Montag, den 23. bis Donnerstag, den 26. Mai 1836

Montag, 23. Halber Feiertag, als ehemaliger Pfingst-, hier White Monday. Ging in die Westminster-Abbey, die heute offen steht, heißt das, gegen Bezahlung. Herrliches Innere. Im Stil von Notre Dame, aber schöner, höchstens mit St. Denis zu vergleichen. Alle Kapellen, alle Monumente besehen, erstere vom Führer gejagt, letztere nach Herzenslust. Kaum ist eines dieser Denkmäler schön zu nennen, aber alle zusammen, was machen sie für einen Eindruck! Und das ist nicht tot, wie die Geschichte Deutschlands, sondern lebt im gegenwärtigen Leben, in noch bestehenden Institutionen. Wahrlich, dies Land hat eine Geschichte, wir haben nur Kuriositäten und Begebenheiten. Shakespeares Denkmal eins der schlechtesten.

Abends spielte Macready den Macbeth. Ich ging hin. Es war aber der Feiertagspöbel da, der einen solchen Lärm machte, daß ich nicht ein Wort verstehen konnte. Die Hexen von Männern dargestellt. Ihre Scenen gesungen, zu welchem Ende ganze Chöre von männlichen und weiblichen Hexen zu Hilfe genommen wurden. Der Unsinn, der daraus entstand, kümmerte die Leute wenig. Die Komposition übrigens gut. Die Scene mit Banquos Geist anders genommen als bei uns. Der König sitzt, abgesondert von den Gästen, auf einem Stuhl in der Mitte der Bühne. Wenn er aufsteht, kommt Banquo in seiner gewöhnlichen Kleidung aus der Kulisse und setzt sich. Das macht um so weniger Eindruck, als man seinen Tod nicht gesehen hat und der Mord hinter der Scene vorgeht. Wer steht dafür, daß es wirklich ein Verstorbener ist? Das zweite Mal kommt er von der entgegengesetzten Seite, und da ist sein Erscheinen völlig wirksam, da man aus dem frühern Benehmen Macbeths nun weiß, mit was für einem Gast man zu thun hat. Ich wäre unbedingt für die hiesige Darstellungsart, wenn Banquos Ermordung dem Zuschauer sichtbar vor sich ginge.


Dienstag, den 24. Kann mich durchaus auf die tagweise Folge der Begebenheiten nicht mehr erinnern, will daher nur einiges, wie es mir einfällt, kumulativ hinsetzen; nur für die Abende geben mir die aufbewahrten Theaterzettel einige Richtung. Guildhall besehen, ein sonderbar altertümliches Gebäude, in der großen Halle die beiden Kolosse, Gog und Magog genannt, eigentliche Kinderschreck. Die Bank, die Exchange, Post-office, wo ich einen Brief abgab, aber keinen vorfand. Mansion-House. St. Pauls Kathedrale: Gebäude in neuerem Geschmack, prächtig, ungeheuer, ohne sonderlichen Eindruck von außen und innen. Mit Denkmälern angefüllt, großenteils besser als die in Westminster-Abbey.

Abends in Drurylane, Richard III. Ein neuer Debutant in der Titelrolle. Nicht schlecht, aber ohne alle Großartigkeit. Wütende Parteien im Publikum. Förmliche Gespräche zwischen Galerie und Parterre. Der dort im schwarzen Rocke hat gezischt, rief mein Nebenmann, let him be gone! Das Beste: der kleine Herzog von York, von einem kleinen Mädchen recht brav dargestellt. Die Kostümes ohne individuelle Wahrheit, die Komparserie ärmlich.

Desto mehr Pracht verschwendet auf die Jüdin, das zweite Stück, eine Paraphrase der gleichnamigen französischen Oper. Einzüge, Harnischmänner, zu welchem Ende man einen eigenen Gang ums Orchester herum gebaut hatte, der schon während Shakespeares Richard die Aussicht auf die Bühne störte. Mit aller Anstrengung doch nur ein schwaches Abbild des geschmackvollen Aufwands der Pariser Großen Oper. Hatte das Ding im zweiten Akte satt.

Mittwochs den 25. beschloß ich, den Tunnel zu sehen. Fuhr daher im Omnibus bis zur Bank und suchte von da meinen Weg, da ich nicht wußte, daß eigene Wagen dahin gehen. Hatte mir meinen, ungeheuren, Weg aufgezeichnet, am linken Ufer des Flusses. In die unbekannten Regionen des rechten wagte ich mich nicht. Fand mit vieler Mühe endlich die Wapping Stairs an der Themse und ließ mich hinüberrudern. Eingang. Eine ungeheuere Dampfmaschine empfängt den Besucher. Dann auf hölzernen Treppen hinab. Da liegt nun das Riesenwerk, von Gaslampen taghell beleuchtet. Ein dumpfes Getöse, man weiß nicht, ob von den rauschenden Wassern des Flusses oder (was wahrscheinlich) von der arbeitenden Dampfmaschine, umfängt einen. Tonnengewölbe, unten vom Zirkel nach einwärts abweichend. Beträchtliche Strecke, und doch noch nicht bis zur Hälfte des Flusses fortgeführt. Man kann dem Werke allen Fortgang wünschen, und doch zweifeln am Gelingen. Meinen Namen ins Buch eingeschrieben, und wieder zurück über den Fluß. Aufs höchste ermüdet, bei der Bank in einen Omnibus eingesetzt und nach Hause.

Abends ging ich in ein Theater, weiß aber nicht mehr in welches, und was man gab.

Donnerstag, 26., waren die Docks zu besehen, ein ungeheueres Unternehmen, da die ostindischen wohl zwei deutsche Meilen von meiner Wohnung entfernt liegen.

Erinnere mich erst, daß ich gestern die Londondocks und nebenbei den Tower gesehen hatte. Die ersteren machten mir eben Lust, die übrigen Docks auch zu besuchen. Der Tower weit unter meiner Erwartung. Das Aeußere imposant. Das Innere kostet sieben Schillinge und ist nicht sieben Pence wert. Rüstungen, Waffen; die Kronjuwelen über alle Beschreibung prächtig, besonders die Krone, die allein mehr wert sein dürfte, als das Königreich Dalmatien. Ich war allein. Der altertümlich gekleidete, mit einem Degen in der Hand vor mir herschreitende Aufseher suchte mir daher so viel möglich von den Sehenswürdigkeiten zu entziehen, und ich kümmerte mich wenig, noch mehr alten Wust zu sehen.

Heute also nach den indischen Docks. Bis zur Bank gefahren. In Oldgate fand ich einen neuen Omnibus, der bis zu den East India Docks geht. Bald verlor ich alle Richtung und fürchtete für den Rückweg, wenn ich den Omnibus verfehlen sollte. Ich redete daher einen mitfahrenden Commis an, der ein Kistchen mit sich führte, nach Madras überschrieben, so daß er notwendig meinen Weg nehmen mußte. Er war auch gleich bereitwillig, mir, wenn ich mit ihm auf das Douanenzimmer gehen wollte, alles in den ostindischen Docks zu zeigen und mich dann auf den Weg zu den westindischen zu bringen. Wie gesagt, so gethan. Ich begleitete ihn, dann er mich. Ich staunte die ungeheuern, kokett geschmückten Schiffe an. Groß wie Linienschiffe, scheinbar neu zur Abreise bereit, und wie halb neu von der halbjährigen, stürmischen Reise zurückkommend. Letztere, fremde Tiere, Gazellen, Papageien, seltsame Schweine auf dem Verdecke. Ein Orignalindier in weißem Kaftan. Wir bestiegen zwei der Schiffe. Ein Steuermann war gleich bereit, uns überall herumzuführen. Mahagonimöbel, blendende Reinlichkeit. Der Schiffe kein Ende. Warenhäuser auf allen Seiten. Ein- und Ausladen. Nachen mit Handelsleuten, die sich zu den Schiffen hinrudern lassen. Endlich gingen wir. Bei den westindischen Docks angekommen, schüttelt mir mein neuer Freund die Hand und freut sich, mir behilflich gewesen zu sein. Die Westindia Docks. Wiederholung der vorigen, aber, wenn ich mich recht erinnere, noch ungeheurer, die Schiffe aber kleiner und minder prächtig. Es war schon spät, und ich mußte zu Fuße fort. Auf dem Wege aber holte mich ein Omnibus ein, und ich benützte ihn. Wunderschönes Frauenzimmer unter den Mitfahrenden, scheinbar höchst sittsam. Als sie aber ausgestiegen war, versicherte mich ein Seemann, der neben mir saß und sich um den alten Begleiter derselben sehr zu thun gemacht, ihn auch mit Cigarren beschenkt hatte, es sei leichte Ware und der alte Herr ihr Hüter oder Mäkler. Es war zu spät, um nach Hause zu gehen. Suchte daher einen dining room und geriet zufällig in einen der schlechtesten. Mutton chops, eine Art gerösteter großer Nieren, guter Käse, keine Mehlspeise zu haben. Gutes Ale, recht guter Portwein.

Abends in English Opera House. The middy ashore. Mrs. Keely, der Midshipman, recht gut, ebenso Herr Salter als Bootsmann.

Hierauf Yeoman's daughter, ein weinerliches Drama, aber vortrefflich dargestellt. Dieselbe Mistreß Keeley, die im ersten Stücke den Seekadetten, einen lustigen Burschen, gespielt, jetzt als sentimentale Yeoman's daughter, aber so vortrefflich, so weiblich, so sanft und englisch liebenswürdig, daß ich nicht so bald einen gleich vorteilhaften Eindruck empfangen habe. Gleich gut Herr Serle, als ihr Liebhaber. Der Yeoman, Herr Williams; der Konstabler, Herr Salter; der Rattenfänger, Mr. Romer; alle nach Wunsch.

Man about town durch das ausgezeichnete Spiel eines Mr. Wrench in der Titelrolle ungemein ergötzlich.