9. März 1816 - Hier beginnt die Entdeckungsreise.

Hier beginnt die Entdeckungsreise des »Ruriks«. – Wir fuhren am 8. März 1816 aus der Bucht von Concepción aus, am 19. Juni in die Bucht von Awatscha ein und hatten während drei Monaten und elf Tagen nur einmal die Anker auf kurze Momente vor der Oster-Insel fallen lassen, nur zweimal, auf dieser und auf der Romanzows-Insel, den Fuß flüchtig auf die Erde gesetzt, nur mit den Bewohnern der Oster-Insel, der Penrhyn-Inseln und den Radackern (Heute: Ratack (Marshall-Inseln)) flüchtig verkehrt und nur die oben verzeichneten Landpunkte gesehen. Unsere Blicke hatten auf keinem europäischen Segel geruht; wir sahen erst am 18. Juni abends, in Ansicht der Küste von Kamtschatka und im Begriff, in die Bucht von Awatscha einzufahren, das erste Schiff, dessen Anblick uns mit den Menschen unserer Gesittung vereinigte.

Spärlicher als im Atlantischen Ozean sind die Fahrstraßen befahren, welche dieses weite Meerbecken durchkreuzen, und es begrenzt sie kein Ufer, woran der Seefahrer mit dem Gedanken lehnen könnte; aber der Flug der Seevögel und andere Zeichen lassen ihn oft Land, Inseln, die er nicht sieht und nicht sucht, ahnen, und noch findet er sich nicht in unbegrenztem Raume verloren. Schiffe begegnen in der Regel einander nur in der Nähe der Häfen, die ihnen zum Sammelplatz dienen, der Sandwich-Inseln (Heute: Hawaii-Inseln) und anderer. Wir aber vermieden auf dieser langen Fahrt alle Wege des Handels und suchten auf der verlorenen Spur älterer Seefahrer zweifelhafte Punkte der Hydrographie aufzuklären. Dieser Abschnitt unserer Reise, der, in Hinsicht der Leistungen des Herrn von Kotzebue einer der Wichtigsten, in seiner Beschreibung ziemlich viel Raum einnimmt, wird hier auf wenige Blätter zusammenschwinden. Was ich über die Inseln, die wir gesehen, und die Menschen, mit denen wir verkehrt, zu sagen hatte, habe ich in meinen »Bemerkungen und Ansichten« gesagt und habe namentlich dort in den Hauptstücken »Überblick« und »Radack« von der geognostischen Beschaffenheit der Niedern oder Korallen-Inseln, zu denen, die Oster-Insel und Salas y Gomez ausgenommen, alle hier zu erwähnende Landpunkte zu rechnen sind, ausführlich abgehandelt. Was das Nautische und Geographische anbetrifft, muß ich auf Otto von Kotzebue und auf Krusenstern verweisen, der in der Reisebeschreibung selbst und sodann in anderen Werken die Entdeckungen des »Ruriks« in der Südsee kritisch beleuchtet hat.


Es ist zu bedauern, daß die deutsche Originalausgabe der Reisebeschreibung des Herrn von Kotzebue sich dergestalt inkorrekt erweist, daß die im Texte angegebenen Zahlen aller Zuverlässigkeit ermangeln. Vergleicht man die Breiten- und Längenbestimmungen, wie sie in der Erzählung und wiederholt in den meteorologischen Tabellen verzeichnet sind, so findet man, daß in der Erzählung nicht bloß die Sekunden zum öftesten ausgelassen sind, sondern die Zahlen abweichen. Die Tabelle »Aerometer-Beobachtungen«, III, p. 221, die korrekter als der Text zu sein scheint, wird die Mittagsbestimmungen vom 18. Juli 1816 bis zum 13. April 1818, von Kamtschatka bis vor Santa Helena, zu berichtigen dienen und namentlich für einen späteren Abschnitt der Reise, vom 5. bis zum 24. November 1817, auf der Fahrt zwischen Radack und den Marianen durch das Meer der Karolinen, Wichtigkeit erlangen. Hier steht zum Beispiel im Texte, II, p. 125, die Breite vom 20. November 1817 10°42', was offenbar fehlerhaft ist, und in der Tabelle p. 226 11°42'29", was das richtige zu sein scheint. Man wird für den Abschnitt der Reise, der uns beschäftigt, der Beihülfe einer solchen Tabelle entbehren. Es ist zu bedauern, daß Herr von Kotzebue seiner Reisebeschreibung keinen Auszug seines Schiffjournals beigegeben hat. Es ist zu bedauern, daß er in derselben, wo man sie sucht, viele Karten und Pläne nicht mitgeteilt, die ihm die Hydrographie verdankt und von denen Krusenstern, II, Seite 160, den Plan der Häfen Hana-ruru (Heute: Honolulu) auf O-Wahu und La Calderona de Apura auf Guajan namentlich anführt. Es ist zu bedauern, daß er die ihm auf seine Reise erteilten Instruktionen, worauf er selbst und Krusenstern an verschiedenen Stellen sich beziehend verweisen, nicht bekanntgemacht hat. Es ist endlich zu bedauern, daß er die zur See während einer längeren Zeit zu verschiedenen Stunden des Tages beobachteten Barometerstände aufzubewahren verschmäht hat.

Die mir während der Reise vom Kapitän mitgeteilten Zahlen – Breiten und Längen, Bergeshöhen usw. – stimmen nie mit denen, die ich in seinem Werke verzeichnet finde. Ich bin hier den letzteren gefolgt, wo ich keinen Grund gefunden habe, einen Druck- oder Schreibfehler zu argwöhnen.

Ich bitte diese Abschweifung zu entschuldigen. Ich werde mit flüchtigem Finger den vom »Rurik« gehaltenen Kurs auf der Karte zeigen und sodann ein weniges von den Ereignissen der Fahrt hinzufügen.

Wir segelten nordwärts, die Insel Juan Fernandez unter dem Winde, das ist im Westen, lassend, bis wir den siebenundzwanzigsten Grad südlicher Breite erreicht, den wir sodann westwärts verfolgten. Wir sahen am 25. den nackten Felsen Salas y Gomez, 26°36'15" südlicher Breite, 105°34'28" westlicher Länge, und berührten am 28. die Oster-Insel. Wir steuerten von da etwas mehr nach Norden und erreichten am 13. April den fünfzehnten Grad südlicher Breite, beiläufig im 134. Grad westlicher Länge. Wir verfolgten westwärts diese Parallele, auf der Spur von Lemaire und Schouten, durch ein sehr gefährliches Meer, das mit niedren Inseln und Bänken angefüllt ist, worauf man zu stranden Gefahr läuft, bevor man sie gesehen hat. Wir lavierten öfters die Nacht hindurch, ohne fortzuschreiten, teils um Gefahr zu vermeiden, teils um kein Land in unsrem Gesichtskreise ungesehen zu lassen. Wir ließen auf dieser Fahrt die Marquesas im Norden und westlicher die Gesellschafts-Inseln im Süden liegen. Es ist bemerkenswert, daß wir seit der Oster-Insel und diesen Teil der Reise hindurch bis zu dem Äquator meist Nord- und Nordostwind hatten, wo wir im Gebiete des Südostpassats auf Südostwind zu rechnen hatten. Wir hatten öfters Windstöße, Regen und Wetterleuchten.

Am 16. und 17. April. Die Zweifelhafte Insel in 14°50'11" südlicher Breite, 138°47'7" westlicher Länge.

Am 20. April die Romanzows-Insel entdeckt und am 21. auf derselben gelandet. 14°57'20" südlicher Breite, 144°28'30" westlicher Länge. Sie ist die einzige der hier aufgezählten Inseln, auf welcher der Kokosbaum wächst; die anderen sind nur spärlich bewachsen. Alle haben mit breitem, weißem Strande das Ansehen von Sandbänken, wofür sie ältere Seefahrer hielten, verwundert, in deren nächster Nähe keinen Grund mit dem Senkblei zu finden; ein Umstand, den sie anzuführen nie ermangeln.

Am 22. April die Spiridow-Insel 14°51'00" südlicher Breite, 144°59'20" westlicher Länge.

Am 23. in der Nähe der Pallisers von Cook die Ruriks-Kette, von welcher wir südlich fuhren. Wir sahen sie zwischen 15°10'00" und 15°30'00" südlicher Breite, 146°31'00" und 146°46'00" westliche Länge. Ihre größere Ausdehnung nach Norden wurde nicht erforscht. – Im Südsüdosten ward Land gesehen, aber nicht untersucht.

Am 24. und 25. April die Deans-Kette, deren südlicher Rand in der Richtung Nordwest sechsundsiebzig Grad und Südost sechsundsiebzig Grad, zwischen 15°22'30" und 15°00'00" südlicher Breite und 147°19'00" und 148°22'00" westlicher Länge aufgenommen wurde.


Die Krusenstern-Inseln

Am 25. die Krusensterns-Inseln; Mitte der Gruppe 15°00'00" südlicher Breite, 148°41'00" westlicher Länge.

Wir bogen von da den Kurs mehr nach Norden, verschiedene zweifelhafte Inseln aufsuchend, die wir nicht fanden. Wir steuerten sodann nach den Penrhyn-Inseln, die wir am 30. April sahen und mit deren Bewohnern wir am 1. Mai zur See verkehrten. Die Mitte der Gruppe liegt nach der Bestimmung des Kapitäns 9°1'35" südlicher Breite, 157°34'32" westlicher Länge. Ein starkes Gewitter entladete sich über diese Inseln, als wir sie verließen.

Wir hatten nun häufige Windstillen und Windstöße, die oft von Regenschauern begleitet waren. Wir durchkreuzten zum zweitenmal den Äquator am 11. Mai in 175°27'55" westlicher Länge.

Wir suchten am 19. und 20. Mai die nördlichen Gruppen der Mulgraves-Inseln auf und hatten bereits diese Untersuchung aufgegeben, als uns, nordwärts steuernd, am 21. Mai die erste Ansicht der nördlichen Gruppen der Inselkette Radack, Udirick und Tegi erfreute. Diese Inseln, deren liebliche Bewohner wir hier zum erstenmal gewahrten, werden uns später beschäftigen. Der Kanal zwischen beiden Gruppen liegt 11°11'20" nördlicher Breite, 190°9'23" westlicher Länge.

Wir richteten von Radack aus unsern Kurs fast nordwärts nach Kamtschatka. Wir traten unter dem dreiunddreißigsten Grad nördlicher Breite in die Region der nordischen Nebel, und der Himmel und das Meer verloren ihre Bläue. Wir hatten am 13. Juni unter dem siebenundvierzigsten Grad nördlicher Breite Sturm und Eis. Am 18. nachmittags um vier Uhr zerteilte sich der Nebel, und der Eingang der Bucht von Awatscha lag vor uns.

Von Chile aus übertrug der Kapitän dem Doktor Eschscholtz die Beobachtung der physischen und meteorologischen Instrumente.

Vor dem Einlaufen in die Bucht von Concepción war uns bereits einmal das Meer stellen- und strichweise schwach rötlich gefärbt erschienen. Dieses Phänomen wiederholte sich deutlicher in den ersten Tagen unserer Fahrt nordwärts längs der Küste. Das Färbende muß auf jeden Fall sehr fein und zerteilt sein und nicht so zu erkennen wie die Alge und das Infusorium des Atlantischen Ozeans. Ich konnte in dem auf das Verdeck heraufgebrachten Wasser nichts unterscheiden und zweifelte, ob es auch wirklich aus den gefärbten Meerstellen herrühre.

Am 9. März, dem Tage obiger Beobachtung, trieb ein toter Walfisch an uns vorüber, auf welchem unzählige Scharen von Vögeln (eine kleine Art Procellaria?) ihre Nahrung hatten. War vielleicht von dieser verwesenden Fleischmasse die Färbung des Meeres herzuleiten?

Die Walfische, die in der Bucht von Concepción häufig gesehen werden, wo ihnen damals nur die Amerikaner nachstellten, begleiteten uns noch eine Zeit. Erst nachdem die Walfische des Nordens gehörig untersucht und beschrieben sein werden, wird es an der Zeit sein, den Wunsch zu äußern, auch die des Südens mit ihnen zu vergleichen.

Am 10. nachmittags um sechs Uhr glaubte der Kapitän eine eigentümliche Erschütterung in der Luft zu verspüren, wobei das Schiff ihm ein wenig zu erzittern schien. Das Geräusch, das er fernem Donner vergleicht, erneuerte sich nach ungefähr drei Minuten; nach einer Stunde merkte er nichts mehr. – Andere glauben, in der Nacht zum 11. und noch am 11. selbst dieselbe Erschütterung wiederholt empfunden zu haben. Ein Zweifel stieg in uns auf, ob vielleicht jetzt das uns so gastliche Land, von einem Erdbeben durchwühlt, ein Schauplatz des Schreckens und der Zerstörung sei. Unsere Befürchtung hat sich übrigens nicht bestätigt.

Wir hatten in Chile Flöhe in fast bedrohlicher Menge an Bord genommen; , hätten sie sich vermehrt, so hätten wir viel zu leiden gehabt. Aber wie wir sonnenwärts fuhren, verloren sie sich mehr und mehr, und wir waren bald gänzlich davon befreit. Wir machten in der nördlichen Halbkugel – auf der Fahrt von Kalifornien nach den Sandwich-Inseln – unter ähnlichen Umständen dieselbe Erfahrung.

Dagegen zeigte sich ein anderes Ungeziefer, das wir bis jetzt nicht gekannt, und vermehrte sich auf dieser Fahrt zwischen den Wendekreisen schon merklich: ich meine die bei den Russen sich heiligen Gastrechts erfreuenden Tarakanen (Blatta germanica, Licht- und Bäckerschaben). Später wurden sie uns zu einer entsetzlichen Plage; sie zehren nicht nur den Zwieback ganz auf, sondern nagen alles und selbst die Menschen im Schlafe an. In das Ohr eines Schlafenden gedrungen, verursachen sie ihm unsägliche Schmerzen. Der Doktor, dem der Fall öfters vorgekommen, ließ mit gutem Erfolg Öl in das befährdete Ohr gießen.

Am 16. März, in einer Entfernung von mehr als siebzehn Grad (beiläufig 1 000 Meilen) von dem nächsten bekannten Lande, der amerikanischen Küste, ward ein Vogel im Fluge beobachtet, der für eine Schnepfe gehalten wurde.

Wir sahen am 24. die ersten Tropenvögel, diese herrlichen Hochsegler der Lüfte, die ich mich fast nicht erwehren kann Paradiesvögel zu nennen.

Am Morgen des 25. verkündigten uns über dem Winde von Salas y Gomez Seevögel in großer Anzahl, Pelikane und Fregatten, diesen ihren Brüteplatz, an welchem wir mittags vorüberfuhren.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise um die Welt