Renaissancegärten der Fürstenhöfe

Anders wie im Leben der Bürger und ihrer Städte geht die Entwicklung an den Fürstenhöfen; sie streben in steter Weiterentwicklung nach Neuem, sie schreiten fort mit der lebendigen Kultur ihrer Zeit: die politischen Gruppierungen, die weitgreifenden Pläne staatlichen Ehrgeizes der Großmächte erziehen sie zu eigenem Handeln, zu staatlicher Selbständigkeit: sie lernen einen eigenen Willen zu bekunden in der Unruhe und den Kämpfen, in der zersplitterten Vielheit politisch-religiöser Widersprüche, in die die großzügigen Umwälzungen der Renaissance und Reformation bald ausgeartet.

In Oberdeutschland sind diese Gegensätze verschärft: das Leben wird von vielseitiger Politik in steter Erregung gehalten;


Habsburg zieht hier durch von seinen östlichen Ländern nach Italien und Spanien: es steht in Verbindung mit den Bayerischen Kurfürsten. Im Westen, nicht weit davon, wacht Frankreich, die katholische Weltmacht beneidend, seinerseits Beziehungen mit den reformierten süddeutschen Fürsten von Hessen, der Pfalz und Württemberg unterhaltend.

Wenn so starke Gegensätze auf engem Raum ihre Macht gegeneinander stellen, da treibt noch vor dem vernichtenden Kampf jeder seine Lebenskräfte zu reicher Entfaltung und sucht kulturell Boden vor seinem Gegner zu gewinnen. Nachdem Frankreich den Vorteil eines neu sich entwickelnden Staatslebens gewonnen, dringt jetzt die Kraft dieses Neuen in die deutschen Fürstenhöfe, die in eigener staatlicher Entwicklung sich an dem großen Nachbar ein Vorbild nehmen und Schritt für Schritt abhängig werden von seiner Kultur 73). So steigert sich bei diesen Fürsten das Hofleben, in kleinem Maßstab das Ausland wiederholend, auch hier sich stützend auf die innere Entwicklung des Absolutismus und seines Beamtenstaates, als eine letzte Folge der Renaissance, deren individualistische Befreiung den Fürsten denAbsolutismus gegeben, so in letztem Maß die von ihr geforderte Freiheit ins Einseitige treibend, um auf der anderen Seite um so mehr Zwang und Beschränkungaufzuerlegen.

Abb 34. Der Kielmännische Garten bei Wien, aus Merians Top. (Österreich 1649.) (S. 42.)

Es ist interessant zu verfolgen, wie diese Fürstenhöfe ihr Leben mit dem zur Mode gewordenen äußerlichen Glanz umgeben, wie bei ihren Residenzen jetzt weite Gärten entstehen in zierlicher Gestalt einer in scharfe Formen gezwungenen Pracht, wie die Gesellschaft hier im täglichen Leben künstliche Unterhaltung sucht, oder wie bei rauschenden Festen die Scharen geschmückter Menschen ihre weiten Räume durchfluten und fröhliche Veranstaltungen erleben.

Jetzt treten an diese Gärten neue Anforderungen heran, jetzt muss ihr Zweck ein anderer werden, nach einer neuen Gestaltung muss man suchen: Es ist eine Steigerung der einzelnen Zierfelder der früheren kleinen Gärten zu einem Reichtum und einer Pracht des Ausdrucks, was allein die ganze Anlage beherrschen soll.

So werden Einzelgärten der Reihe nach aneinandergelegt, um die große Fläche des Ganzen zu füllen; die Zierlichkeit und der Luxus ihrer Einzelheiten werden gesteigert, um die Pracht und den Wert der Gesamtanlage zu erhöhen; es wird auch versucht, durch starkes Zusammenfassen weite Bezirke zu umschließen und für das Auge in einheitlichem Maße zu umgrenzen.

Der Hof der Pfälzer Kurfürsten in Heidelberg steigert die Kultur der Renaissance zu einer Höhe, die ihn weit über alles in Deutschland stellt: auch seine Politik gibt ihm diese Macht, dass er als Haupt der deutschen Kalvinisten, den Reformierten fern, sich selbständig zu Frankreich, Holland und England wendet; so bietet er in Deutschland Habsburg die Spitze, und die Frage ist nahe, ob Habsburg oder die Pfalz hier herrschen soll; der Königstraum in Böhmen gibt dann die Entscheidung.


Abb. 35. Das Parterre, darinnen die Seulen stehet“, aus Sal. de Caus Hort. Pal. (S. 47.)

Aber dieser Traum des jungen Fürsten und seiner Gemahlin, der in liebreizender Pracht strahlenden englischen Königstochter, ist entstanden auf dieser Höhe fürstlichen Lebens, auf die schon seine Vorfahren den Hof zu Heidelberg gebracht hatten in Glanz, Reichtum und Macht. Was sie in Arbeit und Kämpfen zusammen mit ihrem Volk an Kultur gewonnen 74) hierauf baut das junge Paar sein Leben auf; aber verwöhnt von französisch-leichter Art, befangen in dem jungen Glück ihrer Liebe, beachten sie Beide nicht den ernsten Hintergrund der Geschichte ihrer Zeit; in sorglosem Leichtsinn geben sich Beide offen und zwanglos ihrem Leben hin und wollen nur die Pracht und den Glanz ihrer Fürstlichkeit genießen. Pracht und Glanz ist der Ausdruck dieser kurzen Jahre ihrer Heidelberger Residenz 75). Bei diesem Fürstentum ist das Herrschen schon zu einer Form getrieben, dass die Grenze zwischen verdienter oder nur ererbter Größe schwankend geworden; es steht der Charakter seines Wesens schon nahe den Sitten der späteren, absoluten Zeit.

Die Bauten des Schlosses sind auf der Höhe ihrer Anlage: geworden während patriarchalischen Verhältnisses zwischen Fürst und Volk haben sie ihre Pracht gesteigert und vollendet; die kommende Zeit lässt den absoluten Fürsten anders wohnen, um sein Herrschen auszudrücken; mit der Zerstörung des Schlosses geht zugleich die alte Art seiner Fürsten unter. Die Regierung des Winterkönigs war die letzte in gesteigerter Pracht einer langen Kulturperiode. In dem Verlangen nach Pracht dieser letzten Zeit, unter der Einwirkung des alten Schlosses ist der Heidelberger Garten entstanden.

Abb. 36. „Das Feld uf die Art eines Laubwerkes zugerichtet“, aus Hort. Pal. (S. 47.)

Die Anlagen seiner Vorgänger lagen noch am Fuß des Schlossberges unten in der Stadt: der Herrengarten, der eigentliche fürstliche Lustgarten „zwischen der heutigen Friedrichstraße und Märzgasse, wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Turnierplatz angelegt, und diese Anlage ist es, welche Pfalzgraf Otto Heinrich im lahre 1545 durch den Ankauf von neun verschiedenen Grundstücken, und die Kurfürsten Friedrich II. und III. und Pfalzgraf Wolfgang durch vier weitere Ankäufe in den Jahren 1546—1564 vorbereiteten und möglich machten“ 76). Er war vor allem also der Turniergarten, der Platz für die Ritterspiele, die die Feste dieser Zeit ausfüllten, ,,schöne uffzüge, zum Ringle rennen, Stengle brechen über die Bargen und Kübelstechen ....“ 77) Dies gab ihm seine Bedeutung und Wichtigkeit und erklärt sein häufiges Erwähntwerden in Berichten aller Art.

Seine Darstellung in der großen Merianschen Stadtansicht von 1620 78) der ausführlichsten, die erhalten, zeigt daher auch deutlich das langgestreckte Lusthaus gegen Süden und vor ihm die umzäunte Rennbahn; die weitere Viereckteilung der Gartenfelder mit Brunnen in ihren Mittelpunkten, nach Westen ein für sich geschlossener Baumgarten, sie bleiben mit ihren Einzelheiten bei dem kleinenMaßstab ohne bestimmte Form. Auch in dem „großen Sammelband“ des Stuttgarter Kupferstichkabinetts unter den getuschten Federzeichnungen der Heidelberger Ansichten unter Nr. 370 79) ist der Herrengarten zu erkennen, hier von Süden nach Norden gesehen. Aber es sind auch hier die Angaben so flüchtig, dass für das Gartenbild Bestimmtes nicht daraus erkannt werden kann.

In Berichten werden vor allem die seltenen, schönen Gewächse gerühmt, die Feigen-, Pomeranzen- und Zitronenbäume 80), deren sorgsame Pflege schon damals in Fachkreisen bekannt war 81). Von Otto Heinrich wissen wir, dass er mit dem Fuggerschen Haus italienische Reben, Zypressen-, Lavendel- und Margerantenbäume (Granatbäume) gegen kurpfälzischen Wein austauschte 82, 83).

Aber dem Garten fehlte noch die alles beherrschende Pracht seiner Anlage, die jeder Zierform ihren Reichtum und Ausdruck geben musste. Die alten Anlagen seiner Väter konnten hierin dem jungen Fürsten nicht genügen, vollständig Neues musste geschaffen werden: das Schloss und seine Bauten waren vollendet in ihrem Ausdruck; dicht am Fuße seiner Mauern unter dem Eindruck seines Aufbaues mussten sich weite Gartenbezirke in fürstlicher Pracht ausdehnen; sie hatten das Wohnen des Hofes über die Säle des Schlosses hinaus durch ihre eigenen Prunkräume zu erweitern 84, 85). Es wurden Terrassenbauten geplant und ausgeführt, Felsen abgetragen und Boden aufgefüllt, um für die Gänge und Quartiere des Gartens ebene Flächen zu erhalten. Es entstand eine Schöpfung von einer Zierlichkeit und Künstlichkeit des Ausdrucks, die die Bewunderung ihrer Zeit errang und überall gerühmt wurde.

All wunderwerck der Welt vor diesem Gart sich naigen,
In welchem die Natur all ihre Kunst thut erzaigen ...

schreibt Merian in der Erklärung dieses Gartens 86).

Erhalten ist uns diese Schöpfung in dem Bericht des .Architekten selbst 87), der als seltenes Werk wiederholt abgedruckt ist, und so in Abbildungen und Text leicht zugänglich, hier nicht wiederholt zu werden braucht 88).

De Caus wollte seine Pläne und Entwürfe sichern und vor Vergessenheit retten, ,,denn man hat an diesem Garten fortzubawen uffhören müssen, als es Gott dem Allmächtigen gefallen, diesen Fürsten zur Königlichen Cron und Würden in Böheimb zu erheben.“ Der Text ist kurz und sachlich, die Zeichnungen geben klar und genau die Einzelheiten der Formen wieder, um ihre Ausführung und ihren wirklichen Zustand dauernd festzulegen. Es ist ein Architekt, der hier in bildlicher Darstellung seine Gedanken wiedergibt, der in Formen von ausgebildeter Feinheit die Schönheit seines Gartens darstellt und in der Linienführung der Ornamente in bunten Steinen, in Blumen und Laubwerk 89), in den zierlich geschnittenen Hecken und Spalierkünsten, in spielenden Wasserstrahlen allegorischer Figuren und Brunnenden Ausdruck dieser Gartenkunst zu hoher Pracht steigert (Abb. 35, 36, 37. 38).

Abb. 37 „Cabinet oder Gemächer, da die gewundene Seulen stehen“, aus Hort. Pal. (S. 47.)

Abb. 38. Brunnenfiguren im „Wasserfeld“, aus Hort. Pal. (S. 47.)

Berühmt war dieser Garten wegen seiner in die Felswände und Mauern des Berges hineingesprengten Wasserwerke und Grotten. De Caus verarbeitet kunstvoll den Eindruck des Unheimlichen und Geheimnisvollen solcher Umgebung und steigert ihn mit phantastischer Mystik. Das noch heute erhaltene Portal der großen Grotte 90) (Abb. 39), im innersten Eck der Stützmauern, wächst schwer aus ihrer Fläche hervor, eine Architektur, die Kunst und gewachsene Natur zu merkwürdigen Formen mischt. Sie ist noch bevölkert von Tiergestalten, die ihre Aufbauten beleben oder auch unter ihrer Wucht zusammengekrümmt und fast erdrückt liegen. Die Gewölbe im Innern sind ,,gemacht von schöner Austheilung vnd Figuren allerhand Muschelln“, oder ,,rauch von groben Zieraden“ (Hort. Pal.); ,,die Nische im Hintergrund war mit Tufsteinen und Korallenzinken verziert, in der Mitte sprang eine Fontaine, die eine vergoldete Kugel balancirte, und hinten fiel Wasser über Felsen herunter. Die Sonnenstrahlen, die durch die Öffnung in Gewölbe (eine Art Oberlicht) die Kugel und den gebrochenen Wasserstrahl beschienen, brachten abwechselnde Farbennuancierungen hervor. Zwei steinerne Ruhebänke, die von einem Schwein und einem Bären getragen wurden, standen links und rechts vor der Nische. Der Boden war mit schönen Steinen und Platten ausgelegt, ... in der Mitte stand ein steinerner Tisch, in dem verschiedene Wasserkünste angebracht waren, die man alle vermittelst eines Druckes springen lassen konnte“ 91).

Abb. 39. Der Eingang zu der großen Grotte, aus Hort. Pal. (S. 47.)

,,,An dem einen End derselben Galery steht eine Grotte, die nicht zwar so groß, aber jedoch an Felsenwerck, Muschelln, und Corallenzincken reicher ist, als die vorbeschriebene (Abb. 40). Es hat auch darinnen eine große Menge Wassers, welches der Lenge nach vber die Stein herabfleußt, daß es Eißzapffen gleich sicht. Ferneres stehen auch darinnen zwey Bilder in natürlicher Größe, von Steinen gehawen. Das eine ist ein Jüngling, der Wasser vffgeußt, wann man in der Grotten essen und die händ waschen will. Das ander ist einer der einen breiten Korb helt, gläser darein zustellen. Es hat auch eine Tafell in der mitt, daraus vielerley Wasser-kunst springen. Vnd uff zwoen Seiten, wie auch vber der Thür inwendig, stehen drey in Menschengestalt abgebildete Flüß, die durch Krüg Wasser ausschütten, daß es vber Felsen herab bis gar uff den Boden fällt. Vnd sollen ehstangedeute Bilder uff die art die man Mosaicam nennet, mich mit Muschelln und kleinen Steinen besetzt werden.“ Hier in diesem Gewölbe ,,haben Ihre Königliche May.: vorgehabt, mit der Zeit eine Wasser-Machinam darinn zurichten zu lassen, daß man vermittels des Wassers, die drey Art und Gattungen der Alten Musick, so SieDiatonicam, Harmonicam, und Chromaticam genandt, hette hören können“ (Hort. Pal.). Es wären solche Instrumente geworden, wie de Caus sie in seinem Werk über ,,die bewegenden Kräfte“ ausführlich beschreibt 92); sie hätten auch ,, einen Wald-Götzen Satyrum aus einer Zwergpfeiffen, spielen machen sollen“ 93). —

Kunst und Pracht seiner Formen schufen den Garten und gaben dem Menschen Freude an diesem seinem Werk.

Abb. 40. Das Innere der kleinen Grotte, aus Hort. Pal. (S. 48.)

Abb. 41. Der braunschweigische Lustgarten zu Hessem, aus Merians Top. (Niedersachsen 1653.) (S. 40.)

In ähnlichem Verhältnis ist uns die Anlage des braunschweigischen Lustgartens zu Hessem überliefert: auch hier ein ausführlicher Bericht des Schöpfers 94) und eine deutliche bildliche Darstellung in Merians Topographien (Bd. V) (Abb. 41), die beide sich klar ergänzen. Aber wie anders wirkt diese Anlage; es ist eine ermüdende Aneinanderreihung der zwölf Quartiere des Gartens, das ,,mit dem Stern aus Buxbaum, mit dem Brunnen, mit dem Wappen, da wo die Nelken wachsen, wo dieMedizinkräuter sind“ und die anderen mehr; es werden die einzelnen Pflanzen aufgezählt und beschrieben; es sind botanische Spielereien eines gärtnerischen Fachmannes, aber es mangelt die architektonisch-künstlerische Gestaltung (man beachte die die Hecken krönenden Schnittfiguren Abb. 42, 43). Im Hortus Palatinus dagegen ist es so deutlich, dass ein Künstler ihn geschaffen und seinen Formen Leben gegeben. Er war in seiner Gesamtheit nicht ,,kleinlich und phantasielos“, wie Falke ihn kritisiert 95), das Fouquieres'sche Bild 96) gibt ihn wieder (Abb. 44), wie seine ebene Fläche auf künstlichen Unterbauten aus dem Abhang des steilen Waldtals sich hervorhebt, wie hierauf die Zierlichkeit seiner Kunstform dem Menschen einen Lustgarten gibt, und wie die Silhouette des Schlosses und seiner Türme seinen Raum schließen.

Denn die Vielheit der Quartiere und die Mannigfaltigkeit der Formen halten die waldigen Hänge zusammen, die in großem Maßstab seine Zierlichkeit umrahmen; sie umschließen für das menschliche Auge den Garten und machen ihm den Aufenthalt in seinem Raum behaglich (vgl. auch Abb. 45).

Es ist jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt wohl berechnet, unter Benutzung des Geländes den eigentlichen Garten von dem langen Terrassenzug nach Norden abzuschließen: der Irrgarten blieb hochgelegt und vor ihm in den noch freien Streifen werden die großen Zypressen gepflanzt (de Caus plante ja hier sogar ein dauerndes steinernes Haus), um quer über die Länge zu brechen (Abb. 46). So bleibt der Hauptgarten geschlossen: nach Süden und Osten umfassen ihn die nahen Berge, im Norden sind es außer den Höhen auf der anderen Talseite diese hohen raumschließenden Pflanzungen und Anlagen; nach Westen hin endlich steht das Schloss selbst, dessen Mauern hier den Blick in die Ebene verwehren. Eine Garten-skizze von Merian 97) (Abb. 47) gibt im Eindruck den Blick nach Westen wieder von den hohen Kabinetten, „davon mann fast den garten vbersehen kann“. Man hat hier deutlich den Eindruck des geschlossenen Raums und darin Schmuckformen in künstlicher Zierlichkeit; hier sieht man, wie im Aufbau des Gartens das Schloss mit hineinbezogen ist, dass es nicht richtig ist, zu sagen: ,,der architektonische Garten habe mit der malerischen Unregelmäßigkeit des gewaltigen noch unversehrten Schlosses keinerlei Zusammenhang“ 98); wenn auch nicht im Grundriss,so doch als Gebilde im Raum gehören beide zusammen und ergänzt das eine den anderen.

Die nördliche Verlängerung der Terrasse war ein Garten für sich, ein Blumengarten; seine Anlage ist berechnet auf die freie Aussicht über die Ebene; hier hindert das Schloss nicht mehr den Blick nach Westen, und doch ist auch sein Aufbau nach Raum und Masse entworfen. Der hohe Heckengarten als nördlicher Abschluss setzt die rückwärtigen Stützmauern fort; das Lusthaus vor allem, ein hoher Bau, da wo die Terrassenmauern tief hinab ins Tal gehen und auch seine Fundamente in ihrer ganzen Höhe sichtbar bleiben, gibt der sonst ohne Ziel verlaufenden Linie der Terrassenbrüstung hier einen gewaltigen in seiner Höhenwirkung gesteigerten Abschluss 99).

Zum Ausgleich und zum Zusammenfassen der Einzelgärten neben dem von der Natur selbst Geschaffenen hat de Caus noch die Gesamtanlage mit einem einheitlichen Terrassenzug umspannt, der als schmaler Streifen auf den beiden Bergseiten, im Süden und Osten, erhöht über dem Niveau der Felder den Garten einrahmt. In weiter Perspektive diese Gänge entlang zu wandeln 100) mit den wechsehulen Bildern der Einzelgärten zu Füßen, die ganze Ausdehnung des Gartens durchziehend, muss ein köstlicher Genuss gewesen sein für die Menschen dieser Zeit. So beweist auch die Planung und der Aufbau die in einheitlichem Geist entworfene Großartigkeit der Anlage.

Abb. 42. bewachsenes Spalierportal im Lustgarten zu Hessem, nach Royer Hessem, 1648. (S. 50.)

Abb. 43. Geschnittene Heckenfiguren im Lustgarten zu Hessem, nach Royer Hessem. (S. 50.)

Abb. 44. Der Heidelberger Schlossgarten, Gemälde von Fouquières, 1618, in der Städt. Sammlung Heidelberg. (S. 50.) Fotografie von Hoffotograf Ernst Gottmann, Heidelberg.

Abb. 45. Der Heidelberger Schlossgarten auf der Merianschen Stadtansicht, 1620. (S. 50.)

Aus der Art dieses Aufbaues und der Sprache der Formengebung im einzelnen soll nun wohl die Frage sich ergeben, woher all diese Gestaltung in kunstgeschichtlicher Entwicklung gekommen sei.

Es muss hier an die großen Richtlinien der Entwicklung des deutschen Renaissance-gartens erinnert und das dort Gesagte somit bestätigt werden. Jedenfalls ist der Heidelberger Garten keine italienische Anlage: seine Terrassen sind nicht so komponiert, dass sie durch Linien und Achsen innerhalb des Gartens mit ihren Sichtflächen aufbauend wirkten, sie wollen nur als Stützmauern ein ebenes Gelände für die Gartenformen selbst schaffen; so musste auch den Treppen jeder systematische Zusammenhang mit dem Gesamtaufbau fehlen; sie sind nur zur Verbindung da und gleichen nüchtern die Höhenunterschiede in den Hauptwegen aus.

In Einzelheiten der Formen, in Ranken der Zierstücke, in mancher Gestaltung der Grotten, in den Reliefdarstellungen der Taten des Herkules über den Bogengängen der Galerie und ähnlichem ist vielleicht manches Italienische herauszulesen; Sal. de Caus war ja in Italien gewesen und beschreibt in seinen ,,Forces mouvantes“ die Grottenwerke in Pratolino 101) und wie er sie dann ähnlich in dem Park von Richmont für den ,,Prince de Galles“ ausgeführt hat. Manches erinnert so in ähnlicher Weise an Formengebung französischer Anlagen: das ge-plante steinerne Orangeriegebäude für die Pomeranzen-Bäume, das Lusthaus im Aufbau eines französischen Pavillons.

Abb. 46. Vogelperspektive über das Gelände des Heidelberger Gartens. (S. 51.)

Doch diese sind nur Einzelheiten. Der Heidelberger Garten gehört zu dem großen Kreis germanischer Anlagen; sein Wesen ist heraus gewachsen aus der langen Reihe der Empfindungen und Auffassungen des deutschen Lebens dem Garten gegenüber. Entstanden als der Ausdruck einer hohen Kultur, bietet er dem persönlichen Mitempfinden und der Freude des Menschen an seinen Erscheinungen diese in zierlicher Vielheit reiner Kunstformen dar; sein Charakter weist viel eher nach Norden und Westen, nach Holland, England und Frankreich als nach Süden. Von England über Holland zieht Friedrich V. mit seiner Braut nach Heidelberg, und ihm folgt von seiner Tätigkeit dort hinweg Salomone de Caus als „Ingénieur et architecte de son Altesse Palatine Electorale“ 102).

In holländischen Gartenanlagen findet man viel Ähnliches und manchen Anklang an Heidelberger Formen.

Hier war ja das Spiel mit Kleinheiten bis zum äuliersten getrieben, ,,dann außerdem sie mit den schönsten Gewächsen / lieblichsten Blumen / künstlichsten fremden und einheimischen Bäumen / fischreichsten Teichen / vollangefüllten Vogelhäusern / römischen Statuen / frisch springenden Brunnen auf das Beste versehen und ausgezieret sind /so seynd sie auch von solcher Invention und Disposition der Felder / Brunnen / und Promenaden oder Alleen / daß man sich über die Urheber derselben nicht genugsam verwundern kann ...“ 103).

Abb. 47. Bild aus dem Heidelberger Schlossgarten, nach Merian „Ver.“. (S. 51.)

Abb. 48. Parterremuster, nach v. d. Groen „Holl. Gärtner“, 1669. (S. 55.)

Blumenfelder van der Groens (Abb. 48, 49) decken ingeometrischer Form von Sternen, Kreisen oder stilisierten Blumen wie Laubsägemuster die Parterrefläche; im Charakter sind sie jedenfalls ähnlich den Heidelberger „Knotenornamenten“ 104) (Abb. 50, 51, 52).

Hier in Holland werden die Gärten in Einzelteile geschieden durch Hecken, Laubgänge und Gartenhäuser 105); hier sind über den Eingängen Portale aus bewachsenen Spalieren in architektonischem Aufbau 106). In van der Groens ,,holländischem Gärtner“ sind sie abgebildet, wie sie als Gerippe von Holz hergestellt, bewachsen dann die volle Form geben. Man wird erinnert an Du Cerceaus frühe Darstellung des Laubenganges in Montargis; in Frankreich war ja immer viel Spalierwerk in den Gärten, Holland wird manches davon übernommen haben, und aus Heidelberg reihen sich an, hier als Beispiele herausgegriffen, die Portale des Parterres ,,darinn der Brunnen mit der Seulen stehet“ und die ,,vnderschiedliche zierliche Gemächer oder Cabinet ..., da die gewundenen Seulen stehn“, jedenfalls ein merkwürdiges Gemisch von Spalierformen, getragen von steinernen Säulen als Unterbau 107).

Bilder holländischer Gärten von Peter Schenk (1645—1715) 108) folgen zeitlich den Heidelberger Anlagen nach, aber sie sind doch auch noch für hier bezeichnend, wie vor der absoluten Herrschaft Frankreichs zur Zeit von Hollands Blüte die Raumbildung in sich vollendet war: gewölbte Laubgänge ziehen sich in weitem Viereck um ein Wasserbecken hin, es eng umschließend, oder es umrahmen hohe Spaliermauern einen Heckenirrgarten und geben so einem jeden durch die Trennung von allem andern eigene Stimmung.

Von allgemeiner Bedeutung und bezeichnend für die ganze Richtung der Kunstempfindung und ihrer formalen Bildung sind auch die Versuche und Werke über per-spektivische Konstruktionen und Darstellungen; sie machen es deutlich, wie für den schaffenden Künstler dieser Zeit die Raumbegriffe und ihre Bildung von Interesse waren: es sind Studien und Darstellungsversuche geschlossener Räume, das Innere von Gebäuden, Hallen, Säulengängen und Treppenhäusern, es sind Straßen und Platzanlagen, von Hauswänden umrahmt, oder Höfe und Gärten, die alle eben in ihrer Erscheinung aufgebaut werden als für das Auge geschlossene Räume in klein-maßstäblicher Gruppierung 109) (Abb. 53). In dieser ganzen Zeit liegt solches in den Schöpfungen nordischen Länder, und hierher gehört auch der Heidelberger Garten.

Abb. 49. Parterremuster, nach v. d. Groen „Holl. Gärtner“, 1609. (S. 55.)

Abb. 50. Grundriss des Parterres, „dadrinnen die Seulen stehet“, aus Hort. Pal. (S. 55.)

Abb. 51. Grundriss des Parterres, „uf die Art eines Laubwerkes“, aus Hort. Pal. (S. 55.)

Andere Residenzen deutscher Fürsten folgen natürlich auch der Strömung ihrer Zeit. Mannigfaltige Beispiele sind uns überliefert von Gartenanlagen bei ihren Schlössern 110 (Abb. 54, 55). Sie sind oft klein, unregelmäßig, herausgewachsen aus Anfängen älterer Zeit, wo die Rennbahn und der Turnierplatz das alleinige war; jetzt gliedern sich die Zier- und Lustbezirke ihnen an. Aber es fehlt so oft der einheitliche Zug der Gesamtbildung und die Pracht der Formen, die alles beherrschen soll. Dies war eben beim Heidelberger Garten so bezeichnend: aus einem Guss war er auf der ausgebildeten Höhe einer fürstlichen Hofhaltung geplant und ausgeführt worden. Da sein Glanz in dieser Ursprünglichkeit so kurz gewesen, und seine völlige Zerstörung ihm keine Lebensdauer gelassen, so war er selbst und die Erinnerung an ihn rein geblieben von den Veränderungen im Geschmack späterer Zeiten, und uns selbst konnte so seine Anlage zum charakteristischsten Beispiele dieser Zeit werden. Die Stuttgarter Gärten 111) waren berühmt durch das neue Lusthaus 112) (Abb. 56, 57), was durch die Großzügigkeit der Anlage und Wirkung dieses Saalbaues wohl zu verstehen ist. Hier an dem lebensfrohen Hof der Württemberger Herzöge (Ludwig und Friedrich I.) wurde das Festefeiern geübt, bei Taufen,

Abb. 52. Grundriss des Ponieranzenfeldes, aus Hort. Pal. (S. 55.)

Abb. 53. Gartenbild nach Sal. de Caus „La Perspective“ usw., London 1612. (S. 55.)

Abb. 54 Burg Oggenburg, nach Merians Top., Österreich 1649. (S. 56.)

Hochzeiten, bei Fastnachtsspiel und Theater, in Anfzügen und Maskeraden bei jedem Anlass 113). Hier fand der große, hohe Saal Verwendung, war die Gelegenheit gut zu Promenaden auf dem erhöhten Umgang und unter den kühlen Gewölben des ganzen Gebäudes.

Der Typus eines solchen Lusthauses muss in der Vorstellung dieser Zeit gelegen sein; manch Ähnliches findet sich auch in anderen Beispielen: der neue Garten zu Kassel (Abb. 58) in Braun und Hoghenberg Civit. Orbis Terrarum zeigt das Lusthaus 114) äußerlich und wohl auch im Aufbau verwandt dem Stuttgarter: der Festsaal mit einer umlaufenden Galerie, das Haupthaus mit dem Längsdach und den Giebeln und die vier Rundtürme an den Ecken.

Böckler 115) gibt das Bild eines Lusthauses in einem Dresdener Garten und schreibt: „Gegenwärtiges Lusthaus / so nach alter / jedoch zierlicher / Manier erbauet / ist mit feinen Gemächern und einem zimlichen großen Untersaal sehr wohl accommodiret hat auf beiden Seiten zwey Schneekenthürm oder Aufgänge / ligt vor der Stadt Dresden / in Churfürstl. Durchl. Herren Cämmrers und Stallmeisters / des Herrn von Rechenbergs Lustgarten / worinn mit sonderlicher Solemnität Anno 1653, den 4. Junii ...“ ein Fest gefeiert wurde. Die Abbildung selbst zeigt einen zweistöckigen Saalbau, unten auf zwei Stufen erhöht eine offene Halle durch die ganze Tiefe des Hauses, nach vorn mit fünf Bogen, wovon der mittlere ein Tor, oben mit kleinen aneinandergereihten Fenstern ein geschlossener Festsaal, seitlich an den Mitten der Schmalachsen zwei Treppentürme.

Abb. 55. Schlossgarten zu Weimar, aus Merians Top. (Kursachsen usw.), 1650. (S. 56.)

Abb. 56. Schlossgarten zu Stuttgart, aus Merians Stadtplan in Top. Schwabens. (S. 56.)

Bayerische Anlagen, vor allem des Adels, haben nach Abbildungen bei Wening 116) trotz der späten Zeit um 1700 oft noch ganz alten Charakter. Dem Zweck der Gesamtanlage des landwirtschaftlichen Wohnens gliedern sie sich unter; es trennt sich immer: Wirtschaftsgebäude mit Wirtschaftshof, dann als Massenmittelpunkt das Schloss, ihm in der Nähe der Zier- und Lustgarten meist ummauert, endlich weiter außen, oft seitlich, unabhängig Baum- und Grasgärten. Teilweise sind die alten Gräben um das Schloss noch vorhanden und liegen dann alle neueren Anlagen getrennt außerhalb (Abb. 59). Das Bild des Schlosses zu Haimbhausen gibt eine gute Illustration hierzu (Abb. 60). Von dem großen Hof mit dem kunstvollen Brunnen und den Linden in der alten Form der Baumlauben ist der strenge Zier-garten durch eine Balustrade geschieden; in seinem Hintergrund erinnert das Grottengebäude direkt an Furttenbachsche Zeichnungen (siehe oben); dann folgt das Lusthaus mit den Wildgehegen, die hier allerdings in großen Verhältnissen sich weit hinausdehnen und von geraden Alleen nach neuem französischem Vorbild durchzogen werden. Viele Einzelheiten bei der Beschreibung dieses Bildes, ,,das Ringelfahren mit Pistolen, Lanzen, Pfeilen und Degen (Nr. 5), die Reitschule (Nr. 7), die Schißhütte (Nr. 24), das niederländisch Vogelschißen (Nr. 27), das Vogelschißen mit dem Pfeil (Nr. 28)“ und ähnliches mehr zeigen, wie die Bewohnerin diesen Gärten Unterhaltung gewannen oft noch nach alter Art, und es macht dies auch verständlich, dass noch manche alte Form im Garten ihren Wert behalten konnte, da sie eben mit der Art des Lebens in Verbindung geblieben war.

Die herzoglich bayerischen Gärten in München in mannigfaltiger Anlage in den verschiedenen von Bauten der Residenz umschlossenen Höfen sollen vor allem in reicher Pracht Statuen, Grotten und Wasserbauten enthalten haben 117); Hainhofer beschreibt sie ausführlich 118). Spätere Anlagen um 1615 auf der Nordseite der Residenz, ursprünglich außerhalb der Stadtmauern, sind in verschiedenen Stadien der Ausführung bei Merian 1644 und später bei Wening 1700 dargestellt und beschrieben 119).

Abb. 57. Fürstlicher Lustgarten zu Stuttgart, Merian, 1616. (S. 56.)

Abb. 58. Der neue Lustgarteu zu Kassel, nach Braun & Hoghenberg. (S. 57.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Studien über Renaissance-Gärten in Oberdeutschland