Siebente Fortsetzung

Schon im Jahre 1784 wurden Maßregeln getroffen, um eine geeignete Stelle zur Gründung einer Stadt Jekaterinosslaw ausfindig zu machen. Einige Monate später wurde bereits der Befehl gegeben, in der neuzugründenden Stadt eine Universität zu errichten, wo nicht bloß Russen, sondern auch Glaubensgenossen aus den benachbarten Ländern studieren sollten. Bald darauf erschien eine große Zahl Arbeiter an der Stelle, wo, am rechten Ufer des Dnjepr, in der Nähe des Dorfes Kaidaki die neue Stadt sich „zum Ruhme Katharinas" erheben sollte. Es kamen Steinhauer, Maurer, Schmiede, Zimmerleute zu vielen Hunderten. Vorläufig wurde dem Obersten Ssinelnikow, welcher die Bauten beaufsichtigen sollte, und von dessen vielseitiger administrativer Tätigkeit unzählige Aktenstücke Zeugnis geben, die Summe von 200.000 Rubel zur Verfügung gestellt. Die Stadt sollte gewaltige Dimensionen erhalten. Die Straßen sollten eine Breite von 200 Fuß haben. Man bestimmte für die Stadt ein Weichbild von 300 Quadratwerst (gegen 6 Quadratmeilen); 25 Werst oder nahezu 4 Meilen lang sollte sich die Stadt längs dem Ufer des Flusses hinziehen. Außer sechs Brunnen beabsichtigte man noch mitten in der Stadt, die auf einer Anhöhe liegen sollte, ein großes Wasserbassin zu errichten; man hoffte es mit Pumpwerken aus dem Flusse speisen zu können. Sehr ausgedehnte Weideplätze für das Vieh der Stadtbewohner wollte man abstecken, eine Fischerei, einen botanischen Garten, Plätze für die Belustigung der Städter gedachte man anzulegen. Man errichtete eine große Anzahl von Werkstätten für die Handwerker; ungeheure Mengen von Ziegelsteinen, Gips, Kalk, Granit, Sandstein wurden angefahren; man erbaute Ziegelbrennereien, es entstanden verschiedene Baukommissionen u. s w.

Alsbald stand der Palast des Fürsten Potemkin fertig da: ein ausgedehnter Luxusbau mit kostbarem Hausgerät ausgestattet. Die Prunkgemächer strotzten von Reichtümern. In dem Garten, dessen Bäume durch hohes Alter ausgezeichnet waren, gab es zwei Treibhäuser, eines für Ananas, das andere für Lorbeer-, Pomeranzen-, Apfelsinen-, Granatbäume, Dattelpalmen u. s. w. Rings um den Palast baute man kleine Häuser für die Beamten der verschiedenen Kanzleien, welche alsbald entstanden, für die Handwerker und Industriellen, die bei den Bauten beschäftigt waren, und die bei den großen zu gründenden Fabriken Beschäftigung finden sollten, endlich auch für die Ansiedler, welche man durch allerlei Vergünstigungen, Abgabenfreiheit, Geldvorschüsse, geschenkte Bauplätze herbeilocken zu können hoffte. Zwölf Fabriken wollte man gründen, darunter eine Seidenstrumpfwirkerei, für deren Anlage 340.000 Rbl. assigniert und aus dieser Summe 240.000 Rbl. wirklich verausgabt wurden, und welche nach wenig Jahren wieder einging. Eine Tuchfabrik bestand längere Zeit. — In den Entwürfen, welche Potemkin der Kaiserin einsandte, ist auch von einem Gerichtsgebäude, das im Styl der alten Basiliken, und von einer Kaufhalle die Rede, welche nach dem Muster der Propyläen in Athen gebaut werden sollte, von einer Börse, einem Theater, einem musikalischen Konservatorium. Ausdrücklich bemerkt Potemkin, dass sämtliches Baumaterial für alle diese Werke bereits vorrätig sei. Indem er von der Universität spricht, macht er darauf aufmerksam, von welch großem Wert eine solche große Lehranstalt für die benachbarten Polen, Griechen, Moldauer, Wallachen, Illyrier und andere Völker sein müsse.


Damals beabsichtigte die Regierung noch andere Universitäten zugründen. In den Akten finden wir Pskow, Tschernigow und Pensa als Orte genannt, an denen Universitäten errichtet werden sollten. Die Universität in Jekaterinosslaw sollte eine Lehranstalt im größten Style sein. Schon im Jahre 1786 war man so weit, dass eine Universitätskanzlei bestand. Für die Gründung wurden allerlei Einkünfte aus verschiedenen Gegenden Südrusslands im Betrage von 300.000 Rubel angewiesen. Man berief sogar Professoren. Als Direktor der Universität sollte der damals sich großer Berühmtheit erfreuende Musiker Sarti fungieren, als Historiograph ein französischer Militär Guyenne; zwei Maler wurden berufen; auch für die Lehrstühle der Ökonomie und Landwirtschaft werden in den Akten Personen namhaft gemacht. Das musikalische Conservatorium und eine Academio der Künste sollten mit der Universität verbunden sein. Ein Observatorium sollte errichtet, ein besonderer Stadtteil für die Wohnungen der Professoren und Studenten — eine Art quartier latin — angewiesen werden.

Die Kathedrale, welche Jekaterinosslaw zieren sollte, gedachte man in den allergrößten Dimensionen zu bauen, und zwar nach dem Muster der Peterskirche zu Rom. Sie sollte eine Länge von 500, eine Breite von 150 Fuß, somit einen Flächeninhalt von 75.000 Quadratfuß haben. Potemkin hielt darauf, dass die Kirche um eine Elle länger sein müsse, als die Peterskirche in Rom. Noch heute werden in der jetzigen unverhältnismäßig kleineren Kirche, welche ein halbes Jahrhundert später an jener Stelle gebaut wurde, die Pläne aufbewahrt, welche damals entworfen wurden. Zwei Ansichten des Innern der zu gründenden Kathedrale sind noch heute in dem Museum der Odessaer Gesellschaft für Geschichte und Altertümer Südrusslands zu sehen und zeugen von der Großartigkeit dieser Entwürfe. Von dieser Kathedrale ist nur ein Teil des Fundaments fertig geworden und derselbe hat 71.102 Rbl. 45 1/2 Kop. gekostet. Die Summen für den Weiterbau versiegten sehr bald.
An der Stelle, wo die Stadt errichtet werden sollte und schon einige Gebäude vollendet waren, langte nun Katharina am 8. (19.) Mai 1787 mit ihrem glänzenden Gefolge in Begleitung des Kaisers Joseph II. an. Sogleich fand ein Feldgottesdienst in einer in einem Zelt eingerichteten Kirche statt, und hierauf schritt man zur Grundsteinlegung der Kathedrale.

Die meisten bei dieser Feierlichkeit anwesenden Personen mochten in Betreff der zukünftigen Stadt sehr sanguinische Hoffnungen hegen. Ein Zeitgenosse sagt, man habe gemeint, Jekaterinosslaw werde ein zweites Rom, ein zweites Athen werden, dafür bürge ja das Genie Potemkins. Joseph II. teilte solche Hoffnungen nicht. Man berichtet von der sarkastischen Äußerung des Kaisers, er habe an diesem Tage ein großes Werk vollbracht, die Kaiserin habe den ersten Stein zu einer Kirche gelegt, — er den letzten. Im Gespräch mit Joseph II. äußerte Segur wohl später: es werde wohl nie und nimmer in dieser Kirche zu Jekaterinosslaw eine Messe gelesen werden.

Gleich nach der Zeremonie der Grundsteinlegung setzte die Reisegesellschaft ihre Fahrt fort. Unterwegs speiste die Kaiserin bei dem Generalmajor Ssinelnikow, dem Stadthalter von Jekaterinosslaw und erfreute sich nach Tische an dem Anblicke der die Stromschnellen pfeilschnell herabschießenden Fahrzeuge, welche von kundigen Lotsen gelenkt wurden.

Man weiß, in welch geringem Grade die an Jekaterinosslaw geknüpften Hoffnungen in Erfüllung gingen. Der türkische Krieg (1787—1790 unterbrach die Bauarbeiten sehr bald. Ssinelnikow, welcher die Arbeiten leiten sollte, fiel bei Otschakow. Es fehlte an Geldmitteln. Obgleich nach dem Abschluss des Friedens von Jassy einige Maßregeln zum weiteren Ausbau der Stadt ergriffen wurden, existierte noch im Jahre 1795 denn doch eigentlich nur jenes obenerwähnte stattliche Haus Potemkins. Die von dem letzteren in Gang gebrachten Fabriken stellten sehr bald ihre Arbeiten ein. In dem für die Stadt abgesteckten Gebiete war die offene Steppe. Erst in den dreißiger Jahren entstand die kleinere Kirche an der Stelle der größeren, deren Fundament noch heute kenntlich ist und eine Art Kirchhofsmauer bildet. Ungefähr gleichzeitig wurde der Kaiserin Katharina vor der Kirche ein Denkmal errichtet. Die Bronze-Statue zeigt nach Süden. Nicht Jekaterinosslaw ist die Stadt der Zukunft geworden, auch nicht Chersson, wohin die Reisegesellschaft von Jekaterinosslaw aus aufbrach, sondern Odessa.