Stockholm, das Kleinod ganz Schwedens

Stockholm ist die größte und schönste Stadt auf der Halbinsel. Man huldigt ihr, und dies mit gutem Grund, wie einer schönen Königin, dem Kleinod ganz Schwedens. Mit dem besten Verständnis haben diejenigen die Stadt geschildert, welche ihre Kindheit auf den Inseln zugebracht haben, auf denen Stockholm liegt, die auf diesen Plätzen als Kinder gespielt haben, solche Stockholmerkinder wie Bellman, Strindberg, Carl Larsson, Oscar Levertin, Hjalmar Söderberg, Prinz Eugen. Wenn sich uns allerdings auch nicht immer „das Stockholm“ zeigt „umwoben von der Sonne und Gesang — — — , das, wenn man zwanzig Jahre und Poet, man kurze Zeit sieht, wen'ge Jahre lang“, so haben jedenfalls Dichter und Künstler mit der Zauberrute uns viele von den Schönheiten geoffenbart, die jetzt unsre Liebe zu der schönen Stadt erhöhen, die vor allen anderen Schwedens gemeinsames Eigengut ist.

Von dem Stockholm, das sich im Jahre 1523 mit Birkenlaub schmückte und den jungen König Gösta bewillkommnete, ist heute nicht viel erhallen. Das alte Schloss — „der Hauptbau“, wie es so bescheiden genannt war — wo Gustaf Vasa herrschte, und dies im wahren Sinne des Wortes, steht nicht mehr. Als Gustaf Adolf dies Schloss verließ, um bei Breitenfeld und Lützen Schweden zu verteidigen und „für des Vaterlandes Majestät und Gottes Kirche, die in demselben ruht“, wie er selber sagte, sein Leben zu lassen, sprach er den Wunsch aus, „dass die kleinen Holzhütten der Bürger große Steinhäuser und ihre kleinen Boote große Schiffe und Fahrzeuge werden mögen, und dass das Öl in ihren Krügen nie ein Ende nehme“, — und großartig war tatsächlich der Aufschwung, den Stockholm zur Zeit der großen Kriege nahm. Am Ende dieser Zeit wurde mit dem neuen Schloss begonnen, der Schöpfung des Nikodemus Tessin. Am besten ist es wohl gemalt worden von einem, der selber innerhalb seiner Mauern aufgewachsen ist, Prinz Eugen, der den „edlen Würfel“ auf einem großen Gemälde (S. 51) wiedergegeben hat, auf dem man das Stockholmer Schloss in einer Sonnwendenacht sieht. Über den dunklen Wassern des Strömmen (Meerarm zwischen See und Mälaren) schweben einige Möwen, Nachkommen der Vögel, die über die Stadt flogen, als Bellman an einem Morgen des Jahres 1780 den Hafen von Stockholm beschrieb:


„In Rollen und Tau'n nicht den kleinsten Laut
Das Ohr vernimmt, wenn so früh aus schaut
Des Wanderers Aug nach der Möwe, die hoch
Den Masten vorbei jetzt flog.“


Die meisten künstlerischen Stockholmdarsteller behandeln den Hafen und das Leben um diesen Mittelpunkt der Stadt. Im Gegensatz zu anderen Hafenstädten gehen die großen Dampfer mitten im Herzen Stockholms vor Anker. Sowohl in der Richtung gegen Saltsjön (Meerseite) als gegen den Mälaren laufen imposante granitene Ufermauern. Wenn auch der idyllische Zug des Stockholm in den 40er und 50er Jahren, das G. V. Palm malte, heute in der Hauptsache nicht mehr vorhanden ist, wenn man nicht mehr wie dazumal auf dem Riddarholmkanal herumgondeln kann und keine Quartette mehr gesungen werden dort unten unter dem Gewölbe der alten, schönen Palmstedtschen Riddarholmbrücke, wo sich das Riddarhus (Ritterhaus) mit seiner Barockfassade im Kanal spiegelt, so kommt es doch zuweilen vor, dass man an der hohen Baumgruppe drunten am Riddarholmkai das alte Lied „Kapitän, Volldampf voraus“ von den Vereinen und Gesellschaften zu hören bekommt, die an Sonntagsmorgen mit einem Mälardampfer „hinaus aufs Land, zu den Vögeln hinaus“ wallfahrten, um der Natur mit jener punschangeheiterten Sentimentalität zu huldigen, die sich in unsren Tagen so veraltet komisch ausnimmt, dass man darüber gerührt sein muss. Stockholms Ström hat Axel Lindman auf einem großen Bild voll Dampfschiffen, Segelbooten, Sonnenschein und Wogengeglitzer gemalt. Als dies Bild entstand, hatte man soeben, vor allem durch August Strindberg (S.50), unsren größten und ursprünglichsten Schilderer schwedischer Natur, dank seinem „Roten Zimmer“ und seinen Erzählungen „Ehe“, einen neuen und gesunderen Blick für die Schönheit Stockholms erhalten, und mehr als je schätzte man die Frühjahrsmorgen, wo die bis zur Wasserhöhe rotgestrichenen Dampfer an ihren Seilen und Tauen ziehen. Anders Zorn entdeckte und zeigte die eigenartigen Kreise und Linien des Wellenschlages. Er hat einen Sommerabend des Jahres 1890 verewigt, gesehen von einem der schönsten Punkte aus, Skeppsholmen; im Vordergrund sieht man einige Damen auf dem Holmen promenieren, den Hintergrund bildet Strömmen, der vielleicht am allerentzückendsten ist an einem jener hellen Abende, wenn sich der Fliederduft von den Hecken mit der frischen Luft vom Wasser her mischt, und einige Töne vom Orchester in Strömparterren sich mit dem Brausen des Norrström vereinen. Den Hafen im Winter hat Oscar Björck auf einer farbenleuchtenden Leinwand, jubelnd wie eine Fanfare, gemalt. Den Schnee und die dunklen Schiffskörper mit der malerischen Silhouette des Skeppsholmen hat Alfred Wahlberg geschildert, und schließlich hat uns Per Ekström die majestätischen Linien des Schlosses im Schneegestöber über dem Norrström gezeigt.

Unter der Bedingung, dass zugegeben wird, Stockholm sei im Winter vortrefflich, und zwar morgens, mittags und abends sowie auch in der Nacht, kann man sich ja den Ausdruck gefallen lassen, Stockholm sei „eine Sommerstadt“. Die weißen, eleganten Dampfer auf dem grünen Wasser gehen nach den Sommerwohnstätten im Skärgården ab, beladen mit frohen Menschenkindern. Der Stockholmer hält sich, und hoffentlich mit Recht, für bedeutend lebensfroher als etwa ein Bewohner von Härjedalen, und selbst als ein Göteborger. Die Seeluft weht nicht nur kühlend über die Rasenflächen des Kungsträdgården, wo das Wasser über die Muschelschale der großen Fontäne glänzend herabstäubt, sondern auch hinauf durch Gassen und Gässchen bis zu den alten, krummen, langen Straßen Väster- und Osterlänggatan. Die letztere hat Eugen Jansson gemalt an einem frühen Sommermorgen, wo das Flaggentuch des Segelmachers schlaff herabhängt und die Schritte auf dem Pflaster wiederhallen, und wo sich diese mittelalterliche Stockholmergasse, die sonst seit Jahrhunderten von den unverfälschtesten betrunkenen Hafenarbeitern voll ist, einige frühe Morgenstunden lang in einen mystischen Schimmer hüllt.

Stockholm ist eine Wasserstadt, — oft mischt man freilich etwas Kräftiges ins Wasser. Es gibt nicht nur gutes Trinkwasser, sondern herrliches Sodawasser, welches in großen Quantitäten vertilgt wird, ohne amerikanische Eile. Es ist ein harmloses Vergnügen, mit einem Glas „Vichyvatten“ vor sich auf dem Tisch die Welt anzugucken, d. h. wenigstens die kleine Welt des „Marktes“ (Torget id est Kungsträdgården) von jener Bank aus, die durch Hjalmar Söderbergs „Doktor Glas“ literarische Berühmtheit erlangt hat. Zu weiteren Wasserorgien anderer Art locken die vortrefflichen Warm- und Kaltbadhäuser. Eugen Jansson hat auf zwei sonnenlichtübergossenen Bildern das Innere eines Stockholmer Schwimmbades gemalt, wo einem die sonnenverbrannten Leiber einen starken Eindruck von unserer nationalen Gesundheit geben. Die Sprünge werden oft mit so großer Geschicklichkeit und Geschmeidigkeit ausgeführt, dass ein wirklicher Schönheitseindruck erreicht wird. Ein ausgezeichneter Stockholmdarsteller ist Axel Erdman. Er hat Götgatan, eine der langen Strassen auf Södermalm (dem südlichen Stadtteil), gemalt, wo die Bauern vom Lande herein gefahren kommen, um auf dem Marktplatz Kornhamnstorg ihre Esswaren zu verkaufen. Erdman hat ein scharfes Auge für die malerische Anziehungskraft der eingemummten Marktweiber, die in Wind und Wetter in olympischer Ruhe an ihren Ständen sitzen um nur hin und wieder in Affekt zu geraten wenn ein Küchlein einen Fluchtversuch macht oder ein Obstdieb ihre moralische Indignation weckt.

„Die Stadt zwischen den Brücken“ ist einstmals das ganze Stockholm gewesen. In diesem Stadtteil, wo das neue Leben mit größerem Lärm pulsiert als in den übrigen, stehen unsre ältesten und schönsten Gebäude. Das Leben im Hafen des neuen Stockholm ist auf Carl Wilhelmsons Freskogemälde im Postgebäude geschildert. Die Barockfassaden aus dem 17. Jahrhundert sind von Louis Sparre gemalt worden, der auch die pompöse Auffahrt zum Schloss (S. 52) gemalt hat, den Lejonbacken, „Löwenhügel“, mit seinen Bronzelöwen, die schon im 17. Jahrhundert Stockholms altes Schloss zierten. In einer Reihe Zeichnungen, Aquarellen und Ölbildern hat er die Stockholmer darauf aufmerksam gemacht, wie viel noch auf dem Spiele steht, wenn wir nicht den gleichen bestimmten Ton im Interesse historischer und ästhetischer Werte anschlagen wie zugunsten dessen, was sich leichter in Geldwerten bestimmen lässt.

Sparre, Erdman und Gerda Wallander haben den Marktplatz Kornhamnstorg gemalt mit seinen Verkaufständen und Giebelhäusern. Auf einem großen Gemälde in einer Volksschule in Stockholm hat Nils Kreuger ein Bild vom Hafen gegeben, wie er sich am Tage vor Sonnwend von Slussen (der Schleuse) aus darstellt. Es ist ein sonniger Vormittag. Es weht ein frischer Wind vom Wasser her. Im Vordergrunde sieht man einige dem Tage zu Ehren mit Laub geschmückte Arbeitswagen über das Straßenpflaster rasseln. Es liegt Feststimmung in der Luft.

Kreuger hat Stockholm und die schönste Brücke des ganzen Landes, die Norrbro, welche den nördlichen Stadtteil Norrmalm mit Staden (der Altstadt) verbindet, zu wiederholten Malen dargestellt. Die mächtigen Brückengewölbe aus den allerersten Jahren des 19. Jahrhunderts haben Adelcrantz zum Urheber, den Architekten und Schöpfer des schönsten (jetzt leider abgerissenen) Opernsalons der Welt, in dem Gustav III. von Anckarströms Pistolenkugel fiel. Die Norrbro ist zu allen Tages- und Nachtzeiten schön, am schönsten vielleicht an Sommerabenden, wenn, wie Snoilsky in seinem „Bild von Stockholm“ sagt, „ein gedämpfter Ton dahinschwebt durch die Lüfte, der berauschend aufsteigt aus der Tiefe“ des Wassers unter Norrbro, und wenn die elektrischen Lichter ihren Silberschein über die Baumkronen in Strömparterren werfen. Ebenso schön ist die Aussicht, welche man einige Stunden später von der nördlichen Seite der Brücke aus genießt, von wo aus Strömmen, das Schloss, Blasieholmen und Skeppsholmen zu sehen sind. In lichten Sommernächten ist alles abgetönt und es macht einen geheimnisvollen Eindruck, die wohlbekannten Fassaden von einer Seite beleuchtet zu sehen, die den Stockholmern, wenn sie auch noch so häufig spät nachts nach Hause gehen, oder vielmehr früh am Morgen, doch nicht ganz so vertraut ist. Reinhold Norstedt hat auf einer außerordentlich großen Leinwand dieses Motiv wiedergegeben. Der gleiche Maler zeigt, wie die Kunst auch über die so nüchterne Fassade eines Geschäftshauses ihren Glanz verbreiten kann. Nimmt man seinen Standpunkt bei dem von Boberg gebauten Restaurant Rosenbad, das seine gelblichweißen Mauern und sein grünglasiertes Dach im Norrström spiegelt und das zum Schönsten gehört, was in letzterer Zeit in Stockholm gebaut worden ist, so kann man an einem Februartag die großen Eisschollen vom Mälaren herabschwimmen und die Vasabro passieren sehen. Am anziehendsten für das moderne Gemüt ist die Stunde, wo es noch nicht ganz dunkel ist und man anfängt, die Lichter anzuzünden. Eben sieht man in den Fenstern von Norstedts Druckerei ein paar Lichter auftauchen.

In Stockholm macht man große Kraftanstrengungen, sich zu amüsieren, und oft glückt es uns auch. Von allen Vergnügungseinrichtungen ist wohl Skansen die gemütlichste. Wo es am wenigsten gemütlich zugeht, lässt sich nicht so leicht sagen, wenn man aber den Alkoholverbrauch zum Maßstab nimmt, dürfte eine jener Schenken, in denen die Lieblinge Albert Engströms (Bobban, Feta Fille und andere „Strix“-Kuriositäten) sich auf ihre Art ein Glück träumen, der passendste Gegensalz sein. Dass flotte Leben hat die schwedische Kunst nicht oft geschildert.

Auf Skansen hat jedoch Zorn das Motiv geholt zu seinem lustigen Bild der Delsbostinta, wie sie eine Geschichte erzählt; von den sieben Theatern Stockholms findet sich jedoch nichts, nicht einmal vom neuen dramatischen Theater, welches doch selber, sowohl im Innern wie an der Außenseite, so reich an guten Kunstwerken ist. Aus dem Gebiete des Zirkus- und Varietélebens hat Gösta von Hennings sowohl in Charakterzeichnung als Kolorit sehr wertvolle Bilder gebracht, aber mit „Schweden im Auge des Künstlers“ hat dies wenig zu tun. Hennings hat aber auch das Punschtrinken auf der Opernterrasse gemalt und das soll ja, sagt man, zu dem Schwedischsten zählen, was sich denken lässt, auf dieser Terrasse zu sitzen, die schöne Aussicht zu genießen, eine der herrlichsten der Welt, den Ausblick über Stockholms Ström, zuzuhören wie das Streichorchester unsre melancholischen Volkslieder spielt und drüber das Punschglas nicht zu vergessen, mit dem man hin und wieder das Schweigen unterbricht und seinem Nachbarn ein „Skål i alla fall!“ (Prosit, wie 's auch geht!) zuruft.

Obwohl in Stockholm die Zahl von alten schönen Häusern nicht gering und der Reichtum an neuen ziemlich groß ist, haben sehr wenige Künstler unsrer Tage Riddarhuset, die Börse am Platz Stortorget und die alle Reichsbank an Järntorget dargestellt. Einen hohen Wert durch seine Stimmung hat Karl Nordströms Zeichnung „Riddarholmen an einem Frühlingsabend“ (S. 54). In vornehmer Abgeschlossenheit liegt die kleine Insel mit ihren stillen offenen Plätzen; Riddarholmen beherbergt viele große Erinnerungen. Jede Einzelheit in den alten Ziegelsteinmauern der Riddarholmskyrka hat uns etwas zu erzählen. Magnus Ladulås bat einst darum, hinter den roten Mauern dieser Kirche den letzten, langen Schlaf tun zu dürfen. In der Gustavianischen Grabkapelle sind in abgenützten Buchstaben die sich auf Gustaf Adolf beziehenden Worte zu lesen: SVECOS EXALTAVIT . MORIENS TRIVMPHAVIT und auf dem Kupferdach auf dem Karolinischen Grabchor glänzt die goldene Krone in der Abendsonne. Da drinnen in dem Sarge mit der Löwenhaut und der Herkuleskeule liegt mit von einer Kugel durchbohrtem Haupt „König Karl, der junge Held“, der einst dem Schicksal und dem Unglück die eherne Stirn bot.

In letzterer Zeit sind viele hübsche Gebäude entstanden. Die vornehmsten sind Ferdinand Bobergs Postgebäude, Lallerstedts Haus der Versicherungsgesellschaft „Trygg“, dessen kräftige Formen über den Baumkronen des Parkes Humlegården zu sehen sind, das Nordische Museum nach Gustaf Clasons Entwurf, wo sich auf ebenso sinnreiche als schöne Weise der Vasastil mit dem unsrer alten Holzkirchtürme vereinigt, Carl Westmans Haus der Gesellschaft der Ärzte am alten Friedhofe der Klara-Kirche, wo Bellman ruht, der Stockholm am schönsten zu sehen vermochte, und endlich Ragnar Östbergs Gymnasium auf Östermalm, das monumentalste Schulgebäude wenigstens bei uns zu Lande und reich an Kunst sowohl im Äußern als im Innern. Zur Zeit entbehren diese architektonischen Kunstleistungen noch der Patina, welche ein Maler nicht vermissen will; trotzdem aber haben selbst die banalsten neuen Stadtviertel, Zinskasernen und halbfertigen, schnurgeraden Strassen Karl Nordström, Aron Gerle und insbesondere Eugen Jansson Motive für ihre Kunst geliefert. Diese Maler verstehen es, in ihre Farbe eine gewisse Leidenschaft, in ihre Bilder einen modernen Geist von schönem Trotz zu legen, wenn sie diese den Nicht-Künstler langweilenden, trostlosen Stadtteile malen und uns beibringen, das Schöne auch hier zu finden. Viele Stockholmer und nicht zum mindesten Künstler und Schriftsteller wohnen außerhalb der Stadt. Von Djursholm aus (S. 53) haben sie die Aussicht über die Bucht Stora Värtan, von Lidingö aus über Lilla Värtan, und von der Insel Djurgården aus über den Einlauf des Stockholmer Hafens. Hier hat Prinz Eugen seine mit dem Besten in schwedischer Kunst geschmückte Villa. Hier malt der Fürst und Künstler den Naturpark Djurgården, seine Wiesen und Buchten zu allen Tages- und Jahreszeiten. Man könnte vielleicht sagen, dass er die größten historischen, kulturellen und vor allen künstlerischen Voraussetzungen hat, Stockholm mit Künstleraugen zu sehen, wenn er von seiner Villa Valdemarsudden aus die Stadt betrachtet, wie sie sich hier über die Wasserfläche erhebt.

Der Stockholmermaler, welcher das Feinste vom Wesen der Stadt auf seinen Bildern aufgefangen hat, der, welcher sich in herrlich klingenden symphonischen Dichtungen in Farben als wirklicher Neuschöpfer in der Landschaftsmalerei erwiesen hat, ja einer der vorzüglichsten Naturdarsteller der Gegenwart überhaupt, ist Eugen Jansson. Meist überblickt er die Stadt von den Höhen des südlichen Stadtteiles (Söder) aus und vielleicht hat er die Stadt am schönsten und monumentalsten wiedergegeben in jenem Meisterwerk, das in Carl Robert Lamms Sammlung verwahrt ist, dem großen Bilde, auf welchem die Nachmittagssonne ihren Goldglanz über Riddarfjärden, Kungsholmen und die roten Fabrikgebäude auf Södern herabgießt. In Eugen Janssons Landschaftskunst finden sich viele von den ausgeprägt schwedischen Zügen, Wehmut, Sehnsucht, Sinn für prächtige Farben, etwas lyrisch-musikalisches, etwas zugleich weiches, trotziges und weltumfassendes. Wie Bellman einen seiner Trinkbrüder in der Stunde des Sterbens singen lässt

„Sternenklares Himmelszelt, sink' auf mich hernieder“,

so hat man bei Eugen Janssons Bildern ein Gefühl von der Vergänglichkeit unter dem Gesichtswinkel des Ewigen. Von seiner eigenen Aussicht hoch auf den Bergen von Söder (S. 57) hat er viele Darstellungen gegeben. Die meisten befinden sich in Ernst Thiels reicher Sammlung. Bald zeigt er uns einen Winternachmittag, wenn die Boote das Eis durchfurcht haben und die letzten Sonnenstrahlen in den Fenstern des Schlosses glühen, bald führt er uns verlassene, steile Strassen mit hölzernen Treppen und geheimnisvoller Gasbeleuchtung hinauf, ein anderesmal sehen wir wie im Traum das Wasser im Dunkel schimmern, wenn sich Gas- und elektrische Trampen wie glänzende, blaugrüne, das Ufer einfassende Edelsteine drunten abspiegeln.

Wenn man in einer Sommernacht auf die Straße oder in eines der Gärtchen hinausgeht, die auf den Bergen auf Söder noch hier und dort versteckt liegen, so hat man den großen Mälarfjord und beinahe die ganze, in der hellen Nacht träumerisch daliegende Stadt zu seinen Füssen. Am nördlichen Rande des Gesichtskreises geht die Abendröte schon in Morgenrot über. Die Häuser und Kirchturmspitzen auf Riddarholmen zeichnen sich gegen den sich aufhellenden Himmel ab. Stockholm schläft, aller Straßenlärm ist verstummt, die Arbeiter haben ihre klappernden Dampfwinden und Eisenstangen verlassen, die Seeleute schlafen in ihren Vordersteven, die Orchester in Kungsträdgården und in Strömparterren haben längst zu spielen aufgehört. Da hört man vom Turme der Riddarholmskirche, dessen Uhrwerk einst Fredman mit zitternder Hand repariert hat, einen Glockenschlag, der über die Wasser und die Stadt hintönt. Man denkt an die Großen, welche in den Grabgewölben der Kirche schlummern, an die, welche gekämpft, gelitten und gestorben für das Schwedenland. Der Klang pflanzt sich über die ganze schlafende Stadt hin fort, die sieben hundert Jahre lang der Mittelpunkt und größte Schatz des Landes war. Man denkt an alle, die da drunten in dieser Stadt gedacht, gedichtet, gelebt, und unser Gedanke schweift hinaus über das Land zu den duftenden Heuhaufen in Sörmland, nach Norrland hinauf, wo jetzt das bleiche Licht der Mitternachtssonne über die Erzberge und die Sommerzelte der Lappen scheint, hinab zu den Buchenwäldern in Skåne, über unser ganzes ungeheuer großes Land hin, wie es in der Sommernacht daliegt, zu unsrem Volk in den roten Hütten, zu denen, die sich in der steinigen Erde müdegearbeitet haben. Man denkt auch dankbar an die, welche uns in Gesang und Kunst die Schönheit und den Wert dessen geoffenbart haben, was unser war, ist und immerdar das Eigentum unsrer Nachkommenschaft bleiben soll, und unsrem Herzen entsprießt die ernste und zugleich frohe Gewissheit: ich liebe Schweden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schweden im Auge des Künstlers