X. Das Urteil eines englischen Geologen.

1. Die Äußerungen namhafter Geologen (Dr. Neumayr, Dr. Stapff, Dr. Haas), die in den vorangehenden Abschnitten bereits erwähnt wurden, machen es klar, dass die gegenwärtige Gletschertheorie keineswegs so allseitige und unbedingte Zustimmung unter den Geologen findet, als man aus dem scheinbar so sicheren Austreten einzelner Fachgenossen schließen möchte. Gerade diese Zitate zeigen auch, wie schwach fundiert die gegenwärtige Gletschertheorie ist. Mehr noch aber als diese Äußerungen eines Dr. Neumayr, Dr. Stapff u. s. w. dürften die Darlegungen eines englischen Geologen, Namens Howorth, Aufsehen machen. Howorth hat nämlich gerade das Diluvium zum Gegenstande eingehenderen und langjährigen Studiums gemacht, „hat mit vielen Gelehrten darüber gesprochen und gestritten und alle Schwierigkeiten durchberaten,“ das Resultat dieser Forschungen und Beratungen verdient somit besondere Beachtung. Ich will daher der Besprechung dieses Resultates, welches er in einem 1887 zu London unter dem Titel: Howorth The Mamoth and the Flood (Das Mammut und die Flut) erschienenen Werke veröffentlicht hat, einen eigenen Abschnitt widmen.

2. Das Buch ist dem Herzog von Argyll, ehemaligem Vorstand der geologischen Gesellschaft von London und Edinburg - einem schrittstellerisch tätigen Geologen - dediziert, und spricht genannter Herzog sich über die Schlussfolgerungen Howorths sehr günstig aus, ja, adoptiert die Ansichten desselben in mehreren Vorträgen. Howorth scheint nicht an die Inspiration der heiligen Schrift zu glauben, nennt es aber auch unvernünftig, einem Berichte Glaubwürdigkeit abzusprechen, nur weil er in der Bibel enthalten ist (S. X). Früher hat man zuerst Gesetze formuliert und dann gesehen, wie sich die Tatsachen unterbringen lassen (!!); jetzt sammelt man die Tatsachen und zieht daraus das Gesetz. So ist es bei allen Wissenschaften, nur die Geologie hat noch immer die alte falsche (!!) Methode (S. XI). Lyell hat eine solche (falsche) Theorie aufgestellt mit dem Satze: „Die Natur wirkt einförmig.“ „Dies Prinzip ist der Obersatz aller Syllogismen der heutigen Geologie. Ich leugne nicht, dass das Universum durch Gesetze regiert wird, ich protestiere nur dagegen, dass man die Möglichkeiten und die Grenzen des universalen Gesetzes durch unsere (geringe) Erfahrung davon messen will.“ Anormale Vorgänge können nicht auf normale Weise erklärt werden. Will man z. B. die Entstehung der Mondoberfläche durch die Kräfte erklären, welche jetzt auf dem Monde wirken? Ebenso gut könnte man die Pockennarben eines Mannes, der vor zwanzig Jahren diese Krankheit hatte, als Wirkung seines alltäglichen Lebens ansehen. Wir dürfen die früheren Erdrevolutionen nicht nach der kurzen menschlichen Erfahrung bemessen ( S XV)).


Nachdem sich Howorth noch weiter ausgelassen hat über das Unwissenschaftliche dieser Gesetze a priori, bittet er den Leser, alle Schulmeinungen beiseite zu lassen und ihm zu den Tatsachen zu folgen und diese Tatsachen sollen beweisen:

1) Dass eine sehr große Flut oder Katastrophe am Ende der Mammutperiode eintrat, wodurch dieses Tier mit seinen Genossen vernichtet wurde;

2) dass diese Katastrophe eine ausgedehnte Wasserflut verlangt, welche nicht nur das Tier tötete, sondern auch unter kontinuierlichen Lehm- und Kieslagern begrub;

3, dass diese Katastrophe von einer sehr großen nnd plötzlichen Klimaveränderung in Sibirien begleitet wurde, und dass dadurch die Tiere, welche zuvor unter ziemlich gemäßigten Bedingungen gelebt hatten; unter dem Boden gefroren und seither gefroren blieben;

4) dass diese Katastrophe stattfand, als der Mensch bereits die Erde bewohnte;

5) dass diese Katastrophe aller Wahrscheinlichkeit nach dieselbe ist, welche in den Überlieferungen so vieler Rassen als die Urflut erwähnt wird, von der ihre legendarische Geschichte ihren Anfang nimmt.

Man wird nach Howorth unerbittlich zu der Annahme einer kataklysmischen Gewalt gedrängt, durch welche die Erdkruste bedeutend in Unordnung gebracht wurde (XVIII u. XIX). Nunmehr bekennt sich Howorth als Gegner der Gletschertheorie, sowie sie von Agassiz, Eroll, James Geikie aufgestellt wurde. Er bezeichnet die Eistheorie als eine glacilal nightmare = glaciale Alp, d. h. als einen schweren Traum, als ein Phantasiegebilde, als eine Utopie. Er behauptet, dass ein sehr großer Teil dessen, was man der Wirkung des Eises zuschreibe, viel besser durch Einwirkung großer Wassermassen erklärt wird. „Ich kann nicht an interglaciale Perioden glauben, nicht an die physikalische Möglichkeit einer Landeisbewegung aus Hunderte von Meilen über den glatten Boden wie in Polen, nicht an die Möglichkeit, dass das tropische Amerika so vereist gewesen sein soll, dass das Becken des Amazonenstromes mit Eis gefüllt gewesen sei. Ich bemerke dies ausdrücklich, weil ich einzelne meiner Tatsachen nicht mit einem Postulate fundiert haben will, welches ich nicht anders als den wildesten Traum bezeichnen kann, mit dem jemals eine fruchtbare Phantasie die Wissenschaft beschenkt hat“ (S. XX).

3. Nachdem Howorth einige Anschlüsse über Namen und Legenden des Mammuttieres und seiner Genossen gegeben hat, berichtet er, dass in Sibirien zahllose Mammute gelebt haben müssen, da in den letzten zwanzig Jahren allein die Stoßzähne von 20,000 Mammuts in den Handel gebracht wurden, dass auch Deutschland (Donautal), Ungarn, Wallachei, Südengland, Belgien, Ostfrankreich zahlreiche Überreste aufweisen, während andere Länder verwandte Tierformen bergen. In vielen Fällen waren nach Howorth die Mammute ausgezeichnet erhalten, sogar die Weichteile so frisch, als ob die Tiere erst gestern verendet wären. Daraus zieht Howorth den Schluss, dass der klimatische Wechsel plötzlich eingetreten sein und sich auf das ganze Land erstreckt haben musste und adoptiert die Worte Cuviers: „Aber welches auch immer die Ursache war, sie musste plötzlich (also keine allmähliche Vergletscherung!) eingetreten sein. Gebeine von Elfenbein wurden in den Ebenen Sibiriens nur durch die Kälte so vollkommen erhalten. Wäre diese Kälte nur stufenweise (wie bei Vergletscherung!). und langsam eingetreten, so würden diese Knochen, und a fortiori die Weichteile Zeit gehabt haben, sich zu zersetzen, wie dies in den gemäßigten und heißen Ländern der Fall ist. So sollen alle Hypothesen einer graduellen Erkaltung oder langsamen Veränderung in sich selbst zusammen“ (S 97)

4. Es lebten nach Howorth damals offenbar all die Pflanzen und Tiere, deren Überreste in pleistocänen Lagern eingebettet sind, das ganze Jahr nebeneinander, wenn sie auch jetzt unter ganz entgegengesetzten Verhältnissen existieren; während jetzt Eisfuchs, Polarbär, Lemming, Murmeltier und Renntier anderes Klima lieben als Hippopotamus, Löwe und elephas antiquus, gediehen sie damals unter ganz gleichen Verhältnissen (S. 13l). „Pflanzen und Tiere sind in ihrer Konstitution bedeutend elastischer, als man auf den ersten Blick annehmen möchte und können daher bedeuten - deren klimatischen Wechsel ertragen. Wir wollen zuerst die sogenannten Tropentiere betrachten. Der Tiger mit seiner dicken wolligen Decke jagt heutzutage noch das Renntier in der Mandschurei. Man findet ihn auch im Altaigebirge. Über sein Vorkommen in Sibirien, schreibt Lyell, daß der letzte Tiger an der Lena 1828 getötet wurde, 52 ½° nördlicher Breite, in einem Klima, das kälter ist, als jenes von Petersburg. Nach Hodgson findet man Tiger im Himalayagebirge an der Grenze des ewigen Schnees und nach Pennants Berichte im Schnee des Ararat in Armenien. In Verfolgung seines Raubes überschreitet er die gefrorene Meerenge, um die Insel Saghalien zu erreichen. Der Löwe gedeiht in der kalten Atmosphäre der oberen Atlaskette und muß nach Herodot in großer Zahl in Thracien gelebt haben. Der Jaguar wandert von Mexiko nach Norden bis Kentucky, nach Süden bis 42° südlicher Breite. Man findet die gefleckte Hyäne in den abessinischen Bergen 5000 Fuß hoch über dem Meere, genau wie das Kamel die eisigen Winde der tibetanischen Hochebene verträgt und große Pferdeherden die schrecklichen Winter in Irkutsk. All diese Spezies gelten als von Natur aus für marines Klima bestimmt; diese Tatsachen zeigen aber sicherlich, daß alle davon sehr beträchtliche Kälte ertragen können. Es ist übrigens noch ein Tier übrig, welches ein crux für viele Forscher war, ich meine das Hippopotamus. Ich wandte mich an deren Wärter in den zoologischen Gärten und erfuhr, daß Hippopotamus auch im Winter regelmäßig seine Zelle verlässt, bis dieselbe gereinigt ist, während Giraffen und andere Tropentiere den ganzen Winter in ihren Quartieren streng eingeschlossen gehalten werden. Ich hatte neulich die Freude, beim Durchlesen einer Abhandlung des Professors Boyd Dawkins auf folgenden Satz zu stoßen: Die Grenze, bis zu welcher das Hippopotamus Kälte ertragen kann, muß noch weiter untersucht werden, da die Exemplare des zoologischen Gartens in London auch bei frostigem Wetter ihre Bäder nehmen wollen.

Wir wollen nun auf der anderen Seite die sogenannten rein arktischen Tiere, z. B. das Renntier betrachten. In Nordsibirien lebt es gegenwärtig mit dem Polarfuchs und der Schneeeule, an der Lena mit dem Pferde, während es in der Mandschurei die Beute des Tigers ist. Nach Pallas lebte es noch vor nicht langer Zeit im südlichen Ural und lebte sicher in Schottland in der sogenannten früheren Eiszeit, da man seine Knochen in piktischen Broughs fand. Diese Fakta zeigen, daß es für die Tiere wichtigere Lebensfragen gibt, als das bloße Klima. Ist genügend Futter vorhanden und sind noch andere Bedingungen erfüllt, dann kann sich animalisches Leben über größere Breiten ausdehnen, als viele Leute glauben, und viele voreilige Schlüsse verdanken ihren Ursprung dem Außerachtlassen dieses Grundsatzes.

Die Pflanzen sind noch merkwürdiger in dieser Einsicht als die Tiere. Wenn wir denselben einen genügend heißen und andauernden Sommer verschaffen können, so halten sie oft einen langen und strengen Winter aus. Sie müssen, um mich der Ausdrucksweise der Gärtner zu bedienen, ihr Holz reifen, wenn sie dem Frost widerstehen sollen, und nicht die ausnehmend kalten Winter, sondern feuchte und unsichere Sommer sind es, die dem Gärtner von Lancashire seinen Beruf so schwer machen. Während die Feige, die Mandel, die Wallnuss und die Pfirsiche an den Abhängen des Rigi und anderwärts am Vierwaldstädtersee in nächster Nachbarschaft der Schneeberge und an gewissen Orten, wie in Stanz, bei nur zwei- bis dreistündigem Sonnenschein, trotz der langen und strengen Winter gedeihen, wollen diese nämlichen Pflanzen in den britischen Apenninen nicht blühen, wo doch die Winter lange nicht so streng sind. Die heißen Sommer der amerikanischen Union gestatten dem Farmer Maisernte, während derselbe bei uns in England nicht gedeiht nnd dies trotz der sehr langen nnd strengen amerikanischen Winter. So ist es auch mit anderen Pflanzen. Existenzbedingung für sie bilden warme Sommer, dann sind sie ganz gut imstande, kalte Winter durchzumachen. Unsere Frage dürfte am besten illustriert werden durch den Hinweis auf folgende Worte Ermanns: „Trotz des Klimas ist die Flora von Irkutsk reicher, als die von Berlin, indem sie Pflanzen wärmerer Gegenden neben denen arktischer Regionen aufweist“ (S. 132 ff.).

5. Howorth wendet sich nunmehr zur Beantwortung der für uns wichtigsten Frage, nämlich welches denn die Ursache dieses plötzlichen Verschwindens dieser Tiere war. Er bemerkt vor allem (S. 165 - 170), daß sowohl in Sibirien als Europa Tierfossilien selten allein gefunden werden, meistens mehrere zusammen. Dann fährt er fort: Die Weisen, aus welche Tiere verschwinden, sind leicht aufgezählt: Viele werden von den Menschen getötet, viele von anderen Tieren. Abgesehen von diesem gewaltsamen Tode sterben die einen an Marasmus, andere an Krankheiten, andere durch Unfälle, wieder andere durch plötzliche Heimsuchungen, wie ungewöhnliche Dürre, sehr strengen Winter u. s. w. Wir wollen nun bei unserem Falle alle die Todesarten durchgehen.

1) Tötung durch den Menschen ist unmöglich, wegen ungenügender Bewaffnung, weil keinerlei Anzeichen bei den Funden dafür spricht, weil das Begrabensein mit Fleisch und Stoßhörnern direkt dieser Annahme widerstreitet, weil ferner die Funde zu zahlreich sind. Die Annahme einer Tötung durch Menschen ist eine aprioristische Vermutung der gedankenlosesten Art.

2.) Tötung auch durch andere Art Tiere ist ausgeschlossen; denn diese würden diese großen Tiere nicht töten, sie in Haufen aufschichten, ohne sie irgendwie zu verletzen oder zu verstümmeln. Gebeine von Tieren, welche von Fleischfressern getötet und ausgezehrt wurden, können leicht erkannt werden, sie sind benagt und zerbrochen; wir haben es aber mit Haufen von absolut unversehrten Gebeinen zu tun und in vielen Fällen mit Skeletten, welche noch mit Fleisch bekleidet sind.

3) Das Resultat der gewöhnlichen Wirkungsweise der Natur (Krankheiten, Alter) kann diese Erscheinung auch nicht sein. Selbst von Tieren, welche erst kürzlich gestorben sind, findet man selten einen Überrest. Nach Nordenskiöld sterben die Tiere (Polarbär, Wallrosse u. s. w.) in ungezählten Scharen eines natürlichen Todes, und doch findet man in Spitzbergen leichter Wirbeltiere aus der Triasperiode, als Gebeine eines natürlich gestorbenen Vogels, Seekalbes u. s. w., und das Gleiche gilt von südlicheren bewohnten Gegenden ( S.174 ). Ferner widerspricht der Annahme eines natürlichen Todes die Tatsache, daß so viele Fossilien von jungen Tieren gefunden werden; junge Tiere sterben nicht auf natürliche Weise in Scharen. Und wenn der Tod natürlich war, warum blieben die Kadaver von den Raubtieren verschont? Seuchen können ebenfalls nicht angenommen werden, da keine Seuche so allgemein auftritt, daß sie alle Formen irdischen Lebens: Vögel, Feldtiere, Elefanten, Mäuse, Frösche, Rhinozeros, Tiger, Landschnecken, und zwar in der Ausdehnung von zwei Kontinenten, ohne Rücksicht auf Breite und Länge vernichtet; wir finden auch nicht, daß die Tiere an Krankheiten starben, sondern vielmehr in aller Gesundheit.

4) Ein heißer Sommer mag die Ströme austrocknen und die Lebensmittel zerstören; aber wie können wir eine solche Ursache wirkend annehmen nicht bloß für Sibirien, sondern auch in den Mittelmeerländern, von einem Ende Amerikas bis zum anderen? Aus dem gleichen Grunde ist auch ein großer Wälderbrand oder plötzliche Zunahme der Kälte ausgeschlossen. Die Kälte hätte Bär, Schneeeule, Vielfrass u. s. w. nicht getötet, welche damals mit dem Mammut starben. Gebeine verwittern und zerfallen an der Luft sehr schnell. Finden wir nun Gebeine mit intakten Ecken und Muskelanhängsel, in vielen Fällen sogar aneinandergereiht, wie es das Skelett erfordert und zwar über weite Strecken eines ganzen Kontinentes hin und meistens, soweit wir urteilen können, in demselben Zustande und Stand des Zerfalls, so müssen wir schließen, daß diese Tatsachen sich nur durch die Annahme erklären lassen, daß diese Tiere zusammen starben und zusammen vor Verwesung geschützt wurden (S. 180).

Damit sind die gewöhnlichen Todesarten erschöpft. Könnten wir auch durch eine derselben wirklich das Aussterben des Mammuts u. s. w. erklären, so würde damit noch lange nicht die Frage gelöst sein. Die Einbettung der Überreste in ungestörte Lager von dickem Lehm nnd Kies liegt jenseits der Macht all dieser angeführten Todesursachen. Es gibt keine bekannte jetzt noch wirkende Ursache (außer Wasserkatastrophe !), welche dies erklären könnte (S.181). Eine Theorie hält dafür, daß diese Tiere in den Betten der Flüsse vom Schlamme erstickt seien, oder in weichem Grunde tiefliegender Sümpfe. Allein die Erfahrung hat nach Wrangell gezeigt, daß mehr Mammutgebeine in Erhebungen, auf Anhöhen gefunden wurden, als längs der niederen Küste. Ferner hätte plötzlich eine große Menge Schlamm die Tiere überfallen müssen; aber die Flüsse Sibiriens lagern nicht so viel Schlamm ab.

Die Tatsachen zwingen uns also zu einer unabweisbaren Schlussfolgerung, nämlich daß das Mammut und seine Genossen infolge einer weit ausgedehnten Katastrophe, welche über weite Länderregionen sich erstreckte, zu Grunde ging und nicht durch die langsamen Vorgänge des gewöhnlichen Kampfes um das Dasein (S. 183 ). Welches war nun diese Katastrophe? Wir brauchen eine Ursache, welche die Tiere tötet, ohne ihre Leiber in Stücke zu zerbrechen, ohne sie zu verstümmeln, eine Ursache, welche nicht bloß tötet, sondern auch begräbt, eine Ursache, welche Kies nnd Lehm ausnimmt und niederlegt, welche Tiere der verschiedensten Größe und Spezies zusammenschwemmt und sie mit Baumtrümmern und anderen vegetabilischen Resten mengt. Nur eine Wasserflut in großem Maßstabe kann dies bewirken, nur sie allein. Für eine solche gibt es sogar direkte Beweise. 1) Brandt spricht von dem berühmten Rhinozeros, welches Pallas an der Wilui fand: „Bei einer sorgfältigen Untersuchung des Schädels konnte man bemerken, daß die Blutgefässe und selbst die feinen Kapillargefäße mit braunem, geronnenem Blute gefüllt waren, welches an vielen Stellen noch seine rote Farbe behalten hat.’’ Dieses ist nun gerade der Beweis, welchen wir anwenden, um zu sehen, ob ein Tier ertrank resp. erstickte. Asphyxie ist immer begleitet von Anfüllung der Kapillargefäße mit Blut und die Tatsachen rechtfertigen jedenfalls die wahrscheinliche Annahme, daß dieses Rhinozeros das Opfer des Ertrinkens war. 2) Schrenck untersuchte den Schädel von Rhinoceros Merckii, welches bei einem Nebenfluss der Nana gefunden wurde, und entdeckte, daß die Nüstern weit geöffnet waren, ebenso das Maul, woraus man schließen kann, daß das Tier erstickte, es sperrte Nüstern und Maul weit auf, um dem Tode des Erstickens zu entgehen. 3) Das vorkommen großer Lager, in welchen die Gebeine von vielen Spezies wilder Tiere durcheinander gemischt sind, oft an hohen Stellen, läßt sich nur durch die Annahme erklären, daß sie einen Zufluchtsort suchen mußten beim Herannahen einer Wasserflut, wie auch jetzt noch in den Tropen bei großen Fluten der Tiger und seine Opfer zu einem trockenen Zufluchtsorte fliehen. In unserem Falle wurden sie trotzdem zuletzt vom Wasser erreicht, gemeinsam erstickt und ertränkt und dann mit einem dicken Mantel von Lehm und Sand bedeckt, einem Mantel, welcher wohlgemerkt ungeheure Strecken ohne einen äußeren und inneren Bruch bedeckt und in welchem wir keine Spur lokaler Störung entdecken können, welche notwendig bei nachfolgender Bestattung hätte verursacht werden müssen, und welcher Mantel zeigt, daß Gebeine nnd Decke zusammen abgelagert wurden.“

Zum Schlusse dieses Abschnittes (7.), bemerkt sodann Howorth: „Das Zeugnis ist nicht nur gewichtig, sondern strömt von allen Seiten herbei, während auf der anderen Seite (Gletschertheorie!) nichts vorhanden ist, - soweit meine ausgedehnte Lektüre mich schließen läßt - außer ein phantastisches Anklammern an eine Uniformitätstheorie, welche gegen jede Art einer Katastrophe sich sträubt.“ Dann führt Howorth das Zeugnis Ermanns an, der Sibirien genau durchforscht hat und hierin Auktorität ist, und der sich so vernehmen läßt: „So ist es klar, daß zur Zeit, als Elefanten und Baumstämme übereinander gehäuft wurden, eine Flut sich ausbreitete vom Zentrum des Kontinentes bis zur äußersten Grenze.“

6. Im Zusammenhang mit den Funden in den Ebenen und auf Hügeln stehen die Funde in Höhlen und Spalten, weshalb diese von Howorth sofort im folgenden Kapitel (8) besprochen werden. Der Höhleninhalt gestattet, die Höhlen in verschiedene Klassen zu teilen und zwar in drei, nämlich

1) solche, welche Skelette und unbenagte Knochen enthalten,

2) solche, welche benagte enthalten, also aus Raubtiere deuten,

3) solche, welche Überreste von Menschen bergen. Die Skelette befinden sich oft noch ganz in der natürlichen Anordnung, können also nicht durch eine gewöhnliche Wassertrift dorthin gerollt worden sein, da sie sonst unregelmäßiger zerstreut worden wären. Dennoch aber deutet die Anordnung notwendig auf eine Flut, welche nach den Untersuchungen Delgados in den portugiesischen Höhlen den Höhleninhalt teilweise hin und her schleuderte, und den Schlamm, in welchem die Gebeine eingebettet sind, hineinführte: „Sollte man annehmen,“ schreibt Buckland über den Diluvialschlamm der Bialshöhle, „daß dieser Lehm oder diese Erdmasse vom Staub, welcher sich von der Decke der Höhle abgelöst habe, herrühre, so ergibt sich sofort die Unhaltbarkeit dieser Meinung, indem der Kalkstein der Decke ganz nnd gar andere chemische Zusammensetzung aufweist, als dieser Lehm, dagegen stimmt er wohl mit dem Diluviallehm der Nachbargegenden überein.“ Die Ablagerungen im Diluviallehm finden sich so gleichmäßig verteilt, daß nur an eine Wasserflut gedacht werden kann. Teile von Überresten hängen sogar an der Decke. Jeder Howorth bekannte Höhlenforscher hat dies zugegeben. Bäche oder Ströme konnten durch diese Höhle nicht geflossen sein, da letztere oft 100 Fuß höher liegen als die gegenwärtigen Bette der nächsten Flüsse, da ferner diese Flüsse den Höhleninhalt fortgeschwemmt hätten und überhaupt gar kein Anzeichen dafür spricht, daß dort Flüsse fluteten. Lokale Landfluten reichen auch nicht aus, da unermessliche Landstrecken, ganze Kontinente mit ganz gleichen Höhlenverhältnissen in Betracht kommen. „Eine große Flut dagegen ist exakt imstande, all die Resultate, wie wir sie in den Höhlen finden, hervorzubringen und alle Schwierigkeiten zu lösen. Sie erklärt, wie keine andere mir bekannte Ursache das Vorhandensein einer Decke über den Gebeinen in den Höhlen, eine Decke, welche ganz genau dem über Berg und Tal in den angrenzenden Distrikten ausgebreiteten einförmigen Mantel gleicht, dessen Einförmigkeit und ununterbrochene Contour unabweisbar eine allgemeine Ursache für seine Verbreitung fordert.“ M. Marcel de Serres hat schon vor langer Zeit darauf hingewiesen, daß dieses Zusammentreffen des Höhleninhalts mit dem Diluvialmantel in den Ebenen und aus den Hügeln zu auffallend und zu allgemein sei, als daß man nicht auf eine gemeinsame Ursache, die zu gleicher Zeit wirkte, schließen müsste. Derselbe Autor bemerkt auch, daß die Gebeine enthaltenden Höhlen nur unter der Linie des sogenannten Diluviums sich findet, daß der „Mantel“ bis zu einer Höhe von 700 - 800 m sich zeige, daß die Gebeine nur in Höhlen liegen, welche solche gerollte Steine und Kiesel enthalten, wie sie im sogenannten Diluvium vorkommen. Diese Tatsachen zeigen, daß die Füllung der Höhlen ein Element in der allgemeinen Bewegung war, welche die pleistocänen Lager so einförmig über das Land verbreitete.

7. Howorth bespricht nun, nachdem er bisher hauptsächlich auf Sibirien Rücksicht genommen hatte, die Funde von Mammut u. s. w. in Europa, Nordafrika, Nordamerika, Südamerika, Westindien, Australien, Neuseeland und kommt überall zur gleichen Schlussfolgerung einer gewaltigen, weitverbreiteten Wasserflut. Das Kapitel 9 beschließt er mit folgenden Worten: „Ich behaupte mit aller Zuversicht, daß ich den Satz bewiesen habe: Die Exstinktion des Mammuts in der alten Welt war plötzlich und erstreckte sich über eine weite kontinentale Landoberfläche und schloß in sich weit verbreitete Hekatomben von Menschen sowohl als anderen Geschöpfen. Diese Destruktion war verursacht durch eine Wasserflut, welche sich über das Land ergoss, die Lebewesen ertränkte und ihre Reste begrub, diese Katastrophe bildet einen großen Bruch in der menschlichen Kontinuität sowohl als in der biologischen Geschichte der Tiere, ist das große ,,Divide“ bei Beginn der geschichtlichen Zeit.“ An dieser Stelle will ich bemerken, daß Howorth von der Flut einzelne Länder oder Inseln ausnimmt, von denen sich dann nach der Flut die Tiere wieder verbreitet hätten; man sieht also, Howorth nimmt auf den Bericht der Bibel, wonach Tiere in der Arche gerettet wurden, keine Rücksicht.

8. Den Schluss des Buches bildet eine interessante Abhandlung über die entsagen der Völker. „An sich ist es nicht unwahrscheinlich, dass, wenn eine Wasserkatastrophe wirklich eintrat, sie auf die Überlebenden einen solch tiefen Eindruck machen musste, dass sie in deren Tradition fortlebte und wenn diese Tradition in verschiedenen isolierten Lokalitäten vorkommt, so vermehrt das ohne Zweifel deren Bedeutung und Gewicht. Die Ägypter glaubten, dass die Götter die menschliche Rasse in früher Zeit wegen ihrer Widerspenstigkeit und Bosheit zerstörten. Der Bericht findet sich in einem Grabe in Theben, publiziert und übersetzt ins französische von E. Naville. Abbé Bigonroux kommentiert diesen Bericht: Die Ägypter haben die Erinnerung an die Zerstörung des Menschen bewahrt, aber da für sie eine Überschwemmung Leben und Wohlstand war, so änderten sie die Legende. Die Menschenrasse wurde, statt durch Wasser vernichtet zu werden, auf andere Weise getötet, und die Überschwemmung, der jährliche Segen des Nils, wurde in ihren Augen das Mittel, wodurch sich Gottes Zorn besänftigte.’’ Es werden sodann die chaldäische und andere Sagen besprochen, daran reiht sich die Erwähnung der chinesischen. Der chinesische Fohi (Fuhhi) ist gleich dem biblischen Noe; er entrann der Flut mit Weib, drei Söhnen und drei Töchtern, so berichtet Yiking, ein altes klassisches Werk der Chinesen. Interessant sind die Fluttraditionen in Amerika; bei 120 verschiedenen Indianerstämmen fanden sie sich und ein jährliches Fest, genannt O Kee Pa, wird zur Erinnerung an die Flut gefeiert. Auch Australien und Polynesien liefern ihren Tribut. „Ich stelle dieses Zeugnis neben die anderwärts erhaltenen Ergebnisse, um die Einmütigkeit der Zeugnisse darzutun. Induktion von Paläontologie und Archäologie treiben uns zu denselben Schlussfolgerungen wie legendarische Mythe und Erzählung der zerstreuten Menschenkinder. Alles deutet nach meiner Anschauung auf eine weitverbreitete Katastrophe, welche eine Flut in großem Maßstabe einschließt. Ich kann nicht einsehen, wie der Historiker, Archäologe und Paläontologe es abweisen kann, in Zukunft diese Schlussfolgerung zum Hauptfaktor seiner Untersuchungen zu machen, und ich wage es zu hoffen, daß in kurzem die Conclusio allgemein als unanfechtbar angenommen wird“ (S. 463)

So steht also Howorth bezüglich der gegenwärtigen Gletschertheorie auf dem gleichen Standpunkte, wie ich: er erklärt sie für unhaltbar und zwar auf Grund der nämlichen Tatsachen, die auch ich in früheren Kapiteln erwähnte. Wer sollte sich, solchen Tatsachen gegenüber, besserer Einsicht verschließen?


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sündflut oder Gletscher?