Am 26. fand in den Vormittagsstunden die diplomatische

Am 26. fand in den Vormittagsstunden die diplomatische Konferenz auf dem Presidio statt. Don Paolo Vicente de Sola, Gouverneur von Neu-Kalifornien, setzte das unbestreitbare Recht Spaniens an dem von der russischen Niederlassung unter Herrn Kuskow eingenommenen Gebiete in volles Licht und foderte Herrn Kuskow auf, das widervölkerrechtlich besetzte Gebiet zu räumen. Herr Kuskow, Agent der Russisch-Amerikanischen Handelskompanie und Vorsteher der Ansiedelung zu Port Bodega, ohne sich auf die Rechtsfrage, die ihn nichts angehe, einzulassen, bezeugte die größte Bereitwilligkeit, vom Port Bodega abzuziehen, sobald er nur dazu von seinem Vorgesetzten, Herrn Baranow, der ihn hieher beordert habe, ermächtigt würde. Darauf foderte der Gouverneur den Herrn von Kotzebue auf, namens des Kaisers einzugreifen und die Räumung von Bodega zu erwirken. Der Leutnant der kaiserlich russischen Marine und Kapitän des »Ruriks«, Otto von Kotzebue, erklärte sich für unbefugt, in einer Sache zu handeln, wo ihm übrigens das Recht so klar schiene, daß es bloß ausgesprochen zu werden brauche, um anerkannt zu werden. – Und so waren wir denn soweit, als wir zuvor gewesen.

Hierauf wurde beliebt, über die heutige Verhandlung und den Stand der Dinge ein Protokoll zu verabfassen und dasselbe in duplo, von allen Teilnehmern an besagter Verhandlung unterschrieben und untersiegelt, den beiden hohen Souveränen, als Seiner Majestät dem Kaiser von Rußland durch den Kapitän des »Ruriks« und Seiner Majestät dem Könige von Spanien durch den Gouverneur von Neu-Kalifornien, zuhanden kommen zu lassen.


Die Redaktion dieses Aktenstückes, welches spanisch verfaßt wurde, hatte ich als Dolmetscher zu beaufsichtigen. Ich verwarf den ersten Entwurf, in welchem ich etwas vermißte; »denn«, sagte ich zu Paolo Vicente, »indem Sie diese Sache vor den Thron der hohen Souveräne bringen und von dem Kaiser von Rußland selber die Abhülfe dieser Unbill und die Bestrafung seiner dafür verantwortlichen Diener erwarten, so begeben Sie sich des Ihnen sonst unbestreitbar zukommenden Rechts der Selbsthülfe gegen den Eindringling und dürfen dann der hohen Entscheidung der Monarchen nicht vorgreifen«.

Dagegen hatte denn Paolo Vicente de Sola nichts einzuwenden; er lobte meine Einsicht, ließ das Protokoll umschreiben und gab, als es am 28. abends auf dem Presidio unterschrieben wurde, sein feierliches Ehrenwort, eigenmächtig nichts Gewaltsames gegen den p.p. Kuskow und die russische Niederlassung am Port Bodega zu unternehmen und die Sachen bis zur Entscheidung der hohen Höfe in statu quo zu belassen. – Ich unterschrieb das Aktenstück en clase de interprete, als Dolmetscher, mit. [Fußnote] Vergleiche über die russische Ansiedelung am Port Bodega: Otto von Kotzebue, »Neue Reise um die Welt in den Jahren 1823-1826«, II, 65–70.

Ich will mit dieser Wendung der Dinge nicht prahlen. Denn hätte auch der wackere Don Paolo Vicente de Sola kein Gelübde abgelegt, so hätte er doch schwerlich die Feindseligkeiten eröffnet und einen Kriegszug gegen das russische Fort am Port Bodega unternommen.

Ich habe gehört, daß besagtes Protokoll in Petersburg seine eigentliche Bestimmung nicht verfehlt hat und, ohne weiter zum Vortrag zu kommen, im betreffenden Ministerio ad acta gelegt worden ist. Aber dem Don Paolo Vicente de Sola, Gobernador de la Nova California, soll ein russischer Orden zugesendet worden sein. Ich erhielt von Herrn Kuskow ein schönes Otterfell als Ehrengeschenk, und solches könnt ihr euch zu Berlin im Zoologischen Museum, dem ich es verehrt habe, zeigen lassen.

Eine unmittelbare Folge der Konferenz vom 26. Oktober war für den »Rurik« eben keine ersprießliche. – Die Verhandlung hatte sich über die Mittagsstunde hinaus verlängert, und ein anderer hatte für den Kapitän die Chronometer aufgezogen. – Er vertraute mir, der große Chronometer habe seither seinen Gang dergestalt verändert, daß er ihn für verdorben halten müsse.

Die Gebietsansprüche Spaniens auf dieser Küste wurden von den Amerikanern und Engländern nicht höher geachtet als von den Russen. Den Ausfluß der Colombia rechnete Spanien auch zu seinem Gebiete. Die Geschichte der dortigen Ansiedelung haben uns die Spanier und Herr Elliot ziemlich gleichlautend erzählt. Die Amerikaner hatten sich aus New York, teils zu Lande und teils zur See, dahin begeben und dort eine Niederlassung begründet. Während des Kriegs zwischen England und Amerika ward die Fregatte »Racoon«, Kapitän Black, ausgesandt, Besitz von diesem Posten zu nehmen. Die englischen Kaufleute aus Kanada begaben sich zu Lande dahin, und wie das Kriegsschiff, das die Kolonie bedrohte, im Angesicht des Hafens war, setzten sie sich um Geldes Preis, um 50 000 Pfund Sterling, in Besitz derselben und zogen die englische Flagge auf. Eine Handelsstraße zu Land soll die Colombia mit Kanada verbinden. Relata refero.

Die Zeit unsers Aufenthalts in Kalifornien war abgelaufen. Am 26. Oktober, einem Sonntage, war nach einem Ritte nach der Mission Fest- und Abschiedsmahl unter unsern Zelten. Die Artillerie des »Ruriks« begleitete den Toast auf den Bund der Monarchen und der Völker und auf die Gesundheit des Gouverneurs. – Ein guter Missionar hatte seinen Mantel zu tief in das Blut der Reben getaucht und schwankte sichtbarlich unter der Last.

Am 28. wurde das Lager abgebrochen und wieder eingeschifft. Indes wir auf dem Presidio das Protokoll besiegelten, hatte Herr Kuskow mit Vorwissen des Herrn von Kotzebue zwei Baidaren auf den Otterfang in den Hintergrund der Bucht ausgeschickt.

Am 29. reisten einerseits Herr Kuskow früh am Morgen mit seiner Baidaren-Flottille nach Bodega und andererseits später am Tage der gute Don Paolo Vicente de Sola nach Monterey. Dieser nahm unsere Briefe zur Beförderung nach Europa mit, die letzten, die unsere Freunde von der Reise aus von uns erhalten. Mit ihnen verschwand unsere Spur. Denn da wir im Spätjahr 1817 nach Kamtschatka nicht zurückgekehrt, hat man uns in Europa verloren geben müssen.

Am 30. ward alles Getier eingeschifft und Vegetabilien in der größten Fülle. Zugleich kamen eine unendliche Menge Fliegen an Bord, welche die Luft verdichteten. Frisches Wasser hatten wir eingenommen, was im hiesigen Hafen, zumal im Sommer, ein schwieriges Geschäft ist; ein Fäßlein Wein aus Monterey verdankten wir dem Gouverneur. Unsere Freunde vom Presidio speisten zu Mittage mit uns auf dem »Rurik«. Wir waren segelfertig.

Am 31. waren zum letzten Abschied unsere Freunde noch bei uns; einige von uns ritten noch nachmittags nach der Mission. Spät am Abend langte Herr John Elliot de Castro an, noch unschlüssig, ob er von dem Anerbieten des Kapitäns Gebrauch machen werde oder nicht. Er entschied sich jedoch für das erstere.

Am 1. November 1816, am Allerheiligenfeste, morgens um neun Uhr, lichteten wir die Anker, während unsere Freunde in der Kirche waren. Wir sahen sie auf dem Fort ankommen, als wir eben vorbeisegelten. Sie zogen mit einem Kanonenschuß die spanische Flagge auf, wir gleichfalls die unsere. Sie salutierten uns zuerst mit sieben Kanonenschüssen, die wir Schuß für Schuß erwiderten.

Das Wasser des Hafens von San Francisco war in hohem Maß von sehr feinen Lichtpunkten phosphoreszierend, und merklich schimmernd entrollte sich auch die brandende Welle auf dem Strande der Küste außerhalb der Bucht. Ich habe das Wasser des Hafens mit dem Mikroskop untersucht und darin nicht häufige, ausnehmend kleine Infusorien beobachtet, denen ich dennoch bei dem Leuchten keine Rolle zuschreiben mag.

Wir schauten hier täglich dem Spiele der Nebel zu, die, vom waltenden Seewind ostwärts über das sonnenerhellte Land gewehet, zerflossen und sich auflösten. Besonders schön war das Schauspiel, welches sie uns bei der Abfahrt bereiteten, indem sie verschiedene Gipfel und Gegenden der Küste bald verhüllten und bald entschleierten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise um die Welt