Der Dom

Schon nach dem Ablauf des ersten Jahrzehnts hatten sich die Macht und das Ansehen des bischöflichen Regiments so gefertigt, dass Albert daran denken konnte, diesen Erfolgen durch den Bau einer prächtigen Kathedrale auch ein äußeres Zeichen zu verleihen. Die innere Stadt war damals schon so eng bebaut, dass ein außerhalb der Ringmauern gelegener Platz für das Unternehmen erkoren werden musste. Das Fehlen irgend welcher Anklänge an die Kirchenbauten Bremens am Rigaer Dom lässt vermuten, dass Albert keinen direkten Einfluss auf die Gestaltung des Kirchenplanes ausgeübt hat, die Planung vielleicht seinem Freunde, dem Bischof Philipp von Ratzeburg, überließ, der mehrfach als Alberts Stellvertreter, während dessen diplomatischen Reisen in Deutschland — er hat deren dreizehn von Livland aus unternommen — tätig war. Der Dom zu Ratzeburg, eine dem sächsisch-romanischen Kirchenbau angehörende Basilika, die ihr Vorbild im Braunschweiger Dom gefunden hatte, scheint wiederum das Vorbild für den Rigaer Dom abgegeben zu haben, und die mancherlei Eigentümlichkeiten in der Bildung des architektonischen Details lassen den Einfluss eines aus der Kirchenbauschule der Zisterzienser hervorgegangenen Baumeisters vermuten. Im Jahre 1205 hatte Bischof Albert Zisterziensermönche ins Land gerufen und ihnen zu Dünamünde, nahe der Mündung der Düna ins Meer, ein Kloster erbaut. Dass von diesen „Pionieren der Wildnis" einer als Baumeister am Dom tätig gewesen sei, ist höchst wahrscheinlich.

                      Abb. 6. Der Dom von Nordost.


Der Dom war als Quaderbau geplant und die kalksteinhaltigen Dünaufer, namentlich in der Gegend von Kokenhufen und Stockmannshof lieferten das Baumaterial. Der Brand vom Jahre 1215 aber, der den alten Dom in Asche legte, mag, um mit dem Dombau schneller fortschreiten zu können, Veranlassung zu einer Änderung der Bauweise gewesen sein, denn nur die untern Partien der Kirche, teils höher, teils niedriger, sind aus Kalkstein aufgeführt und dann in ziemlich rücksichtsloser Weise als Ziegelbau fortgesetzt. So sind beispielsweise die Arkadenpfeiler zum Teil in halber Höhe aus Hausteinen aufgeführt, der obere Teil aber ist aus Ziegeln hergestellt und wieder mit einem Hausteingesims abgeschlossen. Am auffälligsten ist dieser plötzliche Umschwung in einzelnen Räumen des anstoßenden Klosters, wo auf die aus Haustein hergestellten Gewölbekonsolen mit ihren fein profilierten Bogenanfängen aus Ziegeln gemauerte und mit Kalkputz überzogene einfach profilierte Gurt- und Rippenbogen aufsetzen. Die überall erfolgte Verputzung der inneren Wandflächen hat diese Zustände meistens verdeckt. Am Äußeren half man sich durch Verblendung und ließ nur den Sockel in seiner ursprünglichen Ausführung bestehen, auch führte man einzelne Teile, wie Eckeinfassungen, kleine Kapitelle und Konsolen, sowie das prächtige Nordportal noch aus Haustein aus.

              Abb. 7. Der östliche Kreuzgang des Domklosters.

Doch nicht das Baumaterial allein wurde gewechselt, auch der ursprüngliche Bauplan erlitt eine Abänderung und wahrscheinlich infolge eines Wechsels in der Bauleitung. An die Stelle des sächsisch-romanischen Kirchentypus, der im Chor und Querschiff vollständig durchgeführt ist, trat beim Ausbau des Langhauses das System der westfälischen Hallenkirchen mit drei Schiffen von verschiedener Breite.

Ein Blick auf den Grundriss des an den Dom grenzenden Klosters lässt erkennen, dass dessen Ost- und Südflügel, sowie ein Teil vom Westflügel schon im Bau weit vorgeschritten waren, als die Änderung des Langhausplanes unternommen wurde. Der westliche Kreuzgang musste eine Einknickung nach Osten erhalten, um ihn auf das westliche Joch des Langhauses münden zu lassen. Nach dem ersten Projekt, das sich leicht ergänzen lässt, wäre diese Einknickung nicht nötig gewesen.

                  Abb. 8. Von den Arkaden des Kreuzgangs

Dass ein Meister aus einer mitteldeutschen Zisterzienserbauschule anfänglich am Dom tätig war, erkennt man nicht nur an der dekorativen Behandlung der Gewölbekonsolen und an den Kapitelformen — besonders im Kreuzgang des Klosters — sondern auch an den Resten der steinernen Bogen- und Rippenprofilierungen, vor allem aber an der Gestaltung der Arkadenpfeiler des Langhauses. Diese haben einen kreuzförmigen Querschnitt und sind im oberen Drittel der Kreuzesecken mit runden Diensten versehen, die sich auf Konsolen fernen und mit zierlichen Kapitellen abschließen. Auf die Zisterzienserbauweise deuten ferner auch die paarweise angeordneten Fenster, die sich im Querschiff und auf der Nordseite des weltlichen Langhausjochs erhalten haben.

Offenbar aber hat seit der Änderung des Bauplanes ein in der Schule der norddeutschen Ziegelbauweise erzogener Meister den früheren abgelöst, wobei er manches aus dem Bauplan seines Vorgängers wohl oder übel herübergenommen haben wird.

Das Äußere der ältesten Teile zeichnet sich durch eine gute Ausführung, im allgemeinen aber durch Einfachheit der architektonischen Durchbildung aus. Nur an der Chorapsis treten zwischen den Fenstern zierliche Dreiviertelsäulen zur Belebung der Massen vor, die mit gut stilisierten Kapitellen abschließen. An einem dieser Kapitelle hat der Meister Steinmetz das Brustbild eines Liven gemeißelt. Friese von Rundbogen, deren Enden auf kleine Konsolen gestellt sind, oder das ebenso beliebte Motiv der sich überschneidenden Halbkreisbogen mit geputztem Hintergrund ziehen sich unter den Traufgesimsen hin und am Nordgiebel des Querschiffs fällt ein zierliches Stab- und Bogenwerk angenehm auf.

      Abb. 9. Das Tonsorium am Kreuzgong des Domklosters.

Überhaupt ist dem Äußeren trotz aller Einfachheit ein imposantes würdevolles Aussehen eigen.

Besonders reizvoll erscheinen die Kreuzgänge und der erhaltene Kapitelsaal des Klosters. Die Kreuzgänge sind sehr weiträumig und öffnen sich mit durch Säulen in drei Felder geteilten Arkaden zum Klosterhof, der jetzt in einen schmuckvollen Garten umgewandelt ist. Interessant sind die Konsolen, von denen sich die Gurten und Rippen der Kreuzgewölbe erheben, durch die Mannigfaltigkeit und die vorzügliche Ausführung ihrer Ornamentation.

Der zweischiffige Kapitelsaal ist von sechs Kreuzgewölben überspannt, die sich in der Mitte des Gemachs auf zwei Bündelsäulen stützen. Seit dem Übergange der bischöflichen Domkirche in den Besitz der Stadt — durch eine Schenkungsurkunde des Königs Stephan Batory vom Jahre 1582 — war ein Teil der Klosterräumlichkeiten zu profanen Zwecken benutzt, ein anderer Teil im Laufe der Zeit umgebaut worden. Der alte Kapitelsaal diente lange als Weinniederlage und zu seinem Glück, denn so blieb er, geringe Beschädigungen abgerechnet, erhalten und unter der Tünche wurden sogar die ehemaligen mittelalterlichen Bemalungen wiedergefunden, die bei der Restaurierung hergestellt werden konnten. Auch an den Kreuzganggewölben wurde die aus den drei Farben: Weiß, Schwarz und rotem Ocker mannigfach gestimmte mittelalterliche Bemalung wieder aufgefunden und erneuert.

Einen vorläufigen Abschluss fanden die Arbeiten am Dombau mit dem am 17. Januar 1229 erfolgten Tode des Bischofs Albert. Die Westpartie mit den Türmen war unvollendet geblieben. Die um die Nachfolge Alberts entstandenen Streitfragen ließen den Dombau zunächst in den Hintergrund treten. Selbst für die Erhaltung des Vorhandenen geschah wegen Mangels an Mitteln wenig, so dass Alberts Nachfolger, Bischof Nikolaus, sich im Jahre 1251 genötigt sah, beim Papste Innocenz IV. Klage über den baufälligen Zustand seiner Kathedrale zu führen. Eine päpstliche Bulle, die den zum Dombau Steuernden einen vierzigtägigen Ablass verhieß, machte die Baugelder wieder reichlicher fließen und die Aufführung des Westbaues, der eine großartige Halle darstellte, mit einem über dem mittelsten Raum, der dem heil. Georg geweihten Kapelle, sich erhebenden Turm, wurde nun in Angriff genommen.

Die Vollendung hat aber auch Bischof Nikolaus nicht erlebt; er starb zu Anfang des Jahres 1253. Erst unter feinem Nachfolger, der zugleich der erste Erzbischof von Riga war, Albert Suerbeer, wird der Bau vollendet worden sein.

      Abb. 10. Die Bündelsäulen im Kapitelsaal des Domklosters.

                        Abb. 11. Der Dom von Südwest.

Gegen die großartigen gotischen Kirchenbauten, wie sie allmählich, immer mehr in den Hansestädten an der Ostsee entstanden, vor allem gegen die mächtige Marienkirche in Lübeck, musste die Kathedrale des Rigaschen Erzbistums nur als ein bescheidenes Bauwerk erscheinen, und als die Rigasche Bürgerschaft zu Anfang des 15. Jahrhunderts den Neubau ihrer Pfarrkirche nach jenen imposanten Vorbildern unternahm, wird sich auch in den erzbischöflichen Kreisen der Wunsch nach einem entsprechenden Ausbau der Domkirche geregt haben. — Die Zeit lässt sich nicht genau angeben, jedenfalls aber ist in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Höherführung des Mittelschiffs und die dadurch bedingte Höherführung des Turmes um zwei Geschosse unternommen worden. Auch ist sehr wahrscheinlich, dass um diese Zeit die Seitenkapellen am Langschiff entstanden, mit Ausnahme von je einer auf der Süd- und Nordseite, die eine ältere Anlage verraten.

Wenn die Gesamtwirkung des Innern durch die Höherführung des Mittelschiffs auch gewonnen haben mochte, so lässt die künstlerische Ausbildung doch viel zu wünschen übrig. Runde, mit den mächtigen Arkadenpfeilern außerjeder organischen Verbindung stehende Dienste mit nachlässig gebildeten Kapitellen als Gewölbestützen, Radfenster in den Schildbogen der Gewölbe deuten auf den Mangel eines künstlerisch gut geschulten Baumeisters.

Am schwersten litt unter dieser Umgestaltung die großartige Westhalle, deren hohe Bogenöffnungen und Wandnischen mit den schönen Fenstern — nur zwei sind in der ursprünglichen Anlage erhalten — vermauert werden mussten, um genügende Tragfähigkeit für die beiden neuen Turmgeschosse und den hohen Turmhelm zu bieten. Auch die Wendeltreppen in der Westwand des Turmes und die Verbindungsgänge zwischen ihnen und den Wendeltreppen in den Ecken des Langhauses mussten zum Teil vermauert werden.

Der dem Holzschnitt in Sebastian Münsters Kosmographie nachgebildete Kupferstich (Abb. 2) zeigt den schlanken achteckigen Turmhelm über vier Giebeln aufsteigend. Der Ausbau der Kapellen auf den Langhausfeiten, die mit je zwei hohen Spitzbogenfenstern ausgestattet find, verwischte das alte spätromanische Fassadensystem vollständig. Nur der Chor und das Querhaus blieben vom Umbau verschont.

Die ferneren Schicksale der Domkirche mögen hier noch in Kürze erwähnt werden. Im Jahre 1547 — man arbeitete noch an der Eindeckung der Dächer des Schiffs und des Turmes mit Kupfer — legte am Sonntag vor Pfingsten eine Feuersbrunst, die in der Nähe des Ordensschlosses zum Ausbruch kam und durch heftigen Nordwestwind angefacht die Häuser an der Schlossstraße und ihre Umgebung bis an die Düna vernichtete, auch den Dom in Asche. Fast ein halbes Jahrhundert verging, bevor die letzten Spuren des Brandes wieder getilgt waren. Am 16. Oktober 1595 wurden mit der Auflegung des Turmknopfes und des kupfernen Hahnes die Arbeiten abgeschlossen. An die Stelle der ehemaligen hohen Pyramide war dem geänderten Kunstgeschmack der Zeit entsprechend eine bauchige Kuppel getreten, aus der sich über einer luftigen Rotunde eine schlanke Spitze herausschob. Eintretende Baufälligkeit veranlasste im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts den Rat die Spitze abtragen und durch die jetzige Haube ersetzen zu lassen.

Und auf welche politischen Wechsel hatte inzwischen die alte Turmruine herabsehen müssen! — Der kraftvollen Regierung Wolters von Plettenberg, des bedeutendsten Ordensmeisters, den Livland gehabt hat, war es immer wieder gelungen, den örtlichen Nachbar, dessen Sinnen und Trachten auf den Besitz der Ordenslande ging, in Schach zu halten und dem Lande durch kürzer oder länger terminierte Waffenstillstände den Frieden zu erhalten. Seine Nachfolger wurden zu immer größeren Zugeständnissen gezwungen. Der Handel Rigas litt und die Bedeutung der Hanse sank, weil durch die Entdeckung neuer Weltteile andere Länder sich des Weltverkehrs bemächtigten. In blutigen Kämpfen rangen Russland, Polen und Schweden um den Besitz des reichen Ordenslandes, bis im Jahre 1561 dessen Widerstandskraft gebrochen war. Am 5. März 1562 entsagte im Ordensschloss zu Riga der letzte Ordensmeister Gotthard Kettler seiner Würde, um dafür aus der Hand Polens die Herzogskrone von Kurland als Lehn zu empfangen. Livland fiel an Polen, Estland an Schweden, das Stift Dorpat, Narva und ein Teil von Wierland gerieten unter ruffische Botmäßigkeit und die Insel Ösel wurde von Dänemark besetzt. Riga allein blieb deutsch, deutsche freie Reichsstadt, umwogt von den fortgesetzten Kämpfen zwischen Polen und Russen, die 1582 endlich mit dem Siege Polens endeten. Am 12. März 1582 musste auch Riga dem polnischen Könige seine Tore öffnen.

Und noch ein blutiges Drama sollte sich in dieser Zeit zu den Füßen des alten Turms abspielen: der sogenannte Kalenderstreit. Auf Befehl des Königs sollte an Stelle des bisher gebräuchlichen Julianischen der Gregorianische Kalender eingeführt werden. Der Rat erklärte sich zwar bereit dazu, die Stadtgemeinde jedoch sah darin eine weitere Vergewaltigung ihres evangelischen Bekenntnisses, nachdem bereits die St. Jakobikirche den Jesuiten hatte eingeräumt werden müssen, und widersetzte sich dem Befehl, aufgestachelt durch einen Notarius Martin Giese, der mit seinem Anhang unter dem Vorwande des Kalenderstreits Änderungen der städtischen Verfassung durchzusetzen beabsichtigte. Er wusste den Hass des Pöbels besonders gegen die Ratsherren Tastius und Welling zu richten, die der Abtretung der St. Jakobikirche an die Jesuiten und nun auch der Einführung des neuen Kalenders beschuldigt wurden. Ein überhastetes Gerichtsverfahren verurteilte die peinlich Befragten zum Tode und ihre Hinrichtung erfolgte am 27. Juni und 1. Juli 1586 auf dem Markte. Doch auch Giese und seinen Genossen Hans zum Brinken ereilte das Schicksal. Als das durch sie aufgereizte Volk sich der Huldigung des Königs Sigismund III. Wasa zu widersetzen suchte, wurden sie schließlich ergriffen und von einer polnischen Kommission zum Tode verurteilt.

Von der mittelalterlichen Ausschmückung des Domes mit Wandmalereien zeugen heute nur noch die bei den jüngsten Restaurierungsarbeiten aufgedeckten Bilder an den drei Schildbögen der Halle vor dem Nordportal. Im mittelsten Bogenfelde eine Krönung Mariä durch Christum; links davon ein Stammbaum Christi, der mit geschickter Ausnutzung des baulichen Zustandes auf die Lisene der Außenmauer der Kirche gemalt ist; daneben die Figuren der Propheten Daniel und Jesaias, als alttestamentliche Vorverkündig er des Messias (Abb. 12 u. 13). Auf dem Bogenfelde rechts vom Mittelbilde zeigten sich die Spuren einer Verkündigung Mariä und ein Wappen, wahrscheinlich das des Stifters der Gemälde.

Die Bilderstürmer der Reformationszeit hatten mit der damaligen reichen Ausstattung des Domes an Altären, Heiligenschreinen, Bildern und anderen Kunstwerken gründlich aufgeräumt; den Rest fraß der verheerende Brand. Was der Dom an Kunstschäden noch aufzuweisen hat, gehört, einige Grabsteine abgerechnet, dem 17. und 18. Jahrhundert an. Unter den Grabsteinen sind bemerkenswert der des ersten Bischofs von Livland Meinhard, dessen Gebeine vermutlich im 15. Jahrhundert aus Üxküll in den Dom übergeführt und im Chor in einem Wandgrabe beigelegt wurden, und der des letzten Erzbischofs von Riga, des Markgrafen Wilhelm von Brandenburg, der am 4. Februar 1563 starb. Der Grabstein des Hohenzollern ist leider aus sehr porösem Kalkstein hergestellt worden und durch die allmählich eingetretene Verwitterung die Figur des Kirchenfürsten nur noch in den Umrissen zu erkennen. Das Wandgrab Meinhards umgab eine in Stein gehauene Umrahmung in den Formen der Spätgotik, die während einer „Säuberung" der Kirche zu Ende des 18. Jahrhunderts als „störend" weggehauen wurde und nur in der Zeichnung eines für die alte Kunst in Riga begeisterten Mannes, des Gymnasiallehrers Joh. Chr. Brotze, der Nachwelt überliefert ist. Nach dieser Zeichnung ist sie 1898 wiederhergestellt worden. Der „Säuberung" fielen auch die Gewölbemalereien zum Opfer, die 1689 von dem Rigaschen Maler Cordt Meyer (gestorben 1702) ausgeführt worden waren, darunter das Jüngste Gericht an den Gewölben des Chors.

                                Abb. 14. Die Kanzel im Dom.

Während des napoleonischen Feldzuges in Russland hatten der Dom und die St. Johanniskirche als Kornmagazine dienen müssen. Die darauf folgende Reparatur hat dann das Letzte getan, um durch Einbauten von Emporen, Ausweißung und Verbesserungen in moderner Gotik den alten Bischofsdom zu entstellen. Mit geradezu fanatischem Eifer wurde gotisiert, wie beispielsweise an der Kanzel, einem Meisterwerk der Holzschnitzerei, das 1641 von dem Rigaschen Ratsherrn Dr. jur. Ludwig Hintelmann gestiftet wurde, an der die muschelförmig gestalteten Abschlüsse der Nischen am Kanzelrumpfe, in denen die Figuren der Evangelisten und Apostel liehen, mühsam mit gotischen Dreipässen überkleistert sind (Abb. 14).

Von älteren Steinepitaphen haben sich nur das durch seine kunstvolle Ausführung hervortretende des Rittmeisters Caspar v. Tiefenhausen und feiner Gemahlin Maria v. Effern vom Jahre 1611 erhalten und eine Votivtafel in Form eines Epitaphs, die 1604 von der kleinen Gilde (der Handwerkergilde) gestiftet wurde.

                                Abb. 15. Innenansicht des Domes.

Den Einfluss Danziger Kunst verraten die ältesten Teile des schön geschnitzten Orgelprospekts, der im Jahre 1601 von dem Orgelbaumeister Jacob Raab hergestellt wurde. Bei einem Umbau der Orgel im 18. Jahrhundert wurden die Seitenteile im Kunstcharakter dieser Zeit ergänzt. Die Domorgel gehört zu den großartigsten Werken dieser Art. Sie ist in den Jahren 1883 und 1884 von der Firma E. F. Walcker & Co. zu Ludwigsburg in Württemberg neu gebaut und besitzt 125 klingende Stimmen.

Bemerkenswert sind ferner die gemalten Fenster des Domes, die seit 1883 in die Kirche gestiftet sind. Auf der Südseite Szenen aus der Passion, ausgeführt nach Entwürfen des Historienmalers Anton Dietrich in der Glasmalereianstalt von B. Urban in Dresden. Das letzte Bild, die Auferstehung Christi, hat die Rigasche Glasmalereianstalt von Ernst Tode geliefert. Die Fenster der Chorapsis entstammen der inzwischen eingegangenen Anstalt von Kahlert & Weber in Riga. Die vier schönen Fenster auf der Nordseite sind Erzeugnisse der Kgl. Hof-Kunstanstalt in München, und die Grisaillen im nördlichen Querschiff sind wieder aus der Anstalt von E. Tode hervorgegangen.

Das über dem Kreuzgang des Klosters gelegene Geschoß diente nach der Säkularisierung des Klosters mancherlei Zwecken. Ein Teil des Ostflügels wurde 1775 durch den Stadtbaumeister Christoph Haberland zur Stadtbibliothek umgebaut, mit einem wirkungsvollen, durch zwei Geschosse reichenden Hauptsaal, den eine auf korinthischen Säulen ruhende Galerie umzieht. An der Decke befindet sich in Stuck ausgeführt das weit über Lebensgröße ausgeführte Brustbild der Kaiserin Katharina II. als Minerva nach einer von dem Medailleur Johann Georg Wächter (geb. 1724 in Heidelberg, gest. 1797 in Petersburg) auf die Krönung der Kaiserin ausgeführten Medaille. Am Südende des Saales in einer nischenartigen Wandvertiefung ist neben einer eingemauerten Bombe ein Porträt des Kaisers Peter I. gemalt, das ihn als Eroberer Rigas und Beschützer von Kunst und Wissenschaft glorifiziert. Den Entwurf zu dem Bilde lieferte Woldemar v. Budberg, ein Schüler Oesers.

Der Süd- und Westflügel, sowie der Rest des Ostflügels wurden 1888 und 1898 zu Museumszwecken ausgebaut und auch die Räume der Stadtbibliothek, die nach Auflösung des Rats in das verwaiste Rathaus übersiedelte, zum Museum eingerichtet. So entstand das „Dommuseum", im engeren Sinne das historische Museum der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands. Außer dem Museum find im ehemaligen Domkloster untergebracht die Bibliothek der vorgenannten Gesellschaft, das naturhistorische Museum, die Bibliothek des ärztlichen Vereins und das Stadtarchiv.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Riga und Reval. Mit 121 Abbildungen
006 Riga, Der Dom von Nordost

006 Riga, Der Dom von Nordost

007 Riga, Der östliche Kreuzgang des Domklosters

007 Riga, Der östliche Kreuzgang des Domklosters

008 Riga, Von den Arkaden des Kreuzgangs

008 Riga, Von den Arkaden des Kreuzgangs

009 Riga, Das Tonsistorium am Kreuzgang des Domklosters

009 Riga, Das Tonsistorium am Kreuzgang des Domklosters

010 Riga, Die Bündelsäulen im Kapitelsaal des Domklosters

010 Riga, Die Bündelsäulen im Kapitelsaal des Domklosters

011 Riga, Der Dom von Südwest

011 Riga, Der Dom von Südwest

012 Riga, Mittelalterliche Wandmalereien in der Nordvorhalle des Doms.

012 Riga, Mittelalterliche Wandmalereien in der Nordvorhalle des Doms.

013 Riga, Mittelalterliche Wandmalereien in der Nordvorhalle des Doms.

013 Riga, Mittelalterliche Wandmalereien in der Nordvorhalle des Doms.

014 Riga, Die Kanzel im Dom

014 Riga, Die Kanzel im Dom

015 Riga, Innenansicht des Domes

015 Riga, Innenansicht des Domes

003 Steinmetzen

003 Steinmetzen

004 Glockengießer

004 Glockengießer

008 Prozession vor dem Dom

008 Prozession vor dem Dom

009 Dom-Inneres

009 Dom-Inneres

036 Kirchgang

036 Kirchgang

alle Kapitel sehen