1tens Ternaux. - Im Konzerte der Eitelkeit und der Gewinnsucht hat Ternaux ein Solo gespielt, und es gebührt ihm daher eine besondere Erwähnung. ...

1. Ternaux.
Im Konzerte der Eitelkeit und der Gewinnsucht hat Ternaux ein Solo gespielt, und es gebührt ihm daher eine besondere Erwähnung. Da aber, was man nie vergessen darf, in Paris die Marktschreierei ganz geschwisterlich mit dem wahren Verdienste lebt, so soll zuvörderst von Ternaux' wahren Verdiensten gesprochen werden. Er ist der erste Fabrikant in Frankreich und beschäftigt zwölf Fabriken, zum Teil im Auslande, nämlich in Sedan, in Louviers, in Elboeuf, St. Quen, Reims, Aachen, Lüttich, Ensival und Paris. Ihm am meisten verdankt Frankreich die Vervollkommnung des Fabrikwesens seit dreißig Jahren, und er war der erste, der die hydraulischen Maschinen der Engländer einführte. Er war zweimal in diesem Lande, um dessen Fabriken kennenzulernen. Ternaux hat in St. Quen eine Experimentalwerkstätte (atelier d'épreuves), um neue Verfahrungsarten zu erproben, und er verschwendet auf die Versuche zu neuen Stoffen jährlich eine große Summe. In Paris, Livorno, Neapel und andern großen Städten hat er Handelshäuser errichtet, die sich nur mit dem Vertriebe seiner Produkte beschäftigen, und es wird von ihm gerühmt, daß er das Glück vieler junger Leute begründe, welchen er seine Waren auf Kredit gäbe. Auf seinen Ländereien unterhält er große Herden von Merinoschafen und von jenen Ziegen, deren Haar den Stoff zu den Kaschmirs gibt und welche Ternaux zuerst aus Persien nach Frankreich gebracht. Ternaux' Kaschmirshawls werden sogar im Orient begehrt, und die Schönheiten des Serails in Konstantinopel, die indischen Bajaderen und die Frauen in Persien schmücken sich damit. Um von Ternaux' ausgedehnter und verständiger Industrie eine Vorstellung zu geben, wird erzählt, er habe in früherer Zeit eine neue Art von ihm erfundenen Tuches nach England geführt, wo ihm aber die Ware an der Douane konfisziert worden sei. Denn nach dem damals geltenden Handelsvertrage zwischen Frankreich und England habe jeder Staat das Recht gehabt, diejenigen Waren zu konfiszieren, die von dem Einführer zwölf Prozent unter dem Preise angegeben würden. Ternaux habe aber bewiesen, daß der von ihm erklärte niedrige Preis der wahre Verkaufspreis sei und daß er noch dreißig Prozent dabei gewinne. Dreimal habe Ternaux aus diesem Grunde eine Konfiskation seiner Einfuhr erlitten, und dreimal habe er den Prozeß gewonnen .... Früher gab Ternaux zehntausend Arbeitsleuten Unterhalt; jetzt aber, wegen der unruhigen Zeit und der Vervollkommnung der Maschinen, beschäftigt er nur noch sechstausend. Außer dem Erzählten hat er auch noch das Verdienst, links zu sein. Es gibt nichts Angenehmeres auf der Welt, als in Paris liberal zu sein und nebenbei ungeheuer reich. Man ist dann im Besitze einer sehr romantisch gelegenen Zwickmühle. Fallen die Renten, zieht man nach Barcelona und erquickt sich an Minas Tapferkeit; geht Cadix über, zieht man in seine Kassenstube und tröstet sich mit seinen Millionen. Auch zeigen die Pariser Handelsleute bei jedem kosmopolitischen Unglücke eine Seelenstärke, die sie den weisesten Männern Griechenlands gleichstellt. Ich war ganz erfüllt von Bewunderung und durchdrungen von Ehrfurcht, als ich am Tage, da man erfuhr, Cadix habe sich übergeben, einen liberalen Bankier besuchte und ihn so ruhig und gefaßt gefunden, daß er mit fester Hand gemeine Handelsbriefe unterzeichnen konnte.

Ternaux erhielt zur Ausstellung seiner Fabrikate, gleich den übrigen Fabrikanten, seinen Platz im Louvre. Ich muß unparteiisch bemerken, daß der angewiesene Raum wirklich eng war, und es mochte hierbei von seiten der Behörde eine jener kleinlichen Neckereien stattgefunden haben, die man sich im vorigen Jahre, bei Gelegenheit der Gemäldeausstellung, gegen Horace Vernet erlaubt hat. Dieser nämlich, weil er mit der linken Hand malt, konnte auch für seine Werke nicht den erforderlichen Platz erhalten. Hier ist alles links oder rechts, und die Menschen werden, die beim jüngsten Gerichte, als Böcke oder Lämmer zu beiden Seiten gestellt. Es lohnte sich wohl der Mühe, sich hinter einen aristokratischen und einen liberalen Kammerdiener zu stecken, um zu erfahren, ob ihre Herren, je nach ihrer politischen Gesinnung, auf der rechten oder auf der linken Seite im Bette liegen. Aber es ist nicht weniger zu bedenken, daß, wenn Ternaux auch einen zehnmal größeren Raum bekommen hätte, dieser doch für seine vielen und mannigfaltigen Fabrikate nicht ausgereicht haben würde. Es war also der Behörde nicht möglich, dem Mangel abzuhelfen. Aber Ternaux half ihm selbst ab, indem er in seiner eigenen Wohnung eine Privatausstellung veranstaltete und bei dieser Gelegenheit auch seine Waren im Detail und zum Fabrikpreise verkaufte. Die Ausstellung wurde von seinen Gegnern, ohne alle Rücksicht auf das Wörterbuch der französischen Akademie, eine Contre-Exposition genannt, dem Ausdrucke Contre-Revolution nachgebildet. Ternaux' Freunde erhoben dessen Ausstellung sehr und widmeten ihr in den Journalen viele und lange Artikel. Sie lobten die Vortrefflichkeit, die Wohlfeilheit seiner Waren. Unter andern bemerkten sie: Ternaux verkaufe seine feinsten Wollentücher zu 45 Fr. die Elle; die Schneider aber (es ist in Paris üblich, daß die Schneider zu den von ihnen verfertigten Kleidern auch das Tuch liefern) ließen sich für die Elle 65 Fr. bezahlen, eine Prellerei, die selbst für Schneider zu groß wäre. Als Ternaux die Lobrede seiner unverständigen Freunde gelesen, mochte er sehr erschrocken sein; denn es mit den Schneidern zu verderben, dazu gehört ein Heldenmut, für den ein tuchhändlerisches Herz nie groß genug ist. Er übernahm also selbst die Verteidigung der Schneider; er sagte: die Herren Schneider wären die ehrlichsten Leute von der Welt, und wenn sie statt 45 Fr. 65 Fr. forderten, so habe das die und die Ursachen. Ternaux gebrauchte aber in seiner Schutzrede so zweideutige, so sophistische Wendungen, daß sie schwer zu fassen waren. Nur so viel ging deutlich hervor, daß er die den Schneidern abgenommene Schuld auf die Kaufleute wälzte. Jetzt zogen diese zu Felde, und zwar scharenweise, je nach ihrer Waffenart: die Tuchhändler, die Leinenhändler, die Kaschmirhändler und die übrigen Ellenritter, alle in besondern Abteilungen. Sie sagten: Ternaux habe seine Privatexposition aus Eigennutz veranstaltet; denn er verkaufe im Detail und halte eine wahre Messe – ein Verfahren, das zu bezeichnen sie sich enthalten wollten. Ein heiliges Naturrecht, seit Anbeginn der Welt zwischen Fabrikanten und Kaufleuten geltend, untersage jenen, ihre Waren im Ausschnitt zu verkaufen, und dieses Naturgesetz habe Ternaux schmählich verletzt. Ferner: wenn er seine besten Tücher zu 45 Fr. verkaufe, so beweise das nur, daß er keine feinere zu höheren Preisen verfertige; andere Fabrikanten aber könnten daher nicht der Überteurung beschuldigt werden, wenn sie feinere Tücher lieferten, die bis zu 90 Fr. wert wären. Die Herrn Kaufleute mögen hierin ganz recht haben. Sie sagten weiter: Ternaux' Preise wären höher als die anderer Fabrikanten, und es sei ja eine bekannte Sache, daß die französischen Handelsleute sich aus Ternaux' Fabriken gar nicht versorgten und daß deren größter Absatz in das Ausland ginge. Der Beweis dieser Behauptung läge darin, daß Ternaux sich imstande gesehen, in seiner Ausstellung für zwei Millionen Waren zusammenzuhäufen, was einem Fabrikanten, dem es nicht an Bestellungen mangelte, unmöglich gefallen wäre. Auch hierin scheint das Recht auf der Seite der verbündeten Handelsmächte zu sein. Ternaux erwiderte auf diese Beschuldigungen: nicht aus Gewinnsucht, sondern darum habe er seine Hausexposition veranstaltet, um die Jury zu überzeugen, daß er zu den angegebenen wohlfeilen Preisen wirklich verkaufe. Die Jury nämlich nehme bei ihrer Ehrenpreisverteilung auf die Wohlfeilheit der Fabrikate Rücksicht; wie könne sie sich aber überzeugen, daß die Fabrikanten zu den ihren Mustern beigefügten Preisen wirklich verkauften, wenn sie es nicht machten, wie er es gemacht? Nur um die goldene Medaille sei es ihm zu tun gewesen. Die gegnerischen Handelsleute schlugen auch diese Entschuldigung zurück, und so wurden einige grause Federschlachten geliefert. Endlich taten die Ternaux den entscheidenden Schlag. Sie sagten: und wenn wir auch wirklich aus Gewinnsucht unsere Exposition veranstaltet – ist das nicht etwas Erlaubtes, kann uns das jemand wehren? Das war sehr vernünftig gesprochen, und es ist hiergegen nichts zu bemerken, als daß sie so, wie sie geendigt, hätten anfangen sollen; der gerade Weg ist überall der beste.


Einiger der Fabrikate Ternaux', die wegen ihrer Neuheit, ihrer Güte oder ihres niedrigen Preises Aufmerksamkeit erregt, soll am gehörigen Orte Erwähnung geschehen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schilderungen aus Paris.