Den Abt reiten lassen, d. h. unbeaufsichtigt sich gehen lassen

Wer kennt das nicht unter dem mehr populären: „Wenn die Katze aus dem Hause ist, haben die Mäuse Kirchtag?“ Hier muss der Abt sich die Rolle der Katze gefallen lassen, und jedenfalls haben wir hier das historische Moment in der Tatsache der großen Macht und Gewalt mittelalterlicher Äbte. Ein solcher Abt war es ja auch, dessen Bäuchlein im Bürger'schen Gedichte: „Der Abt von St, Gallen“ den großen Kaiser genierte. Wie mussten erst die armen, solch' Mächtigem untergebenen Mönche sich dann und wann als Mäuse glücklich fühlen! „Wenn der Abt ausgeritten ist, so machen sich die Mönche zu Haus lustig,“ so lautet verständlich der erklärende Text des obigen Spruches. Der Franzose sagt: „Quand l’abbé danse à la court, les moines sont en rut aux forêts.“ Deutsch etwa:

Wenn die Äbte bei Hofe walzen,
Dann die Mönche im Walde balzen.


Der Grundgedanke ist übrigens alt, und schon bei Terentius finden wir den Satz: Perstrepunt, domini ubi sbsunt; wie auch die Franzosen sich vernehmen lassen: ,,Voyage du maître, noee de valet.“ Es geht immer aus die Katze hinaus.

Es gibt aber auch im Gegensatze zu obigen, wo die Abwesenheit des Abtes die Lustigkeit der Mönche zur Folge hat, mehrere Redensarten, als: „Wenn der Abt die Würfel dreht, da dobeln die Mönche,“ oder: „Wenn der Abt die Würfel gibt, da spielen die Brüder.“ Der Franzose wieder sagt: „Quand l'abbé tient taverne, le moines peuveut aller au vin“, deutsch etwa:

Wenn der Abt hält offnen Tisch,
Dann füllen die Mönche ihr Mäglein frisch; —

oder in anderer Form:

le moine repond comme l'abbé chante,

deutsch etwa:

Der Mönch so die Antwort gibt,
Wie's dem Abt zu singen beliebt.

Überhaupt leben die Mönche und Äbte ganz lustig im Sprichworte; so sagt der Franzose: „Attendre quelqu'un comme les moines attendent l’abbé.“ Jemanden erwarten, wie die Mönche den Abt, d h. pünktlich zu Tisch kommen, weil die Mittagszeit in den Klöstern so fest geregelt ist, wenn die Glocke schlägt, man sich zu Tische setzt, ohne eben erst den Abt oder Prior zu erwarten; eine Sitte, die noch in allen, auch in den deutschen Klöstern fortbesteht.

Ein Abt insbesondere und zwar jener von Fulda, lebt als Warnungstafel gegen die Neugierde im sprichwörtlichen Gedächtnisse; es heißt nämlich: Nimm dich in Acht, dass dir's nicht geht wie dem Abt von Fulda,“ welcher vorwitzig und aus unzeitigem Glaubenseifer der Lütz'ner Schlacht, in welcher Gustav Adolph fiel, zusah und durch einen Schuss getötet wurde.