Historische Wörter, Sprichwörter und Redensarten in Erläuterungen - A bis B

Eine Sammlung kulturhistorischer Nippsachen
Autor: Wurzbach-Tannenberg Constant Ritter v. Dr. (1818-1893) deutscher Offizier, Biograph und Publizist, Erscheinungsjahr: 1863
Themenbereiche
Enthaltene Themen: historische Wörter, Sprichwörter, Sprüchwörter, Redensarten, Sittengeschichte, Kulturgeschichte
Statt eines großen abgeschlossenen, vollendeten Werkes, welches den Titel: „Historische Wörter, Sprichwörter und Redensarten“ trägt, liegt nun den Lesern eine Sammlung kulturhistorischer Nippsachen unter dem nämlichen Titel vor, dem großen Werke entnommen und nur ein unvollkommener Auszug desselben.
Vorwort

Es würde eine kleine Leidensgeschichte werden, wollte ich die Geschichte dieses Buches schreiben, eine Leidensgeschichte, an deren schmerzlichem Teil weder Verleger noch Autor Schuld tragen. Also wer trägt sie dann? wird man neugierig fragen: die Verhältnisse, oder noch präziser gesagt, die Zeitverhältnisse. Als im Jahr 1859 der Verfasser sein umfangreiches Werk — über 1500 Sprichwörter-Überschriften in 14 Abteilungen — der Verlagshandlung überreichte, so war diese wohl von solcher Fülle kulturgeschichtlichen und sprachlichen Materiales überrascht; aber die damaligen politischen Zeitverhältnisse machten es nicht ratsam, sich auf den ganzen, in den größeren Partien rein wissenschaftlichen Umfang des Werkes einzulassen. Um nun die Sache nicht ganz fallen zu lassen, entschloss sich der Verfasser zur Zurücknahme des Manuskriptes und entsprach dem Wunsche des Verlegers, aus demselben eine Auswahl für das große Publikum zu treffen. Den Verfasser trieb dazu überdies die Sorge, um das Ergebnis einer vieljährigen Sammlermühe mit einem Male zu kommen, weil eben damals in schlesischen Blättern von einer kolossalen Sprichwörtersammlung viel geschrieben wurde, deren Verfasser einen Verleger suchte.

Bei diesem Auszuge nun ward mit Beseitigung der ursprünglichen höheren Tendenz, eine mit Belehrung verbundene Unterhaltung als Hauptzweck angestrebt. Die frühere Einteilung in 14 Gruppen, die von sehr verschiedenem Umfange waren, musste damit fallen gelassen und nach Ausscheidung desjenigen, was der Verleger wollte, sich für die alphabetische Ordnung entschieden werden. Auch musste ich den reichen Quellenapparat, der bei einem jeden einzelnen Sprichworte angegeben und oft von ansehnlichem Umfange war, weglassen und mich begnügen, diesem Vorworte eine Reihe der benützten Werke im Allgemeinen anzuschließen.

Nun ein paar Worte über den Inhalt des Gebotenen:

Es wird kaum nötig sein, über den Wert und das Moment des Interessanten einer solchen Sammlung viel zu sagen. Die „Historischen Wörter, Sprichwörter und Redensarten“ sind dem Kulturleben der Völker entnommen und ein Stück Fleisch und Blut derselben. Was der häusliche und öffentliche Verkehr, Anschauungen und Meinungen, Scherz und Ernst, Witz und Aberwitz an die Oberfläche getrieben, findet sich hier in einzelnen Wörtern, in tiefsinnigen Aussprüchen, keck hingeworfenen Gedanken festgehalten und überbracht. In Haus und Hof, in Hütten und Palästen, in den Irrgängen der Geschichte, wie auf mondbeglänzten Gefilden der Sage, bei Schimpf und Ernst, in Streit und Spiel sind sie aufgetaucht, diese Kinder des Volksgeistes, bald angetan mit der Narrenkappe des ausgelassensten Witzes, bald die Geißel des Spottes und einer blutigen Kritik schwingend. Wo uns ein Begriff fehlt, da stellt sich gewiss zu rechter Zeit ein solches Wort des Volkes ein.

Längst schon hat man den Wert solcher Mitteilungen erkannt; aber so reich auch die Sprichwörter-Literatur bereits ist, so interessante Sammlungen darüber bestehen und durch neue, mitunter gediegene Arbeiten immer wieder vermehrt werden, eine Sammlung der historischen Sprichwörter besteht noch nicht. In dürftigen Feuilleton-Artikeln nur stoßen wir hie und da auf einen solchen historisch-sprichwörtlichen Lückenbüßer; ein Ganzes oder wenigstens eine Sammlung derselben, so erwünscht sie auch wäre, fehlt bis heute.

Diesem Bedürfnisse zu entsprechen, ist der Hauptzweck dieser Sammlung, an welche der Verfasser jahrelangen ausdauernden Fleiß verwendet, wie ihm auch ein reiches. längst verlorenes und vergessenes Materiale zu Gebote stand. Und um diesen Zweck einer volkstümlichen Gabe ganz besonders zu fördern, hat es sich derselbe angelegen sein lassen, in Form und Stilisierung dieses Teiles des großen Ganzen eine mehr populäre Färbung anzubringen.

Der Herausgeber bittet um Nachsicht bei Beurteilung seines Werkchens, die man ihm nicht vorenthalten dürfte, wenn man den Eingang dieses Vorwortes gelesen hat; aber er glaubt noch immer einen nicht ganz uninteressanten und unwillkommenen Beitrag zur Kulturgeschichte, selbst mit diesem Bruchstücke, geliefert zu haben.

Wien, am 1. August 1862.