Freitag, den 27. bis Dienstag, den 31. Mai 1836

Freitag, 27. Ging in den zoological-garden, Regentspark. An der Kasse angekommen, verweigert man mir den Eintritt, weil die Erlaubnis eines Direktors dazu notwendig sei, was ich, da man einen Schilling bezahlt, nicht vorausgesetzt hatte. Während ich nicht weiß, was zu thun, tritt ein hübscher Mann, eine Dame am Arm, hinzu; unterschreibt eine Karte, gibt sie mir, schreibt eine zweite in der Voraussetzung, daß ich noch ein zweites Mal zu kommen wünschen möchte, und macht endlich von seinem Rechte Gebrauch, mich, als einer der Direktoren, gratis einzuführen, so daß ich mein Geld und noch dazu zwei Karten in der Tasche hatte. Er spricht französisch mit mir und macht mich anfangs auf alles aufmerksam, bald aber trennt uns die Menge, So thätige Gefälligkeit findet man nur in England. Ich durchstreife den wunderschönen Garten und besehe die Menagerie, die ihresgleichen in der Welt nicht hat. Und alles durch Subskription von Privaten. Auf einmal werde ich in meiner Muttersprache angeredet. Es ist ein Deutscher, ein Herr Bulwering aus Livland, den ich schon neulich auf dem Dampfboote nach Windsor getroffen. Wir tauschen unsere Namen aus. Er ist erfreut u.s.w. Fordert mich auf, des nächsten Tages mit ihm und einem seiner in London bewanderten Freunde die Feierlichkeiten des königlichen Geburtstages mitanzusehen. Ich nehme mit Vergnügen an, und wir trennen uns, da seine Tour schon vollendet ist. Ich genieße noch nach Herzenslust den schönen Garten, die warme Sonne und den Anblick der merkwürdigen Tiere. Zwei Elefanten, wovon ein ostindischer der größten Art. Ein Nashorn. Vier, sage vier Giraffen. Was weiß ich noch alles.

Abends ins Haymarkettheater. The housekeeper. Miß Taylor, ausgezeichnet. Ein Herr Vining, zugleich Herr Korn und ein Mann. Er gleich gut, sie etwas schwächer, ja ein wenig gemacht im zweiten Stücke atonement. Ein Bruder des erstern, J. Vining, höchst ergötzlich in der Rolle des Dandy, Captain Popinajy. Alles andere gut. Das Lustspiel ist auf einem hohen Grade der Vollkommenheit in England.


Samstag, den 28. Holte mich Herr Bulwering zur Ausfahrt nach St. James ab. Ich gehe mit ihm in seine Wohnung, wo noch zwei Deutsche und ein alter in London eingebürgerter Franzose sich uns anschließen. Durchstreifen den St. Jamespark, stellen uns am Palaste auf und sehen die Wagen vorbeipassieren. Die Anzahl der Wagen ungeheuer, die Pracht minder, als ich sie mir vorgestellt habe. In Wien ist sie, leider, bei ähnlichen Gelegenheiten größer. Prinzessin Viktoria ein gut aussehendes Mädchen. Die königliche Garde königlich, da kaiserlich zu wenig wäre; vorausgesetzt, daß hier von einem Regiment die Rede ist, und nicht von 60 galonnierten Invaliden auf ausgeborgten Pferden, oder ebenso vielen adeligen Strohjunkern.

Um vier Uhr sollte erst der Einzug der mail-coaches sein, wir beschlossen daher, noch vorher eine Dampfmaschinendruckerei zu besehen, die des Atlas nämlich, in der Nähe des Strand. Gefällig eingelassen, besehen wir das Ganze. Zauberartige Menschenthätigkeit der Maschine.

Den Zug der mail-coaches versäumen wir aus Unkenntnis ihres Weges, und ich gehe mit meinen neuen Freunden in ihr Boarding-House zu Tische. Man ißt recht sehr gut da.

Abends mit ihnen ins Haymarkettheater zu halben Preisen. Sehen ein Ballett Zulema. Nicht so übel. Besonders ein junger hübscher Tänzer, Mr. Massot, und die Favoritsultanin Mlle. Josephine Danse, die auch andern Leuten als Favorite angestanden hätte.

Darauf ein Lustspiel in fünf Akten, married life oder so. Das Stück gut, die Darstellung vortrefflich. Uebersetzt würde es auch bei uns sehr gut gefallen. Gegen ein Uhr morgens nach Hause.

Sonntag, den 29., machte ich mit mehreren meiner Mitkostgänger einen Ausflug nach Highgate und Hamstead in der Nähe von London, berühmt wegen ihrer hübschen Lage. Alles zu Fuß, ermüdend und nicht ganz belohnend. Die Gegend, außer dem wunderschönen Grün, mit unsern nicht zu vergleichen. Ein Lunch, an dem ich aus Erschöpfung mit teilnahm, bloß aus Ale und Käse bestehend, setzte meinen Magen in eine etwas unbehagliche Verfassung. Wir kamen mittags nach Hause, was mir unlieb war, da bekanntlich der Sonntag das langweiligste Ding in London ist. Im Nachhausegehen auf offener Straße ein junger Methodistenprediger, der sich das Heil seiner Mitmenschen sehr zu Herzen nahm, recht gut sprach, aber nur wenig Zuhörer fand. Nach Tisch mochte ich mich mit der häuslichen Unterhaltung nicht begnügen, besonders da am Sonntag nicht einmal Kartenspiel oder Musik geduldet wird. Ging daher aus und durchstrich die Straßen, die ich nur wenig belebt fand zu meinem großen Erstaunen, da ich bei dem Geschlossensein aller öffentlichen Unterhaltungsplätze nicht begreife, was die ungeheure Volksmenge an diesem Jammertage beginnt. Ging aus Ermüdung in eine Weinstube und trank Sherry-Wein, der nicht übel schmeckte, aber, wie die Folge zeigte, doch verfälscht sein mochte.

Montag, den 30. Fühlte gleich beim Erwachen Kopf und Magen widerlich beschwert, wie denn überhaupt gestörte Verdauung und Hartleibigkeit die beiden Plagegeister meiner Reise sind.

Ging demungeachtet, ein paar Kunstanstalten zu besehen. Zuerst in die Nationalgalerie Pallmall, die ich anfangs Mühe hatte zu finden, so unbekannt war sie allen, die ich fragte. Endlich, in einem Kupferstichladen, gab man mir richtige Anweisung. Im gegenwärtigen Lokale ist sie nur provisorisch aufgestellt, daher das Gebäude nicht sonderlich. Die Wahrheit zu gestehen, gefiel sie mir auch nicht besonders. Große Namen, wie mir schien, und mittelmäßige Bilder. An der Echtheit der Claude Lorrains wollte ich zweifeln; ein guter norwegischer Maler versicherte mich aber vom Gegenteile und ihrem hohen Werte. Er mag wohl recht haben und meine Unkenntnis oder kränkelnde Mißstimmung die Schuld tragen. Ebenso kamen mir die Correggios sonderbar vor. Ich bin kein Kenner, obgleich sonst ein ziemlich richtiger Empfinder. Doch das glaubt jedermann zu sein. Die Wilkies jedermann einleuchtend und gewiß vortrefflich. Hogarths Heirat nach der Mode, im Original und, wie natürlich, die Kupferstiche im Ausdrucke weit hinter sich lassend. Für die Wests gebe ich nicht viel. Rembrandts Ehebrecherin vortrefflich angeordnet und beleuchtet, sonst wohl ein wenig gemein. Rubens, wie überall u. s. w.

Hierauf in die British Institution; eine Ausstellung von Privaten, aus ihren Kunstschätzen zusammengestellt. Hier ging mir das Herz auf. Gleich der Galerie im Vatikan, braucht man sich nicht durch Schund und Mittelgut durchzuarbeiten. Nicht viel Bilder, aber alles von Wert. Murillos, die ihren Meister in die erste Reihe der Maler stellen. Velasquez voll strengem Ernst. Niederländer wie gestern gemalt. Die vier Menschenalter von Tizian ließen mich kaum von sich. Den sieben Sakramenten von Poussin konnte ich keinen Geschmack abgewinnen. Diese Claude Lorrains leuchteten mir ein. Zwei Landschaften von Ruysdael, wie man nichts Schöneres sehen kann. Ein Magdalenenkopf von Guido, der an weicher Schönheit nicht übertroffen werden kann, besonders der Mund. Eine heilige Familie von Raphael, entweder nicht von ihm, oder aus einer Zeit, wo er noch nicht Raphael war.

Ich hatte mich mit meinen neuen Freunden schon um halb fünf Uhr zum Essen in eine Taverne zusammenbestellt, da Charles Kemble im Julius Cäsar auftreten sollte und rätlich war, schon um sechs Uhr im Theater zu sein, eine Stunde, wo man in den Boarding-Häusern erst zu Tisch geht. Ging daher nach dem Strand, fand die Gesellschaft, und wir aßen gemeinschaftlich, eine halbe Krone per Kopf. Dafür hatte man Suppe ( real turtle), sehr guten Fisch, in Portionen, daß Christus mit sieben derselben allerdings hätte dreißigtausend Mann speisen können, roast beef, nach Belieben sich selbst von einem Riesenstücke herabzuschneiden, und Käse. Ich hütete mich sehr im Essen, obgleich die Anstrengung des Sehens mir gewaltigen Hunger gemacht hatte. Auf etwas Ale setzte ich guten Sherry, mit heißem Wasser und Zucker gemischt, ein Magenmittel nach hiesigem Gebrauch.

Darauf ins Theater. Dr. Bulwering bestand darauf, ins pit zu gehen, wir fanden aber schon die ungeheuerste Menschenmasse, die sich auf englische Art, d. h. wie die wilden Tiere drängte. Ein paarmal in Gefahr, die Brust zerdrückt zu haben, machte ich mich von meinem Begleiter los und nahm einen Platz in den Boxes, wo ich anfangs ziemlich gut daran war.

Die Vorstellung gut. Sheridan Knowles, als Brutus, nicht besonders, Cassius, Macready, lobenswert. Kemble, der den Antonius gab, vorzüglich in der Scene nach Cäsars Tode und in der Leichenrede ausgezeichnet. Die Volksscenen viel besser, als Aehnliches bei uns. Ich hätte gern das Ganze mit angesehen. Aber als um neun Uhr die Halbpreise eintraten, wurde das Theater im eigentlichen Verstande gestürmt. Die Thüren der Logen aufgerissen. Die kalte Luft drang schneidend in den erhitzten Raum, Keine Möglichkeit, die Eingedrungenen wieder zu vertreiben. Hinter den Rücken der Sitzenden stiegen sie auf die Bänke. Huren drängten sich in jede Oeffnung. Unausgesetzter Wortwechsel, selbst Handgemenge. Da sagte ich Shakespearen im vierten Akte Valet, riß mich durch die Menge und erreichte wie ein gehetzter Hirsch meine Wohnung.

Dienstag, den 31. Mai. Die Tochter des Hauses, wo ich wohne, wurde heute vermählt. Großes Frühstück, auf das wir armen Kostgänger aber bis eilf Uhr mit leerem Magen warten mußten. Es ging dabei auf eine Art steif her, wie man selbst in Deutschland keinen Begriff hat. Nebst dem Bräutigam hielten noch drei bis vier Personen kleine Reden, und eine Anzahl Gesundheiten wurden vorschriftmäßig ausgebracht. Hierauf mit ein paar der hier wohnenden Deutschen nach Greenwich, vorher aber eine der größten hiesigen Brauereien besehen. Manche Einzelheiten kaum so groß, als ich sie mir gedacht, das ganze Etablissement aber so riesenhaft, daß es einen schaudert. Beinahe alles durch eine Dampfmaschine verrichtet, die ziemlich unscheinbar, aber unermüdlich ihren Weg geht und das Verschiedenartigste durch denselben Mechanismus verrichtet. Gerstenvorräte, um eine belagerte Stadt zu proviantieren; Kühlapparate, um darauf Schiffbruch leiden zu können; eine Reihe von vielleicht mehr als 100 Fässern, deren kleinstes 1000, das größte 3500 Barrels hält. 160 Arbeitspferde im Stalle. Hierauf auf dem railway nach Deptford, Der ganze Weg in der Luft auf Bogenbrücken fortgeführt. Dreißig oder vierzig Kutschen, aneinander gehängt, erwarten den Dampfwagen, der sie in Bewegung setzen soll. Man steigt ein. Endlich verkündet ein Schnauben das rückkehrende Ungeheuer. Es wird vorgespannt. Nun stampft es und tobt es, die Bewegung erfolgt. Anfangs langsam, dann rascher und rascher, bis das Ganze ungefähr mit der Geschwindigkeit des Vogelfluges dahinstürmt. Die Schnelligkeit bemerkt man übrigens mehr an dem Vorüberfliegen der Gegenstände, als daß man im Wagen sitzend davon irgend affiziert würde. In sechs Minuten kommt man in Deptford an, was doch eine halbe deutsche Meile entfernt sein mag. Von hier nach Greenwich. Herrlicher Park. Schöne Aussicht. Das Invalidenhaus schöner als ein Königsschloß. Die Kapelle mit den Porträten berühmter Admirale und den Schilderungen großer Seegefechte herrlich, herzerhebend. Die Gesellschaft trennt und verfehlt sich durch unrichtige Zusammenbestellung. Ich und einer der Deutschen, Schulze, finden uns allein. Das Dampfboot nach London geht erst nach fünf Uhr. Gehen daher zur Eisenbahn zurück. Warten auch dort und kommen erst um halb sieben Uhr zum Mittagsessen nach Hause.

Abends in die italienische Oper, Gazza ladra. Rubini wie immer, nicht mein Mann. Tamburini vortrefflich. Lablache hat etwas verloren, nebstdem daß der Podesta wohl nie seine Rolle war. Die Grisi, vortreffliche Stimme, große Geläufigkeit, mitunter mißbraucht. Singt gern zu hoch, was auf mich einen gräßlichen Eindruck macht. Einen großen Moment in Spiel und Gesang habe ich bei ihr nicht bemerkt. Das Haus schön, ungeheuer, die vornehmste Gesellschaft, voller Putz. Da sitzend und wartend, höre ich auf einmal neben mir – Wienerisch sprechen. Ich frage: es sind wirklich zwei Wienerinnen, die eine hier an einen Buchdrucker vermählt, die andere eine Mde. Reichmann aus Wien. Ich hatte in der ersten Freude meinen Namen genannt und war recht vergnügt, als die Buchdruckerin nach meiner Wohnung fragte und mir wiederholt anbot, mich mit einem Professor der deutschen Sprache am Kings College bekannt zu machen, der mir u. s. w. Das war gegen meine Absicht, und ich benutzte die Applaudissements am Ende der Oper, um mich unbemerkt aus dem Staube zu machen. Ich hatte mich den ganzen Tag sehr übel befunden. Jetzt war ich von Durst ausgetrocknet. Da ich keines der hiesigen geistigen Getränke vertragen kann und Wasser am Brunnen auch nicht zu schöpfen wußte, so trank ich ein Glas Ginger-Beer, was mich erquickte und mir sehr wohl bekam. Will dieses Zeug zu meinem Getränke machen.