7tens Gasbeleuchtung. Lampen. Kandelabern. - Naturfreunde bemerken, mit Vergnügen, wie in großen Städten das Nachtleben sich immer kräftiger entwickelt. ...

7. Gasbeleuchtung. Lampen. Kandelabern

Wie das Weib dem Mann gegeben
Als die schönere Hälfte war:
So ist die Nacht das halbe Leben,
Und die schönere Hälfte zwar.


Naturfreunde bemerken, mit Vergnügen, wie in großen Städten das Nachtleben sich immer kräftiger entwickelt. In Paris wird man schon auf zehn Uhr abends zu Spielpartien eingeladen, und superfeine Leute gehen erst um Mitternacht, nach Beendigung der Oper, in Gesellschaft. Schreitet diese schöne Sitte noch etwas vor, so muß es dahin kommen, daß man um vier Uhr morgens in Gesellschaften geht und sich abends um sieben Uhr schlafen legt, und dann wird man leben wie die lieben Landleute. In ihren Mahlzeiten haben es die Pariser schon zu dieser ländlichen Natürlichkeit gebracht. Sie essen um elf Uhr morgens zu Mittag, und spätestens um sieben Uhr abends nehmen sie das Nachtessen. Freilich nennen sie ihr Mittagessen Frühstück und ihr Abendessen Mittagessen; aber Worte ändern die Sache nicht. Selbst in den Speisen fängt sich die ungekünstelte Natur zu zeigen an. Bei den feinsten Pastetenbäckern findet man eine Art Schwarzbrot, das ganz so derb ist wie Pumpernickel. Als ich das erste Mal, überrascht von dieser Erscheinung, den Küchenkünstler fragte, was das wäre, antwortete er, dieses Brot sei sehr rafraichissant und beliebt bei allen Gourmands. Die Pariserinnen von höherm Stande haben im wörtlichsten Sinne des Ausdrucks im Winter gar keinen Tag; denn sie kleiden sich erst aus, wenn man in Butzbach, Bingen, Treuenbritzen und andern Naturstädten sich ankleidet, und bis sie nach dem Erwachen sich die Augen gerieben und gefrühstückt haben, ist die Sonne wieder untergegangen. Die Frauenzimmer der gewerbtreibenden Klassen ahmen das vornehme Nachtleben wenigstens symbolisch nach. Den ganzen Tag sitzen sie in ihren Läden im Nachtgewande und mit gewickelten Haaren, und erst wenn es dunkel geworden ist, putzen sie sich und lassen sich frisieren. In den Kaffeehäusern, wo überall Frauenzimmer die Honneurs machen, sind sie den Tag über, an ihren Bureaus sitzend, ganz hausmütterlich mit Nähen beschäftigt und reden kein Wort mit den Gästen. Sobald aber die Lichter angezündet werden, schmücken sie sich aufs Herrlichste und fangen an geistreich und liebenswürdig zu werden. Man kann sich also denken, welch eine wichtige Sache in Paris die Nachtbeleuchtung ist. Die durch Gas breitet sich täglich mehr aus. Wenn es die Menschen dahin gebracht haben werden, die atmosphärische Luft von ihren Stickstoffteilen zu reinigen, dann werden sie das Verderben vollendet haben, das sie durch die Gasbeleuchtung angefangen. Das Gaslicht ist zu rein für das menschliche Auge, und unsere Enkel werden blind werden. Merkwürdig ist, daß trotz jener guten Eigenschaft der Gasbeleuchtung die Ultras ihr dennoch feind sind, wie ihnen wenigstens die Liberalen vorwerfen. Daß dieser Vorwurf ganz ohne Grund sein sollte, kann ich mir kaum denken; der alte Spaß mit Aufklärung wäre doch gar zu dumm und abgenutzt. Ob der Vorwurf gegründet ist, weiß ich auch nicht; doch erinnere ich mich nicht, je in einem Ultrablatte etwas zum Lobe der Gasbeleuchtung gelesen zu haben. Dieser Widerwille wäre in der Tat ein psychologisches Rätsel, an dessen Auflösung sich ein Gelehrter üben könnte. Wie, um des Himmels willen, hängt die Aristokratie mit Wasserstoffgas zusammen? Indessen gibt es noch mehrere solche physikalische Rätsel. Wie hängt die französische Geistlichkeit mit den Kuhpocken zusammen? Man hat neulich die fürchterliche Berechnung gelesen, wie die Zahl der an den natürlichen Blattern Gestorbenen in Paris seit einigen Jahren gestiegen; anfänglich etwa hundert jährlich, betragen jetzt die Sterbefälle über tausend. In gleichem Verhältnisse, als sich die Kuhpockenimpfungen vermindern, vermehren sich die Dotationen und Vermächtnisse, welche die Geistlichkeit sich zu verschaffen weiß. Sie betragen jetzt schon viele Millionen. Wie hängt das alle zusammen? Ihr Antiquare, die ihr alte gute Kunstwerke an ihrem edlen Roste erkennt, ihr Winkelmänner – seid so gut und erklärt uns das! Woher kommt es, daß, seitdem die Pariser Gassen mit Geistlichen wie besät sind, so viele Kinder an den natürlichen Blattern sterben? Mercier erzählt, vor der Revolution habe jemand beobachtet, daß über den Pont-Neuf alle fünf Minuten ein Schimmel und ein Abbé gegangen. Ich habe das optische Experiment nachgemacht und gefunden, daß zwar an die Stelle der Schimmel jetzt die Gendarmen getreten; sonst aber noch alles so ist, wie es ehemals gewesen.

Gerätschaften zur Beleuchtung, sowohl durch Gas als Öl und Wachs: Lustres, Lampen, Kandelabren waren in der Ausstellung von großer Mannigfaltigkeit und Schönheit zu sehen. Was sich nur von Antiken dazu eignete, war in Gold, Silber, Bronze, Kristall oder Holz nachgebildet. Von guter Wirkung waren ein Paar Gasleuchter in Form von Karyatiden oder Atlanten, welche kristallene Weltkugeln trugen, auf deren einer die Erde mit ihren geographischen Einteilungen, auf deren andern die Sternbilder eingegraben waren. Ein Schuster hat in seinem Laden zwei große Stiefel von Kristall, die mit Gas erleuchtet werden. Utzschneider in Saargemünd verfertigt unter vielen andern Dingen auch Kandelabren von künstlichem Porphyr, von sieben Fuß Höhe. Dieser von Utzschneider erfundene Porphyr ist dem natürlichen so täuschend nachgemacht, daß einer der berühmtesten französischen Mineralogen, dem man ihn zur Untersuchung gab, ihn für einen natürlichen gehalten und gefragt hat, in welchem Departement er gegraben werde .... Herr Bordier-Marcet, Ingenieur in Paris, hat eine Laterne für Leuchttürme verfertigt, die von ungemein großer Wirkung ist. Ihr Licht kommt an Stärke dem von zweitausend gewöhnlichen Lampen gleich und verbreitet sich acht Stunden weit. Wären alle Leuchttürme mit solchen Laternen versehen, so würden schon viele herzzerreißende Unglücksfälle und Tragödien verhütet worden sein.

Auch die Wachskerzen hat man sehr verbessert. Die von gereinigtem Wachs verfertigten „bougies diaphanes“ sind durchsichtig und gleichen dem Alabaster. Ein Kerzenfabrikant hatte das Brustbild des Königs, von solchem Wachse durchsichtig gemodelt, in seinem Laden aufgestellt. Man sah auch rote, gelbe, blaue, grüne Wachskerzen. Daß sie keine schwarzen zu Trauerbällen verfertigten, hat mich gefreut, doch gewundert; denn allerdings haben sie in der Rue de la paix einen Putzladen, „Grand Magasin de deuil“ genannt, wo nur Putzwaren und Zeuge zu Trauerkleidungen verkauft werden. Welch ein fürchterlicher Schnitthandel! Die Parze selbst schneidet den Begehr! ... Wer eine gelehrte Haushälterin hat, der man lateinische oder griechische Aufträge geben kann, der schicke sie hin, „bougies soléraphlites“ zu kaufen. Das Pfund kostet zwar nur 1 Fr., denn sie sind von gewöhnlichem Lichtertalge; sie haben aber folgende gute Eigenschaften: die Flecken, die sie auf Kleidern und Möbeln machen, kann man durch Weingeist reinigen; die Stärke ihres Lichtes verhält sich zu dem der gewöhnlichen Lichter, genau berechnet, wie 11 zu 7; sie brennen ein Dritteil länger als die gewöhnlichen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schilderungen aus Paris.