Fünfte Fortsetzung

Einige Tage später erreichte die Reisegesellschaft Krementschug. Hier begann schon der Triumph Potemkins, dessen Haus, in schöner Lage, mit prächtigem, an großen, frisch gepflanzten Bäumen reichen Garten für die Kaiserin als Wohnung hergerichtet worden war. Der Fürst hatte nichts unterlassen, um einen möglichst günstigen Eindruck auf die Kaiserin hervorzubringen. Bereits ein Jahr früher, im Winter 1785/86, hatte er in seiner Residenz Krementschug eine Gesellschaft von Russen, Moldauern, Serben, Griechen zur Hoffähigkeit herangebildet, Bälle gegeben, Konzerte und Festlichkeiten verschiedener Art veranstaltet. Sehr angenehm berührte Katharina der Gegensatz zwischen dem ärmlichen Kijew und dem mit großen Mitteln zu ihrem Empfange hergerichteten Krementschug. Sie schrieb u. A. an Pohlmann: ,,Es ist hier so warm wie bei uns im Julimonat, ich logiere in ein charmant schönes Haus, hinter welchem ein Wald von Eichenbäumen ist und ein Garten, worin Hecken von Fruchtbäumen gepflanzt sind".

Besonders wichtig erschien der Kaiserin die Vervollständigung der Armee. Sie war sehr befriedigt von der Haltung der Truppen, welche der Fürst Potemkin ihr in einer Revue zeigte. Es war eine Demonstration zu Gunsten Potemkins, wenn sie über diesen Gegenstand an Jerozkin schrieb: „Ich habe hier den dritten Teil jener Reiterei gesehen, von welcher bisher Leute, die von der Sache nichts verstehen, behaupteten, sie existiere nur auf dem Papier. Diese Reiterei ist aber wirklich vorhanden und so vorzüglich, wie vielleicht noch nie eine gewesen ist. Erzählen Sie das den Neugierigen und berufen Sie sich dabei auf mein Schreiben, damit man endlich aufhört, Unwahrheiten zu verbreiten und damit man endlich den Verdiensten der eifrig mein und des Reiches Interesse Fördernden Gerechtigkeit widerfahren lasse." Ebenso schrieb sie an Ssaltykow: „Hier habe ich jene leichte Reiterei gefunden, von welcher der selige Panin und noch einige alte Weiber auszustreuen liebten, sie bestehe nur auf dem Papier, ich habe aber gestern mit eigenen Augen gesehen, dass diese Truppen nicht papierne sind, sondern sehr vortreffliche und tatsächliche."


So bestimmt und mit Absichtlichkeit ausgesprochene Worte der Kaiserin lassen unzweifelhaft erkennen, dass ihr sehr Ungünstiges über die Handlungsweise Potemkins berichtet worden war. Auch blieb der Zweifel bestehen, wie z. B. aus der Bemerkung Helbigs in Potemkins Biographie hervorgeht, der Fürst habe die Kaiserin in Krementschug getäuscht, indem er einige Husarenregimenter durch andere Uniformen in die leichte Kavallerie verwandelt habe, von deren Existenz in so skeptischem Sinne so viel die Rede gewesen war.

*) S. Archenholtz „Minerva" a. a. O. 317. Katharina glaubte wohl selbst nicht an eine Täuschung und es ist nicht abzusehen, wie jenes Schreiben an Jerozkin den Biographen Joh. Jak. Sievers hat veranlassen können zu sagen: „Wer liest nicht hier zwischen den Zeilen, dass es der Kaiserin nicht minder bekannt war als aller Welt, wie Potemkin sechs der besten alten Reiterregimenter in neue Uniformen gesteckt hatte, um mit ihnen als seiner Schöpfung sich zu brüsten“ Blum II. 478.

Katharina lobte den Fürsten Potemkin, indem sie dabei ihr Missvergnügen über die mangelhafte Verwaltung der dem Grafen Rumjanzow anvertrauten Gebiete durchblicken ließ. Nachdem sie drei Tage in Krementschug sich aufgehalten hatte, schrieb sie an Ssaltykow: „In Krementschug gefällt es uns Allen sehr wohl, besonders nachdem wir in Kijew gewesen sind, für welche Stadt sich nicht ein Einziger unter uns begeistert hat. Wenn ich gewusst hätte, wie schön Krementschug ist, so wäre ich lange hergekommen. Wer sich davon überzeugen will, dass ich nicht ohne Grund so viel Vertrauen setze in die Fähigkeiten des Feldmarschalls Fürsten Potemkin, der muss diese Gouvernements bereisen, wo alle Teile der Verwaltung aufs Beste geordnet sind: die hier befindlichen Truppen erfreuen sich sogar des aufrichtigen Lobes der Ausländer; es werden neue Städte gebaut; es gibt keine Steuerrückstände. Dagegen sind in den drei kleinrussischen Gouvernements, weil die Verwaltung nichts in Zug zu bringen versteht, die Steuerrückstände bis zu einer Million Rubel aufgelaufen; die Städte dort sind abscheulich; es geschieht nichts."

Freilich kam bei der Reise der Kaiserin durch die Verwaltungsgebiete Potemkins dem letzteren auch das südliche Klima und das herrliche Frühlingswetter zu Gute. „Hier ist ein sehr schönes Klima", schrieb Katharina, „alle Dörfer sind mit Blumen geschmückt. Nie habe ich solche Birnbäume gesehen, wie in meinem Garten. Zwei Männer umspannen die Stämme kaum."