Über die Entstehung, den Verfall und die Bauart der Ritterburgen und Bergschlösser Deutschlands
Eine gedrängte Darstellung desjenigen, was zur Erbauung der deutschen Bergschlösser Veranlassung gab, eine Aufzählung der mannigfachen Ursachen zu ihrer Zerstörung und zu ihrem Verfall, und einige allgemeine Bewertungen über die gewöhnliche äußere und innere Struktur derselben, dürften wohl keine überflüssige Einleitung in die Geschichte und Beschreibung der Burgen sein. Sie wird einen Überblick vom Ganzen gewähren, welcher bei der speziellen Geschichte der Burgen nicht anzubringen war. Sie wird, indem sie die Ritterzeiten in ihrer wahren Gestalt zeigt, dazu beitragen, den lachenden Gemälden, die wir in Romanen und Gedichten davon finden, und durch welche sie eigentlich so viel Anziehendes für uns erhalten haben, das blendende Kolorit zu nehmen. Sie wird die Überzeugung herbeiführen, dass wir uns glücklich preisen können, sie nicht erlebt zu haben, und dagegen von einer höhern Stuft der Kultur auf jene rohen Zeiten zurückblicken können, wo das Recht des Stärkern — vor dessen Rückkehr, wenn auch in abgeänderter Form, uns und unsere Nachkommen der Himmel bewahren wolle — das einzig geltende war. Sie wird endlich manchen Wiederholungen vorbeugen, die außerdem nötig gewesen waren, um verständlich zu sein.
In den Zeiten der nächsten Nachkommen Ludwigs des Frommen, eines Sohnes Karls des Großen, wurden die Grenzen des unter Einem Könige vereinigten Deutschlands durch die Anfälle und durch die Einbrüche benachbarter fremder Völker außerordentlich beunruhigt. Vorzüglich versuchten es die Normänner, ein Zusammenfluss dänischer, norwegischer und schwedischer Seeräuber, an den nördlichen Grenzen Deutschlands, die slavischen Völkerschaften aber, und vor allen die Sorben, die Wenden und Böhmen, von der Elbe her, in Thüringen und in das heutige Niedersachsen einzudringen. Gelang ihnen ein solcher Raubzug, so verwüsteten, mordeten und raubten sie nach Art der Barbaren. Alle Kriege, gegen sie geführt, alle Einfälle, die in ihre Länder getan wurden, waren nicht hinreichend, diese wilden Horden zu zähmen, und sie in ihren Grenzen zurückzuhalten. Um dies nun zu bewirken, fingen besonders die Grenzbewohner an, feste Örter zu erbauen, in welchen sie gegen ihre Feinde gesichert waren, und von wo aus sie sich besser verteidigen konnten. Die Muster dazu nahmen sie von den in den Gegenden des Rheins und der Donau noch in Menge befindlichen römischen Burgen her. Eine jede solche Burg wurde demnach eine kleine oder größere Festung, die nur mit Gewalt nach einer ordentlichen, Belagerung erobert werden konnte.
Anfangs erlaubten die Könige die Anlegung solcher Örter sehr gern, ja sie ermunterten sogar dazu, indem sie durch die Befestigung ihrer Grenzen ihre eigene Sicherheit und Selbsterhaltung gegründeter glaubten; aber nur zu bald mussten sie einsehen, dass sie durch diese von den Umständen abgedrungene Erlaubnis die äußere und innere Ruhe des Staates auf das gefährlichste untergraben hatten.
Der Adel fing nämlich an, hier und da auf den ihm zugehörigen Hügeln und Bergen befestigte Schlösser zu errichten. In diese legte der Eigentümer eine Art von Besatzung, die gewöhnlich keinen Sold erhielt, sondern sich von Raub und Beute nährte, die umliegende Gegend ausplünderte und die Vorüberziehenden beraubte. Es schien ihnen zweckmäßig und vorteilhaft, in Streitigkeiten mit ihren Nachbarn das durch das Kampfrecht scheinbar gebilligte Recht der Selbsthilfe auszuüben. Sie verheerten daher die Besitzungen dessen, der sie beleidigt hatte, oder an welchen sie eine rechtliche Forderung zu haben glaubten. Jeder, der im Stande war, sich durch einen Teil seiner Besitzungen, die er Andern zu lehn gab, einen Anhang von getreuen Vasallen zu verschaffen, bediente sich eines uneingeschränkten Rechts der Waffen: und so entstand das Faustrecht.
Dieses schreckliche, durch die Gesetze begünstigte Recht, Privatstreitigkeiten durch Privatkriege zu schlichten, machte Deutschland viele Jahrhunderte lang zum unglücklichsten Schauplatze von Krieg, Raub, Mord und Brand. Man übte es nicht nur gegen seine Feinde, oder gegen solche aus, an die man gegründete Ansprüche zu machen hatte, sondern die mächtigen Burgbesitzer missbrauchten es auch ohne allen rechtlichen Schein, die benachbarten Landleute zu überfallen, zu berauben, oder zu zwingen, sich unter ihren Schutz zu begeben und ihnen Dienste zu leisten. Aber auch damit begnügten sich die Burgherren nicht. Viele von ihnen lebten als öffentliche Räuber, indem sie die Heerstraßen mit ihren Reisigen besetzten und Reisende beraubten und plünderten. Einem vorüberziehenden Kaufmann Alles abnehmen; einen Landeigentümer auf seinem Gute überfallen und ausplündern; einem reichen Pfaffen auflauern, ihn auf die Burg schleppen, und so lange gefangen halten, bis er sich durch eine beträchtliche Summe gelöst hatte: das war so wenig Schande, dass mancher Nominal-Edle sich es vielmehr zur Ehre anrechnete, oder es doch für ein erlaubtes Handwerk hielt. Diese Art von Gewalttätigkeiten der Schnapphähne gegen die Geistlichkeit nannte man in der Sprache des Faustrechts das Niederwerfen, wogegen die Dekretalen der Päpste stets, jedoch immer fruchtlos, eiferten. Selbst Exkommunikationen und Interdikte wirkten nicht, da sie zu häufig kamen.
Die deutschen Könige widersetzten sich zwar aus allen Kräften diesen himmelschreienden, für ihre eigene Existenz gefährlichen, Gewalttätigkeiten, und ließen die Raubburgen so viel möglich zerstören; allein sie waren zu schwach, ihren Anordnungen den gehörigen Nachdruck zu geben: und so fraß das eingerissene Übel wie ein Krebsschaden immer mehr um sich.
Schon in der Mitte des neunten Jahrhunderts ließen die damaligen deutschen Könige Verordnungen gegen das eingerissene Faustrecht ergehen, worin sie den Übertretern mit dem göttlichen und königlichen Bann drohten. Karl der Kahle ließ im Jahre 864 alle Burgen, die ohne königliche Erlaubnis erbauet waren, niederreißen; allein die Zwistigkeiten in der regierenden Karolingischen Familie und die immerwährende Furcht vor den Anfällen benachbarter Völker, besonders der Hunnen, welche die Einrichtung kriegerischer Anstalten zur Verteidigung des Vaterlandes zur Hauptbeschäftigung der Regierung machen musste, so wie die Eifersucht und das unaufhörliche Entgegenstreben der Könige und mehrerer zu mächtig gewordener Staatsbedienten, endlich noch die schädlichen Folgen des Lehnwesens, waren die Ursachen von dem Sinken des Ansehens der Könige, und wurden eben hierdurch die Stützen des Faustrechts. Die Könige mussten zufrieden sein, dass ihre Vasallen die Lehndienste gehörig leisteten, wenn sie sie dazu auf forderten, und durften, sich nicht viel darum bekümmern, was jene mit ihren Bauern oder Leibeigenen vornahmen, oder was sie untereinander für Streitigkeiten hatten.
So griff das verderbliche Faustrecht immer weiter um sich, vorzüglich zu Ende des neunten und im Anfange des zehnten Jahrhunderts. Das Übergewicht, das um diese Zeit der geistliche Stand über den weltlichen erhielt, gab Gelegenheit zu einer heftigen und gefährlichen Eifersucht zwischen beiden Ständen, und erzeugte auch eine Menge grausamer Befehdungen, die oft nur durch die äußerste Strenge der Könige beigelegt werden konnte. *)
*) Geschichte des Ritterwesens im Mittelalter, von J. Kaiserer. Wien 1804. 8. S. 329.
Den Vorteil, den der Besitz der Burgen in Fehden gewährte, verkannten indessen die Regenten selbst nicht. Ludwig II., Landgraf von Thüringen, erbaute die Wartburg, die Neueburg, und Kaiser Heinrich IV. ließ von 1072 bis 1076 eine überaus bedeutende Anzahl Burgen in Thüringen und Sachsen wider die Bewohner dieses Landes aufführen. Wo nur ein gelegener Hügel war, ließ Letzterer Kastelle anlegen. Wurde eine Stadt, eine Burg belagert und nicht bald erobert: gleich stiegen um sie Burgen in die Höhe, an welchen das Landvolk Tag und Nacht arbeiten und die Kosten des Baues noch obenein tragen mussten. Alle belegte Heinrich mit starker Besatzung, welche nicht er besoldete, sondern das Land unentgeltlich verpflegen musste. Dieses wäre nun noch zu ertragen gewesen, allein diese Besatzungen verlangten mehr als ihnen zukam, und da sie dies nicht gutwillig erhielten, so beraubten und plünderten sie die umliegende Gegend, trieben Herden weg und begingen überhaupt alle mögliche Ausschweifungen. Um sich dagegen zu schützen und Gewalt mit Gewalt vertreiben zu können, legten die Landbewohner ebenfalls feste Burgen an: *) und so war denn immer eine Burg die Veranlassung zur Erbauung einer andern.
Wie sehr Heinrich den Anbau solcher Burgen übertrieb, davon finden wir in vielen Gegenden Sachsens und Thüringens noch jetzt die überzeugendsten Spuren. So sieht man in den Ebenen des Niederharzes, und besonders um Quedlinburg herum, gegen zwanzig Überreste alter Schlösser aus jenen unglücklichen Zeiten in einem Bezirk von zwei bis drei Meilen. **)
Alle diese Schlösser wurden aber in dem sächsischen Kriege, der von 1070 bis 1089 dauerte, bald von den königlichen Völkern, bald von den Landesbewohnern erobert, zerstört und wieder aufgebaut, wie wir; dies bei Erzählung der Schicksale mehrerer Schlösser dieser Gegenden ausführlicher hören werden.
*) Heinrich, deutsche Reichsgeschichte, 2ter Band, S. 367-511. 512.
**) Mehr über Heinrichs erbauten Burgen wird bei der Geschichte des Schlosses Spatenberg vorkommen.
Immer mehr breitete sich jedoch das Faustrecht aus und nach der Erzählung gleichzeitiger Schriftsteller trieb die unlautere Beschäftigung des Straßenraubes der Adel fast ausschließend.
Deutschland hatte indessen außer den Normännern und Wenden noch einen neuen weit gefährlichem Feind an den Ungarn bekommen, welche ihre jährlichen Einfälle oft bis in das Innere, ja bis an die entgegengesetzten Grenzen Deutschlands ausdehnten. Diese Einfälle waren die Ursache, dass die Herzöge, Mark- und Landgrafen, auch andere Große, da die Rettung jeder einzelnen Provinz beinahe allein von ihren Verteidigungsanstalten abhing, immer mächtiger wurden, das Ansehen der Könige aber desto tiefer sank. Die Vasallen jeder einzelnen Provinz setzten unter dem Schutze der Herzöge und der andern mächtigen Reichsbeamten ihre Befehdungen und Räubereien fort: und so geschah es, dass das Faustrecht, auch unter den Königen aus dem sächsischen Hause, ungehindert, fortdauerte, und zuletzt für ein allgemeines, wohlhergebrachtes Recht gehalten wurde.
Heinrich II. erließ noch eine Verordnung dagegen, allein die Könige konnten es nicht mehr unterdrücken, sondern begnügten sich, wie Konrad II., damit, eine sogenannte Treuge, oder einen auf göttlichen Befehl für einige Tage in der Woche verordneten Waffenstillstand, bekannt zu machen.
Ähnliche, auf die Wiederherstellung des öffentlichen Landfriedens abzweckende Verordnungen erließen auch seine Nachfolger. *) Friedrich I. erneuerte die alte Strafe des Hundetragens für die Befehder, und verurteilte 1155 wirklich zwei der angesehensten Reichsfürsten dazu: den Erzbischof von Mainz und den rheinischen Pfalzgrafen Herrmann von Stahleck, weil sie einander befehdet und die ganze Rheingegend durch Raub, Mord und Brand verwüstet hatten. Der Erzbischof wurde jedoch wegen seines hohen Alters davon dispensiert, aber der Pfalzgraf musste mit noch zehn mitschuldigen Grafen eine deutsche Meile weit räudige Hunde tragen. Dies Beispiel machte in ganz Deutschland einen so wohltätigen Eindruck auf die Befehder, dass sie ihre Waffen lange Zeit ruhen ließen, besonders da Friedrich überall herumreiste, verschiedene Raubschlösser zerstörte, und sogar einige ergriffene Räuber am Leben bestrafte. Friedrich wurde jedoch durch die unglücklichen italienischen Kriege verhindert, die Ordnung ferner so zu erhalten; und am Ende seiner Regierung musste er die Befehdungen unter der Einschränkung zulassen, dass sie wenigstens drei Tage vorher durch einen sichern Boten angesagt werden sollten, damit Niemand ungewarnt und unvorbereitet überfallen werden konnte.
*) Kaiserer, Gesetz des Ritterwesens, S. 335.
Friedrich II., der mit Leibes, und Lebensgefahr, ja mit der Gefahr, die Krone zu verlieren, in seinen Erbkönigreichen Ordnung und Gerechtigkeit hergestellt hatte, versuchte dies auch in Ansehung Deutschlands. Auf dem berühmten Reichstage, den er 1235 zu Mainz hielt, errichtete er einen Landfrieden für Deutschland. Nur schade, dass Friedrich zugleich König von Sizilien war, und dass er mehr an Italien, als an Vollstreckung seiner Gesetze in Deutschland dachte.
Wie es nach seiner wiederholten Exkommunikation und ungeachtet des angeordneten Landfriedens doch noch in Deutschland aussah, beschreibt uns ein damaliger Geschichtschreiber mit folgenden Worten:
„Papst Gregorius IX. exkommunicirte den Kaiser. Nun freuten sich die Räuber, die Leuteschinder frohlockten über die erhaschte Beute. Die Pflugscharen wurden in Schwerter, und die Sensen in Lanzen verwandelt. Keiner war, der nicht Stahl und Stein bei sich führte, um sogleich Feuer anlegen zu können.“
Auch Wilhelm von Holland sorgte für die öffentliche Ruhe, und brachte 1255 einen neuen Landfrieden zu Stande, allein da nach seinem Tode das Reich kein allgemein anerkanntes Oberhaupt hatte, so war an die genaue Vollstreckung weder seines, noch des Friedrichschen Landfriedens zu denken. Jeder tat, was er wollte; je, der musste sich zu schützen suchen, so gut er konnte.
So gab unter andern der Tod des Landgrafen, zu, letzt Königs Heinrich Raspe, Veranlassung zu einem Successionskrieg unter seinen Seitenverwandten, welcher von 1248 bis 1265 Thüringen mit Unglück und Elend erfüllte, da jeder Herr sein wollte und keiner es war. In diesem Kriege entstanden sechzehn neue Burgen, welche aber größtenteils auch im Laufe desselben wieder zerstört wurden. Eine thüringische Chronik schildert den damaligen Zustand Thüringens mit folgenden Worten:
„Als der römische König Heinrich (Raspe) ohne Leibeserben starb, entstand viel Übels und Bosheit auf dem Lande zu Thüringen und Hessen, denn ein jeglicher wollte des andern Herr sein. Da waren zween Ritter, Herr Herwig von Hurselgau, und Herr Johann Otze mit andern ihren Helfern, die huben an, und raubten von Eisenach an zween Enden, und trieben all ihr Vieh weg bis gen Zcemberg. Da fingen sie den Vogt von Zcemberg, der ihnen das gerne gewehrt hätte. Darnach die andern Edlen Mächtigen, die erwählten Berge, und baueten Schlosse, wo sie wollten. Die erbarn Leute an der Werre werfen sich zu Haufe und bauten Brandenfels. Die von Eschewe bauten die Krachenburg und den Heldenstein. Die von Stockhusen baueten die Malitenburg bei Fischbach, die von Wangenheim baueten die Kalnburg. Die von Kolstede baueten Stenfurth. Herr Herrman Schwarz, Ritter, bauete Stroyß nauwe. Die von Lupnitze baueten Leuchtenwald. Die von Kobesten baueten Scharfenberg, die von Frankenstein Waldenburg. Herr Walter von Forila ward Feynd der Grafen von Schwarzburg und von Keffernberg, und verbrannten ihnen ihre armen Leute, und die Grafen wollten ihm das wehren und kamen mit ihm zu Streit bei Homberg, und es glückte ihm, dass er drei Grafen mit vielen erbaren Leuten fing, und mit ihm heimführte.“
Dies war auch der Zustand von ganz Deutschland, nur dass es in einigen großen und geschlossenen Ländern, z.B. in Bayern, Böhmen und Brandenburg etwas leidlicher ausgesehen haben mag.
Die Burgen oder Schlösser, die schon in den vorigen Zeiten eine Plage von Deutschland waren, wurden es nun viel ärger. Nebst dem, dass mehrere davon in förmliche Raubschlösser ausarteten, waren auch die übrigen, die zur Beschützung einer Gegend angelegt waren, nicht viel besser. Ich will die Sache durch ein Beispiel erläutern, welches dem Leser ein deutliches Bild von den damaligen Zeiten entwerfen wird.
Ein fränkischer Ritter, Namens Schott, bauete auf den Grund und Boden des Klosters Banz das Schloss Schottenau. Er starb während des Baues, wurde exkommuniziert, und blieb lange Zeit unbegraben liegen. Dennoch suchte sein Sohn den Bau zu vollenden. Da kam der Herzog von Meran als Erb- und Schirmvogt des Klosters, und wollte auf dem nahe dabei gelegenen Berge Steglitz ebenfalls eine Burg bauen, obgleich der Bischof Otto von Bamberg, der den Berg dem Kloster geschenkt, schon im voraus alle die exkommuniziert hatte, die sich unterstehen würden, eine Burg darauf zu errichten. Der Herzog bediente sich jedoch folgender Gründe gegen die Vorstellung des Abts: Als Vogt des Klosters habe er das Recht dazu; zur Verhütung der Beraubung und Verheerung seiner Güter müsse er es tun. And wenn er es nicht tate, dürfte ihm der Bischof von Würzburg zuvorkommen. „Nun“ — sagte der Abt in einer Urkunde des Klosters Banz — „war also unsere Kirche in Mitte der Wölfe. Denn was die von Schottenu übrig ließen, raubten die Burgmänner des Herzogs, und was die Raupe noch übrig ließ, verzehrte die Heuschrecke, und so weinten die Mönche, das umliegende Land ward verheeret, der Ackersmann geplagt, und um die Früchte seiner Arbeit gebracht,“ bis endlich auf dringendes Ansuchen des Abts die Bischöfe von Bamberg und Würzburg mit dem Herzoge übereinkamen, dass beide Burgen niedergerissen werden sollten, welches auch geschah. *)
*) Schmidt, Geschichte der Deutschen, 7ter Bd. S. 156
Ungeachtet der zu Gunsten der Geistlichen emanirten Konstitution Kaiser Friedrichs II., war in den folgenden Zeiten kein Berg, der nicht seinem Herrn oder dem Nachbar desselben die Versuchung eingeflößt hätte, eine Burg darauf zu erbauen, wie wir dies teils aus den noch vorhandenen Trümmern, teils aus andern Urkunden und Denkmalen ersehen können. Selbst die Erzbischöfe von Mainz hatten mehrere Fehden mit den Grafen von Reineck, weil diese durchaus in dem benachbarten, dem Erzstifte zugehörigen Spessarter Walde Schlösser anlegen wollten. Hieraus kann man leicht schließen, wie es erst den minder Mächtigen ergangen sein mag.
Ja sogar aus ihren gewöhnlichen Wohnhäusern und Residenzen, sie mochten allein auf Bergen oder in Städten liegen, machten die Fürsten und Grafen Burgen und Festungen. Man sieht daraus, dass sie sich nicht allein vor auswärtigen Feinden, sondern sogar vor ihren eigenen Untertanen fürchteten. Die Bischöfe dachten nicht viel besser, oder waren vielmehr gezwungen, eben so zu denken und sich zu verschanzen, um vor ihren eigenen Schäflein sicher zu sein. Manche verließen sogar ihre Residenzstädte, ob es ihnen gleich die alten Kirchengesetze geboten, in Städten zu wohnen, und erbauten sich auf Höhen Burgen.
Da nicht jeder Ritter im Stande war, sich eine Burg zu bauen, so vereinigten sich manchmal mehrere. Und bauten eine auf gemeinschaftliche Kosten, die sie dann auch mit vereinter Macht verteidigten. Die Herrschaft darüber blieb gemeinschaftlich, woraus die sogenannten Ganerbschaften entstanden sind.
Diejenigen, welche in freundschaftlichen Verhältnissen lebten, erlaubten es einander, wenn einer vom Feinde verfolgt ward, in der Burg des Andern seine Zuflucht nehmen zu dürfen. Daraus entstand das soge, nannte Öffnungsrecht.
Auch den Ursprung des Geleitrechts finden wir in diesen Zeiten. Da nämlich wegen der vielen Fehden und wegen der förmlichen Räubereien die Straßen sehr unsicher waren, so blieb dem Kaufmann nichts übrig, als entweder in einem starken Gefolge oder unter einer sichern Bedeckung zu reisen. Diese von Haus zu Haus mitzunehmen, war teils zu kostbar, teils würden die Landesherren fremden Bewaffneten den Durchzug nicht verstattet haben. Es blieb daher nichts übrig, als selbige sich von den Letztern gegen eine gewisse Erkenntlichkeit auszubitten, worein diese um so lieber willigten, da sie da, durch ihre Einkünfte vermehren und ihre Söldner, zum Teil von fremdem Gelde erhalten konnten. Aber auch diese an sich gute Einrichtung artete zuletzt aus, indem man auch diejenigen geleitete, die kein Geleit verlangten, oder sie weiter geleitete, als sie wollten, oder als es den Nachbarn, die ebenfalls das Geleitsrecht ausüben konnten, anständig war, worüber viele Streitigkeiten entstanden.
Wenn unsere Zeiten an Einfalt der Sitten und an so mancher Tugend des häuslichen Lebens dem Ritterzeitalter nicht gleichkommen, wenn wir es um seine kolossalische Kraft, um den eisernen Geist und das Ausharren in Gefahren mit Recht beneiden, so übertreffen sie dasselbe doch an Menschlichkeit und an gefühlvoller Teilnahme an dem Glück und Wohl unserer Nebenmenschen. Freilich wich mit ihm Einfalt der Sitten, aber zugleich auch die unbeschreibliche Rohheit und Gefühllosigkeit, die unerbittliche Grausamkeit und Hartherzigkeit, die fest, wie ihre Türme, waren, und so ausgezeichnete Merkmale der Ritterzeit sind. Wo gibt es wohl unter uns Deutschen einen Regenten, der es wagen darf, ein Symbol, wie das Graf Eberhards von Wirtemberg — Gottes Freund und aller Menschen Feind! — zu wählen!
Aber selbst die angestrengtesten und anhaltendsten Bemühungen eines von edlem Rittersinn und von unablässiger Tätigkeit beseelten Rudolphs von Habsburg, waren nicht vermögend, das vielköpfige Ungeheuer, die Raubsucht der Ritter, zu tilgen. Gleich nach dieses Kaisers Zurückkunft aus Österreich im Jahre 1281 war es sein erstes Geschäft, auf einem Reichstage zu Regensburg von den fränkischen Bischöfen, Grafen, Herren, Edelleuten und Städten auf fünf Jahre lang einen neuen Landfrieden, welches der dritte in diesem Jahrhundert errichtete war, beschwören zu lassen. Eben so ließ er in diesem Jahre auf einem Reichstage zu Maynz den von Friedrich 1235 gegebenen Landfrieden von den anwesenden Kurfürsten, Fürsten u. s. f. am Rheine, von Kostnitz bis Kölln, auf fünf Jahre lang beschwören. Die schwäbischen und bayerschen Stände mussten dies 1286, die elsassischen aber 1288 ebenfalls tun.
Eine in seinem aufgerichteten Landfrieden begriffene Verordnung war, dass niemand eine Burg haben solle, es geschehe denn ohne des Landes Schaden. Allein diese alte Plage Deutschlands dauerte dessenungeachtet fort. Rudolph war daher sehr darauf bedacht, räuberische Burgen teils durch seine Landvögte zerstören zu lassen, teils sie selbst zu belagern und zu demolieren. *) So soll er im Jahre 1290 sechsundsechzig Raubschlösser in Thüringen zerstört haben. Man kann sich hieraus einen Begriff von der zahllosen Menge solcher Adlernester in Deutschland machen, da in Thüringen allein eine so bedeutende Zahl verwüstet werden konnte, und außer diesen doch manches auf seinem Felsgipfel unerobert stehen geblieben sein mag. Eine eben so beträchtliche Anzahl zerstörte er auch in Franken und Schwaben. Gegen dreißig landfriedensbrüchige Edelleute ließ dieser mutige Herrscher zu gleicher Zeit auf das empfindlichste bestrafen, und den vorhin erwähnten Grafen Eberhard von Wirtemberg züchtigte er auf die ausgezeichnetste Weise; aber dennoch waren solche Beispiele nicht hinreichend, Schrecken zu erregen und andere Grundsätze einzuflößen.
Jm Anfange des i^ten Jahrhunderts zerstörte Friebrich mit der gebisseneu Wange auch sehr viele Raubschlösser, besonders in Sachsen.
Im Jahr 1317 ließ Kaiser Ludwig der Bayer durch die Burggrafen von Nürnberg alle Burgen dasiger Gegend zerstören, welche räuberischen Edelleuten zum Aufentalt dienten, und gab ihnen gleich alle die zu Lehn, die sie zerstören würden. Diese Vollmacht wurde vom Kaiser Karl IV. im Jahr 1355 erneuert, und die Burggrafen Johann II. und Albrecht beauftragt, alle Raubschlösser einzunehmen und als Reichslehn zu behalten. *) Auch mehrern sächsischen Städten erteille Karl die Erlaubnis, gegen die Wegelagerungen und Befehdungen der Raubritter vom Sattel und Stegreif (Steigbügel), welche hier besonders scharenweise wie Raubvögel in den unzugänglichsten Felsenfesten horsteten, einen eigenen Bund zu schließen.
Unter diesem Drucke, dem Deutschland unterlag, wurde gegen die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts der Gebrauch des Schießpulvers bekannt. Die Kriegs - und Belagerungskunst erhielt nun eine ganz andere Gestalt. Alle bis dahin zum Verteidigen, Belagern und Berennen gebrauchte Maschinen, als Bogen, Pfeile, Armbrüste, Wurfmaschinen, Mauerbrecher, wichen dem groben Geschütz, oder wurden wenigstens nur neben diesem gebraucht. Dies aber war der meisten Schlösser Ruin, selbst derer, welchen man mit den bisher üblichen Belagerungsmaschinen entweder nur mit vieler Mühe oder gar nicht beikommen konnte, und sie daher für unüberwindlich hielt. Das erste Geschütz, wobei man sich des Pulvers bediente, waren sogenannte bombardae oder Donnerbüchsen, welche anfangs mit steinernen und hernach erst mit eisernen Kugeln geladen waren.
*) Helfrecht, Ruinen, Alterthümer und noch stehende Schlösser auf dem Fichtelberge. Hof 1795. S. 15.
Mit dem Faustrecht blieb es jedoch in diesem Zeitraum fast noch eben so, wie in den beiden vorhergegangenen Jahrhunderten. Man suchte nur die Wirkungen desselben durch die Vereinigung mehrerer Fürsten, Herren und Stände zur Aufrechtaltung und Befolgung der Gesetze des Privatkrieges zu vermindern. Ausländer nannten damals den deutschen Adel eine große Räuberbande, unter welcher der Raubsüchtigste der Geehrteste sei.
Nach dem Egerschen Landfrieden von 1389 sollten alle Straßen, Kirchen, Klöster, Pfaffheit, Kirchhöfe, Mühlen, alle Pflüge mit Pferden, nebst den Bebauern der Weingärten, Äcker und Felder sicher sein und nicht angetastet werden dürfen. Die kriegführenden Parteien durften im höchsten Notfalle nicht mehr Fourrage vom Felde nehmen, als sie mit der Lanze von der Heerstraße erreichen konnten. Niemand durfte an den Stillstands- oder Friedenstagen die Waffen gebrauchen; selbst bei Belagerungen wurde an diesen Tagen geruht. Auch mussten die Parteien einander die Fehde wenigstens drei Tage zuvor durch einen sichern Boten ankündigen und sich unterdessen auf der Heerstraße so ruhig und ordentlich verhalten, wie andere Reisende, wenn sie nicht alle Landfriedensstände und den Kaiser selbst wider sich aufbringen wollten. Allein ein solcher Landfriede war immer nur auf einige Jahre geschlossen. Seine Vorschriften zu befolgen, waren auch nur diejenigen schuldig, welche ihm freiwillig beigetreten waren. Für Nichtbeigetretenen hatte er daher keine verbindende Kraft, und so war es immer der Fall, dass, während hier ein Landfrieden abgeschlossen war, dort die heftigsten Fehden geführt wurden. Auch sahen die minder mächtigen Reichs- und Landstände den Landfrieden meistens als ein verstecktes Mittel an, sie sicher zu machen und zu entwaffnen, um sie desto leichter unter das Joch zu bringen. Freilich bestätigte die Erfahrung sehr oft diesen Argwohn, und es entstand zuletzt das Sprichwort: es ist dem Landfrieden nicht zu trauen. *)
Der Hussitentrieg, welcher seit 1420 als Sache des deutschen Reichs betrachtet wurde, und bis 1438 dauerte, war das Grab vieler Burgen. Im Jahr 1430 allein verwüsteten die Hussiten in Meißen, Franken und Niederbayern über hundert Städte und Schlösser.
Es gehört gewiss mit unter die Unbegreiflichkeiten, die nicht selten in der Geschichte aufstoßen, wie es möglich war, dass die Regenten einer großen und doch auch nicht ganz unkultivierten Nation den Greuel, durch Staatsbürger selbst schändlicher Weise unaufhörlich in die Eingeweide des Staats wüten zu lassen, viele Jahrhunderte lang entweder nicht abstellen konnten, oder — wie es fast noch wahrscheinlicher ist — von Grund aus nicht abstellen wollten. Alle von dem neunten Jahrhundert her bis zu Ende des fünfzehnten dagegen gemachten Vorkehrungen griffen das Übel nie an der Wurzel an. Sie waren bloß Palliative, die den Schaden nicht nur nicht heilten, sondern zum Teil auch sogar übel ärger machten, indem sie durch Einschränkung des alleräußersten Missbrauchs, wie z. B. in der Treuge der Fall war, die unvernünftige Idee von der Rechtlichkeit der Privatselbsthilfe an sich gewissermaßen sogar sanktionierten. Der tief eingewurzelte Glaube an diese vermeintliche Rechtlichkeit — wovon die Regenten selbst angesteckt waren — diente dem Unwesen einigermaßen zur Beschönigung, wenigstens so lange, als keine ordentlich bestellten Gerichtshöfe vorhanden waren, bei welchen Jedermann ins Reiche hätte Recht suchen und finden können. Ordentliche, mit Energie ausgeführte Einrichtung des Gerichtswesens im Reiche wäre das sicherste Mittel gewesen, dem Faustrecht früher ein Ende, und die vielen Raubschlösser unschädlich zu machen. Dies war aber gerade der Punkt, an welchen man bis gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts gewöhnlich gar nicht dachte; oder wurden auch einigemal Vorschläge darüber gemacht, so blieben sie immer wenigstens unausgeführt. Es war also wirklich keine Justiz im Lande.
In solchem gesetzlosen Zustande konnte durch die vielfältigen Zerstörungen einzelner Burgen der Greuel des Faustrechts selbst nicht ausgerottet werden. Da, wo heute zehn solcher Räuberhöhlen vernichtet waren, wurden morgen unter dem Vorwande der Sicherheit zehn andere und noch mehrere wieder erbauet, und die Räubereien daraus nahmen von Tage zu Tage mehr überhand. Im fünfzehnten Jahrhundert war die Zerrüttung aufs höchste gestiegen. Dazumal war — wie sich ein gleichzeitiger Schriftsteller, der italienische Bischof Johann Anton Kampanus, ausdrückt — ganz Deutschland eine Mördergrube, und bei dem Adel war Raubgierde, je ausschweifender sie war, desto ruhmvoller. Der Adel behielt jedoch diesen Ruhm nicht ausschließend. Die Städte nahmen ebenfalls Teil daran, und zuletzt hielt sich jeder Untertan, bis auf den niedrigsten Pöbel herunter, berechtigt, eigene Fehdebriefe zu schreiben. So finden sich Fehdebriefe der Bäcker und Buben des Markgrafen von Baden an verschiedene Reichsstädte vom Jahre 1450, desgleichen der Bäcker des Pfalzgrafen Ludwigs von Augsburg von 1462, und endlich sogar ein Fehdebrief von einem Koch zu Eppenstein mit seinen Küchenjungen, Viehmägden, Schüsselwäschern etc. an den Grafen Otto von Solms von 1477. Diese höchst seltsame Urkunde *) ist einer Mitteilung hier wert. Sie lautet folgendergestalt:
„Wyßet Walgeborn Jungher, Jungher Ott, Grave zu Solms, daz ich, Hennz Koche, mit mynen Kochenknaben, Vehemeden, und allen mynen Brot-Gesynne, nemlich Cleßgin und Henchin, Kochenknaben, und Elßgin und Lükel, Vehemeden, mit unsern Helffern, es seyen Mezeler, Holzdreyer oder Schoßeln-Wescherßen, awer, des uweren, uwer Lande, Lüte, und sonderlich uwers Vehs, sient sin wollen, um unsers gnädigen Jongher, Gottfrieds von Eppenstein, Herrn zu Münzenberg, willen, und sonderlich der Ursach halben, als ich Hennz Koche uwer Hemel einstechen wollte, „sin ich mich darüber in ein Bein gestochen, und auch, daz ich mit mynen Anhang für dieser Zyt, als wir uns zu dieser Vehede geschickt, viel Arbeit gehabt han, und obe Gott will noch zu vielmaln thund werden. Und ob ir, oder uwer Vehe des einicher Schaden, es were mit Süden oder Braten nemene wurdt, wollen wir unsere Ere an uch hiermit gnugsam verwart hain, und scheinen doch in dieser Vehde utz Hermand Kochen und sin Mitgesellen in der Kochen. Datum unter myn Lükeln, der Vehemede, koßelichen Innsiegel, des wir anderen uns in der Kochen zu gemeiner Nottarf gepruchen. Am Mittwochend nach Andreä, anno . . .“
Dem Schlusse des fünfzehnten Jahrhunderts war es endlich vorbehalten, den Grund zur völligen Aufhebung des Faustrechts und aller damit verbundenen Greuel zu legen. Der Kaiser Max I. war zwar selbst gar nicht Willens, auf dem im Jahre 1495 zu Worms gehaltenen Reichstage diese höchst wichtige Angelegenheit zur Sprache zu bringen, die Stände nötigten ihn aber, auf diesem Reichstage, mit gänzlicher Abschaffung des Faustrechls den ewigen allgemeinen Landfrieden zu vollziehen, und zu gleicher Zeit, um dieser Anordnung den gehörigen Nachdruck zu geben, unter dem Namen des Kammergerichts ein beständiges Reichsjustiztribunal zu errichten.
Hierdurch hatte man nun zwar den öffentlichen Räubereien vorgebeugt, aber im Geheimen und desto gefährlicher trieb sie der Adel noch immer fort, so, dass noch 1512 auf einem Reichstage über einreißende Misshandlungen, über heimliches Wegfangen, Blenden, Wegführen, Mordbrennen u. s. w. Klage geführt wurde. Wie ließ sich auch erwarten, dass jene Menschen eine, Jahrhunderte alte, Lebensweise mit Einem Male sollten verlassen können, eine Lebensweise, welche sie für die einem Ritter einzig würdige hielten, die ihre Väter ernährt, bereichert hatte, in deren Ausübung sie aufgewachsen, die ihnen zur andern Natur geworden war! Nur allmählig ließ sich eine Änderung, eine Milderung dieser Rohheit erwarten, welche durch die im sechzehnten Jahrhundert nach und nach verschwindenden Turniere, mit denen der Rittergeist und der Geschmack an ritterlichen Übungen sich verlor, besonders bewirkt wurde.
Wie schwer es aber hielt, die selbst an den Höfen der ersten Reichsstände durch das Faustrecht eingerissenen unglaublich rohen Sitten zu verdrängen, davon ist ein redender Beweis, dass noch im Jahre 1624 die damaligen Churfürsten von Trier und Pfalz, ingleichen die Bischöfe von Strasburg, Würzburg, Freysingen, Speyer, Utrecht und Regensburg, nebst fünf rheinischen Pfalzgrafen, auch der Markgraf Kasimir von Brandenburg und der Landgraf Philipp von Hessen, zur gänzlichen, oder wenigstens halben Abstellung des Saufens und Fluchens eine eigene Vereinigung unter sich zu treffen für nötig fanden. Sie ist zu charakteristisch, als dass ich sie nicht hier ebenfalls mitteilen sollte.
„Nachdem wir alle jetzunder eigner Person uff der Frölichkeit eines Gesellen Schießens der Armbrust bey einander allhier zu Heydelberg gewesen, bey uns bedacht und erfunden, dass aus Gotteslästerungen und bishero gebrauchtem Zutrinken, vielerley Bosheit-Unrat und verderblicher Unwillen in ganzer ,Teutscher Nation entstanden und erwachsen, darum uns Gott dem allmächtigen zu Lob und zuvorkommen fernern Unrat, mit einander einhelliglich entschlossen, und bey unsern fürstl. Worten einander zugesagt und versprochen, und tun das in Krafft dieses Brieffs, daß unser jeglicher Churfürst und Fürst obgemeldt, wir sein Geistlich oder Weltlich, nun führo hin für unsere eigene Person der Gotteslästerung und Zutrinkens gantz oder halb uns enthalten und mäsigen, auch allen und jeglichen unsern Ober- und Unteramtleuten, Hoffgesind und Dienern, Untertanen und Verwandten bey einer nahmlichen Straffe ernstlich gebieten, dergleichen bey der Ritterschaft in eines jeden Fürstentum und Landen geseßen fleisiglich bitten und daran sein sollen und wollen, sich gleichermassen, wie.Wir, des Gotteslästern und Zutrinckens gantz oder halb zu entalten, und müssig zu stehen, und welche unsre Amtleute, Hoffgesind, Diener oder Knecht solches zu halten Beschwerung tragen, das Überfahren und nicht halten wollen oder würden, den oder dieselben soll unser jeglicher zu stunden mit Ausrichtung seines Lohns beurlauben, an seinem Amt oder am Hoff zu bleiben nicht Mehr gestatten, desgleichen unser Churfürsten und Fürsten, bey dem er gewesen, eine Schrifft, wie er abgeschieden, sich dieser Ordnung nach wiße ferner zu halten; Gleichermaßen sollen wir bey unsern Amtleuten, Hoffgesinde und Dienern mit ihren Knechten, wie vorstehet, die Dingen auch zu vollstrecken verschaffen, und die Untertanen, welche dieses Gebott übertretten, und nicht halten würden, mit einer Poen, die darauf von einem jeden Churfürsten oder Fürsten gesetzt werden soll, so oft sich das begibt, ohnabläßig straffen, auch die von Adel in eines jeden Fürstentum und Landschaft gesessen, durch gebürliche Mittel und Weeg, so viel möglich, davon zu weisen unterstehen. Wäre es aber, daß unser vorgemeldte Churfürsten und Fürsten einer oder mehr in die Niederlande, in Sachsen, die Marck, Mecklenburg, Pommern oder dergleichen, da Zutrincken die Gewohnheit, käme, und über fleissig Weigerung Zutrinckens nicht geübrigett sein mögte, sollen dieselbigen solche Zeit mit ihrem Hoffgesind und Dienern ungefähre und mit dieser Ordnung nicht gebunden seyn.“
In dem tumultvollen Bauernkriege, der 1524 in Schwaben ausbrach, und sich mit unglaublicher Schnelle durch die Länder am Rhein, an der Donau, am Bodensee, in Franken und bis nach Thüringen und Sachsen verbreitete, fanden viele Schlösser ihren Untergang. In Franken hatten die Bauern über zweihundert Schlösser, adelige Häuser und Klöster ausgeplündert und verwüstet, und im ganzen Laufe dieses zügellosen Aufruhrs, der sich erst 1626, durch die Niederlage der thüringischen Bauern bei Frankenhausen im Schwarzburgschen, endigte, fielen gewiss mehrere Hunderte von den Schlössern in Schutt zusammen.
Auch der schwäbische Bund, der 1380 durch die Vereinigung der meisten Reichsstädte in Schwaben, Franken und Bayern entstand, hundert Jahre später von neuem aufgerichtet, vom Kaiser Friedrich III. zu Augsburg bestätigt, und erst 1532 aufgelöst wurde, und sich durch seine Macht ein gewaltiges Ansehn verschaffte hatte die Zerstörung der Burgen zur Hauptabsicht. Im Jahre 1523 vernichtete er gegen dreißig.
In der Nähe mancher Schlösser waren unterdessen kleine Städte, Flecken und Dörfer erbauet worden, und die dahin gesetzten Haupt- und Amtleute sorgten nun für genauere Gerechtigkeitspflege und Sicherheit. Viele der Schlösser dienten, nachdem die dazu gehörigen Güter und sie selbst den Landesregenten heimgefallen, oder von ihnen erkauft worden waren, noch einige Zeit zu Wohnungen der Beamten, bis man auch sie in Ebenen bequemer wohnen ließ, da meistens glücklichere Sicherheit keine so festen Wohnungen mehr nötig machte. Die Burgen verfielen daher. *)
Eine der gefährlichsten Epochen für die Existenz der bis dahin noch erhaltenen Burgen war der dreißigjährige Krieg. Er stürzte viele Burgen um, und verwischte einige gänzlich aus der Reihe der Dinge. Nach ihm hörte man auf, im Kriege solche kleine Festungen der Aufmerksamkeit zu würdigen, und ließ sie gewöhnlich als unbedeutende Punkte unbeachtet und unbelagert liegen. Auch in dem letzten Jahrzehend des siebzehnten Jahrhunderts, wo der Vandalismus der damaligen Franzosen alle Städte und Dörfer am Rhein, im Wirtembergischen, Mainzischen, Badenschen, und in der Pfalz zerstörte, wurde dies Schicksal vielen Burgen zu Teil.
Im siebenjährigen Kriege kommen einige Beispiele vor, wo man verschiedene alte Burgen nicht ganz außer Acht ließ. Reinstein, Stolpen, Scharzfeld und andere wurden belagert, erobert und zerstört, mehr aber wohl nebenbei, denn von ihrem Besitze hing weder großer Vorteil noch Nachteil ab.
Der französische Krieg hat, soviel mir bekannt ist, nur zwei Bergschlösser, die zu wirklichen Festungen geworden waren, zerstört, nämlich Ehrenbreitstein und Rheinfels, beide am Rhein.
Gegenwärtig kann man annehmen, dass zwei Dritteile der Burgen, die Deutschland nach und nach auf seinen Hügeln und Bergen emporsteigen sah, in Ruinen liegen. Von vielen ist jede Spur gänzlich verwischt, und der Ort, der sie trug, ist nicht einmal mit Gewissheit anzugeben. Von vielen sieht man nur noch Erhöhungen und Vertiefungen, von Bäumen und Gesträuch bedeckt, mit einer dichten Erdenlage und Rasen überzogen. Am häufigsten trifft man noch Fragmente von Türmen an, welche bei der größern Steinmasse und Dauerhaftigkeit ihrer Konstruktion dem Verwittern auch am längsten widerstehen konnten. Wo daher alle Gebäude zerfallen sind, da kann man gewöhnlich noch das Fundament der Türme erkennen. Von einer großen Zahl Schlösser sieht man noch viele Bruchstücke stehen: Türme, Tore. Wände, Treppen u. s. f.
Wir würden von weit mehrern noch dergleichen sehen, wenn sie nicht in neuern Zeiten so oft auf die unverzeihlichste Art gewaltsam zerstört worden wären. Das, was die Naturschönheiten eines jeden Orts erhöht, sollte billig immer unter dem Schutze der Obrigkeit stehen. Ist diese außer Stande, neue anzulegen, oder der Natur nachzuhelfen, so wäre es desto mehr Pflicht für sie, für die Erhaltung der vorhandenen Sorge zu tragen, und daran verübte Frevel auf das strengste zu ahnden. Leider aber geht sie nur zu oft mit dem schlechtesten Beispiele voran. Hierunter rechne ich besonders das Niederreißen solcher Schlösser, solcher alter Urkunden der Vorzeit. Die merkwürdige Wittekindsburg in der sonstigen Graftschaft Ravensburg wurde zur Erhaltung der Chaussee abgebrochen und zerklopft. Die Ruinen des Klosters Walkenried zerstörte der Ersparungsgeist, um Häuser und Kirchen daraus zu erbauen. Und wer hat es endlich nicht mit innigem Bedauern gelesen, welches Schicksal den zahlreichen, mitunter äußerst romantischen und prächtigen Burgruinen am linken Ufer des Rheins bevorsteht! –
Man kann es der deutschen Wissbegirde mit ziemlichem Rechte zum Vorwurf machen, dass sie mehr nach dem Äußeren strebt, als nach dem, was ihr im Innern zunächst liegt, und dass sie oft das Einheimisch-Denkwürdige sorglos übersieht, um jenseits der Grenze Alles anzustaunen. Dies ist leider ein alter Fehler, dessen uns das gänzliche Verschwinden so vieler kostbarer Denkmäler der deutschen Vorzeit laut genug anklagt. Wir schleppen Steinblöcke, verwitterte, verstümmelte Figuren, welchen Spekulanten den Namen Antiken geben, aus Italien, Ägypten, Syrien, und der Himmel mag wissen woher sonst noch, herbei, wägen sie mit Golde auf, stellen sie sorgfältig hin, gaffen sie voll stummen Staunens an, schreiben Bücher darüber, worin Zoll für Zoll die Raritäten darin entwickelt werden, und – unsere einheimischen Seltenheiten, Denkwürdigkeiten, Monumente des Altertums und verstrichener Jahrhunderte kennen wir nicht, achten wir nicht, und reißen sie sogar nieder, um bei Erbauung eines Brauhauses, eines Schafstalles auf dem nahegelegenen Pachthofe eine kleine Ersparnis zu machen. Wir graben versunkenen Mauern auf, nenen es Reste römischer Baukunst, sparen kein Geld dabei, stechen unsere Vermutungen in Kupfer, wie das Gebäude geformt gewesen sein könnte, geben uns die miserabelste Mühe, an der Hand der Alten zu beweisen, dass die hervorgewühlten Steine die Grundmauern eines römischen Baues waren: und unsere Denkmäler aus einer Zeit, in welcher die Deutschen den Namen einer Nation noch verdienten und behaupten konnten, untergraben, zerstören wir. Als ob es eine so große Ehre wäre, sagen zu können: hier hat ein von Römern erbautes Haus gestanden! – als ob es keine sei, sagen zu können: diese Burg war einst der Wohnsitz deutscher Kaiser, hier lebte Heinrich IV,. Friedrich II., dort ward Wittekind getauft. Diese Mauern umgaben die Tapferen, welche zur Gründung der sonstigen Freiheit Deutschlands kühne Pläne entwarfen; in jenen entsprang das mächtige Geschlecht, aus welchem sieben Kaiser die Krone Trugen, die jetzt freilich zu den Füßen ihrer Nachfolger zertrümmert liegt. –
Bei allen dieser Lauheit gegen solche einheimische Wahrzeichen aus der Vorwelt, welche sie niederreißen oder doch verfallen lässt, treiben wir dennoch eine kleinliche Spielerei mit Nachbildung derselben. Seit dem letzten viertel des vorigen Jahrhunderts fing das Ritterwesen an, zum neuesten Geschmack zu gehören. Ritterromane wurden von allen Lesebibliotheken verlangt; Ritterfehden tobten auf unseren Theatern; Kinder liefen mit Helm und Schild auf den Straßen; die Überbleibsel der alten Burgen wurden mit heiligem Schauer besucht, und wo keine Ruinen vorhanden waren, bauete man sich welche; alle nach einem großen Plane angelegte Gärten wurden mit solchen neuen Ruinen geziert. Größtenteils war diese Liebhaberei nur ein kleinliches Spiel. Ein gotischer Turm, ein halbverfallener Bogen, ein Paar Gewölbe, welche unter der antiken verfallenen Außenseite einige moderne und luxuriös möblierte Zimmer verbargen, machten das Ganze aus. Am ernstaftesten wurde noch auf dem Weißenstein bei Kassel die Sache genommen und behandelt. Man bauete ein völliges Ritterschloss, geräumig genug, von einer großen Familie und Dienerschaft bewohnt zu werden. *)
*) Zeitung für die elegante Welt, 1809.
Doch der Eifer für die gute Sache entführt mich meinem Zwecke. Ich kehre nach dieser Episode zur Hauptsache zurück.
Von einer großen Anzahl Burgen sieht man also noch jetzt sehr bedeutende Bruchstücke. Eben so gilbt es viele, denen bloß die Bedachung fehlt, wie Hardenberg bei Göttingen, wo man sich noch die deutlichste Vorstellung von der ehemaligen Einrichtung machen kann. Auch noch ganz vollständig erhaltene sind da, als Hohenzollern, Falkenstein am Harz, Rabeneck im Bambergischen, Hohenstein in Franken. Meistens dienen diese zu Wohnungen für Invaliden, für Forstbediente, zu Getreidemagazinen, oder Staatsgefängnissen; selten sind sie noch die Wohnung der Familie, die daraus entsprosste. Die am sorgfältigsten erhaltene Burg, welche uns ganz in das Mittelalter zurückzaubert, indem sie bis auf die geringste Kleinigkeit das lebendigste Bild einer Ritterburg darstellt, ist, meines Wissens, Hohlenfels im Herzogtum Nassau.
Man würde sich übrigens sehr irren, wenn man glauben wollte, dass alle Burgen und Rittersitze jener Zeit Raubschlösser gewesen waren. Vielen dürfen wir zurufen: Friede sei mit der Asche eurer Bewohner! — Es gab Burgherren, die edel im eigentlichen Sinne des Worts waren, und sich nicht zu den Gräueltaten ihres Zeitalters herabwürdigten. Da aber ein Jeder den Befehdungen unruhiger Nachbarn ausgesetzt war, so musste auch der Ruhigste seinen Wohnsitz so fest als möglich machen, um sich gegen Überfälle zu sichern. Viele waren die Wiege erlauchter noch blühender Fürstenhäuser oder adeliger Familien, die noch ihre Namen führen; der größte Teil verdiente freilich den Namen der Räuberhöhlen ungeschlachter Menschen, für deren Handwerk jetzt der Galgen, oder eine tiefe, allgemeine Verachtung der Lohn sein würde.
Ich breche hier meine Mitteilungen über das Aufkommen und Verlöschen der Burgen ab. Für den Liebhaber möchte ich sonst zu weitläufig werden, und für den eigentlichen Historiker doch nicht Alles erschöpfen. Was noch hierher gehört hätte, wird sich in der Folge gelegentlich anbringen lassen. Jetzt nur noch Einiges über die Lage, Bauart und gwöhnliche innere Einrichtung der meisten Burgen.
Die Lage der alten Burgen ist sehr verschieden. Viele liegen auf sehr hohen Bergen und Felsen, von andern Bergen umgeben, als das Bolzenschloss auf dem Riesengebirge, Questenberg am Harz, Rudolphstein auf dem Fichtelgebirge; viele auf minder hohen, in großen Ebenen allein stehenden Bergen oder Hügeln, als die Gleichen, Taucha, Landsberg in Sachsen; oder auf der Ecke einer hohen, oben ebenen Talwand, wo eine, auch mehrere Seiten, steil abhangen, wie Lohmen in Sachsen; oder auf dem hervorspringenden Rücken einer Bergwand, wie Hohnstein bei Dresden, Plesse bei Göttingen, Schönbrunn auf dem Fichtelgebirge. Andere liegen am Abhange und tiefer als der Gipfel eines Berges oder einer Bergwand, da, wo die Natur einen kegelförmigen Vorsprung bildete, wie Rotenburg in der goldenen Aue, Scharzfeld, Harzburg am Harz, Wehlen an der Elbe; oder auf einem niedrigen Berge am Fuße einer Bergwand, wie Schönburg; oder auf einem Hügel in der Mitte eines Tales, wie die Gersdorfsburg bei Quedlinburg; oder ganz auf der Ebene, aber am Fuße eines Gebirges, wie die Bremserburg am Rhein. Auf den höchsten Bergen lagen aber nie welche. Hier war doch den alten Herren das Klima zu rauh, ungeachtet sie noch nicht so verweichlicht waren, wie ihre Enkel es sind.
Die meisten Burgen verraten in ihrer Anlage die Absicht, über eine gewisse Gegend zu dominieren und sie beobachten zu können, oder, ganz im Verborgenen zu liegen. Im ersten Falle ist der Grund wohl nicht in einer Neigung für den Genuss, den der Überblick einer schönen Landschaft gewährt, zu suchen, was höchstens untergeordneter Zweck gewesen wäre, sondern darin, dass der Adler gern in der Höhe schwebt, wenn er auf Beute Jagd macht. Auf ihren Felsen konnten sie tief ins Land schauen, die Straßen beobachten, sich bereit halten, wenn der Feind anrückte und ausfallen, wenn ein Reisender gezogen kam. Im letzteren Falle ahmte man der Spinne nach: diese lagert sich verborgen in den Hintergrund, um von da aus unbemerkt und plötzlich auf ihren Raub hervorschießen zu können. So die Ritter solcher Burgen. In Gebirgsgegenden trifft man häufig dergleichen versteckte Burgen an. Tief zwischen Bergen, ganz ohne Aussicht in die Ferne, liegen sie; aber eine Heerstraße oder ein Fluss gingen gewiss dicht, oder doch in einer solchen Entfernung dabei weg, dass sie von der Burg aus genau beobachtet werden konnten.
Aber auch Ritter, welche diesem Bilde nicht gleichen, Gefühl für Recht und Unrecht hatten, waren doch zu ihrer eigenen Sicherheit genötigt, eine ähnliche Lage zu ihren Wohnungen zu wählen.
Um ihre Beobachtungssphäre so weit als möglich ausdehnen zu können, legten sie in naher und weiter Entfernung von der Burg Warttürme, Warten auf Hügeln und Anhöhen an, von welchen man viele Straßen übersehen konnte. Diese wurden mit Mannschaft besetzt, um zu beobachten, und von da aus Signale zur Versammlung und zum Angriffe geben zu können, oder um den Bewohnern einer Gegend zu melden, wenn es Zeit sei, zur Verteidigung oder zur Flucht sich anzuschicken. Sie waren die Telegraphen damaliger Zeit, indem sie mit einander korrespondierten. In vielen Gegenden Deutschlands findet man dergleichen alte Warten noch in großer Menge, und zum Teil noch sehr gut unterhalten. Sie waren rund, viereckig, achteckig, auch wohl halb rund und halb eckig und sehr hoch, standen entweder ganz frei, oder waren von einem Wall und einer Mauer umgeben. Der Eingang war nicht unten, sondern immer dreißig bis vierzig Fuß hoch angebracht. Zu diesem gelangten die ausgestellten Vorposten auf Leitern, welche sie hinter sich hinaufzogen, und dadurch jedem den Zugang versperrten. Inwendig waren sie oben gewölbt. Durch diese Decke führte eine Öffnung auf die Plattform des Turms, wo man hinter einer ringsherum laufenden Brustwehr umherlugen konnte.
Alle auf jene Art erbaueten Schlösser hießen Bergvesten, Bergschlösser. Es gab aber auch Wasservesten, Wasserburgen. Diese lagen in Ebenen, und waren, außer den Türmen, Basteien und Brustwehren, zur Beschützung mit Wassergraben und Morästen umgeben, über welche eine Zugbrücke ging. Von dieser, Gattung sind die meisten bis jetzt noch erhalten, da sie der flachen Lage wegen mit Vorteil länger bewohnt, wurden und noch bewohnt werden könnten. Man findet sie sehr oft in Städten und Dörfern, z. B. in Leipzig die Pleißenburg, in Furra bei Nordhausen das von Wurmbsche Schloss. Oft waren sie Veranlassung zur Erbauung des Orts, der sie jetzt umgibt, indem sich da leichter Menschen ansiedelten, wo sie geschützt zu sein glaubten, oder es waren Untertanen, Leibeigene, die ihr Herr um sich her versammelte.
In den frühesten Zeiten und bis zum Anfange des elften Jahrhunderts bauete man von Holz und Erde. Die Schlösser waren daher aufänglich nichts anders als Schanzen oder Blockhäuser, die vielleicht ein Damm oder Wall, mit Weiden oder andern Bäumen durchflochten, umgab. Mit den Fortschritten in der Kunst zu bauen, gewannen auch die Burgen eine bessere Gestalt und festere Einrichtung, und seit man anfing, von Kalk und Steinen zu bauen, wurden diese auch bei der Errichtung der Burgen angewendet.
Einige lassen es noch in ihren Ruinen verraten, dass sie lange vor den Kreuzzügen entstanden sein müssen. Um jene Zeit erhielt zuerst die Bauart der Deutschen, besonders in den nördlichen Ländern, eine bessere Form. Die Deutschen lernten in Italien, Griechenland und Asien die bessere Baukunst kennen. Sie ahmten aber freilich nicht sowohl die geschmackvolle antike, als die schnörkelhafte gotische nach. Doch erhielten die Gebäude mehr Schönheit und Symmetrie als ehedem, und wurden in der Folge immer zweckmäßiger eingerichtet. Je älter aber eine Burg ist, desto weniger zeigt sich Ebenmaß, desto weniger hatte sie Fenster, desto dickere Mauern, desto weniger äußere Zugänge. Vielleicht hätte man manche Burg wohl eher für ein Spiel der grotesken Natur in Anhäufung der Steine halten können, als einige Neuere die Pyramiden in Ägupten dafür annehmen. *)
Betrachtet man die alten Bergschlösser in der Nähe, so leitet das Sonderbare ihrer Form, die Regellosigkeit ihrer Figur unser Auge bald auf den Boden, der sie trägt, und man findet bei einiger Aufmerksamkeit, dass die Erbauer den zu einer Burg ausersehenen Platz nicht etwa zuvor ebneten, ihn zur Ausführung ihres Plans einrichteten, sondern dass sie ihm gar nichts von seiner natürlichen Gestalt nahmen, sich mit Erbauung ihrer Gebäude nach seiner ursprünglichen Form richteten, und diese, so gut es gehen wollte, benutzten. Darum konnte ihnen auch nicht jeder Platz gleich lieb sein, und sie suchten immer nur solche auf, wo ihnen die Natur die wenigsten Hindernisse in den Weg gelegt, ihnen vielleicht schon vorgearbeitet hatte. Dieser Umstand veranlasste Ludwig den Springer und noch Andere, — wie wir in der Folge sehen werden — sogar auf fremdem Boden Burgen zu erbauen, bloß weil sie da Plätze gefunden zu haben glaubten, die ihnen dazu tauglich schienen. *)
*) Verzeichnis der Berg - u. Raubschlösser des Mittelalter. S 106.
Von diesem Einrichten des Gebäudes nach der Form des Bodens war eine natürliche Folge die Unregelmäßigkeit, wozu indessen auch der Umstand beigetragen haben mag, dass viele Burgen nur nach und nach entstanden.
Die mehresten Reste, und noch mehr, bis jetzt erhaltene Burgen, gehen uns einen lebhaften Begriff von dem Geiste und den Bedürfnissen der Zeit ihrer Entstehung, und des damals in stetem Kriege mit sich selbst verwickelten Volks. Nirgends eine Spur von Symmetrie und Wohlgefallen an schönen Verhältnissen; nirgends regelmäßige Formen, noch Feinheit des Geschmacks in der Baukunst. Dagegen eine hohe, erstaunenswürdige, kühne Lage auf steilen, überhängenden Felsen; eine alle Begriffe übersteigende Festigkeit; eine ängstliche Sorgfalt, jeden Zugang möglichst zu erschweren; ein geringer Umfang; ungeheuer dicke, feste Mauern; enge, oft in Felsen gehauene, gewölbte Gemächer; wenige und von außen sehr kleine, schmale, enge Öffnungen und Fenster, die sich nur nach innen zu erweitern, so, dass man darinsitzen, liegen, oft sogar stehen konnte; tiefe Gewölbe, unterirdische Gänge u. s. w.: alles dies waren Produkte der gräuelvollen Zeiten des Mittelalters, Abdrücke des Geschmacks jener Tage, wo an Festigkeit und Sicherheit bei weitem mehr gelegen war, als an Pracht, architektonischer Schönheit und Zierde, hellen Zimmern und häuslicher Bequemlichkeit.
Meistens richtete man sich in der Anlage ganz nach dem Teile des Berges, auf welchem das Schloss stehen sollte, ohne eben ein regelmäßiges Viereck abzustecken. Diesen Platz befestigte man rings umher mit starken Mauern. Auf der Seite, wo sich der Berg noch weiter fortsetzte, legte man mehrere starke Wälle, und zuweilen einen doppelten und dreifachen Graben an. Wenn es der Raum verstattete, so zog man rings um die Burg einen Wall mit Mauern, kleinen Türmen an den Ecken und einem oder mehreren Gräben, welche meistens mit Mauern gefüttert wurden. Wo aber bei steilen Abhängen auf einer- oder mehreren Seiten ein Graben rings herum unmöglich oder unnötig war, da grub man wenigstens, so weit man konnte, den Boden ab, legte bei der Einfahrt eine Zugbrücke über den Graben, und umgab den Schlosshof durch eine dicke Mauer mit Schießscharten, welche oben eine Brustwehr hatte. Vor dem Graben war meistens ein Turm, welcher die Zugbrücke und die Einfahrt deckte. Oft war auch vor dem Haupttore eine Burghut oder feste Wohnung derer, welche das Schloss beschützen sollten.
Der innere Eingang, zu welchem die Zugbrücke führte, bestand entweder aus einem Torhause, auf welchem der Torwärter die Aufsicht hatte, oder aus einer bloßen starken Mauer mit einem Tore, über welchem gewöhnlich das Wappen des Eigentümers in Stein gehauen war. An diesem Portale zog man die Zugbrücke auf. Der Pforte zur Seite finden sich zuweilen hervor, stehende gemauerte Basteien, oder kleine runde Türme mit Schießscharten; zuweilen deckten das Tor bloß die höher liegenden und mit einer Brustwehr versehenen Mauern des Zwingers. Die Mauern des inneren Hofraums richteten sich nach der Figur des Berges oder nach den herum liegenden Felsen, und bildeten gerade Linien; oder krümmten sich zu einem Bogen, wie es der Lage angemessen war. Die Ecken wurden jedes Mal durch hervorstehende Basteien oder Defensionstürmchen gesichert, aus welchen man eine Linie bestreichen konnte. Das Tor am Hofraum findet man nie der Pforte am Hauptgebäude gegenüber. Auch wenn es der Raum gestattet hätte, geschah dies nicht, sondern immer in schiefer oder umgekehrter Richtung. Im inneren Hofraume lagen die Neben- und Wirtschafts-Gebäude, zuweilen auch eine Kapelle. Doch findet man diese bei manchen Schlössern auch außerhalb der Ringmauern in einiger Entfernung vor der Burg, weil man sie durch ihre Heiligkeit hinreichend gedeckt glaubte. Ferner lagen noch im Innern die Wohnungen für den Kapelan, Stallmeister, Haus- oder Burgvogt, die Knappen und andere Diener, unter welchen sich die Ställe für die Pferde befanden.
Auch waren entweder am Torhause oder an andern Orten des Hofraums Gefängnisse angebracht.
Wenige Schlösser waren geräumig. Gewöhnlich leitete ein sehr enger Eingang — durch welchen nicht zwei Menschen neben einander kommen konnten, und der nicht an der Erde, sondern in einiger Höhe angebracht war, zu welcher eine herabgelassene Treppe führte — dem traurigen Dunkel zu, das in den meisten Schlössern herrschte. Denn oft umzog sie, wenigstens von der Seite, welcher die Natur die wenigste Festigkeit gegeben hatte, noch eine innere Mauer, die zuweilen mit dem Hauptgebäude einerlei Höhe hatte.
Die ältesten Burgen hatten sehr wenige und enge Fenster, wenig weiter als Schießscharten. Erst an denen aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert erblickt man einige Regelmäßigkeit. Unten hatten die Gebäude sechs bis acht Fuß dicke Mauern, welche sich nach oben zu etwas abschrägten und von innen erweiterten. Bei einigen waren mehrere Etagen, bei andern nur, das Erdgeschoss gewölbt. Dieses war nie zu Wohnungen, sondern zu Kellern, Vorratskammern, auch zu Kasematten eingerichtet. In den obern Etagen waren erst die Wohnzimmer, die Säle u. s. f. Einen Balkon hatte fast jedes Schloss, um sich von ihm herab zu zeigen, oder Befehle zu erteilen, oder durch den Herold etwas bekannt machen zu lassen. Am Torhause war meistens über dem Tore eine große Öffnung, von welcher herab man fragte, welcher Ritter, Herold oder Knappe eingelassen zu werden verlange. Dann waren hin und wieder Schlupfwinkel und verborgene Gänge angelegt, durch die man unbemerkt aus dem Schlosse kommen konnte. Sie führten oft halbe Stunden weit unter der Erde fort entweder in ein anderes Schloss oder in einen Wald oder sonst an einen verborgenen Ort. Häufig waren sie sogar unter Flüssen weggeführt. Die vielen Burgen an beiden Ufern des Neckars standen meistens durch solche Gänge, welche unter dem Neckar hin liefen, in Verbindung. So auch die Schlösser Eisenberg und Stein im Schönburg’schen, deren geheimer Gang unter der Mulde weg lief.
Einige Schlösser lagen innerhalb sehr hoher Felsen, welche zum Einschluss des Schlossraumes mit benutzt wurden. Die Zwischenräume, wo die Felsen nicht ganz zusammen schlossen, füllte man alsdann mit Mauer oder kleinen Türmen aus, wie z.B. beim Schlosse Rudolphstein auf dem Fichtelgebirge.
Über alle Gebäude und kleine Türme, wodurch die Linien der Außenwerke gedeckt waren, ragte ein hoher Turm hervor, von dessen Spitze man über die umliegende Gegend eine freie Aussicht hatte, und Signale geben konnte. Gewöhnlich war seine Form rund; man findet aber auch viereckige, halb runde und halb eckige, wie bei Falkenstein am Harz, sechseckige, wie bei Liebenstein im Meining’schen, oder achteckige, wie bei Gersdorfsburg. Dieser Turm hatte unten keinen Eingang, sondern erst in einer Höhe von 30 bis 40 Fuß nach innen zu. Vom Hauptgebäude ließ man eine Fallbrücke hinüber an den Turm fallen, wenn man ihn besteigen wollte. Gewöhnlich hatte er Gewölbe auf Gewölben, ohne Treppen in die Tiefe. Jedes Gewölbe hatte in der Mitte ein viereckiges Loch, durch welches man sich hinabließ oder hinaufzog. Der unterste Raum des Turms war das grauenvolle Burgverlies, worin unglückliche Gefangene, der gemeinsten Wohltaten der Natur beraubt, in der unreinsten Luft, oft unter modernden Gebeinen und Ungeziefer lebendig begraben, mit Sehnsucht nach Freiheit, oder nach dem letzten Ende ihrer Qualen schmachteten. Dies schreckliche Behältnis ging meistens weit in die Erde hinab. *) Die Türme waren übrigens immer massiv bis unter das Dach. Bei runden findet man hin und wieder, dass selbst das Dach von Steinen spitzig oder rund gemauert und gewölbt war.
Im Innern des Hofraums fehlte es endlich nie an einem Brunnen, der mit unglaublicher Mühe und Geduld in Felsen hinabgegraben wurde, oft bis zur Sohle des Berges auf dem das Schloss stand.
Die Mauern der mehresten Schlösser sind aus Steinen von unbedeutender Größe errichtet, deren Zwischenräume mit Kalt und Gips ausgegossen wurden. Hieran ist entweder die Härte der Steine oder der Mangel an mechanischen Hebewerkzeugen Schuld. Der erste Grund kann wenigstens kein allgemeiner sein, da man dieselbe Bemerkung an Schlössern machen kann, welche aus Sandsteinen erbauet sind. Überhaupt aber pflegt dieser kleinliche Stil den uralten Gebäuden, deren Überreste wir noch sehen, eigen zu sein, so wie er auch in anderer Rücksicht ein charakteristisches Merkzeichen von der Kindheit der Kunst in allen Werken ist, die eine große und mannigfaltige Zusammensetzung leiden. Die Kunstprodukte noch unkultivierter Völker sind immer getreue Kopien der Natur ihres Landes und der dadurch modifizierten Denkungsart. In dem wollüstigen Klima Hindostans verriet sich die Kindheit der Kunst durch überladenen Zierraten. In den kalten Nordländern tat sie eben das durch die Menge der gebrauchten Materialien und durch ihre kleinliche Behandlung. Der Inder gab seinen Pagoden die Gestalt von ausgehöhlten Felsen, und bedeckte sie ganz mit geschmacklosen Zierraten; der minder üppige, minder in Bildern denkende und handelnde Deutsche, türmte die harten Massen seines Landes auf einander und baute Burgen, die seinen tausendjährigen Eichstämmen nicht unähnlich waren.
Die ganze Bauart jener erfahrungslosen Epoche ist eine sonderbare Vermischung des Ungeheuern mit dem Kleinlichen. Die erstaunliche Festigkeit alter Gebäude würde daher bei der unverhältnismäßigen Größe, der Steine, aus denen sie mehrenteils errichtet waren, unbegreiflich sein, wenn nicht erfahrene Baumeister längst dargetan hätten, dass sie dieselbe bloß ihrer Solidität und dem ungeheuerem Umfange ihrer, Mauern zu danken hatten. Eine Mauer nach moderner Angabe — sie sei aus den größten und härtesten Quadersteinen errichtet — wird nie die Festigkeit der alt-römischen oder gotischen Gebäude erhalten, die durch ihre eigene Masse unterstützt, und eben dadurch gegen die langsamen aber unwiderstehlichen Verheerungen der Luftsäure und Witterung gesichert waren. Die Natur ist nie untätig; sie wirkt entweder zur Dauer oder zur Zerstörung. Jene Steinmassen, durch ihre eigene Last gedrückt, und gegen das Eindringen scharfer Feuchtigkeit gesichert, erhielten nach und nach die Dichtigkeit und Dauer eines natürlichen Felsens. *) Aber auch ein besseres Bindungsmittel wussten die Alten zu verfertigen, zu dessen Besitz wir, bei allen schon gemachten Versuchen, wohl nicht wieder gelangen werden. Bei mancher Ruine finden wir hiervon auffallende Belege. Der eine der Türme am Heidelberger Schlosse ist halb umgestürzt, aber nicht zerbröckelt, sondern liegt noch jetzt als eine Masse da. Von den Außenwerken des Mansfelder Schlosses sind ganze Wände, und zwar mit Gewalt, gesprengt, ohne zu bersten. Was möchte wohl mehr die Güte des Mörtels anzeigen, als dies. Versuchen wir ein Gleiches mit unsern Mauern, ob sie diese Probe bestehen werden: — schwerlich! Man hat verschiedene Ursachen dieser Festigkeit angegeben, ohne doch vielleicht die wahren zu finden. Einige suchen sie darin, dass der Kalk ehedem besser gebrannt worden sei als jetzt, Andere im langsamen Bauen. Die mehreste Wahrscheinlichkeit hat aber wohl die Meinung, dass man sonst den Kalt viele Jahre lang in tiefen Gruben gähren ließ. Hierdurch erhielt er eine ungemeine Bindungskraft. Dann umgab man die aufzuführenden Mauern mit Brettern, löschte den Kalk auf den Steinen und ließ ihn da kochen, wodurch eine Art Verschmelzung der Steine mit einander vorging.
In den Zeiten der nächsten Nachkommen Ludwigs des Frommen, eines Sohnes Karls des Großen, wurden die Grenzen des unter Einem Könige vereinigten Deutschlands durch die Anfälle und durch die Einbrüche benachbarter fremder Völker außerordentlich beunruhigt. Vorzüglich versuchten es die Normänner, ein Zusammenfluss dänischer, norwegischer und schwedischer Seeräuber, an den nördlichen Grenzen Deutschlands, die slavischen Völkerschaften aber, und vor allen die Sorben, die Wenden und Böhmen, von der Elbe her, in Thüringen und in das heutige Niedersachsen einzudringen. Gelang ihnen ein solcher Raubzug, so verwüsteten, mordeten und raubten sie nach Art der Barbaren. Alle Kriege, gegen sie geführt, alle Einfälle, die in ihre Länder getan wurden, waren nicht hinreichend, diese wilden Horden zu zähmen, und sie in ihren Grenzen zurückzuhalten. Um dies nun zu bewirken, fingen besonders die Grenzbewohner an, feste Örter zu erbauen, in welchen sie gegen ihre Feinde gesichert waren, und von wo aus sie sich besser verteidigen konnten. Die Muster dazu nahmen sie von den in den Gegenden des Rheins und der Donau noch in Menge befindlichen römischen Burgen her. Eine jede solche Burg wurde demnach eine kleine oder größere Festung, die nur mit Gewalt nach einer ordentlichen, Belagerung erobert werden konnte.
Anfangs erlaubten die Könige die Anlegung solcher Örter sehr gern, ja sie ermunterten sogar dazu, indem sie durch die Befestigung ihrer Grenzen ihre eigene Sicherheit und Selbsterhaltung gegründeter glaubten; aber nur zu bald mussten sie einsehen, dass sie durch diese von den Umständen abgedrungene Erlaubnis die äußere und innere Ruhe des Staates auf das gefährlichste untergraben hatten.
Der Adel fing nämlich an, hier und da auf den ihm zugehörigen Hügeln und Bergen befestigte Schlösser zu errichten. In diese legte der Eigentümer eine Art von Besatzung, die gewöhnlich keinen Sold erhielt, sondern sich von Raub und Beute nährte, die umliegende Gegend ausplünderte und die Vorüberziehenden beraubte. Es schien ihnen zweckmäßig und vorteilhaft, in Streitigkeiten mit ihren Nachbarn das durch das Kampfrecht scheinbar gebilligte Recht der Selbsthilfe auszuüben. Sie verheerten daher die Besitzungen dessen, der sie beleidigt hatte, oder an welchen sie eine rechtliche Forderung zu haben glaubten. Jeder, der im Stande war, sich durch einen Teil seiner Besitzungen, die er Andern zu lehn gab, einen Anhang von getreuen Vasallen zu verschaffen, bediente sich eines uneingeschränkten Rechts der Waffen: und so entstand das Faustrecht.
Dieses schreckliche, durch die Gesetze begünstigte Recht, Privatstreitigkeiten durch Privatkriege zu schlichten, machte Deutschland viele Jahrhunderte lang zum unglücklichsten Schauplatze von Krieg, Raub, Mord und Brand. Man übte es nicht nur gegen seine Feinde, oder gegen solche aus, an die man gegründete Ansprüche zu machen hatte, sondern die mächtigen Burgbesitzer missbrauchten es auch ohne allen rechtlichen Schein, die benachbarten Landleute zu überfallen, zu berauben, oder zu zwingen, sich unter ihren Schutz zu begeben und ihnen Dienste zu leisten. Aber auch damit begnügten sich die Burgherren nicht. Viele von ihnen lebten als öffentliche Räuber, indem sie die Heerstraßen mit ihren Reisigen besetzten und Reisende beraubten und plünderten. Einem vorüberziehenden Kaufmann Alles abnehmen; einen Landeigentümer auf seinem Gute überfallen und ausplündern; einem reichen Pfaffen auflauern, ihn auf die Burg schleppen, und so lange gefangen halten, bis er sich durch eine beträchtliche Summe gelöst hatte: das war so wenig Schande, dass mancher Nominal-Edle sich es vielmehr zur Ehre anrechnete, oder es doch für ein erlaubtes Handwerk hielt. Diese Art von Gewalttätigkeiten der Schnapphähne gegen die Geistlichkeit nannte man in der Sprache des Faustrechts das Niederwerfen, wogegen die Dekretalen der Päpste stets, jedoch immer fruchtlos, eiferten. Selbst Exkommunikationen und Interdikte wirkten nicht, da sie zu häufig kamen.
Die deutschen Könige widersetzten sich zwar aus allen Kräften diesen himmelschreienden, für ihre eigene Existenz gefährlichen, Gewalttätigkeiten, und ließen die Raubburgen so viel möglich zerstören; allein sie waren zu schwach, ihren Anordnungen den gehörigen Nachdruck zu geben: und so fraß das eingerissene Übel wie ein Krebsschaden immer mehr um sich.
Schon in der Mitte des neunten Jahrhunderts ließen die damaligen deutschen Könige Verordnungen gegen das eingerissene Faustrecht ergehen, worin sie den Übertretern mit dem göttlichen und königlichen Bann drohten. Karl der Kahle ließ im Jahre 864 alle Burgen, die ohne königliche Erlaubnis erbauet waren, niederreißen; allein die Zwistigkeiten in der regierenden Karolingischen Familie und die immerwährende Furcht vor den Anfällen benachbarter Völker, besonders der Hunnen, welche die Einrichtung kriegerischer Anstalten zur Verteidigung des Vaterlandes zur Hauptbeschäftigung der Regierung machen musste, so wie die Eifersucht und das unaufhörliche Entgegenstreben der Könige und mehrerer zu mächtig gewordener Staatsbedienten, endlich noch die schädlichen Folgen des Lehnwesens, waren die Ursachen von dem Sinken des Ansehens der Könige, und wurden eben hierdurch die Stützen des Faustrechts. Die Könige mussten zufrieden sein, dass ihre Vasallen die Lehndienste gehörig leisteten, wenn sie sie dazu auf forderten, und durften, sich nicht viel darum bekümmern, was jene mit ihren Bauern oder Leibeigenen vornahmen, oder was sie untereinander für Streitigkeiten hatten.
So griff das verderbliche Faustrecht immer weiter um sich, vorzüglich zu Ende des neunten und im Anfange des zehnten Jahrhunderts. Das Übergewicht, das um diese Zeit der geistliche Stand über den weltlichen erhielt, gab Gelegenheit zu einer heftigen und gefährlichen Eifersucht zwischen beiden Ständen, und erzeugte auch eine Menge grausamer Befehdungen, die oft nur durch die äußerste Strenge der Könige beigelegt werden konnte. *)
*) Geschichte des Ritterwesens im Mittelalter, von J. Kaiserer. Wien 1804. 8. S. 329.
Den Vorteil, den der Besitz der Burgen in Fehden gewährte, verkannten indessen die Regenten selbst nicht. Ludwig II., Landgraf von Thüringen, erbaute die Wartburg, die Neueburg, und Kaiser Heinrich IV. ließ von 1072 bis 1076 eine überaus bedeutende Anzahl Burgen in Thüringen und Sachsen wider die Bewohner dieses Landes aufführen. Wo nur ein gelegener Hügel war, ließ Letzterer Kastelle anlegen. Wurde eine Stadt, eine Burg belagert und nicht bald erobert: gleich stiegen um sie Burgen in die Höhe, an welchen das Landvolk Tag und Nacht arbeiten und die Kosten des Baues noch obenein tragen mussten. Alle belegte Heinrich mit starker Besatzung, welche nicht er besoldete, sondern das Land unentgeltlich verpflegen musste. Dieses wäre nun noch zu ertragen gewesen, allein diese Besatzungen verlangten mehr als ihnen zukam, und da sie dies nicht gutwillig erhielten, so beraubten und plünderten sie die umliegende Gegend, trieben Herden weg und begingen überhaupt alle mögliche Ausschweifungen. Um sich dagegen zu schützen und Gewalt mit Gewalt vertreiben zu können, legten die Landbewohner ebenfalls feste Burgen an: *) und so war denn immer eine Burg die Veranlassung zur Erbauung einer andern.
Wie sehr Heinrich den Anbau solcher Burgen übertrieb, davon finden wir in vielen Gegenden Sachsens und Thüringens noch jetzt die überzeugendsten Spuren. So sieht man in den Ebenen des Niederharzes, und besonders um Quedlinburg herum, gegen zwanzig Überreste alter Schlösser aus jenen unglücklichen Zeiten in einem Bezirk von zwei bis drei Meilen. **)
Alle diese Schlösser wurden aber in dem sächsischen Kriege, der von 1070 bis 1089 dauerte, bald von den königlichen Völkern, bald von den Landesbewohnern erobert, zerstört und wieder aufgebaut, wie wir; dies bei Erzählung der Schicksale mehrerer Schlösser dieser Gegenden ausführlicher hören werden.
*) Heinrich, deutsche Reichsgeschichte, 2ter Band, S. 367-511. 512.
**) Mehr über Heinrichs erbauten Burgen wird bei der Geschichte des Schlosses Spatenberg vorkommen.
Immer mehr breitete sich jedoch das Faustrecht aus und nach der Erzählung gleichzeitiger Schriftsteller trieb die unlautere Beschäftigung des Straßenraubes der Adel fast ausschließend.
Deutschland hatte indessen außer den Normännern und Wenden noch einen neuen weit gefährlichem Feind an den Ungarn bekommen, welche ihre jährlichen Einfälle oft bis in das Innere, ja bis an die entgegengesetzten Grenzen Deutschlands ausdehnten. Diese Einfälle waren die Ursache, dass die Herzöge, Mark- und Landgrafen, auch andere Große, da die Rettung jeder einzelnen Provinz beinahe allein von ihren Verteidigungsanstalten abhing, immer mächtiger wurden, das Ansehen der Könige aber desto tiefer sank. Die Vasallen jeder einzelnen Provinz setzten unter dem Schutze der Herzöge und der andern mächtigen Reichsbeamten ihre Befehdungen und Räubereien fort: und so geschah es, dass das Faustrecht, auch unter den Königen aus dem sächsischen Hause, ungehindert, fortdauerte, und zuletzt für ein allgemeines, wohlhergebrachtes Recht gehalten wurde.
Heinrich II. erließ noch eine Verordnung dagegen, allein die Könige konnten es nicht mehr unterdrücken, sondern begnügten sich, wie Konrad II., damit, eine sogenannte Treuge, oder einen auf göttlichen Befehl für einige Tage in der Woche verordneten Waffenstillstand, bekannt zu machen.
Ähnliche, auf die Wiederherstellung des öffentlichen Landfriedens abzweckende Verordnungen erließen auch seine Nachfolger. *) Friedrich I. erneuerte die alte Strafe des Hundetragens für die Befehder, und verurteilte 1155 wirklich zwei der angesehensten Reichsfürsten dazu: den Erzbischof von Mainz und den rheinischen Pfalzgrafen Herrmann von Stahleck, weil sie einander befehdet und die ganze Rheingegend durch Raub, Mord und Brand verwüstet hatten. Der Erzbischof wurde jedoch wegen seines hohen Alters davon dispensiert, aber der Pfalzgraf musste mit noch zehn mitschuldigen Grafen eine deutsche Meile weit räudige Hunde tragen. Dies Beispiel machte in ganz Deutschland einen so wohltätigen Eindruck auf die Befehder, dass sie ihre Waffen lange Zeit ruhen ließen, besonders da Friedrich überall herumreiste, verschiedene Raubschlösser zerstörte, und sogar einige ergriffene Räuber am Leben bestrafte. Friedrich wurde jedoch durch die unglücklichen italienischen Kriege verhindert, die Ordnung ferner so zu erhalten; und am Ende seiner Regierung musste er die Befehdungen unter der Einschränkung zulassen, dass sie wenigstens drei Tage vorher durch einen sichern Boten angesagt werden sollten, damit Niemand ungewarnt und unvorbereitet überfallen werden konnte.
*) Kaiserer, Gesetz des Ritterwesens, S. 335.
Friedrich II., der mit Leibes, und Lebensgefahr, ja mit der Gefahr, die Krone zu verlieren, in seinen Erbkönigreichen Ordnung und Gerechtigkeit hergestellt hatte, versuchte dies auch in Ansehung Deutschlands. Auf dem berühmten Reichstage, den er 1235 zu Mainz hielt, errichtete er einen Landfrieden für Deutschland. Nur schade, dass Friedrich zugleich König von Sizilien war, und dass er mehr an Italien, als an Vollstreckung seiner Gesetze in Deutschland dachte.
Wie es nach seiner wiederholten Exkommunikation und ungeachtet des angeordneten Landfriedens doch noch in Deutschland aussah, beschreibt uns ein damaliger Geschichtschreiber mit folgenden Worten:
„Papst Gregorius IX. exkommunicirte den Kaiser. Nun freuten sich die Räuber, die Leuteschinder frohlockten über die erhaschte Beute. Die Pflugscharen wurden in Schwerter, und die Sensen in Lanzen verwandelt. Keiner war, der nicht Stahl und Stein bei sich führte, um sogleich Feuer anlegen zu können.“
Auch Wilhelm von Holland sorgte für die öffentliche Ruhe, und brachte 1255 einen neuen Landfrieden zu Stande, allein da nach seinem Tode das Reich kein allgemein anerkanntes Oberhaupt hatte, so war an die genaue Vollstreckung weder seines, noch des Friedrichschen Landfriedens zu denken. Jeder tat, was er wollte; je, der musste sich zu schützen suchen, so gut er konnte.
So gab unter andern der Tod des Landgrafen, zu, letzt Königs Heinrich Raspe, Veranlassung zu einem Successionskrieg unter seinen Seitenverwandten, welcher von 1248 bis 1265 Thüringen mit Unglück und Elend erfüllte, da jeder Herr sein wollte und keiner es war. In diesem Kriege entstanden sechzehn neue Burgen, welche aber größtenteils auch im Laufe desselben wieder zerstört wurden. Eine thüringische Chronik schildert den damaligen Zustand Thüringens mit folgenden Worten:
„Als der römische König Heinrich (Raspe) ohne Leibeserben starb, entstand viel Übels und Bosheit auf dem Lande zu Thüringen und Hessen, denn ein jeglicher wollte des andern Herr sein. Da waren zween Ritter, Herr Herwig von Hurselgau, und Herr Johann Otze mit andern ihren Helfern, die huben an, und raubten von Eisenach an zween Enden, und trieben all ihr Vieh weg bis gen Zcemberg. Da fingen sie den Vogt von Zcemberg, der ihnen das gerne gewehrt hätte. Darnach die andern Edlen Mächtigen, die erwählten Berge, und baueten Schlosse, wo sie wollten. Die erbarn Leute an der Werre werfen sich zu Haufe und bauten Brandenfels. Die von Eschewe bauten die Krachenburg und den Heldenstein. Die von Stockhusen baueten die Malitenburg bei Fischbach, die von Wangenheim baueten die Kalnburg. Die von Kolstede baueten Stenfurth. Herr Herrman Schwarz, Ritter, bauete Stroyß nauwe. Die von Lupnitze baueten Leuchtenwald. Die von Kobesten baueten Scharfenberg, die von Frankenstein Waldenburg. Herr Walter von Forila ward Feynd der Grafen von Schwarzburg und von Keffernberg, und verbrannten ihnen ihre armen Leute, und die Grafen wollten ihm das wehren und kamen mit ihm zu Streit bei Homberg, und es glückte ihm, dass er drei Grafen mit vielen erbaren Leuten fing, und mit ihm heimführte.“
Dies war auch der Zustand von ganz Deutschland, nur dass es in einigen großen und geschlossenen Ländern, z.B. in Bayern, Böhmen und Brandenburg etwas leidlicher ausgesehen haben mag.
Die Burgen oder Schlösser, die schon in den vorigen Zeiten eine Plage von Deutschland waren, wurden es nun viel ärger. Nebst dem, dass mehrere davon in förmliche Raubschlösser ausarteten, waren auch die übrigen, die zur Beschützung einer Gegend angelegt waren, nicht viel besser. Ich will die Sache durch ein Beispiel erläutern, welches dem Leser ein deutliches Bild von den damaligen Zeiten entwerfen wird.
Ein fränkischer Ritter, Namens Schott, bauete auf den Grund und Boden des Klosters Banz das Schloss Schottenau. Er starb während des Baues, wurde exkommuniziert, und blieb lange Zeit unbegraben liegen. Dennoch suchte sein Sohn den Bau zu vollenden. Da kam der Herzog von Meran als Erb- und Schirmvogt des Klosters, und wollte auf dem nahe dabei gelegenen Berge Steglitz ebenfalls eine Burg bauen, obgleich der Bischof Otto von Bamberg, der den Berg dem Kloster geschenkt, schon im voraus alle die exkommuniziert hatte, die sich unterstehen würden, eine Burg darauf zu errichten. Der Herzog bediente sich jedoch folgender Gründe gegen die Vorstellung des Abts: Als Vogt des Klosters habe er das Recht dazu; zur Verhütung der Beraubung und Verheerung seiner Güter müsse er es tun. And wenn er es nicht tate, dürfte ihm der Bischof von Würzburg zuvorkommen. „Nun“ — sagte der Abt in einer Urkunde des Klosters Banz — „war also unsere Kirche in Mitte der Wölfe. Denn was die von Schottenu übrig ließen, raubten die Burgmänner des Herzogs, und was die Raupe noch übrig ließ, verzehrte die Heuschrecke, und so weinten die Mönche, das umliegende Land ward verheeret, der Ackersmann geplagt, und um die Früchte seiner Arbeit gebracht,“ bis endlich auf dringendes Ansuchen des Abts die Bischöfe von Bamberg und Würzburg mit dem Herzoge übereinkamen, dass beide Burgen niedergerissen werden sollten, welches auch geschah. *)
*) Schmidt, Geschichte der Deutschen, 7ter Bd. S. 156
Ungeachtet der zu Gunsten der Geistlichen emanirten Konstitution Kaiser Friedrichs II., war in den folgenden Zeiten kein Berg, der nicht seinem Herrn oder dem Nachbar desselben die Versuchung eingeflößt hätte, eine Burg darauf zu erbauen, wie wir dies teils aus den noch vorhandenen Trümmern, teils aus andern Urkunden und Denkmalen ersehen können. Selbst die Erzbischöfe von Mainz hatten mehrere Fehden mit den Grafen von Reineck, weil diese durchaus in dem benachbarten, dem Erzstifte zugehörigen Spessarter Walde Schlösser anlegen wollten. Hieraus kann man leicht schließen, wie es erst den minder Mächtigen ergangen sein mag.
Ja sogar aus ihren gewöhnlichen Wohnhäusern und Residenzen, sie mochten allein auf Bergen oder in Städten liegen, machten die Fürsten und Grafen Burgen und Festungen. Man sieht daraus, dass sie sich nicht allein vor auswärtigen Feinden, sondern sogar vor ihren eigenen Untertanen fürchteten. Die Bischöfe dachten nicht viel besser, oder waren vielmehr gezwungen, eben so zu denken und sich zu verschanzen, um vor ihren eigenen Schäflein sicher zu sein. Manche verließen sogar ihre Residenzstädte, ob es ihnen gleich die alten Kirchengesetze geboten, in Städten zu wohnen, und erbauten sich auf Höhen Burgen.
Da nicht jeder Ritter im Stande war, sich eine Burg zu bauen, so vereinigten sich manchmal mehrere. Und bauten eine auf gemeinschaftliche Kosten, die sie dann auch mit vereinter Macht verteidigten. Die Herrschaft darüber blieb gemeinschaftlich, woraus die sogenannten Ganerbschaften entstanden sind.
Diejenigen, welche in freundschaftlichen Verhältnissen lebten, erlaubten es einander, wenn einer vom Feinde verfolgt ward, in der Burg des Andern seine Zuflucht nehmen zu dürfen. Daraus entstand das soge, nannte Öffnungsrecht.
Auch den Ursprung des Geleitrechts finden wir in diesen Zeiten. Da nämlich wegen der vielen Fehden und wegen der förmlichen Räubereien die Straßen sehr unsicher waren, so blieb dem Kaufmann nichts übrig, als entweder in einem starken Gefolge oder unter einer sichern Bedeckung zu reisen. Diese von Haus zu Haus mitzunehmen, war teils zu kostbar, teils würden die Landesherren fremden Bewaffneten den Durchzug nicht verstattet haben. Es blieb daher nichts übrig, als selbige sich von den Letztern gegen eine gewisse Erkenntlichkeit auszubitten, worein diese um so lieber willigten, da sie da, durch ihre Einkünfte vermehren und ihre Söldner, zum Teil von fremdem Gelde erhalten konnten. Aber auch diese an sich gute Einrichtung artete zuletzt aus, indem man auch diejenigen geleitete, die kein Geleit verlangten, oder sie weiter geleitete, als sie wollten, oder als es den Nachbarn, die ebenfalls das Geleitsrecht ausüben konnten, anständig war, worüber viele Streitigkeiten entstanden.
Wenn unsere Zeiten an Einfalt der Sitten und an so mancher Tugend des häuslichen Lebens dem Ritterzeitalter nicht gleichkommen, wenn wir es um seine kolossalische Kraft, um den eisernen Geist und das Ausharren in Gefahren mit Recht beneiden, so übertreffen sie dasselbe doch an Menschlichkeit und an gefühlvoller Teilnahme an dem Glück und Wohl unserer Nebenmenschen. Freilich wich mit ihm Einfalt der Sitten, aber zugleich auch die unbeschreibliche Rohheit und Gefühllosigkeit, die unerbittliche Grausamkeit und Hartherzigkeit, die fest, wie ihre Türme, waren, und so ausgezeichnete Merkmale der Ritterzeit sind. Wo gibt es wohl unter uns Deutschen einen Regenten, der es wagen darf, ein Symbol, wie das Graf Eberhards von Wirtemberg — Gottes Freund und aller Menschen Feind! — zu wählen!
Aber selbst die angestrengtesten und anhaltendsten Bemühungen eines von edlem Rittersinn und von unablässiger Tätigkeit beseelten Rudolphs von Habsburg, waren nicht vermögend, das vielköpfige Ungeheuer, die Raubsucht der Ritter, zu tilgen. Gleich nach dieses Kaisers Zurückkunft aus Österreich im Jahre 1281 war es sein erstes Geschäft, auf einem Reichstage zu Regensburg von den fränkischen Bischöfen, Grafen, Herren, Edelleuten und Städten auf fünf Jahre lang einen neuen Landfrieden, welches der dritte in diesem Jahrhundert errichtete war, beschwören zu lassen. Eben so ließ er in diesem Jahre auf einem Reichstage zu Maynz den von Friedrich 1235 gegebenen Landfrieden von den anwesenden Kurfürsten, Fürsten u. s. f. am Rheine, von Kostnitz bis Kölln, auf fünf Jahre lang beschwören. Die schwäbischen und bayerschen Stände mussten dies 1286, die elsassischen aber 1288 ebenfalls tun.
Eine in seinem aufgerichteten Landfrieden begriffene Verordnung war, dass niemand eine Burg haben solle, es geschehe denn ohne des Landes Schaden. Allein diese alte Plage Deutschlands dauerte dessenungeachtet fort. Rudolph war daher sehr darauf bedacht, räuberische Burgen teils durch seine Landvögte zerstören zu lassen, teils sie selbst zu belagern und zu demolieren. *) So soll er im Jahre 1290 sechsundsechzig Raubschlösser in Thüringen zerstört haben. Man kann sich hieraus einen Begriff von der zahllosen Menge solcher Adlernester in Deutschland machen, da in Thüringen allein eine so bedeutende Zahl verwüstet werden konnte, und außer diesen doch manches auf seinem Felsgipfel unerobert stehen geblieben sein mag. Eine eben so beträchtliche Anzahl zerstörte er auch in Franken und Schwaben. Gegen dreißig landfriedensbrüchige Edelleute ließ dieser mutige Herrscher zu gleicher Zeit auf das empfindlichste bestrafen, und den vorhin erwähnten Grafen Eberhard von Wirtemberg züchtigte er auf die ausgezeichnetste Weise; aber dennoch waren solche Beispiele nicht hinreichend, Schrecken zu erregen und andere Grundsätze einzuflößen.
Jm Anfange des i^ten Jahrhunderts zerstörte Friebrich mit der gebisseneu Wange auch sehr viele Raubschlösser, besonders in Sachsen.
Im Jahr 1317 ließ Kaiser Ludwig der Bayer durch die Burggrafen von Nürnberg alle Burgen dasiger Gegend zerstören, welche räuberischen Edelleuten zum Aufentalt dienten, und gab ihnen gleich alle die zu Lehn, die sie zerstören würden. Diese Vollmacht wurde vom Kaiser Karl IV. im Jahr 1355 erneuert, und die Burggrafen Johann II. und Albrecht beauftragt, alle Raubschlösser einzunehmen und als Reichslehn zu behalten. *) Auch mehrern sächsischen Städten erteille Karl die Erlaubnis, gegen die Wegelagerungen und Befehdungen der Raubritter vom Sattel und Stegreif (Steigbügel), welche hier besonders scharenweise wie Raubvögel in den unzugänglichsten Felsenfesten horsteten, einen eigenen Bund zu schließen.
Unter diesem Drucke, dem Deutschland unterlag, wurde gegen die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts der Gebrauch des Schießpulvers bekannt. Die Kriegs - und Belagerungskunst erhielt nun eine ganz andere Gestalt. Alle bis dahin zum Verteidigen, Belagern und Berennen gebrauchte Maschinen, als Bogen, Pfeile, Armbrüste, Wurfmaschinen, Mauerbrecher, wichen dem groben Geschütz, oder wurden wenigstens nur neben diesem gebraucht. Dies aber war der meisten Schlösser Ruin, selbst derer, welchen man mit den bisher üblichen Belagerungsmaschinen entweder nur mit vieler Mühe oder gar nicht beikommen konnte, und sie daher für unüberwindlich hielt. Das erste Geschütz, wobei man sich des Pulvers bediente, waren sogenannte bombardae oder Donnerbüchsen, welche anfangs mit steinernen und hernach erst mit eisernen Kugeln geladen waren.
*) Helfrecht, Ruinen, Alterthümer und noch stehende Schlösser auf dem Fichtelberge. Hof 1795. S. 15.
Mit dem Faustrecht blieb es jedoch in diesem Zeitraum fast noch eben so, wie in den beiden vorhergegangenen Jahrhunderten. Man suchte nur die Wirkungen desselben durch die Vereinigung mehrerer Fürsten, Herren und Stände zur Aufrechtaltung und Befolgung der Gesetze des Privatkrieges zu vermindern. Ausländer nannten damals den deutschen Adel eine große Räuberbande, unter welcher der Raubsüchtigste der Geehrteste sei.
Nach dem Egerschen Landfrieden von 1389 sollten alle Straßen, Kirchen, Klöster, Pfaffheit, Kirchhöfe, Mühlen, alle Pflüge mit Pferden, nebst den Bebauern der Weingärten, Äcker und Felder sicher sein und nicht angetastet werden dürfen. Die kriegführenden Parteien durften im höchsten Notfalle nicht mehr Fourrage vom Felde nehmen, als sie mit der Lanze von der Heerstraße erreichen konnten. Niemand durfte an den Stillstands- oder Friedenstagen die Waffen gebrauchen; selbst bei Belagerungen wurde an diesen Tagen geruht. Auch mussten die Parteien einander die Fehde wenigstens drei Tage zuvor durch einen sichern Boten ankündigen und sich unterdessen auf der Heerstraße so ruhig und ordentlich verhalten, wie andere Reisende, wenn sie nicht alle Landfriedensstände und den Kaiser selbst wider sich aufbringen wollten. Allein ein solcher Landfriede war immer nur auf einige Jahre geschlossen. Seine Vorschriften zu befolgen, waren auch nur diejenigen schuldig, welche ihm freiwillig beigetreten waren. Für Nichtbeigetretenen hatte er daher keine verbindende Kraft, und so war es immer der Fall, dass, während hier ein Landfrieden abgeschlossen war, dort die heftigsten Fehden geführt wurden. Auch sahen die minder mächtigen Reichs- und Landstände den Landfrieden meistens als ein verstecktes Mittel an, sie sicher zu machen und zu entwaffnen, um sie desto leichter unter das Joch zu bringen. Freilich bestätigte die Erfahrung sehr oft diesen Argwohn, und es entstand zuletzt das Sprichwort: es ist dem Landfrieden nicht zu trauen. *)
Der Hussitentrieg, welcher seit 1420 als Sache des deutschen Reichs betrachtet wurde, und bis 1438 dauerte, war das Grab vieler Burgen. Im Jahr 1430 allein verwüsteten die Hussiten in Meißen, Franken und Niederbayern über hundert Städte und Schlösser.
Es gehört gewiss mit unter die Unbegreiflichkeiten, die nicht selten in der Geschichte aufstoßen, wie es möglich war, dass die Regenten einer großen und doch auch nicht ganz unkultivierten Nation den Greuel, durch Staatsbürger selbst schändlicher Weise unaufhörlich in die Eingeweide des Staats wüten zu lassen, viele Jahrhunderte lang entweder nicht abstellen konnten, oder — wie es fast noch wahrscheinlicher ist — von Grund aus nicht abstellen wollten. Alle von dem neunten Jahrhundert her bis zu Ende des fünfzehnten dagegen gemachten Vorkehrungen griffen das Übel nie an der Wurzel an. Sie waren bloß Palliative, die den Schaden nicht nur nicht heilten, sondern zum Teil auch sogar übel ärger machten, indem sie durch Einschränkung des alleräußersten Missbrauchs, wie z. B. in der Treuge der Fall war, die unvernünftige Idee von der Rechtlichkeit der Privatselbsthilfe an sich gewissermaßen sogar sanktionierten. Der tief eingewurzelte Glaube an diese vermeintliche Rechtlichkeit — wovon die Regenten selbst angesteckt waren — diente dem Unwesen einigermaßen zur Beschönigung, wenigstens so lange, als keine ordentlich bestellten Gerichtshöfe vorhanden waren, bei welchen Jedermann ins Reiche hätte Recht suchen und finden können. Ordentliche, mit Energie ausgeführte Einrichtung des Gerichtswesens im Reiche wäre das sicherste Mittel gewesen, dem Faustrecht früher ein Ende, und die vielen Raubschlösser unschädlich zu machen. Dies war aber gerade der Punkt, an welchen man bis gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts gewöhnlich gar nicht dachte; oder wurden auch einigemal Vorschläge darüber gemacht, so blieben sie immer wenigstens unausgeführt. Es war also wirklich keine Justiz im Lande.
In solchem gesetzlosen Zustande konnte durch die vielfältigen Zerstörungen einzelner Burgen der Greuel des Faustrechts selbst nicht ausgerottet werden. Da, wo heute zehn solcher Räuberhöhlen vernichtet waren, wurden morgen unter dem Vorwande der Sicherheit zehn andere und noch mehrere wieder erbauet, und die Räubereien daraus nahmen von Tage zu Tage mehr überhand. Im fünfzehnten Jahrhundert war die Zerrüttung aufs höchste gestiegen. Dazumal war — wie sich ein gleichzeitiger Schriftsteller, der italienische Bischof Johann Anton Kampanus, ausdrückt — ganz Deutschland eine Mördergrube, und bei dem Adel war Raubgierde, je ausschweifender sie war, desto ruhmvoller. Der Adel behielt jedoch diesen Ruhm nicht ausschließend. Die Städte nahmen ebenfalls Teil daran, und zuletzt hielt sich jeder Untertan, bis auf den niedrigsten Pöbel herunter, berechtigt, eigene Fehdebriefe zu schreiben. So finden sich Fehdebriefe der Bäcker und Buben des Markgrafen von Baden an verschiedene Reichsstädte vom Jahre 1450, desgleichen der Bäcker des Pfalzgrafen Ludwigs von Augsburg von 1462, und endlich sogar ein Fehdebrief von einem Koch zu Eppenstein mit seinen Küchenjungen, Viehmägden, Schüsselwäschern etc. an den Grafen Otto von Solms von 1477. Diese höchst seltsame Urkunde *) ist einer Mitteilung hier wert. Sie lautet folgendergestalt:
„Wyßet Walgeborn Jungher, Jungher Ott, Grave zu Solms, daz ich, Hennz Koche, mit mynen Kochenknaben, Vehemeden, und allen mynen Brot-Gesynne, nemlich Cleßgin und Henchin, Kochenknaben, und Elßgin und Lükel, Vehemeden, mit unsern Helffern, es seyen Mezeler, Holzdreyer oder Schoßeln-Wescherßen, awer, des uweren, uwer Lande, Lüte, und sonderlich uwers Vehs, sient sin wollen, um unsers gnädigen Jongher, Gottfrieds von Eppenstein, Herrn zu Münzenberg, willen, und sonderlich der Ursach halben, als ich Hennz Koche uwer Hemel einstechen wollte, „sin ich mich darüber in ein Bein gestochen, und auch, daz ich mit mynen Anhang für dieser Zyt, als wir uns zu dieser Vehede geschickt, viel Arbeit gehabt han, und obe Gott will noch zu vielmaln thund werden. Und ob ir, oder uwer Vehe des einicher Schaden, es were mit Süden oder Braten nemene wurdt, wollen wir unsere Ere an uch hiermit gnugsam verwart hain, und scheinen doch in dieser Vehde utz Hermand Kochen und sin Mitgesellen in der Kochen. Datum unter myn Lükeln, der Vehemede, koßelichen Innsiegel, des wir anderen uns in der Kochen zu gemeiner Nottarf gepruchen. Am Mittwochend nach Andreä, anno . . .“
Dem Schlusse des fünfzehnten Jahrhunderts war es endlich vorbehalten, den Grund zur völligen Aufhebung des Faustrechts und aller damit verbundenen Greuel zu legen. Der Kaiser Max I. war zwar selbst gar nicht Willens, auf dem im Jahre 1495 zu Worms gehaltenen Reichstage diese höchst wichtige Angelegenheit zur Sprache zu bringen, die Stände nötigten ihn aber, auf diesem Reichstage, mit gänzlicher Abschaffung des Faustrechls den ewigen allgemeinen Landfrieden zu vollziehen, und zu gleicher Zeit, um dieser Anordnung den gehörigen Nachdruck zu geben, unter dem Namen des Kammergerichts ein beständiges Reichsjustiztribunal zu errichten.
Hierdurch hatte man nun zwar den öffentlichen Räubereien vorgebeugt, aber im Geheimen und desto gefährlicher trieb sie der Adel noch immer fort, so, dass noch 1512 auf einem Reichstage über einreißende Misshandlungen, über heimliches Wegfangen, Blenden, Wegführen, Mordbrennen u. s. w. Klage geführt wurde. Wie ließ sich auch erwarten, dass jene Menschen eine, Jahrhunderte alte, Lebensweise mit Einem Male sollten verlassen können, eine Lebensweise, welche sie für die einem Ritter einzig würdige hielten, die ihre Väter ernährt, bereichert hatte, in deren Ausübung sie aufgewachsen, die ihnen zur andern Natur geworden war! Nur allmählig ließ sich eine Änderung, eine Milderung dieser Rohheit erwarten, welche durch die im sechzehnten Jahrhundert nach und nach verschwindenden Turniere, mit denen der Rittergeist und der Geschmack an ritterlichen Übungen sich verlor, besonders bewirkt wurde.
Wie schwer es aber hielt, die selbst an den Höfen der ersten Reichsstände durch das Faustrecht eingerissenen unglaublich rohen Sitten zu verdrängen, davon ist ein redender Beweis, dass noch im Jahre 1624 die damaligen Churfürsten von Trier und Pfalz, ingleichen die Bischöfe von Strasburg, Würzburg, Freysingen, Speyer, Utrecht und Regensburg, nebst fünf rheinischen Pfalzgrafen, auch der Markgraf Kasimir von Brandenburg und der Landgraf Philipp von Hessen, zur gänzlichen, oder wenigstens halben Abstellung des Saufens und Fluchens eine eigene Vereinigung unter sich zu treffen für nötig fanden. Sie ist zu charakteristisch, als dass ich sie nicht hier ebenfalls mitteilen sollte.
„Nachdem wir alle jetzunder eigner Person uff der Frölichkeit eines Gesellen Schießens der Armbrust bey einander allhier zu Heydelberg gewesen, bey uns bedacht und erfunden, dass aus Gotteslästerungen und bishero gebrauchtem Zutrinken, vielerley Bosheit-Unrat und verderblicher Unwillen in ganzer ,Teutscher Nation entstanden und erwachsen, darum uns Gott dem allmächtigen zu Lob und zuvorkommen fernern Unrat, mit einander einhelliglich entschlossen, und bey unsern fürstl. Worten einander zugesagt und versprochen, und tun das in Krafft dieses Brieffs, daß unser jeglicher Churfürst und Fürst obgemeldt, wir sein Geistlich oder Weltlich, nun führo hin für unsere eigene Person der Gotteslästerung und Zutrinkens gantz oder halb uns enthalten und mäsigen, auch allen und jeglichen unsern Ober- und Unteramtleuten, Hoffgesind und Dienern, Untertanen und Verwandten bey einer nahmlichen Straffe ernstlich gebieten, dergleichen bey der Ritterschaft in eines jeden Fürstentum und Landen geseßen fleisiglich bitten und daran sein sollen und wollen, sich gleichermassen, wie.Wir, des Gotteslästern und Zutrinckens gantz oder halb zu entalten, und müssig zu stehen, und welche unsre Amtleute, Hoffgesind, Diener oder Knecht solches zu halten Beschwerung tragen, das Überfahren und nicht halten wollen oder würden, den oder dieselben soll unser jeglicher zu stunden mit Ausrichtung seines Lohns beurlauben, an seinem Amt oder am Hoff zu bleiben nicht Mehr gestatten, desgleichen unser Churfürsten und Fürsten, bey dem er gewesen, eine Schrifft, wie er abgeschieden, sich dieser Ordnung nach wiße ferner zu halten; Gleichermaßen sollen wir bey unsern Amtleuten, Hoffgesinde und Dienern mit ihren Knechten, wie vorstehet, die Dingen auch zu vollstrecken verschaffen, und die Untertanen, welche dieses Gebott übertretten, und nicht halten würden, mit einer Poen, die darauf von einem jeden Churfürsten oder Fürsten gesetzt werden soll, so oft sich das begibt, ohnabläßig straffen, auch die von Adel in eines jeden Fürstentum und Landschaft gesessen, durch gebürliche Mittel und Weeg, so viel möglich, davon zu weisen unterstehen. Wäre es aber, daß unser vorgemeldte Churfürsten und Fürsten einer oder mehr in die Niederlande, in Sachsen, die Marck, Mecklenburg, Pommern oder dergleichen, da Zutrincken die Gewohnheit, käme, und über fleissig Weigerung Zutrinckens nicht geübrigett sein mögte, sollen dieselbigen solche Zeit mit ihrem Hoffgesind und Dienern ungefähre und mit dieser Ordnung nicht gebunden seyn.“
In dem tumultvollen Bauernkriege, der 1524 in Schwaben ausbrach, und sich mit unglaublicher Schnelle durch die Länder am Rhein, an der Donau, am Bodensee, in Franken und bis nach Thüringen und Sachsen verbreitete, fanden viele Schlösser ihren Untergang. In Franken hatten die Bauern über zweihundert Schlösser, adelige Häuser und Klöster ausgeplündert und verwüstet, und im ganzen Laufe dieses zügellosen Aufruhrs, der sich erst 1626, durch die Niederlage der thüringischen Bauern bei Frankenhausen im Schwarzburgschen, endigte, fielen gewiss mehrere Hunderte von den Schlössern in Schutt zusammen.
Auch der schwäbische Bund, der 1380 durch die Vereinigung der meisten Reichsstädte in Schwaben, Franken und Bayern entstand, hundert Jahre später von neuem aufgerichtet, vom Kaiser Friedrich III. zu Augsburg bestätigt, und erst 1532 aufgelöst wurde, und sich durch seine Macht ein gewaltiges Ansehn verschaffte hatte die Zerstörung der Burgen zur Hauptabsicht. Im Jahre 1523 vernichtete er gegen dreißig.
In der Nähe mancher Schlösser waren unterdessen kleine Städte, Flecken und Dörfer erbauet worden, und die dahin gesetzten Haupt- und Amtleute sorgten nun für genauere Gerechtigkeitspflege und Sicherheit. Viele der Schlösser dienten, nachdem die dazu gehörigen Güter und sie selbst den Landesregenten heimgefallen, oder von ihnen erkauft worden waren, noch einige Zeit zu Wohnungen der Beamten, bis man auch sie in Ebenen bequemer wohnen ließ, da meistens glücklichere Sicherheit keine so festen Wohnungen mehr nötig machte. Die Burgen verfielen daher. *)
Eine der gefährlichsten Epochen für die Existenz der bis dahin noch erhaltenen Burgen war der dreißigjährige Krieg. Er stürzte viele Burgen um, und verwischte einige gänzlich aus der Reihe der Dinge. Nach ihm hörte man auf, im Kriege solche kleine Festungen der Aufmerksamkeit zu würdigen, und ließ sie gewöhnlich als unbedeutende Punkte unbeachtet und unbelagert liegen. Auch in dem letzten Jahrzehend des siebzehnten Jahrhunderts, wo der Vandalismus der damaligen Franzosen alle Städte und Dörfer am Rhein, im Wirtembergischen, Mainzischen, Badenschen, und in der Pfalz zerstörte, wurde dies Schicksal vielen Burgen zu Teil.
Im siebenjährigen Kriege kommen einige Beispiele vor, wo man verschiedene alte Burgen nicht ganz außer Acht ließ. Reinstein, Stolpen, Scharzfeld und andere wurden belagert, erobert und zerstört, mehr aber wohl nebenbei, denn von ihrem Besitze hing weder großer Vorteil noch Nachteil ab.
Der französische Krieg hat, soviel mir bekannt ist, nur zwei Bergschlösser, die zu wirklichen Festungen geworden waren, zerstört, nämlich Ehrenbreitstein und Rheinfels, beide am Rhein.
Gegenwärtig kann man annehmen, dass zwei Dritteile der Burgen, die Deutschland nach und nach auf seinen Hügeln und Bergen emporsteigen sah, in Ruinen liegen. Von vielen ist jede Spur gänzlich verwischt, und der Ort, der sie trug, ist nicht einmal mit Gewissheit anzugeben. Von vielen sieht man nur noch Erhöhungen und Vertiefungen, von Bäumen und Gesträuch bedeckt, mit einer dichten Erdenlage und Rasen überzogen. Am häufigsten trifft man noch Fragmente von Türmen an, welche bei der größern Steinmasse und Dauerhaftigkeit ihrer Konstruktion dem Verwittern auch am längsten widerstehen konnten. Wo daher alle Gebäude zerfallen sind, da kann man gewöhnlich noch das Fundament der Türme erkennen. Von einer großen Zahl Schlösser sieht man noch viele Bruchstücke stehen: Türme, Tore. Wände, Treppen u. s. f.
Wir würden von weit mehrern noch dergleichen sehen, wenn sie nicht in neuern Zeiten so oft auf die unverzeihlichste Art gewaltsam zerstört worden wären. Das, was die Naturschönheiten eines jeden Orts erhöht, sollte billig immer unter dem Schutze der Obrigkeit stehen. Ist diese außer Stande, neue anzulegen, oder der Natur nachzuhelfen, so wäre es desto mehr Pflicht für sie, für die Erhaltung der vorhandenen Sorge zu tragen, und daran verübte Frevel auf das strengste zu ahnden. Leider aber geht sie nur zu oft mit dem schlechtesten Beispiele voran. Hierunter rechne ich besonders das Niederreißen solcher Schlösser, solcher alter Urkunden der Vorzeit. Die merkwürdige Wittekindsburg in der sonstigen Graftschaft Ravensburg wurde zur Erhaltung der Chaussee abgebrochen und zerklopft. Die Ruinen des Klosters Walkenried zerstörte der Ersparungsgeist, um Häuser und Kirchen daraus zu erbauen. Und wer hat es endlich nicht mit innigem Bedauern gelesen, welches Schicksal den zahlreichen, mitunter äußerst romantischen und prächtigen Burgruinen am linken Ufer des Rheins bevorsteht! –
Man kann es der deutschen Wissbegirde mit ziemlichem Rechte zum Vorwurf machen, dass sie mehr nach dem Äußeren strebt, als nach dem, was ihr im Innern zunächst liegt, und dass sie oft das Einheimisch-Denkwürdige sorglos übersieht, um jenseits der Grenze Alles anzustaunen. Dies ist leider ein alter Fehler, dessen uns das gänzliche Verschwinden so vieler kostbarer Denkmäler der deutschen Vorzeit laut genug anklagt. Wir schleppen Steinblöcke, verwitterte, verstümmelte Figuren, welchen Spekulanten den Namen Antiken geben, aus Italien, Ägypten, Syrien, und der Himmel mag wissen woher sonst noch, herbei, wägen sie mit Golde auf, stellen sie sorgfältig hin, gaffen sie voll stummen Staunens an, schreiben Bücher darüber, worin Zoll für Zoll die Raritäten darin entwickelt werden, und – unsere einheimischen Seltenheiten, Denkwürdigkeiten, Monumente des Altertums und verstrichener Jahrhunderte kennen wir nicht, achten wir nicht, und reißen sie sogar nieder, um bei Erbauung eines Brauhauses, eines Schafstalles auf dem nahegelegenen Pachthofe eine kleine Ersparnis zu machen. Wir graben versunkenen Mauern auf, nenen es Reste römischer Baukunst, sparen kein Geld dabei, stechen unsere Vermutungen in Kupfer, wie das Gebäude geformt gewesen sein könnte, geben uns die miserabelste Mühe, an der Hand der Alten zu beweisen, dass die hervorgewühlten Steine die Grundmauern eines römischen Baues waren: und unsere Denkmäler aus einer Zeit, in welcher die Deutschen den Namen einer Nation noch verdienten und behaupten konnten, untergraben, zerstören wir. Als ob es eine so große Ehre wäre, sagen zu können: hier hat ein von Römern erbautes Haus gestanden! – als ob es keine sei, sagen zu können: diese Burg war einst der Wohnsitz deutscher Kaiser, hier lebte Heinrich IV,. Friedrich II., dort ward Wittekind getauft. Diese Mauern umgaben die Tapferen, welche zur Gründung der sonstigen Freiheit Deutschlands kühne Pläne entwarfen; in jenen entsprang das mächtige Geschlecht, aus welchem sieben Kaiser die Krone Trugen, die jetzt freilich zu den Füßen ihrer Nachfolger zertrümmert liegt. –
Bei allen dieser Lauheit gegen solche einheimische Wahrzeichen aus der Vorwelt, welche sie niederreißen oder doch verfallen lässt, treiben wir dennoch eine kleinliche Spielerei mit Nachbildung derselben. Seit dem letzten viertel des vorigen Jahrhunderts fing das Ritterwesen an, zum neuesten Geschmack zu gehören. Ritterromane wurden von allen Lesebibliotheken verlangt; Ritterfehden tobten auf unseren Theatern; Kinder liefen mit Helm und Schild auf den Straßen; die Überbleibsel der alten Burgen wurden mit heiligem Schauer besucht, und wo keine Ruinen vorhanden waren, bauete man sich welche; alle nach einem großen Plane angelegte Gärten wurden mit solchen neuen Ruinen geziert. Größtenteils war diese Liebhaberei nur ein kleinliches Spiel. Ein gotischer Turm, ein halbverfallener Bogen, ein Paar Gewölbe, welche unter der antiken verfallenen Außenseite einige moderne und luxuriös möblierte Zimmer verbargen, machten das Ganze aus. Am ernstaftesten wurde noch auf dem Weißenstein bei Kassel die Sache genommen und behandelt. Man bauete ein völliges Ritterschloss, geräumig genug, von einer großen Familie und Dienerschaft bewohnt zu werden. *)
*) Zeitung für die elegante Welt, 1809.
Doch der Eifer für die gute Sache entführt mich meinem Zwecke. Ich kehre nach dieser Episode zur Hauptsache zurück.
Von einer großen Anzahl Burgen sieht man also noch jetzt sehr bedeutende Bruchstücke. Eben so gilbt es viele, denen bloß die Bedachung fehlt, wie Hardenberg bei Göttingen, wo man sich noch die deutlichste Vorstellung von der ehemaligen Einrichtung machen kann. Auch noch ganz vollständig erhaltene sind da, als Hohenzollern, Falkenstein am Harz, Rabeneck im Bambergischen, Hohenstein in Franken. Meistens dienen diese zu Wohnungen für Invaliden, für Forstbediente, zu Getreidemagazinen, oder Staatsgefängnissen; selten sind sie noch die Wohnung der Familie, die daraus entsprosste. Die am sorgfältigsten erhaltene Burg, welche uns ganz in das Mittelalter zurückzaubert, indem sie bis auf die geringste Kleinigkeit das lebendigste Bild einer Ritterburg darstellt, ist, meines Wissens, Hohlenfels im Herzogtum Nassau.
Man würde sich übrigens sehr irren, wenn man glauben wollte, dass alle Burgen und Rittersitze jener Zeit Raubschlösser gewesen waren. Vielen dürfen wir zurufen: Friede sei mit der Asche eurer Bewohner! — Es gab Burgherren, die edel im eigentlichen Sinne des Worts waren, und sich nicht zu den Gräueltaten ihres Zeitalters herabwürdigten. Da aber ein Jeder den Befehdungen unruhiger Nachbarn ausgesetzt war, so musste auch der Ruhigste seinen Wohnsitz so fest als möglich machen, um sich gegen Überfälle zu sichern. Viele waren die Wiege erlauchter noch blühender Fürstenhäuser oder adeliger Familien, die noch ihre Namen führen; der größte Teil verdiente freilich den Namen der Räuberhöhlen ungeschlachter Menschen, für deren Handwerk jetzt der Galgen, oder eine tiefe, allgemeine Verachtung der Lohn sein würde.
Ich breche hier meine Mitteilungen über das Aufkommen und Verlöschen der Burgen ab. Für den Liebhaber möchte ich sonst zu weitläufig werden, und für den eigentlichen Historiker doch nicht Alles erschöpfen. Was noch hierher gehört hätte, wird sich in der Folge gelegentlich anbringen lassen. Jetzt nur noch Einiges über die Lage, Bauart und gwöhnliche innere Einrichtung der meisten Burgen.
Die Lage der alten Burgen ist sehr verschieden. Viele liegen auf sehr hohen Bergen und Felsen, von andern Bergen umgeben, als das Bolzenschloss auf dem Riesengebirge, Questenberg am Harz, Rudolphstein auf dem Fichtelgebirge; viele auf minder hohen, in großen Ebenen allein stehenden Bergen oder Hügeln, als die Gleichen, Taucha, Landsberg in Sachsen; oder auf der Ecke einer hohen, oben ebenen Talwand, wo eine, auch mehrere Seiten, steil abhangen, wie Lohmen in Sachsen; oder auf dem hervorspringenden Rücken einer Bergwand, wie Hohnstein bei Dresden, Plesse bei Göttingen, Schönbrunn auf dem Fichtelgebirge. Andere liegen am Abhange und tiefer als der Gipfel eines Berges oder einer Bergwand, da, wo die Natur einen kegelförmigen Vorsprung bildete, wie Rotenburg in der goldenen Aue, Scharzfeld, Harzburg am Harz, Wehlen an der Elbe; oder auf einem niedrigen Berge am Fuße einer Bergwand, wie Schönburg; oder auf einem Hügel in der Mitte eines Tales, wie die Gersdorfsburg bei Quedlinburg; oder ganz auf der Ebene, aber am Fuße eines Gebirges, wie die Bremserburg am Rhein. Auf den höchsten Bergen lagen aber nie welche. Hier war doch den alten Herren das Klima zu rauh, ungeachtet sie noch nicht so verweichlicht waren, wie ihre Enkel es sind.
Die meisten Burgen verraten in ihrer Anlage die Absicht, über eine gewisse Gegend zu dominieren und sie beobachten zu können, oder, ganz im Verborgenen zu liegen. Im ersten Falle ist der Grund wohl nicht in einer Neigung für den Genuss, den der Überblick einer schönen Landschaft gewährt, zu suchen, was höchstens untergeordneter Zweck gewesen wäre, sondern darin, dass der Adler gern in der Höhe schwebt, wenn er auf Beute Jagd macht. Auf ihren Felsen konnten sie tief ins Land schauen, die Straßen beobachten, sich bereit halten, wenn der Feind anrückte und ausfallen, wenn ein Reisender gezogen kam. Im letzteren Falle ahmte man der Spinne nach: diese lagert sich verborgen in den Hintergrund, um von da aus unbemerkt und plötzlich auf ihren Raub hervorschießen zu können. So die Ritter solcher Burgen. In Gebirgsgegenden trifft man häufig dergleichen versteckte Burgen an. Tief zwischen Bergen, ganz ohne Aussicht in die Ferne, liegen sie; aber eine Heerstraße oder ein Fluss gingen gewiss dicht, oder doch in einer solchen Entfernung dabei weg, dass sie von der Burg aus genau beobachtet werden konnten.
Aber auch Ritter, welche diesem Bilde nicht gleichen, Gefühl für Recht und Unrecht hatten, waren doch zu ihrer eigenen Sicherheit genötigt, eine ähnliche Lage zu ihren Wohnungen zu wählen.
Um ihre Beobachtungssphäre so weit als möglich ausdehnen zu können, legten sie in naher und weiter Entfernung von der Burg Warttürme, Warten auf Hügeln und Anhöhen an, von welchen man viele Straßen übersehen konnte. Diese wurden mit Mannschaft besetzt, um zu beobachten, und von da aus Signale zur Versammlung und zum Angriffe geben zu können, oder um den Bewohnern einer Gegend zu melden, wenn es Zeit sei, zur Verteidigung oder zur Flucht sich anzuschicken. Sie waren die Telegraphen damaliger Zeit, indem sie mit einander korrespondierten. In vielen Gegenden Deutschlands findet man dergleichen alte Warten noch in großer Menge, und zum Teil noch sehr gut unterhalten. Sie waren rund, viereckig, achteckig, auch wohl halb rund und halb eckig und sehr hoch, standen entweder ganz frei, oder waren von einem Wall und einer Mauer umgeben. Der Eingang war nicht unten, sondern immer dreißig bis vierzig Fuß hoch angebracht. Zu diesem gelangten die ausgestellten Vorposten auf Leitern, welche sie hinter sich hinaufzogen, und dadurch jedem den Zugang versperrten. Inwendig waren sie oben gewölbt. Durch diese Decke führte eine Öffnung auf die Plattform des Turms, wo man hinter einer ringsherum laufenden Brustwehr umherlugen konnte.
Alle auf jene Art erbaueten Schlösser hießen Bergvesten, Bergschlösser. Es gab aber auch Wasservesten, Wasserburgen. Diese lagen in Ebenen, und waren, außer den Türmen, Basteien und Brustwehren, zur Beschützung mit Wassergraben und Morästen umgeben, über welche eine Zugbrücke ging. Von dieser, Gattung sind die meisten bis jetzt noch erhalten, da sie der flachen Lage wegen mit Vorteil länger bewohnt, wurden und noch bewohnt werden könnten. Man findet sie sehr oft in Städten und Dörfern, z. B. in Leipzig die Pleißenburg, in Furra bei Nordhausen das von Wurmbsche Schloss. Oft waren sie Veranlassung zur Erbauung des Orts, der sie jetzt umgibt, indem sich da leichter Menschen ansiedelten, wo sie geschützt zu sein glaubten, oder es waren Untertanen, Leibeigene, die ihr Herr um sich her versammelte.
In den frühesten Zeiten und bis zum Anfange des elften Jahrhunderts bauete man von Holz und Erde. Die Schlösser waren daher aufänglich nichts anders als Schanzen oder Blockhäuser, die vielleicht ein Damm oder Wall, mit Weiden oder andern Bäumen durchflochten, umgab. Mit den Fortschritten in der Kunst zu bauen, gewannen auch die Burgen eine bessere Gestalt und festere Einrichtung, und seit man anfing, von Kalk und Steinen zu bauen, wurden diese auch bei der Errichtung der Burgen angewendet.
Einige lassen es noch in ihren Ruinen verraten, dass sie lange vor den Kreuzzügen entstanden sein müssen. Um jene Zeit erhielt zuerst die Bauart der Deutschen, besonders in den nördlichen Ländern, eine bessere Form. Die Deutschen lernten in Italien, Griechenland und Asien die bessere Baukunst kennen. Sie ahmten aber freilich nicht sowohl die geschmackvolle antike, als die schnörkelhafte gotische nach. Doch erhielten die Gebäude mehr Schönheit und Symmetrie als ehedem, und wurden in der Folge immer zweckmäßiger eingerichtet. Je älter aber eine Burg ist, desto weniger zeigt sich Ebenmaß, desto weniger hatte sie Fenster, desto dickere Mauern, desto weniger äußere Zugänge. Vielleicht hätte man manche Burg wohl eher für ein Spiel der grotesken Natur in Anhäufung der Steine halten können, als einige Neuere die Pyramiden in Ägupten dafür annehmen. *)
Betrachtet man die alten Bergschlösser in der Nähe, so leitet das Sonderbare ihrer Form, die Regellosigkeit ihrer Figur unser Auge bald auf den Boden, der sie trägt, und man findet bei einiger Aufmerksamkeit, dass die Erbauer den zu einer Burg ausersehenen Platz nicht etwa zuvor ebneten, ihn zur Ausführung ihres Plans einrichteten, sondern dass sie ihm gar nichts von seiner natürlichen Gestalt nahmen, sich mit Erbauung ihrer Gebäude nach seiner ursprünglichen Form richteten, und diese, so gut es gehen wollte, benutzten. Darum konnte ihnen auch nicht jeder Platz gleich lieb sein, und sie suchten immer nur solche auf, wo ihnen die Natur die wenigsten Hindernisse in den Weg gelegt, ihnen vielleicht schon vorgearbeitet hatte. Dieser Umstand veranlasste Ludwig den Springer und noch Andere, — wie wir in der Folge sehen werden — sogar auf fremdem Boden Burgen zu erbauen, bloß weil sie da Plätze gefunden zu haben glaubten, die ihnen dazu tauglich schienen. *)
*) Verzeichnis der Berg - u. Raubschlösser des Mittelalter. S 106.
Von diesem Einrichten des Gebäudes nach der Form des Bodens war eine natürliche Folge die Unregelmäßigkeit, wozu indessen auch der Umstand beigetragen haben mag, dass viele Burgen nur nach und nach entstanden.
Die mehresten Reste, und noch mehr, bis jetzt erhaltene Burgen, gehen uns einen lebhaften Begriff von dem Geiste und den Bedürfnissen der Zeit ihrer Entstehung, und des damals in stetem Kriege mit sich selbst verwickelten Volks. Nirgends eine Spur von Symmetrie und Wohlgefallen an schönen Verhältnissen; nirgends regelmäßige Formen, noch Feinheit des Geschmacks in der Baukunst. Dagegen eine hohe, erstaunenswürdige, kühne Lage auf steilen, überhängenden Felsen; eine alle Begriffe übersteigende Festigkeit; eine ängstliche Sorgfalt, jeden Zugang möglichst zu erschweren; ein geringer Umfang; ungeheuer dicke, feste Mauern; enge, oft in Felsen gehauene, gewölbte Gemächer; wenige und von außen sehr kleine, schmale, enge Öffnungen und Fenster, die sich nur nach innen zu erweitern, so, dass man darinsitzen, liegen, oft sogar stehen konnte; tiefe Gewölbe, unterirdische Gänge u. s. w.: alles dies waren Produkte der gräuelvollen Zeiten des Mittelalters, Abdrücke des Geschmacks jener Tage, wo an Festigkeit und Sicherheit bei weitem mehr gelegen war, als an Pracht, architektonischer Schönheit und Zierde, hellen Zimmern und häuslicher Bequemlichkeit.
Meistens richtete man sich in der Anlage ganz nach dem Teile des Berges, auf welchem das Schloss stehen sollte, ohne eben ein regelmäßiges Viereck abzustecken. Diesen Platz befestigte man rings umher mit starken Mauern. Auf der Seite, wo sich der Berg noch weiter fortsetzte, legte man mehrere starke Wälle, und zuweilen einen doppelten und dreifachen Graben an. Wenn es der Raum verstattete, so zog man rings um die Burg einen Wall mit Mauern, kleinen Türmen an den Ecken und einem oder mehreren Gräben, welche meistens mit Mauern gefüttert wurden. Wo aber bei steilen Abhängen auf einer- oder mehreren Seiten ein Graben rings herum unmöglich oder unnötig war, da grub man wenigstens, so weit man konnte, den Boden ab, legte bei der Einfahrt eine Zugbrücke über den Graben, und umgab den Schlosshof durch eine dicke Mauer mit Schießscharten, welche oben eine Brustwehr hatte. Vor dem Graben war meistens ein Turm, welcher die Zugbrücke und die Einfahrt deckte. Oft war auch vor dem Haupttore eine Burghut oder feste Wohnung derer, welche das Schloss beschützen sollten.
Der innere Eingang, zu welchem die Zugbrücke führte, bestand entweder aus einem Torhause, auf welchem der Torwärter die Aufsicht hatte, oder aus einer bloßen starken Mauer mit einem Tore, über welchem gewöhnlich das Wappen des Eigentümers in Stein gehauen war. An diesem Portale zog man die Zugbrücke auf. Der Pforte zur Seite finden sich zuweilen hervor, stehende gemauerte Basteien, oder kleine runde Türme mit Schießscharten; zuweilen deckten das Tor bloß die höher liegenden und mit einer Brustwehr versehenen Mauern des Zwingers. Die Mauern des inneren Hofraums richteten sich nach der Figur des Berges oder nach den herum liegenden Felsen, und bildeten gerade Linien; oder krümmten sich zu einem Bogen, wie es der Lage angemessen war. Die Ecken wurden jedes Mal durch hervorstehende Basteien oder Defensionstürmchen gesichert, aus welchen man eine Linie bestreichen konnte. Das Tor am Hofraum findet man nie der Pforte am Hauptgebäude gegenüber. Auch wenn es der Raum gestattet hätte, geschah dies nicht, sondern immer in schiefer oder umgekehrter Richtung. Im inneren Hofraume lagen die Neben- und Wirtschafts-Gebäude, zuweilen auch eine Kapelle. Doch findet man diese bei manchen Schlössern auch außerhalb der Ringmauern in einiger Entfernung vor der Burg, weil man sie durch ihre Heiligkeit hinreichend gedeckt glaubte. Ferner lagen noch im Innern die Wohnungen für den Kapelan, Stallmeister, Haus- oder Burgvogt, die Knappen und andere Diener, unter welchen sich die Ställe für die Pferde befanden.
Auch waren entweder am Torhause oder an andern Orten des Hofraums Gefängnisse angebracht.
Wenige Schlösser waren geräumig. Gewöhnlich leitete ein sehr enger Eingang — durch welchen nicht zwei Menschen neben einander kommen konnten, und der nicht an der Erde, sondern in einiger Höhe angebracht war, zu welcher eine herabgelassene Treppe führte — dem traurigen Dunkel zu, das in den meisten Schlössern herrschte. Denn oft umzog sie, wenigstens von der Seite, welcher die Natur die wenigste Festigkeit gegeben hatte, noch eine innere Mauer, die zuweilen mit dem Hauptgebäude einerlei Höhe hatte.
Die ältesten Burgen hatten sehr wenige und enge Fenster, wenig weiter als Schießscharten. Erst an denen aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert erblickt man einige Regelmäßigkeit. Unten hatten die Gebäude sechs bis acht Fuß dicke Mauern, welche sich nach oben zu etwas abschrägten und von innen erweiterten. Bei einigen waren mehrere Etagen, bei andern nur, das Erdgeschoss gewölbt. Dieses war nie zu Wohnungen, sondern zu Kellern, Vorratskammern, auch zu Kasematten eingerichtet. In den obern Etagen waren erst die Wohnzimmer, die Säle u. s. f. Einen Balkon hatte fast jedes Schloss, um sich von ihm herab zu zeigen, oder Befehle zu erteilen, oder durch den Herold etwas bekannt machen zu lassen. Am Torhause war meistens über dem Tore eine große Öffnung, von welcher herab man fragte, welcher Ritter, Herold oder Knappe eingelassen zu werden verlange. Dann waren hin und wieder Schlupfwinkel und verborgene Gänge angelegt, durch die man unbemerkt aus dem Schlosse kommen konnte. Sie führten oft halbe Stunden weit unter der Erde fort entweder in ein anderes Schloss oder in einen Wald oder sonst an einen verborgenen Ort. Häufig waren sie sogar unter Flüssen weggeführt. Die vielen Burgen an beiden Ufern des Neckars standen meistens durch solche Gänge, welche unter dem Neckar hin liefen, in Verbindung. So auch die Schlösser Eisenberg und Stein im Schönburg’schen, deren geheimer Gang unter der Mulde weg lief.
Einige Schlösser lagen innerhalb sehr hoher Felsen, welche zum Einschluss des Schlossraumes mit benutzt wurden. Die Zwischenräume, wo die Felsen nicht ganz zusammen schlossen, füllte man alsdann mit Mauer oder kleinen Türmen aus, wie z.B. beim Schlosse Rudolphstein auf dem Fichtelgebirge.
Über alle Gebäude und kleine Türme, wodurch die Linien der Außenwerke gedeckt waren, ragte ein hoher Turm hervor, von dessen Spitze man über die umliegende Gegend eine freie Aussicht hatte, und Signale geben konnte. Gewöhnlich war seine Form rund; man findet aber auch viereckige, halb runde und halb eckige, wie bei Falkenstein am Harz, sechseckige, wie bei Liebenstein im Meining’schen, oder achteckige, wie bei Gersdorfsburg. Dieser Turm hatte unten keinen Eingang, sondern erst in einer Höhe von 30 bis 40 Fuß nach innen zu. Vom Hauptgebäude ließ man eine Fallbrücke hinüber an den Turm fallen, wenn man ihn besteigen wollte. Gewöhnlich hatte er Gewölbe auf Gewölben, ohne Treppen in die Tiefe. Jedes Gewölbe hatte in der Mitte ein viereckiges Loch, durch welches man sich hinabließ oder hinaufzog. Der unterste Raum des Turms war das grauenvolle Burgverlies, worin unglückliche Gefangene, der gemeinsten Wohltaten der Natur beraubt, in der unreinsten Luft, oft unter modernden Gebeinen und Ungeziefer lebendig begraben, mit Sehnsucht nach Freiheit, oder nach dem letzten Ende ihrer Qualen schmachteten. Dies schreckliche Behältnis ging meistens weit in die Erde hinab. *) Die Türme waren übrigens immer massiv bis unter das Dach. Bei runden findet man hin und wieder, dass selbst das Dach von Steinen spitzig oder rund gemauert und gewölbt war.
Im Innern des Hofraums fehlte es endlich nie an einem Brunnen, der mit unglaublicher Mühe und Geduld in Felsen hinabgegraben wurde, oft bis zur Sohle des Berges auf dem das Schloss stand.
Die Mauern der mehresten Schlösser sind aus Steinen von unbedeutender Größe errichtet, deren Zwischenräume mit Kalt und Gips ausgegossen wurden. Hieran ist entweder die Härte der Steine oder der Mangel an mechanischen Hebewerkzeugen Schuld. Der erste Grund kann wenigstens kein allgemeiner sein, da man dieselbe Bemerkung an Schlössern machen kann, welche aus Sandsteinen erbauet sind. Überhaupt aber pflegt dieser kleinliche Stil den uralten Gebäuden, deren Überreste wir noch sehen, eigen zu sein, so wie er auch in anderer Rücksicht ein charakteristisches Merkzeichen von der Kindheit der Kunst in allen Werken ist, die eine große und mannigfaltige Zusammensetzung leiden. Die Kunstprodukte noch unkultivierter Völker sind immer getreue Kopien der Natur ihres Landes und der dadurch modifizierten Denkungsart. In dem wollüstigen Klima Hindostans verriet sich die Kindheit der Kunst durch überladenen Zierraten. In den kalten Nordländern tat sie eben das durch die Menge der gebrauchten Materialien und durch ihre kleinliche Behandlung. Der Inder gab seinen Pagoden die Gestalt von ausgehöhlten Felsen, und bedeckte sie ganz mit geschmacklosen Zierraten; der minder üppige, minder in Bildern denkende und handelnde Deutsche, türmte die harten Massen seines Landes auf einander und baute Burgen, die seinen tausendjährigen Eichstämmen nicht unähnlich waren.
Die ganze Bauart jener erfahrungslosen Epoche ist eine sonderbare Vermischung des Ungeheuern mit dem Kleinlichen. Die erstaunliche Festigkeit alter Gebäude würde daher bei der unverhältnismäßigen Größe, der Steine, aus denen sie mehrenteils errichtet waren, unbegreiflich sein, wenn nicht erfahrene Baumeister längst dargetan hätten, dass sie dieselbe bloß ihrer Solidität und dem ungeheuerem Umfange ihrer, Mauern zu danken hatten. Eine Mauer nach moderner Angabe — sie sei aus den größten und härtesten Quadersteinen errichtet — wird nie die Festigkeit der alt-römischen oder gotischen Gebäude erhalten, die durch ihre eigene Masse unterstützt, und eben dadurch gegen die langsamen aber unwiderstehlichen Verheerungen der Luftsäure und Witterung gesichert waren. Die Natur ist nie untätig; sie wirkt entweder zur Dauer oder zur Zerstörung. Jene Steinmassen, durch ihre eigene Last gedrückt, und gegen das Eindringen scharfer Feuchtigkeit gesichert, erhielten nach und nach die Dichtigkeit und Dauer eines natürlichen Felsens. *) Aber auch ein besseres Bindungsmittel wussten die Alten zu verfertigen, zu dessen Besitz wir, bei allen schon gemachten Versuchen, wohl nicht wieder gelangen werden. Bei mancher Ruine finden wir hiervon auffallende Belege. Der eine der Türme am Heidelberger Schlosse ist halb umgestürzt, aber nicht zerbröckelt, sondern liegt noch jetzt als eine Masse da. Von den Außenwerken des Mansfelder Schlosses sind ganze Wände, und zwar mit Gewalt, gesprengt, ohne zu bersten. Was möchte wohl mehr die Güte des Mörtels anzeigen, als dies. Versuchen wir ein Gleiches mit unsern Mauern, ob sie diese Probe bestehen werden: — schwerlich! Man hat verschiedene Ursachen dieser Festigkeit angegeben, ohne doch vielleicht die wahren zu finden. Einige suchen sie darin, dass der Kalk ehedem besser gebrannt worden sei als jetzt, Andere im langsamen Bauen. Die mehreste Wahrscheinlichkeit hat aber wohl die Meinung, dass man sonst den Kalt viele Jahre lang in tiefen Gruben gähren ließ. Hierdurch erhielt er eine ungemeine Bindungskraft. Dann umgab man die aufzuführenden Mauern mit Brettern, löschte den Kalk auf den Steinen und ließ ihn da kochen, wodurch eine Art Verschmelzung der Steine mit einander vorging.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ritterburgen und Bergschlösser Deutschlands - Band 1