken theuerster Vater welche Gefühle mein Herz erschütterten. Als man im Wirthshause ankam, blieben die 2 Kaiser eine lange Zeit allein zusammen, nachher rief mich der Kaiser v. Russland in ein anderes Zimmer, wo er mir denn unendlich viel Gutes und Liebes sagte und über manche Gegenstände mit mir sprach. Ich fand ihn in allem gerade den nähmlichen wie sonst, welches mich denn unendlich glücklich machte. Hierauf stiegen die beiden Kaiser, der Pr. v. Würtemberg und ich im Wagen und gegen Mittag kamen wir unter dem Donner der Kanonen hier an. Um 3 Uhr ging der Russische Kaiser zur Teutschen Kaiserinn und dann ging es zur Tafel. Da der Kaiser nicht zu Abend speiset so war heute Abend nichts bei Hofe, sondern er arbeitete den ganzen Abend bis ganz spät in seinem Zimmer.

So eine confusion wie hier herscht ist gar nicht glaublich, ich glaube beim Turmbau zu Babel war es ohngefähr so, alles gehet drüber und drunter. Schenkt uns der Himmel einige Tage Ruhe so wird es vielleicht besser gehen. . . . Der Kaiser von Russland ist ausserordentlich zufrieden und dankbar für die Aufnahme seiner Truppen in Mecklenburg. 2) General Tolstoy hat ihm gesaget, daß wenn sie in Rusland wären, so könnten sie nicht besser versorgt seyn, als wie sie es bei uns gewesen wären.

d. 19ten November.

Heute den ganzen Morgen haben die beiden Kaiser zusammen gearbeitet, und wie man sagt eine so interressante conversation zusammen gehabt, daß der Russische, die Thränen im Auge herausgekommen ist. Er hat dem guten braven Teutschen Kaiser aufs neue ausharrenden Beistand gelobet. Heute Nachmittag nach Tafel habe ich eine lange Unterredung mit dem Russischen Kaiser gehabt, in welcher ich denn deutlich gesehen habe, daß er noch immer der alte gegen mir ist. Dringend habe ich ihm Mecklenburgs jetziges und künftiges Schicksahl empfohlen und ich halte mich seiner gütigen Gesinnungen und deren heilsamen Folgen gänzlich überzeugt. Der Kaiser hat mir nochmahls seine Zufriedenheit über die Behandlung seiner Truppen in Mecklenburg bezeiget. . .

Nun mein theuerster und gnädigster Vater komme ich an der wichtigsten Stelle meines Briefes, welche ich einzukleiden verlegen sein würde, wenn Ihre Denkungsart, Ihr Herz mir nicht Bürge wären, daß Sie Ihrem Sohne verzeihen werden, wenn er ohne Zeit zu haben Ihre Billigung einzuhohlen, einen raschen Entschluß fasst, den ihm die Ehre und die heissesten Gefühle seines Herzens zur Pflicht zu machen scheinen.

Das Schicksahl hat mich auf eine wunderbare und gewiß nicht vorauszusehende Art hieher geführt. Morgen nehmen die Armeen 1 Meile von hier eine position und wahrscheinlich kömmt es übermorgen zu einer Schlacht, die entscheidend sein dürfte. Im Fall der Anschein zu einem günstigen Erfolge ist, so werden beide Kaiser zur Armee gehen. Glauben Sie nun daß es sich für einen Prinzen von Mecklenburg, einem Russischen General, 3) einem Schwager des Kaisers schicket sich in demselben Augenblicke im Wagen zu setzen und ruhig nach Hause zu fahren? Nein bester lieber Vater das ist ohnmöglich, das würden, das könnten Sie nicht billigen. Ich verstehe nichts vom Militair, kann nicht einmahl die Russische Sprache, also effectif zu dienen bin ich ausser Stande, allein den Kaiser den ich wie einen Bruder liebe überall zu folgen das kann ich, um die Erlaubniß habe ich ihn gebeten und sie erhalten. 4) Es ist vielleicht die einzigste Gelegenheit meines Lebens dem guten lieben Kaiser einen redenden Beweis meiner innigen Anhänglichkeit zu geben, und sicher schade ich dadurch dem Interesse meines theuren Vaters und meiner Kinder nicht. In Ihren Augen schmeichle ich mich gerechtfertiget zu seyn, ob aber das liebe mütterliche Herz meiner theuren Mutter so bald befriediget seyn wird ist eine andere Frage. Ich bitte Sie recht kindlichst ihr vorzustellen, daß ich ja gar keine Gefahr dabei laufe, mithin nicht einmahl den Anstrich einer heroischen Handlung haben kann, 2 wichtige Personen wie die beiden Kaiser exponirt man nicht, ich verlasse den Russischen nicht, risquire also sicher nichts. Ist nur im geringsten der Anschein daß die Sachen übel enden könnten so setzen sich sicher die Monarchen dem nicht aus, die Flucht ergreifen zu müssen, und mein Plan bleibt blos project. in diesem letzten Falle gehet der Russische Kaiser gar nicht zur Armee, in jedem aber bleibt er nur wenige Tage bei der Armee, weil er nach Petersburg zurückkehret. Länger wie 8 Tage glaube ich nicht daß dieses meine Rückkehr verzögern wird, und dann kehre ich froh und heiter in die heimische friedliche Wohnung zurück, und ziehe nimmer wieder im Kriege . . . . . In kurzem hoffe ich Ihnen sagen zu können, daß ich Zeuge eines Tages war der Oestereich und unseren so wahrhaft edlen Kaiser rettete, der einen verrätherischen übermüthigen Feind demüthigte, und Hoffnung zu glücklicheren Zeiten gab.“

Am folgenden Tage schrieb der Prinz:

„. . . . Meine Entschliessung den Russischen Kaiser zu begleiten scheinet hier nicht zu mißfallen und jedermann sagt mir etwas darüber. Der Teutsche Kaiser hat mir heute Mittag so viel Schmeichelhaftes und Ehrenvolles darüber gesagt, daß ich es nicht wiederhohlen mag, er hat mir sogar seine Pferde angeboten. Ich sage Ihnen das alles bester Vater um mich einigermassen zu entschuldigen im Fall Sie ungnädig auf mich seyn sollten. Das ist das erste mahl in meinem Leben daß ich so etwas so gerade zu für mich selbst vornehme und ich bin himmelangst Ihnen mißfallen zu haben, versichern Sie mich doch bald des Gegentheils durch ein paar gnädige Zeilen. Ich sehne mich nach denselben unaussprechlich . . .“

Die so zuversichtlich für unmittelbar bevorstehend gehaltene Entscheidungsschlacht fand zunächst noch nicht statt, ja schien in weite Ferne gerückt zu werden. „Gestern noch glaubte ich an einer nahen Schlacht,“ schrieb Friedrich Ludwig am 24., „und heute denke ich das Gegentheil. Die Franzosen ziehen sich mit starken Schritten zurück. Heute Nachmittag ist die Avantgarde von 10 000 Mann unserer Armee aufgebrochen und vorwärts marschieret, morgen oder übermorgen wird wohl auch das corps d’armée nachfolgen. Allem Vermuthen nach wird Bonaparte kein entscheidendes Treffen wagen, und es wird bis in die Gegend von Wien wohl nichts bedeutendes vorfallen. Wegen dem Bleiben und Gehen des Russischen Kaisers ist noch nichts entschieden, allein wahrscheinlich gehet er zur Armee. Ich komme dadurch in eine embarrassante Lage. In der allgemeinen vom Kaiser selbst gehegten Ueberzeugung, daß hier bei Ollmütz eine Schlacht vorfallen würde, hielt ich es nach allen meinen Gefühlen für durchaus nothwendig den Kaiser um die Erlaubniß zu bitten ihm folgen zu dürfen, und hielt mich gewissermaassen auch Ihrer Einwilligung gnädigster Vater überzeuget. nun sind aber die Umstände ganz geändert, mein eigentlicher Zweck ist verfehlt und es hat den Anschein als ob es eine ordentliche Wintercampagne werden wollte. Diese mitzumachen fehlt es mir an manchen nöthigen Dingen - wenngleich ich heute Pferde für meinen Wagen erhalten habe -, und überdem weis ich nicht ob Sie es billigen würden, und manche Umstände kommen zusammen die mir dieses äusserst beschwehrlich machen würden. Ich befinde mich in der That in einer gewissen Verlegenheit. Indessen da man aus allem heraus findet so denke ich, komme auch ich wohl auf eine oder andere Art heraus, in wenigen Tagen hoffe ich, Ihnen die Entscheidung dieses allen melden zu können . . . . . Wenn gleich ich bisher nicht im Heldengeruche gestanden habe, so kann ich doch nicht leugnen daß ich gerne eine Schlacht mitgemacht hätte zumahl eine wo der Erbfeind der Christenheit, jetzt nicht mehr der Türke sondern der Franzose sein Theil erhalten hätte. Daß dieselbe glücklich ausfallen würde daran zweifelt niemand . . .“

Unterm 26. meldet dann der Erbprinz: „Heute kann ich Ihnen die Entscheidung meines Schicksahls mittheilen und Ihnen sagen daß in kurzem ich das Glück haben werde Sie wieder zu sehen. Die Armeen marschieren heute Abend, der Feind ziehet sich immer weiter zurück. Die beiden Kaiser gehen heute Abend auch mit. Weitläuftig habe ich gestern Morgen mit dem Russischen darüber gesprochen, welcher mir gesagt hat, daß er gewiß ganz das Motif meines ersten Entschlusses gefühlt und erkannt habe, da nun aber die Gelegenheit verfehlt sey und ich auch nicht die entfernteste Verbindlichkeit habe ihm zu folgen, so möchte ich überlegen ob meine übrige Lage und Pflichten es mir erlaubten oder nicht. Nachdem ich dieses alles überlegt habe glaube ich aus diesen und hundert anderen Ursachen besser daran zu thun morgen frühe meine Rückreise nach Mecklenburg anzutreten . . . . Auch der Teutsche Kaiser hat mir gesagt daß er von meinem Entschlusse sehr zufrieden sey . . . „

Am 27. November reiste also Friedrich Ludwig von Olmütz ab, und kehrte über Berlin nach Meklenburg zurück; am 5. Dezember traf er in Schwerin ein. Es war ihm erspart geblieben, Zeuge der völligen Niederlage zu sein, welche die verbündeten Armeen am 2. Dezember in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz erlitten. -




1) S. Lily von Gizycki: Deutsche Fürstinnen, S. 25.

2) Russische und schwedische Truppen waren im dritten Koalitionskriege, den England, Russland, Schweden und Oesterreich gegen Napoleon führten, vom 20. Oktober 1805 an bis in den Dezember hinein von der schwedisch-pommerschen Grenze auf mehreren Etappenstraßen durch Meklenburg ins Hannoversche gezogen. Nach einer von Meklenburg mit Schweden und Russland geschlossenen Konvention wurden diese Truppen hier im Lande für baare Bezahlung verpflegt.

3) Friedrich Ludwig hatte vor seiner Vermählung 1799 den Rang eines Generalleutnants in der russischen Armee erhalten und es war ihm ein Regiment verliehen worden. Vgl. L von Hirschfeld: Von einem deutschen Fürstenhofe I, S. 103. 106.

4) Ganz ähnlich heißt es in einem Briefe Friedrich Ludwigs an den Oberhofmeister von Lützow von demselben Tage: Je sais que pour ce qui regarde le service militaire je suis absolument inepte, aussi certainement je n’y pense pas, mais je suis bienportant, j’ai deux bras Meclembourgeois, certainement le coeur allemand, et je ne veux pas quitter d’un pas mon Empereur de Russie, le frère d’une épouse idolatrée, c’est me rendre digne de la revoir, que de ne point le quitter dans un jour comme celui - là. J’ai demandé la permission de suivre et de m’attacher à sa personne et l’Empereur a daigné recevoir mon offre comme une marque de mon zèle et de mon attachement pour Lui.