Ritterburgen und Bergschlösser Deutschlands - Band 1

Autor: Gottschalck, Kaspar Friedrich (1772-1854) deutscher Sagensammler, Bibliothekar, Adelsforscher und Herausgeber, Erscheinungsjahr: 1810
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Ritterburgen, Bergschlösser, Rittersagen, Raubritter, Burgruinen, Mittelalter, Baukunst, Hohenzollern,
Vorrede.

In allen, besonders in den Gebirgsgegenden Deutschlands erblickt man Ruinen von den Wohnungen unserer Ahnherren, einer kräftigen Menschenrasse, die rau wie die Luft, die sie umgab, auf ihren Bergen hauste. Hoch und fest bauten diese Adler ihre Nester. Jahrhunderte zogen herauf, sie zerfielen, und wie Bilder aus einer Fabelwelt stehen für uns ihre Ruinen da. Wir blicken sie mit Staunen an, und sie sehen finster herab in die Taler, in welchen wir bei einander sitzen und uns Gespenstergeschichten von ihnen erzählen; denn dem verweichlichten Enkel ist jede große Erscheinung gespenstisch geworden.
Nicht immer wusste man jene Überreste gehörig zu schätzen, und nur selten würdigte man sie derjenigen Aufmerksamkeit, die sie, selbst in historischer Hinsicht, wohl verdienen. Der fleißige, zu seiner Zeit verdienstvolle Johann Gottfried Gregorius lieferte zwar schon im Anfange des vorigen Jahrhunderts, unter dem angenommenen Namen Melißantes, eine „Curiöse Beschreibung Einiger vormals berühmten, teils verwüsteten und zerstörten, teils aber wieder neu aufgebauten Bergschlösser in Teutschland,“ welche sogar 1721 eine zweite Auflage erlebte. Ferner schrieb er den „Nun eröffneten Schauplatz denkwürdiger Geschichte, auf welchem die Erbauung und Verwüstung vieler berühmter Städte, Schlösser u. s. w. präsentiret wird. 2 Teile. 1715.“ Seitdem aber hat die Bearbeitung dieses Gegenstandes fast ganz geruht, bis man vor einigen Dezennien anfing, jenen Vesten den Blick der Untersuchung wieder zu weihen. Es erschienen in Reisebeschreibungen, in Journalen, besonders in Provinzialblättern hier und da Bruchstücke oder auch vollständige Erzählungen von den Schicksalen dieser und jener Burg, so wie auch Sammlungen von Nachrichten von Burgen gewisser Provinzen und Gegenden hervortraten. *) Das Interesse an solchen historischen Darstellungen aus einer Zeit, deren romantischer Charakter uns so unendlich anzieht, hat wohl eher zu- als abgenommen. Irre ich hierin nicht, und besticht mich die lebhafte Vorliebe für mein Pflegekind nicht zu sehr, so glaube ich auch, dass die Erscheinung einer Sammlung von Nachrichten über die Burgen Deutschlands für Manchen willkommen sein werde.

*) Sammlung der Ruinen und Ritterburgen in Franken. Fürth, , Hefte. — Malerische Skizzen, von Deutschland, von Günter und Schlenkert, 2 Hefte.— Historisch-malerische Darstellungen aus Böhmen, von Meißner. (Diese drei Werke sind unvollendet geblieben.) — Müldener, diplomatische Nachrichten von zerstörten Bergschlössern in Thüringen. — Helfrecht, Ruinen, Altertümer und noch stehende Schlösser auf dem Fichtelgebirge. Hof.

Ich sage, eine Sammlung von Nachrichten; denn leider ist man größtenteils nicht im Stande, die Geschichte einer Burg im Zusammenhange und ohne Lücke liefern zu können. Häufig sind die eifrigsten Bemühungen darum ohne Erfolg, und das Forschen nach den nötigen Hilfsmitteln ganz oder doch mehrenteils umsonst. Hieran sind teils die Kriege, die Deutschland so lange verwüsteten, welche den Sturz der meisten Burgen veranlassten, und wobei die Quellen, aus denen ihre Geschichte zu schöpfen wäre, ein Raub der Flammen oder zügelloser roher Menschenhorden wurden, teils die scholastische Gelehrsamkeit, die über ihren Spitzfindigkeiten dergleichen Denkmähler vergaß, und endlich eine gewisse unbegreifliche Gleichgültigkeit unserer Vorfahren Schuld. Wo Man aber auch nicht mit dem Mangel an Datis zu kämpfen hat, da tritt die Trockenheit der Materie in den Weg. Jahrzahlen und Nomenklaturen, etymologische Streitigkeiten und genealogisch-diplomatisch-heraldische Grübeleien, woraus man sonst so gern die Hauptsache machte wie wäre zu erwarten, mit diesen viele Leser zu finden. Höchstens könnte sie dem genießbar sein, der mit ihnen in vaterländischen oder sonstigen Verhältnissen steht, einem Dritten aber nicht. Um nun diese Dürre weniger fühlen zu lassen, und meinen Lesern auf der Reise durch solche Steppen einige Blumen darreichen zu können, habe ich da, wo es möglich war, und wo es, unbeschadet der historischen Wahrheit, geschehen konnte, romantische Begebenheiten und Erzählungen, Mährchen und Volkssagen, die mit der Sache in Verbindung standen, eingemischt. Da ich nicht für den Geschichtsforscher schreibe, mein Buch nur der Unterhaltung für eine zahlreiche Klasse von Lesern gewidmet ist, so wird man wohl diese Art der Behandlung meines Gegenstandes nicht missbilligen.

Von allen Burgen und Bergschlössern in Deutschland Nachrichten zu liefern, liegt im Plane meines Unternehmens. Bei der so außerordentlich großen Anzahl derselben möchte man diesen Plan vielleicht zu ausgedehnt finden, und diesem Werke eine zu bändereiche Größe prophezeihen. Diesen Einwürfen glaube ich aber dadurch zu begegnen, wenn ich bemerke, dass l) von vielen Burgen so wenige Nachrichten aufzufinden sind, dass sie kaum einige Oktavseiten füllen werden, und 2) Schlösser, deren Entstehungsjahr in die zuletzt verwichenen zwei Jahrhunderte fällt, von meinem Plane ganz ausgeschlossen sind. Ließe sich die Geschichte jeder Burg ohne Lücke mitteilen, dann möchte es freilich ein Unternehmen heißen, das nicht nur Eines Menschen Kräfte überstiege, sondern auch die Geduld der Käufer und Leser auf das höchste in Anspruch nähme.

Die Ordnung, in welcher ich die Burgen folgen lassen werde, soll weder eine alphabetische, noch eine nach geographischen Einteilungen geregelte sein. Erstere würde viele Schwierigkeiten ohne Nutzen herbeigeführt haben, und mit letzterer würde Vereinzelung des Interesses verknüpft gewesen sein. Wenn ich zum Beispiel im erstem Bande alle Burgen im Württembergischen, im zweiten alle die in Schlesien, im dritten die des Herzogtums Gotha usw. zusammengefasst hätte, so würde der erste Band Württembergern, der zweite Schlesiern, der dritte Gothanern willkommen gewesen sein; aber außerhalb dieser Länder würde man sich wenig oder nicht darum bekümmert, und der Badener würde erst den Band ergriffen haben, der die Burgen seines Landes, so wie der Westphale den, der ihm seine einheimischen Schlösser beschrieb. Diese Einseitigkeit zu vermeiden, und für jeden Band ein größeres Publikum zu gewinnen, habe ich den Weg eingeschlagen, dass ich, nach Maßgabe der mir zu Gebote stehenden Materialien und Hilfsquellen, aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands Schlösser heraushob, und ihre Geschichte in Einen Band vereinigte. So sehr ich nun von den Vorteilen dieser Einrichtung, und besonders davon überzeugt bin, dass auf diese Art jeder Band ein ausgebreitetes Publikum und in vielen Gegenden Deutschlands zugleich Eingang finden werde, so wenig bin ich für die Vorteile blind, welche aus dem auf die geographischen Landerübteilungen Deutschlands gegründeten Systeme in der Bearbeitung hervorgegangen waren. Allein abgerechnet, dass ich mir unglaublichen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt hatte, wenn ich ihm ganz treu bleiben wollte, so sind die Länderabteilungen, nach den in unsern Tagen gemachten Erfahrungen, eine viel zu schwankende Basis und viel zu leicht Veränderungen ausgesetzt, als dass sich darauf ein festes System gründen ließe. Wie leicht könnte nicht mein Plan, mitten in seiner Ausführung, durch eine neue geographische Metamorphose um und um geworfen werden, und ich mich dann ganz in Zweifel gesetzt sehen, welchen Weg ich nun einschlagen sollte! So aber mögen diese Veränderungen sein welche sie wollen: auf meinen Plan haben sie keinen Einfluss. Ein jedem Bande beigefügtes Inhaltsverzeichnis, ein am Schlusse des Werks angehängtes alphabetisches Generalverzeichnis, nebst einer nach den alsdann bestehenden geographischen Einteilungen eingerichteten Übersicht aller Burgen, sollen in keinen Fällen des Nachschlagens unbefriedigt lassen, und das auf der einen Seite ersetzen, was man auf der andern vermissen möchte.

Es war eine Lieblingsidee von mir, diese Galerie deutscher Burgen mit Kupfern verziert, und jede Burg abgebildet beigefügt zu sehen; aber der Ausführung stellen sich nur zu viele Hindernisse in den Weg. Teils würde es mit großen Schwierigkeiten verknüpft gewesen sein, Zeichnungen von allen zu erhalten; teils würde es den Preis des Werks zu sehr erhöht, und die Käufer zurückgeschreckt haben; teils hat mich auch die Erfahrung gelehrt, dass solche kostspielige literarische Unternehmungen selten auf die Dauer unterstützt werden, und gewöhnlich unbeendigt bleiben. Ich bin daher davon abgestanden, habe aber, um denen, welche mit mir solche Ansichten gewünscht hatten, einigermaßen zu genügen, immer anzugeben gesucht ob und wo dergleichen zu finden sind.

Welche Quellen ich benutzte, findet Man am Schlusse jedes Artikels angezeigt. Ich habe absichtlich diese Einrichtung getroffen, um den Text so wenig als möglich durch Zitate zu entstellen.

Beiträge zur Fortsetzung dieser Sammlung würden mir sehr willkommen sein, besonders aus Gegenden, die von meinem Wohnorte weit entfernt sind.

Ballenstädt am 30. November 1809.

Friedrich Gottschalck,
Herzoglicher Anhaltischer Rat.