II. Umfang der angeblichen Vergletscherung.

1. Wir müssen uns vor allem ein klares Bild von der Ausdehnung jener angeblichen Gletscher der Vorzeit machen, weshalb ich dem Geologen Dr. Neumayr das Wort gebe.
Derselbe schreibt (Erdgeschichte II. S. 561 ff.):

„Im Rhonethale tritt der großartigste unter allen diluvialen Gletschern auf, der auch, was den Trausport riesiger Blöcke anlangt, von keinem anderen erreicht wird. In mächtigem Strome erreicht er den Gebirgsausgang, er überschreitet den Genfer See und breitet sich dann über dem niedrigen Lande zu einem unabsehbaren Eismeere aus . . . Jenseits des Genfer Sees schob er sich über das ganze niedrige Hügelland bis an das vorliegende Juragebirge vor; hier aber stellte sich diese Gebirgskette hemmend in den Weg, das Eis konnte nicht weiter vorrücken und breitete sich nun über die Niederung zwischen Alpen und Jura aus; es teilte sich hier in zwei Arme, die sich nach entgegengesetzter Richtung bewegten, der eine folgte dem Rhonethal nach Südwesten und drang hier, durch den aus dem Arvethale von Chamonix kommenden Gletscher verstärkt, bis in die Gegend von Lyon vor. Hier schloß sich ihm der Gletscher des Jsèrethales an und beide vereint erstreckten sich noch weiter nach Süden. Der andere Ast des Rhonegletschers drang nach Nordosten über die Gegend des Neuchateler und Bieler Sees, über die Stätten des heutigen Freiburg und Bern und durch das untere Aarthal bis Aarau vor, so daß dieses Ende des Eisstromes von dem südwestlichen mehr als 300 km entfernt liegt.


Gegen Osten gelangen drei viel kleinere, aber doch noch sehr bedeutende Eisströme in das Vorland, welche den Thälern der Reuß, der Aar und der Linth entstammen . . . Weiter östlich folgt dann wieder ein großartiger Gletscher ersten Ranges, welcher sich aus dem Rheinthale vorschiebt . . . Die Hauptmasse dieses Gletschers ging dein Rheinthale entlang, bedeckte die ganze Fläche des Bodensees und drang, da hier kein Gebirge hemmend in den Weg trat, in riesiger Breite weit nach Norden vor, den größten Teil der oberschwäbischen Ebene bis in die Gegend von Sigmaringen und Bibrach verhüllend. Die weiteren Gletscher, welche nun folgen, sind von geringerer Bedeutung; namentlich aus den Thälern der Jller, des Lech, der Wertach, der Amper, der Loisach, der Isar treten sie in die Ebene heraus; ihre Ausdehnung ist viel geringer, als die des Rheingletschers, aber immerhin ist dieselbe genügend, um eine weite Ausbreitung in der subalpinen Ebene zu gestatten, so daß sie hier untereinander und mit dem Rheingletscher verfließen, und wir haben daher eine zusammenhängende Eiswüste, welche sich am Nordrande der Alpen von Lyon bis Holzkirchen, südlich von München, erstreckte.

Die Größe des Inngletschers entspricht der großen Länge seines Laufes und der Menge bedeutender Zuflüsse, welche er erhält, aus den Thälern der Rosanna und Trisanna, aus dem Ötzthale, Pitzthale, aus dem Zillerthale und einer Anzahl kleinerer Ouerthäler. Das weite Innthal kann diese ungeheueren Eismassen nicht fassen; wo eine tiefere Einschartung des nördlichen Gehänges vorhanden ist, schieben sich Gletscherströme hinüber in das Gebiet des Lech, der Loisach, Isar u. s. w.

Östlich vom Inngletscher streckt sich noch der Salzachgletscher, der das Eis von der Nordseite der hohen Tauern führt, weit über die Ebene hinaus. Von den östlicheren Vorkommnissen ist der Ennsgletscher weitaus am bedeutendsten; in großer Mächtigkeit schob er sich thalabwärts, er sandte bedeutende Seitenäste nach Norden, von denen einer durch das Traunthal nach dem Salzkammergute zog, während ein anderer über den Paß am Pyrn in das Steierthal eindrang . . . Der östlichen Region der Alpen gehört, abgesehen von zahlreichen kleinen Gletschern, ein gewaltiger Eisstrom an, welcher von der Südseite der Tauernkette und aus einem Teile der Dolomitregion kam und sich durch das Drauthal nach dem mittleren Kärnten wälzte; hier wurde er durch einen mächtigen Zufluß aus dem Gailthale verstärkt und breitete sich über den größten Teil des Landes aus . . . Was die Gletscher der Südalpen anbelangt, so waren solche in allen namhafteren Thälern in bedeutender Mächtigkeit vorhanden.

Den Nordrand der Alpen umsäumt von Südfrankreich bis etwa an die Grenze von Oberösterreich und Salzburg eine kaum unterbrochene ungeheure Wüste von flach ansteigendem Inlandeise, das an manchen Stellen eine Breite von 70 km erreichte ... Die Mächtigkeit der Gletscher überstieg oft 1000 m.

2. Schweden und Norwegen zeigen überall die deutlichsten Zeichen einer überaus starken Vereisung, auch Finnland mit seinen zahllosen Seen, ferner die russischen Ostseeprovinzen stellen mächtige Mittelpunkte dar, von welchen die Vereisung ausging . . . Die westlichsten Ausläufer der Vereisung in der norddeutschen Ebene finden wir in der Gegend der Rheinmündung , bis zu welcher von Norden her die nordischen Geschiebe in Menge auftreten; südlich vom Rheine werden sie selten; doch finden sie sich noch auf ziemlich bedeutende Erstreckung, so daß fast ganz Holland und ein Teil von Belgien in den Bereich derselben fallen. Von hier aus verläuft dann die Grenze durch Westfalen, das südliche Hannover und Braunschweig, dem Rande der mitteldeutschen Gebirgslandschaft entlang, so daß also der Teutoburger Wald und der Harz dem Eisstrome ein Ende setzten. Östlich vom Harz sprang dann das Eis weit nach Süden, nach Thüringen vor, und bedeckte den größten Teil von Sachsen, wo die Grenze der Vergletscherung südlich von Zwickau, Chemnitz, Dresden und Zittau vorüberzog und dann vom Fuße des Lausitzer Gebirges, des Riesengebirges und der Sudeten durch Schlesien zum Fuße der Karpathen verlief, dem es dann durch Galizien folgte. Von hier aus tritt die Südgrenze des Eises bei Brody auf russisches Gebiet über, dasselbe überschreitet die Wolga; endlich erreicht die Grenze entweder zwischen dem weißen Meer und dem Taimyrgebirge das Eismeer oder das skandinavisch-finnische Eis stießt mit demjenigen zusammen, welches sich selbständig im Gebiete des Taimyrgebirges und des nördlichen Urals entwickelt (580).

Auch das Becken der Ostsee mußte während dieser Zeit ganz mit Eis erfüllt fein, dasselbe muß von der Nordsee gelten . . . Sämtliche Gebirge der britischen Inseln bildeten selbständige Gletscherzentren , welche ganz Schottland, England und Irland, mit Ausnahme des Südrandes vereisten . . . Nach alledem wäre die von dem nordischen Landeise bedeckte Fläche über 6 Millionen Quadratkilometer groß, an Umfang etwa zwei Dritteln von Europa gleich, ein Gebiet, in welchem vielleicht kaum einer oder der andere Gipfel aus der Gletscherdecke hervorragte . . . Die Dicke des Eises in Skandinavien müssen wir auf mehr als 2000 m anschlagen und kaum geringer kann sie in Finnland und in den russischen Ostseeprovinzen gewesen sein, da z. B. die baltischen Gletscher ihre Geschiebe bis nach Holland sandten (II. 594 ff)

3. Glacialerscheinungen werden auch aus der Sierra Nevada und aus der Sierra Morena angeführt, größere Entwicklung erreichen die diluvialen Gletscher in den Pyrenäen. Im Schwarzwalde und in den Vogesen waren erhebliche Gletscher vorhanden, dagegen scheinen dieselben im bayerischen und Böhmerwald nu geringe Bedeutung erlangt zu haben. Schwache Eisströme hat Partsch auch im Riesengebirge, Kayser im Harze nachgewiesen. Verhältnismäßig ziemlich geringfügig im Vergleiche zu dem außerordentlichen Raume, den sie bedecken, zeigen die Karpathen Spuren alter Glacialerscheinungen; in bedeutendem Maßstabe waren Gletscher nur in der hohen Tatra entwickelt. Auch im Kaukasus waren große Eismassen vorhanden (597, 599)

Thianschan, Himalaya, Kapland, Nord- und Südamerika zeigen Gletscherspuren; was wir in Amerika kennen lernen, übertrifft sogar die Erscheinung des großen nordeuropäischen Landeises. Die Mächtigkeit muß eine enorme gewesen sein; an der Nordseite von Mount Washington, der höchsten Spitze der weißen Berge in New-Hampshire, reichen die Glacialablagerungen bis zu einer Höhe von 1770 m“ (627, 628). „In Nordamerika bedeckten die Eismassen einen Raum von 361,000 Quadratmeilen, d. h. einen dreimal so großen Raum, als das europäische Eis“ (Penck, Vergletscherung der deutschen Alpen S. 452).

4. Aus all diesen Schilderungen geht hervor, daß ein sehr beträchtlicher Teil der Erde vergletschert gewesen sein soll, daß sich die Gletscher besonders in Flußthälern bewegten und ihre Last in der Ebene absetzten, eine Erscheinung, die auch bei Flutgewässern zu beobachten ist und die also keineswegs zu ungunsten der Fluttheorie spricht, denn auch bei einer großen Flut werden die Gewässer von den Bergkämmen herab durch die Thäler sich wälzen und Steine und Gerölle in der Ebene abladen. Doch eine Flut kann unmöglich die sogenannten Glacialphänomene bewirken, behaupten die meisten Geologen; die Wirkungen des Eises, der Gletscher seien so charakteristisch, daß sie jede andere Deutung ausschließen. Es entsteht daher die Frage, welches denn die Anzeichen der Vergletscherung sein sollen. Nach Heim (Handbuch der Gletscherkunde 1885, S36 ff.) sind es folgende:

  1) Die erratischen Blöcke oder Findlinge,
  2) die alten sogenannten Moränen,
  3) der alte geschichtete Gletscherschutt,
  4) alte Gletscherschliffe,
  5) Riefentöpfe,
  6) erratische Pflanzen,
  7) erratische Tiere.

Lassen sich diese sogenannten Glacialphänomene auf gar keine andere Weise erklären, resp. können 1 – 3 nur durch Transport mittels Eises an ihren gegenwärtigen Lagerungsort gelangt sein, dann haben allerdings die Geologen recht und ich gebe mich ohne weiteres für besiegt. Gibt es aber für diese Phänomene auch eine andere Erklärung, dann hat neben der Gletschertheorie auch eine andere Theorie ihre volle Berechtigung. Sprechen aber gewichtige Gründe dafür, daß obige Erscheinungen oder wenigstens einige derselben durch Gletscherwirkungen nicht erklärlich werden, wohl aber durch eine Flut, dann ist die gegenwärtige Gletschertheorie unhaltbar und tritt die Fluttheorie in den Vordergrund. Letztere Eventualität scheint mir bereits eingetreten zu sein, wie ich im nachfolgenden darlegen will, indem ich die einzelnen sogenannten Glacialphänomene eingehend bespreche.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sündflut oder Gletscher?