Feldzug von 1812

Über den Feldzug von 1812 sind eine Menge Schriften erschienen, man hat amtliche Berichte, Depeschen usw. veröffentlicht; aber nirgends findet man einen Fingerzeig über den Plan, den die russische Regierung beim herannahen des Krieges entworfen haben könnte. Der logischste Schluss, den man daraus ziehen dürfte, wäre der, dass sie keinen Plan hatte. Ein allgemeiner Instinkt ließ es ahnen, dass Russland den Feind nur dadurch, dass es ihn in das Innere des Landes eindringen ließ, mit Erfolg bekämpfen konnte; aber nichts beweist, dass diese Taktik die Grundlage eines im Voraus festgesetzten Systems gebildet habe.

Weder die Wahl der festen Punkte, noch die Anlegung der zur Erhaltung des Heeres unumgänglich nötigen Magazine bezeichnete die Absicht, vom Beginn des Feldzuges an eine rückgängige Bewegung anzunehmen. Jene Magazine, eben so wie das Lager von Drissa, befanden sich ganz nahe an der Grenze.


Der Kriegsminister Barclay de Tolly, der das Heer reorganisiert hatte, war dazu bestimmt, es zu befehligen, jedoch nicht allein: der General Bagration sollte einen gleichen Oberbefehl führen. Es gab also zwei Oberbefehlshaber, da der Kaiser selbst niemals den Titel eines solchen hatte amtlich annehmen wollen. Das war ein erster Fehler: man konnte wohl zwei Heere haben, aber der gesunde Verstand sagte, dass diese beiden Heere ein einziges Oberhaupt haben mussten, sobald sie gemeinschaftlich wirken sollten, und besonders wider einen solchen Gegner, wie Napoleon es war.

Der Feldzug von 1812 begann, wie bekannt, mit dem Rückzuge des russischen Heeres nach dem Inneren. Die Fremden bewunderten diesen Rückzug in Russland dagegen erhob sich die Meinung des Landes eben so wie die des Heeres gegen den Oberbefehlshaber Barclay de Tolly. Der Kaiser jedoch, der in St. Petersburg war, erhielt dem Manne seiner Wahl fortwährend seinen Schutz und sein Vertrauen. Nachdem aber der Feind Smolensk eingenommen, forderte man, trotz der bekannten Gesinnungen des Kaisers, nachdrücklicher als je die Entfernung des Kriegsministers. Um dieselbe Zeit traten auf Einladung des Generals Yermoloff, des Generalquartiermeisters der großen Armee, mehre Generäle zusammen, und richteten an den Kaiser eine Vorstellung, um Barclay de Tollys Abberufung, und an seiner Statt die Ernennung des Generals Kutusoff zu erlangen. Den Letzteren, der nach einem nicht ruhmlosen Feldzuge den Krieg mit der Türkei so eben beendet hatte, bezeichnete die allgemeine Stimme. Alexander gab endlich nach. Bei seinem Abgange von der Armee wäre Barclay beinahe ein Opfer der Volkswut geworden.

Aber das Publikum, das niemals, und selbst in Russland nicht, lange ungerecht ist, kam später von seinen Vorurteilen gegen Barclay de Tolly zurück. Die Militärs werden sein Verdienst als Heerführer zu würdigen wissen, und wer ohne Leidenschaft urteilt, wird seiner Rechtlichkeit und Biederkeit die Anerkennung zu Teil werden lassen.

Noch ein anderes Lob gebührt ihm. Alle Russen, die es wissen, welch' entsetzliches Unglück die Errichtung von Militärkolonien ihrem Lande verursacht hat, sind einem Manne Dank schuldig, der allein im ganzen Reiche dem Kaiser gegenüber jene eben so abgeschmackte, als grausame Einrichtung zu missbilligen wagte. Vielleicht betrachtete er sie nur vom militärischen Standpunkte aus, aber wie dem auch sei, die Kundgebung seiner Ansicht war deshalb nicht minder lobenswert, in einem Lande, wo Jedermann jene Einrichtung verdammte, Keiner aber Mut und Hingebung genug besaß, sich darüber offen gegen den Kaiser auszusprechen: man schwieg, und ein Selbstherrscher, der sich so hoch gestellt sieht, nimmt sich nicht die Mühe, so weit herabzusteigen, dass er das Stillschweigen seiner Untertanen auslegen möchte.

Man hat bemerkt, dass der Eroberer in Russland keine Verräter, ja selbst keine Willfährigen fand. Nur ein armer Bischof bequemte sich dazu, in dem Kirchengebete Napoleon zu erwähnen - diese Schwäche wurde von der Regierung nur allzu hart gestraft: der Bischof wurde abgesetzt, etwas in Russland fast Unerhörtes.

Auf dem russischen Boden stieß Napoleon nur auf Feinde; oft fand er sogar einen lebhaften Widerstand von Seiten einzelner Leute. In der Provinz Smolensk widersetzten sich einige Edelleute dem Sieger, und starben den Märtyrertod. Der berühmte Rostopschin steckte sein Landhaus in Brand, und ließ dort einen Zettel zurück, worin die Franzosen lesen konnten, dass ihnen überall ein ähnlicher Empfang bevorstehe.

Zum Oberbefehl in Moskau berufen, schändete Rostopschin seinen Patriotismus durch mehre grausame und gewalttätige Handlungen. Am Tage vor dem Einzuge des Feindes in diese Hauptstadt ließ er einen jungen Mann, den er einige Zeit vorher hatte ins Gefängnis werfen lassen, vor seinen Palast führen, und erklärte dem versammelten Volke, es sei dies ein Verräter, der die Stadt den Franzosen verkauft. „Ich überliefere ihn Eurer Rache!“ rief er. Da antwortete eine Stimme aus der Menge: „Wir sind keine Henker.“ Rostopschin, der unstreitig Eile hatte, um die Flucht zu ergreifen, und der mit diesem ihm unbequemen Menschenleben zu Ende kommen wollte, befahl einem Gensdarmen, den Unglücklichen niederzusäbeln. Es geschah. Als das Volk einmal Blut sah, fiel es mit wütendem Geschrei über das Opfer her, massakrierte es vollends, und schleppte den Leichnam durch die Straßen. Das Verbrechen des jungen Mannes bestand in der angeblichen Übersetzung einer angeblichen Proklamation Napoleons, die in Dresden gefertigt, in Hamburg gedruckt worden war, und welche Rostopschins Polizei unter den Papieren des Unglücklichen gefunden hatte.

Nach dem Rückzuge der französischen Heere verlangte der Vater dieses Opfers bei dem Kaiser Gerechtigkeit gegen den Mörder. Alexander schauderte vor Rostopschins Tat, eine Untersuchung wurde angeordnet. Aber der Senat fand es so bedenklich, einen Generalgouverneur und Stellvertreter des Kaisers des Meuchelmordes anzuklagen, dass die Suche keine weiteren Folgen hatte und unterdrückt wurde. Vielleicht trug jene Handlung zu der Entfremdung des Kaisers gegen Rostopschin bei. Nach seiner Rückkehr nach Moskau ließ der Letztere noch mehre andere angebliche Verräter ergreifen. Der bedeutendste unter ihnen war ein Franzose, Sprachlehrer, ein ruhiger und achtungswerter Mann, der bei Napoleons Einzug gezwungen worden war, einer Art Deputation, bestehend aus zwei oder drei Krämern, die den Sieger Willkommnen sollten, als Dolmetscher zu dienen, man wollte nämlich durchaus eine Deputation haben. Ein anderes Individuum von eben so bescheidener Stellung und eben so achtbarem Charakter wurde beschuldigt, während der französischen Besetzung die Polizei der Stadt besorgt zu haben. Rostopschin ließ diese Beiden wie Sträflinge in den Straßen arbeiten, bis ein Kaiserlicher Befehl sie befreite.

Ein anderer Zug wird Rostopschin charakterisieren. Unter den hohen Verwaltungsmaßregeln, die er einführen zu müssen glaubte, befand sich das Verbot an die Modehändler, sich auf den Schilden ihrer Läden der französischen Sprache zu bedienen. Und dennoch war Rostopschin ein Mann von vielem Geist, und als solcher nicht bloß in Russland, sondern auch in anderen, in zivilisierten Ländern anerkannt.

Man hat viel von dem Brande Moskaus gesprochen. Wer hat es angezündet? Die Franzosen behaupteten, der Wahrheit gemäß, dass bei ihrem Einzuge die Flammen sich bereits an mehren Orten zeigten, die französischen Behörden ließen sogar einzelne Unglückliche auffangen, die bei offener Tat erwischt worden sein sollten. Dieser Beweis würde freilich nicht genügen, denn Behörden machen sich kein Bedenken, alle Arten von Beweisgründen, selbst den Galgen, anzuwenden, wenn sie wünschen, dass man ihren Angaben Glauben beimessen soll. Aber der einfache Menschenverstand sagt, dass man die Franzosen vernünftiger Weise eines ihren Interessen so entgegenlaufenden Ereignisses nicht beschuldigen darf. Von der andern Seite ist es gewiss, dass dieser Brand der russischen Sache wunderbare Dienste geleistet hat, er reizte die Volkswut gegen den Feind, und beraubte zugleich den Letzteren unermesslicher Subsistenzmittel.

Übrigens scheinen mehre Tatsachen darauf hinzudeuten, dass die Russen selbst das Feuer anlegten. Als die Moskauer Behörden die Stadt räumten, nahmen sie die Feuerspritzen mit sich fort. Auch ist es notorisch, dass die Gefängnisse geöffnet wurden. Es sollten sogar Fackeln, die eigens dazu vorbereitet waren, durch Polizeiagenten verteilt worden sein. Diese Fackeln, fügte man hinzu, waren von einem ausländischen Physiker gefertigt, der von der Regierung den Auftrag erhalten hatte, einen ungeheuren, nach Willkür zu lenkenden Luftballon zu erbauen, mit welchem er sich in die Luft schwingen, und von da alle Arten Brennstoff ins feindliche Lager herabwerfen konnte*). Wie dem auch sein mag, die Tatsache selbst hat man niemals aufklären wollen. So viel ist gewiss: die Regierung, d. h. der Kaiser, war Allem, was sich auf den Brand bezieht, völlig fremd: er erteilte in dieser Hinsicht niemals einen Befehl, eine Ermächtigung. Wahrscheinlich gaben die Ortsbehörden den Anstoß, und das Übrige geschah aus Nachahmung. Russische Soldaten, welche die Stadt verließen, einzelne Bewohner haben vielleicht hie und da Feuer angelegt, und es musste um so schneller um sich greifen, da man keine Mittel hatte, es zu dämpfen. Lange vor der Einnahme Moskaus sprachen mehre Personen von dem Brande der Stadt, wie von einer Notwendigkeit, im Falle einer Besitznahme durch den Feind. Derartige Gespräche hatten in Gegenwart Rostopschins und bei ihm selbst stattgefunden. Ein Senator unter Anderen, dessen ganzes Vermögen in Häusern bestand, die im volk- und gewerbereichsten Teile der Stadt lagen, erklärte, er würde sie ohne Weiteres in Brand stecken, wenn die Franzosen in Moskau einzögen. Rostopschin bekannte sich laut zu derselben Ansicht.

*) Es ist das kein Scherz; dieser Entwurf eines Luftballons war der Gegenstand eines ernsthaften diplomatischen Briefwechsels.

Indessen glaubte der Letztere lange Zeit nachher in Paris ein Schriftchen veröffentlichen zu müssen, worin er sich gegen die Zumutung verteidigte, als habe er den Brand Moskaus verursacht. Diese Erklärung überraschte Jedermann. Seine Landsleute empfanden es schmerzlich, dass es einem Russen in den Sinn kommen konnte, sich gegen die Vollbringung einer großen Tat zu verwahren. Nichts desto weniger blieben mehre Personen, die mit ihm in vertrauten Verhältnissen standen, fortwährend überzeugt, dass er die Wahrheit gesagt, wenn er versichert, er habe den Befehl zum Anzünden Moskaus nicht gegeben. Ist der Umstand, dass Rostopschin der Urheber jenes Brandes war, eben so wahr, als er wahrscheinlich ist, so begreift man in der Tat nicht, was ihn zu jenem Schriften veranlassen konnte. Beim Erscheinen desselben glaubten Manche, die in jeder Handlung eines Höflings den Versuch zur Erlangung oder Wiedererlangung der Gunst zu erblicken gewöhnt sind, Rostopschin könne auf diesem Wege wohl ein derartiges Ziel erreichen. Aber der russische Hof machte ihm eben so wenig, als die öffentliche Meinung, den Brand einer der Hauptstädte des Reiches zum Vorwurfe. Die Abscheulichkeiten, die er begangen, flößten schon an und für sich jedem Wackern den Widerwillen ein, dessen Gegenstand er war; indessen verteidigte er sich gegen diese Abscheulichkeiten durchaus nicht, obwohl ihm sein Gewissen deshalb unablässig harte Vorwürfe machen mochte. Außerdem schien Rostopschin vor Herausgabe der Schrift eine Rolle, der es keineswegs an Größe fehlte, geradezu angenommen zu haben, nämlich die Rolle des Anzünders von Moskau, und demnach des Retters von Russland. Wie hätte er sonst die begeisterten Huldigungen genießen können, womit ihn die guten Deutschen während seiner Reisen durch ihre Länder überhäuften?

Sei dem, wie ihm wolle, die von Rostopschin in groteskem Stil und in Form von Bulletins erlassenen Proclamationen enthielten nichts, was sich auf jenes äußerste Mittel bezog; im Gegenteil wies er darin die Einwohner auf die Notwendigkeit hin, die Stadt zu verteidigen, und suchte ihnen sogar eine vollkommene Sicherheit einzuflößen, indem er sie versicherte, der Feind würde niemals hereinkommen. Tatsache ist es, dass er nicht vorhersah, dass er selbst so bald die Stadt verlassen musste. Er stand hierüber in stetem Briefwechsel mit dem Feldmarschall Kutusoff dem Oberbefehlshaber des Heeres, er verlangte, dass der Letztere sich mit ihm über die Maßregeln zur Erhaltung der Hauptstadt verständigen sollte. Der Marschall, dem, wie es scheint, wenig daran gelegen war, den Kommandanten von Moskau in seine Pläne einzuweihen, gab ihm für die Sicherheit der Stadt die besten Hoffnungen; er haftete dafür mit seinem weißen Haare, und sagte, die Franzosen würden nur über seinen Leichnam hineingelangen. Gleichzeitig mit diesen Beteuerungen hielt aber der alte Marschall einen Kriegsrat, worin alle Generäle, mit Ausnahme eines einzigen, für die Preisgebung Moskaus stimmten*).

Indessen teilte Rostopschin die Versicherungen des Marschalls den Einwohnern mit, und da man in ihre Aufrichtigkeit kein Misstrauen setzte, so dachte Niemand daran, seine Schätze auf die Seite zu schaffen. Moskau enthält stets große Massen aufgestapelter Waren, die zur Verladung in die verschiedenen Provinzen des Reiches bestimmt sind. Alles blieb zurück, und Alles ging verloren. Fast nicht eher, als den Tag vor dem Einzuge der Franzosen dachten die Einwohner daran, sich zu flüchten, und mitzunehmen, was sie konnten. Von dreihunderttausend Bewohnern Moskaus waren nur ungefähr sechzigtausend zurückgeblieben, als die Franzosen die Stadt in Besitz nahmen**).

*) Jener Einzige war der tapfere, Ehrenwerte Chef des Generalstabes Konownitzin. Sein Sohn ist seit 1826 in Sibirien.

**) Der Polizeichef von Moskau sendete, als er die Stadt verließ, einen Bericht an den Kaiser, und nach den in solchen Fällen üblichen Folgen, die bei einem Schreiben an den Kaiser nicht gestatten, sich mit der Ehre zu begnügen, sondern vorschreiben, dass man jedesmal, so oft man ihn anredet, glücklich ist, sagt der Beamte: „Ich habe das Glück, Ew. Majestät anzuzeigen, dass die Franzosen Moskau besetzt haben,“ usw.


Napoleon hatte stets geglaubt, die Einnahme Moskaus werde rasch zu einem Frieden führen, dessen Bedingungen er vorschreiben würde. Dieser Gedanke beschäftigte auch die öffentliche Meinung in Russland, und beunruhigte selbst den Mann, der nachmals als der Retter des Landes begrüßt wurde. Denn als Fürst Kutusoff dem Kaiser das Aufgeben Moskaus meldete, drang er namentlich darauf, mit dem Feinde nicht zu unterhandeln. Alexander bewies, dass er fest sein konnte, sobald er wollte. Er soll damals sogar entschlossen gewesen sein, Alles aufzuopfern, sich selbst nach Sibirien zurückzuziehen, ehe er sich in Unterhandlungen einließe.

Es gibt noch eine andere Eigentümlichkeit des Krieges von 1812, die man zwar nicht beseitigen konnte, die man aber der Aufmerksamkeit zu entziehen suchte. Es ist folgende: Beim Anblicke der Fremdlinge erhoben sich die Landbewohner freiwillig. Überall in den russischen Provinzen im eigentlichen Sinne führten die Bauern einen kleinen Krieg, und schlugen sich wacker. Als der Feind sich zurückgezogen hatte, glaubten diejenigen unter ihnen, welche Leibeigene waren, dass sie durch einen so heldenmütigen Widerstand, so viele mutig bestandene Gefahren, so viele für die allgemeine Befreiung mit Hingebung erduldete Entbehrungen sich wohl die Freiheit verdient hätten. In dieser Überzeugung wollten an mehren Orten die leibeigenen Bauern die Herrschaft ihrer Herren nicht mehr anerkennen. Wie ich anderwärts beweisen werde, stehen die russischen Leibeigenen nicht auf einer so tiefen Stufe, wie man in Europa wähnt. Diejenigen, welche sie kennen, werden sich daher nicht wundern, sie die häusliche Knechtschaft zurückweisen zu sehen, nachdem sie mit Erfolg dazu beigetragen haben, die Knechtschaft, die ihnen der Fremde auferlegen wollte, zurückzuweisen. Unter diesen Umständen verfuhren Regierung wie Ortsobrigkeit und Grundeigentümer mit möglichster Klugheit. Statt zur Gewalt, dem einzigen Argumente der Sklavenbesitzer ihre Zuflucht zu nehmen, enthielten sie sich des Einschreitens, sie ließen die Bauern gewähren, und verschoben die Wiedererlangung dessen, was sie ihr Recht nannten, auf bessere Zeiten. Vielleicht ließen sie sich auch durch einige Gewissensregungen davon abhalten, gegen Menschen zu wüten, deren Aufopferungen so groß, und deren Benehmen so patriotisch gewesen. Erst ziemlich lange nachher, als das erste Auflodern der Bauern sich von selbst beruhigt, und die Verwaltung wieder ihren gewöhnlichen Gang angenommen hatte, kehrte Alles in die hergebrachte Ordnung zurück, eine Ordnung, die ach! so ähnlich jener war, die nach der Erklärung eines Staatsmannes in Warschau nach dem letzten polnischen Aufstand herrschte.

Hätte damals das russische Heer dieselben Fortschrittselemente, von denen sich nachmals einige Keime in ihm gezeigt haben, in seinem Schoße besessen, so würden sich wahrscheinlich Befreiungsversuche auch anderwärts, als bloß unter den Leibeigenen, kundgegeben haben. So sehr war das russische Volk in jenem Augenblicke von dem Gefühle seiner Kraft und seiner Würde durchdrungen.

***

Der Übergang über die Beresina hatte den Feldzug beschlossen. Damals verfügte sich der Kaiser zum Heere. Der sein ganzes Leben hindurch so höflich gewesene Marschall Kutusoff hörte auf, es zu sein ( wie man sagt), als er sich zum Retter des Vaterlandes gestempelt sah. Er hatte das Bewusstsein der Herrschaft, die sein Name über die Geister ausübte, und sein öffentliches Benehmen entsprach dem in aller Hinsicht. Aber nicht lange erfreute er sich dieser ruhmvollen Stellung: wenige Tage nach seinen letzten Triumphen traf ihn der Tod.

Wie man erzählt, waren Alexander und sein Bruder Konstantin, namentlich aber der Letztere, der Korporal par excellence, der nicht, wie der Kaiser, diese Sucht durch glänzende Eigenschaften wieder gut machte – Beide, sagen wir, waren betroffen, das Heer in der wenig regelmäßigen, den Vorschriften wenig entsprechenden Haltung anzutreffen, in welcher es sich damals notwendiger Weise befinden musste. Im Allgemeinen ist die Kleidung und Ausrüstung des russischen Soldaten nur für die Parade berechnet. Sobald er sich in Marsch setzt, muss er den größten Teil seiner Kleidungstücke auf dem Rücken tragen, seine Lederkamaschen, seine Beinkleider, seine Grenadiermütze usw. Ein Feldzug, wie der so eben überstandene, hatte die Haltung der Armee noch mehr umgestalten müssen. Man fand die an der Grenze bekleidet und beschuht, wie es den Anstrengungen der langen Märsche und der Strenge der Jahreszeit am Meisten entsprach. Sie waren ungefähr so gekleidet, wie sie es in Betracht des zu verrichtenden Dienstes und des rauen Klimas immer sein sollten, mochte auch ihr Anzug einige Ähnlichkeit mit der Kleidung der Bauern haben. Als der Großfürst Konstantin ein Regiment Gardechaffeurs zu Fuß, das sich während des Feldzuges mit Ruhm bedeckt hatte, vorbeimarschieren sah, war er außer sich; namentlich schien ihn ihre plumpe und unschöne Fußbekleidung zu empören. Eben so unzufrieden war er über den Mangel an Regelmäßigkeit der Reihen, und unwillig rief er aus: „Diese Leute verstehen bloß, sich zu schlagen!“ In Konstantins Munde war das eine bittere Kritik.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Russland und die Russen Bd1
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