Schweden im Auge des Künstlers

Autor: Laurin, Carl Gustav (1868-1940) schwedischer Kunsthistoriker, Pädagoge und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1911
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Schweden im Auge des Künstlers, Landeskunde, Beschreibung, Land und Leute, Landschaften, Orte, Natur, Malerei, Wikinger, Reisen, Sonnenwende, Reisende,
Die deutsche Übertragung und die Herausgabe der deutschen und englischen Bearbeitung, in welcher die Beibehaltung aller schwedischer Eigennamen in der einheimischen Form und Schreibung streng durchgeführt ist, besorgte Dr. Heinrich Buergel Goodwin (1878-1931) vorm. Lektor an der Universität Uppsula.

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                    Unser Land

Fall, Weihnachtsschnee, und rausche, tiefes Moos!
Funkl', Stern des Ostens, nachts in Junilüften!
Schweden, Mutter! schirme unser Los,
Du Land, das unsre Kinder birgt im Schoß
Und unsre Väter heget in den Kirchengrüften,


so singt ein Dichter, der schwedische Natur und schwedisches Wesen innig erfasst hat. „Schweden, Mutter!“ Man liebt seine Mutter, aber scheut doch davor zurück, dem nächstbesten ihre Vorzüge anzupreisen. Wir wissen zu gut, dass es andere Mütter gibt, schönere, stattlichere, klügere als unsre eigne Mutter. Wir verlangen ja auch nicht, dass andere für unsre Mutter mehr als Achtung empfinden sollen, selbst aber wissen wir, was sie uns geschenkt hat, das Leben und vieles mehr. Große Künstler haben oft etwas ganz Besonders geleistet, wenn sie ihre eignen Mütter malten oder zeichneten. Die Liebe und Ehrfurcht, welche ihnen dabei die Hand führte, hat Schönheitswerte von hoher Dauer geschaffen. Ich erinnere an Dürers Zeichnung, an Rembrandts, Whistlers, Carl Larssons Bilder, welche die Spenderin ihres Lebens zum Vorwurf haben. Wir finden, dass hier die Quelladern ihres Wesens, entfesselt und von Liebeswärme aufgetaut, reiner als sonst hervorsprudeln und, wie Dürer sagt, „der heimliche Schatz des Herzens offenbar wird durch das Werk“. Ebenso geschieht es, wenn der Künstler die Mutter Erde schildert, die ihn erzeugt hat. Er entdeckt und ruft in die Erscheinung Schönheit hier und Größe dort, wo kein anderer sie gesehen hat. Er verlieft dadurch und bereichert die Gefühle seiner Landesgenossen für das gemeinsame Vaterland.

Wir befinden uns eben jetzt in Schweden in einem Zeitabschnitt, wo wir uns zwar gegen das falsche Pathos für das Vaterländische auflehnen, das wir aus älteren Zeiten herüber genommen haben, aber auch gegen die Neigung zu nationaler Selbstverleugnung, ungerechter Unterschätzung des Eigenen, welche die frühere Strömung im Gefolge hatte, und die womöglich noch mehr Schaden stiftete. Vor den großen Worten und Gebärden scheuen wir zurück, aber ebenso gut vor der unfruchtbaren Nörgelei; nach echter, warmer, wenngleich anspruchsloser Vaterlandsliebe tragen wir Verlangen.

Von außen her, besonders von französischen Kunstströmungen befruchtet, hat sich unsre Kunst, die heute im Zeitalter ihres Glanzes steht, auf die schwedische Eigenart in Natur und Volkscharakter konzentriert und gewaltig dazu beigetragen, unsre Kenntnis von unsrem Land und von uns selber zu vertiefen. Ist der Satz wahr, dass Selbstkenntnis das Wesentliche ist, so hat die schwedische Kunst einen bedeutungsvollen Einsatz in unser nationales Leben gemacht.

Schweden, welches den östlichen und größten Teil der skandinavischen Halbinsel einnimmt, hat eine Längenausdehnung von 1600 Kilometern — die Entfernung von Malmö bis Neapel! Es ist klar, dass ein Land mit einer solchen ungeheuren Ausdehnung in nord-südlicher Richtung ein mannigfach geartetes Klima haben muss. Nahezu der siebente Teil liegt innerhalb des Polarkreises, während das reiche, dichtbevölkerte Skåne eine mittlere Temperatur hat, die sich derjenigen Mitteleuropas nähert.

„Gamla Sverige“ — „das alte Schweden“ heißt es. Mit recht; denn der germanische Volksstamm, der dieses gewaltige, an Ausdehnung beinahe Frankreich gleichkommende Gebiet, wennschon viel zu wenig dicht bevölkert, ist schon seit Urzeiten in unseren Wäldern ansässig gewesen. Das Schwedenreich — „Svea rike“, daraus später „Sverige“ — ist die älteste erhaltene Staatsbildung in Europa, und sogar der Grund und Boden, die Gebirge gehören der ältesten Formation der Erde an. Fast drei Viertel des Landes sind von Granithügeln erfüllt, die, von den Gletschern der Eiszeit abgeschliffen und jetzt zum Teil mit Moos und Waldung bewachsen, der Landschaft ihren Charakter verleihen. Manche unserer Vorzüge lassen sich dem Fremden nicht leicht zeigen wie z. B. allgemeine Schulbildung oder ungewöhnlich niedere Sterblichkeit, obwohl uns selber diese beiden Tatsachen hoch beglücken. Hingegen pflanzen wir uns zu wenig fort und heiraten viel zu wenig, und die Auswanderung entzieht jedes Jahr dem Lande Tausende von jungen, gesunden und strebsamen Leuten, die Nahrung und gute Volksbildung genossen haben so lange sie noch nichts leisteten, und die jetzt ihre tüchtige Arbeitskraft auf fremdem Boden entfalten. Die nationalökonomischen und psychologischen Ursachen dieser Blutabzapfung sind vielfacher Art. Die sympathischste Ursache ist eben jener Wagemut, den die alten Wikinger besaßen, und die Lust, sich in der Welt umzusehen, die am. wenigsten ansprechende Seite ist der Mangel an Gefühl für den Wert der schwedischen Eigenart. Jenes stille, mehr oder weniger berechtigte Überzeugtsein von dem überlegenen Wert des Eigenen, das wir bei Engländern, Norwegern, Franzosen, Ungarn und Amerikanern finden, suchen wir leider immer noch vergebens in Schweden.

01 Unser Land. Von Otto Hesselbom

01 Unser Land. Von Otto Hesselbom

00 Nord-Schweden Landkarte

00 Nord-Schweden Landkarte

00 Süd-Schweden Landkarte

00 Süd-Schweden Landkarte

02 Auf der Einfahrt nach Stockholm. Von Prinz Eugen

02 Auf der Einfahrt nach Stockholm. Von Prinz Eugen

03 Seebär. Zeichnung von Albert Engström

03 Seebär. Zeichnung von Albert Engström

04 Nordischer Sommerabend. Motiv von Lidingö. Von Richard Bergh

04 Nordischer Sommerabend. Motiv von Lidingö. Von Richard Bergh

05 Die Meinigen. Frau Karin Larsson mit ihren Kindern Suzanna, Lisbeth, Ulf und Pontus, auf Sundborn. Von Carl Larsson

05 Die Meinigen. Frau Karin Larsson mit ihren Kindern Suzanna, Lisbeth, Ulf und Pontus, auf Sundborn. Von Carl Larsson

26 Kings Karin. Ölbild von Anders Zorn

26 Kings Karin. Ölbild von Anders Zorn

22 Erdarbeiter. Gemälde von Carl Wilhelmson

22 Erdarbeiter. Gemälde von Carl Wilhelmson

13 Birkengehege in Södermannland. Ölbild von Reinhold Norstedt.

13 Birkengehege in Södermannland. Ölbild von Reinhold Norstedt.