Das Theater zu Haymarket.

Vergangene Woche bin ich denn auch zweimal in der Englischen Komödie gewesen. Das erstemal wurde der Nabob aufgeführt, wovon der verstorbene Foot Verfasser ist, und zum Nachspiel wurde ein komisches Singspiel The Agreeable Surprise, die angenehme Überraschung gegeben; das andremal aber der Englische Kaufmann, welches Stück ins Deutsche übersetzt, und unter dem Titel: die Schottländerin oder das Kaffeehaus, bekannt ist.

Das Theater zu Koventgarden und Drurylane habe ich nicht gesehen, weil auf denselben im Sommer nicht gespielt wurde. Auch reisen die besten Schauspieler vom Mai bis zum Oktober aufs Land, und spielen nur im Winter. Die Schauspieler, welche ich gesehen habe, waren, einige wenige ausgenommen, eben nicht sonderlich.


In den Logen bezahlt man fünf, im Parterre drei, in der ersten Galerie zwei, und in der letzten oder Obergalerie einen Schilling. Und gerade diese Obergalerie macht für ihren einen Schilling das meiste Lärm. Ich war im Parterre, welches bis an das Orchester schräg hinuntergeht, und von oben bis unten mit Bänken versehen ist. Und alle Augenblicke kam eine faule Apfelsine bei mir oder meinem Nachbar vorbei, mir auch wohl auf den Hut geflogen, ohne daß ich es wagen durfte, mich umzusehen, wenn mir nicht auch eine ins Gesicht geflogen kommen sollte.

Beiläufig werden diese Äpfelsinen sehr häufig in London gegessen, und man verkauft sie um einen ziemlich wohlfeilen Preis, zuweilen eine oder gar zwei für einen Halfpenny, oder einen Dreier nach unserm Gelde. In der Komödie hingegen foderte man mir für eine einen Sixpence ab.

Außer diesem Werfen von der Galerie hat das Schreien und Stampfen mit den Stöcken kein Ende bis der Vorhang aufgezogen ist. Ich sahe einen großen Müller oder Bäckerjungen mit seinem Stocke über das Geländer reichen, und immer auswendig mit aller Gewalt daran schlagen, so daß ihn jedermann sehen konnte, ohne daß er sich gescheuet oder geschämt hätte. Zuweilen hörte ich auch, daß Leute aus der untern Galerie mit der obern zankten.

Hinter mir im Parterre saß ein junger Geck, der um seine prächtigen Steinschnallen brillieren zu lassen, immer seinen Fuß auf meine Bank, und auch wohl auf meinen Rockschoß setzte, wenn ich seinen Schnallen nicht Platz machte.

In den Logen saßen die Bedienten der Herrschaften, die nicht da waren, ganz in einem Winkel; denn wenn es einer wagt, sich darin blicken zu lassen oder hinaus zu sehen, soll er gleich mit einer ganzen Ladung Apfelsinenschalen von der Galerie begrüßt werden.

In dem Nabob von Foot sind lokal und persönliche Anzüglichkeiten, die für einen Fremden verloren gehen. Der Nabob, welchen ein Mr. Palmer mit alle dem vornehmseinwollenden affektierten Air eines plötzlich zu ungeheuren Reichtümern gelangten Geckes, spielte, wurde von einer Gesellschaft naturforschender Freunde, von Quäkern, und wer weiß von wem sonst, zum Mitgliede gesucht und aufgenommen, und eine höchst einfältige Rede, die er spottweise in dem naturforschenden Klubb hielt, mit Bewunderung angehört. Die beiden Scenen mit den Quäkern, und mit der Gesellschaft Naturforscher, die mit den wichtigsten Mienen, ihren Präses in der Mitten, an einem grünen Tische saßen, indes der Sekretär die lächerlichen Geschenke des Nabobs sehr sorgfältig aufzeichnete, waren höchst komisch. Eine der letzten Scenen nahm sich noch am besten aus, wo des Nabobs alter Freund und Spielkamerad ihn besucht, der ihn ohne Umstände bei seinem Taufnamen anredet, aber auf alle seine Fragen: ob er ihn denn nicht mehr kenne, sich nicht noch jenes Spiels, jener Schlägerei, die sie als Kinder gehabt, u. s. w. zu erinnern wisse, mit einem kalten und spöttischen: no Sir! und vornehmen Achselzucken zurückgewiesen wird, das äußerst karakteristisch war.

Das Nachspiel the agreeable Surprise, war wirklich eine sehr komische Farce. Und auch hier habe ich denn gesehen, daß die Schulmeister, so wie allenthalben, auf dem Theater lächerlich gemacht werden, welches auch sehr natürlich ist, denn die Pedanterie der Schulmeister in England geht so weit, wie irgendwo. Eben der, welcher in dem vorigen Stücke, mit sehr viel Natur und eigentümlicher Laune den ehemaligen Schulkameraden des Nabob spielte, machte hier den Schulmeister. Er heißt Edwin, und ist gewiß einer der besten unter den Schauspielern die ich hier gesehen habe.

Dieser Schulmeister ist denn in ein gewisses Bauermädchen, Namens Cowslip, verliebt, der er auf eine wunderliche mythologischgrammatikalische Art seine Liebeserklärungen tut, und von der er unter andern einmal in voller Begeisterung folgende Arie singt, wobei er fast vor Zärtlichkeit zerschmilzt, indem er von der Konjugation anfängt und mit der Deklination und dem Genere aufhört:
Amo, amas
I love a Lass,
She is so sweet and tender!
It is sweet Cowslips grace
In the nominative Case
And in the foeminine Gender

Das in the nominative Case, und in the foeminine Gender singt er insbesondre mit einer unnachahmlichen Zärtlichkeit. Dabei behält dieser Edwin bei seinen komischen Rollen immer etwas gutmütiges im Gesicht, das ich noch bei keinem komischen Schauspieler so bemerkt habe, und welches macht, daß man ihm ohngeachtet aller seiner Lächerlichkeiten gut bleibt, und sich für den Charakter, den er vorstellt, doppelt interessierst. Nichts gleicht dem Ton und der Miene voll Selbstgefälligkeit, womit er einem, der ihn fragt, ob er ein Scholar, (ein Studierter) wäre, zur Antwort gab: Why, I was a Master of Scholars! Eine Mrs. Webb stellte eine Käsehändlerin vor, und spielte das gemeine Weib so natürlich, wie ich es noch nirgends gesehen habe. Ihr starker Körper und ihr ganzes Äußere schien aber auch dazu gemacht zu sein.

Der arme Edwin mußte als Schulmeister sich fast heiser singen, indem er seine Deklinations- und Konjugations-Arien oft zwei bis dreimal wiederholen mußte, wenn es der Obergalerie beliebte encore! zu rufen, und dann mußte er sich noch dazu mit einem tiefen Reverenz für den hohen Beifall bedanken.

Das stärkste Komische des Stücks liegt übrigens in einer Lüge, die in dem Munde der Wiedererzählenden immer ungeheurer anwächst, so lange das Stück dauert, und die Zuschauer beinahe in einem ununterbrochenen Gelächter erhält. Die Piece ist noch nicht gedruckt, sonst hätte ich Lust, mich an eine Übersetzung oder Nachahmung zu wagen.

Den Englischen Kaufmann, oder die Schottländerin, habe ich bei uns in der Übersetzung weit besser, als hier im Original aufführen sehen. Insbesondre spielte Herr Fleck in Hamburg den Englischen Kaufmann mit weit mehr Interesse, Wahrheit und Biederheit, als hier ein gewisser Aickin, der wenig oder nichts von dem eigentümlichen originellen Wesen des Freeports ausdrückte, sondern ihn beinahe mit seiner abgemeßnen Sprache und Gange in einen galanten Herrn verwandelt hätte.

Der alte treue Bediente, welcher für seinen Herrn das Leben lassen will, hatte einen gravitätischen Gang, wie ein Minister. Den Zeitungsschreiber Spatter machte eben der Herr Palmer, welcher den Nabob gespielt hatte; jedermann sagte aber er mache ihn zu Gentlemanlike, das ist zu sehr mit dem Air und Wesen eines Gentleman oder feinen Mannes: auch war seine Person zu ansehnlich dazu.

Die Amalia wurde von einer Schauspielerin gemacht, die zum erstenmal hier auftrat, und daher aus Furchtsamkeit noch etwas leise sprach, so daß man sie nicht allenthalben hören konnte: speak louder, o speak louder! fing ein Kerl auf der Obergalerie an, und sie bequemte sich den Augenblick lauter zu sprechen.

Neben mir im Parterre, war man oft mit seinem Beifall sehr verschwenderisch, bei der kleinsten oft unbedeutendsten Rede, die mit einigen Affekt gesagt ward, riefen immer einige Stimmen, very well! als wenn sie, wer weiß was für einen Meisterzug der Schauspielkunst bemerkt hätten. Daher ist denn dies very well auch von wenigem Nachdruck.

The agreeable Surprise wurde wiederholt, und ich sahe es zum zweitenmale mit Vergnügen. Es ist auch ein Lieblingsstück geworden, und wird immer mit dem Zusatz: the favourite musical Farce angekündigt. Das Theater schien mir etwas größer wie das Hamburger zu sein, und das Haus war beidemal sehr voll. So viel von der Englischen Komödie!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reisen eines Deutschen in England im Jahre 1782