Die Westminsterabtei.

Die Westminsterabtei.

An einem trüben melancholischen Tage, recht wie es eigentlich sein muß, habe ich die Westminsterabtei besehen.


Ich ging durch eine ziemlich kleine Tür hinein, welche mich sogleich in the Poets Corner (den Poetenwinkel) führte, wo die Denkmäler und Büsten vorzüglicher Dichter, Künstler und Schriftsteller aufgestellt sind.

Nicht weit von der Tür erblickte ich gleich beim Eintritt, Schakespears Statue in Lebensgröße mit einem Kragen um den Hals u. s. w. nach der Gewohnheit seiner Zeit gekleidet, und in der Nähe desselben Garricks Denkmal.

Eine Stelle aus einem Schakespearschen Stück, der Sturm, worin er auf eine feierliche und rührende Art, den Untergang aller Dinge schildert, ist hier sehr zweckmäßig angebracht.

Nicht weit von Schakespear ist auch Rowens Denkmal, das er sich, wie einige Zeilen sagen, in dieser geliebten Nachbarschaft seines Schakespears gewünscht hatte.

In dieser Nachbarschaft sah ich auch des guten Goldsmiths Büste, dem man, so wie Buttlern, dessen Denkmal in einiger Entfernung ist, bei seinem Leben kaum das notdürftige Brot, nach seinem Tode aber einen Stein gewährte.

Ferner sieht man hier fast in einer Reihe die Denkmäler von Milton, Dryden, Gay und Thomson. Sehr rührend ist Gay’s Grabschrift, die er sich selbst verfertigt haben soll,

Life is a Jest and all Things shew it,
I thought so once, but now I know it.

Unser Händel hat auch hier ein Monument; wo er in Lebensgröße vorgestellt ist.

Auch einer Schauspielerin, Miß Pritchard, und einem Schauspieler Booth sind hier sehr ehrenvolle Monumente errichtet.

Newton hat ein sehr prächtiges Denkmal erhalten; es ist oben beim Eingange in das Chor, und diesem gerade gegenüber ganz unten in der Kirche ist wieder ein anderes errichtet, welches auf dieses erste hinweist.

Als ich längst den Seitenwänden der Westminsterkirche hinunter ging, sah ich fast lauter in Marmor gehauene Denkmäler großer Admirale, die aber mit Pracht und Zierraten viel zu sehr überhäuft waren, als daß sie hätten einen zweckmäßigen Eindruck machen sollen.

Am liebsten verfügte ich mich immer wieder in den Poets Corner, wo ich die vortrefflichsten Köpfe aus verschiednen Zeitaltern, in vertraulicher Geselligkeit zusammen erblickte, und vorzüglich die edle und geschmackvolle Simplicität der Denkmäler auf das Gemüt einen erhabnen und rührenden Eindruck machte, indes oft eine lebhafte Erinnerung an irgend eine Lieblingsstelle, aus den Werken eines Schakespear, oder Milton, in der Seele erwachte, welche mir die Geister dieser großen Toten herzuzaubern schien.

Von Addison und Pope habe ich keine Denkmäler hier gefunden. Die Gräber der Könige, und einige andre Merkwürdigkeiten in der Westminsterabtei habe ich noch nicht gesehen. Vielleicht geschiehet dieses, wenn ich von meiner Reise ins Land nach London wieder zurückkehre.

Zu dieser Reise habe ich jetzt schon alle Anstalt gemacht. Eine Specialcharte von England habe ich in der Tasche, nebst einem vortrefflichen Wegweiser, den mir Herr Pointer, der Englische Kaufmann, an den ich empfohlen bin, geliehen hat, unter dem Titel: A new and accurate Description of all the direct and principal Cross roads in Great Britain. Dies Buch, hoffe ich, soll mir bei meinen Wanderungen gute Dienste leisten.

Ich war lange unschlüssig, wo ich meinen Weg hinnehmen sollte, ob nach der Insel Wight, oder dem Hafen Portsmouth, oder nach Darbyshire, welches wegen seiner vielen Naturmerkwürdigkeiten, und wegen seiner romantischen Gegenden berühmt ist: ich zog denn dies letztere vor.

Bei Herrn Pointer lasse ich während meiner Abwesenheit meinen Koffer stehen, um kein Logis bezahlen zu dürfen, ohne darin zu wohnen. Dieser Herr Pointer ist lange in Deutschland gewesen, und spricht sehr gut und gern Deutsch. Er ist ein sehr höflicher und gefälliger Mann, der auch Kenntnisse und Geschmack besitzt. Daher ist mir die Empfehlung an ihn, von den Herren Persent und Dörner in Hamburg, welchen ich von dem Herrn Geheimenrat von Taubenheim in Berlin empfohlen war, sehr zu statten gekommen.

Heute werde ich bis Richmond fahren, wohin die Postkutsche um zwei Uhr nicht weit von Newchurch, am Strande, abgeht. Vier Guineen, etwas Wäsche, mein Englischer Wegweiser, und eine Landcharte und Schreibtafel, nebst Miltons verlornem Paradiese, das ich bei mir gesteckt habe, sind meine ganze Equipage, und ich hoffe sehr leicht damit zu gehen. Doch, es schlägt schon halb zwei, und es ist Zeit, mich bei der Postkutsche einzufinden. Leben Sie wohl! Aus Richmond schreibe ich Ihnen wieder.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reisen eines Deutschen in England im Jahre 1782