Der 28. März 1816 war der Tag der Freude.

Der 28. März 1816 war der Tag der Freude. die erste Bekanntschaft zu stiften mit Menschen dieses reizvollen Stammes und die erste schöne Verheißung der Reise sich erfüllen zu sehen! – Als mit breiter, schön begrünter Kuppe die Oster-Insel sich aus dem Meere erhob, die verschiedenfarbigen Feldereinteilungen an den Abhängen von ihrem Kulturzustande zeugten, Rauch von den Hügeln stieg; als näher kommend wir am Strande der Cooks-Bai die Menschen sich versammeln sahen; als zwei Boote – mehr schienen sie nicht zu besitzen – vom Strande stießen und uns entgegenkamen – da freute ich mich wie ein Kind; alt nur darin, daß ich zugleich mich auch darüber freute, mich noch so freuen zu können. Die flüchtigen Augenblicke unserer versuchten Landung vergingen uns, umtaumelt von diesen lärmenden kindergleichen Menschen, wie im Rausch. Ich hatte alles, Eisen, Messer, Scheren, alles, was ich mitgenommen hatte, eher verschenkt als vertauscht und nur, ich weiß nicht wie, ein schönes, feines Fischernetz erhandelt.


Die Oster-Insel


Ich habe den verdächtigen Empfang, der uns ward , in den »Bemerkungen und Ansichten« zu beschreiben versucht, und mit dem, was ich davon gesagt, können die Berichte von Kotzebue und Choris verglichen werden. Ich habe die vermutliche Veranlassung der halb bedrohlichen Stimmung der Insulaner nur angedeutet. Herr von Kotzebue selber hatte die Geschichte aufgezeichnet, und ihm gebührte es, sie bekanntzumachen. Ich setze sie ergänzend hieher in seinen urkundlichen Worten. Sie stehet im ersten Bande, Seite 116, seiner Reisebeschreibung.

»Eine Nachricht, die das feindselige Betragen der Insulaner gegen mich erklärt und welche ich erst später auf den Sandwich-Inseln durch Alexander Adams erhielt, glaube ich dem Leser hier mitteilen zu müssen. Dieser Adams, von Geburt ein Engländer, kommandierte im Jahre 1816 die dem Könige der Sandwich-Inseln gehörige Brigg ›Kahumanu‹ und hatte vorher auf der nämlichen Brigg, als sie den Namen ›Forester of London‹ führte und dem Könige noch nicht verkauft war, unter Kapitän Piccort als zweiter Offizier gedient. Der Kapitän des Scunner ›Nancy‹ aus Neu-London/Amerika, seinen Namen hat mir Adams nicht genannt, beschäftigte sich im Jahr 1805 auf der Insel Mas a fuero mit dem Fange einer Gattung von Seehunden, welche den Russen unter dem Namen Kotik (Seekatzen) bekannt ist. Die Felle dieser Tiere werden auf dem Markte von China teuer verkauft, und daher suchen die Amerikaner in allen Teilen der Welt ihren Aufenthalt ausfindig zu machen. Auf der bis jetzt noch unbewohnten Insel Mas a fuero, welche westlich von Juan Fernandez liegt und wohin sie aus Chile die Verbrecher schicken, ward dieses Tier zufällig entdeckt und gleich Jagd darauf gemacht. Da aber die Insel keinen sichern Ankerplatz gewährte, weshalb das Schiff unter Segel bleiben mußte, und er nicht Mannschaft genug besaß, um einen Teil derselben zur Jagd gebrauchen zu können, so beschloß er, nach der Oster-Insel zu segeln, dort Männer und Weiber zu stehlen, seinen Raub nach Mas a fuero zu bringen und dort eine Kolonie zu errichten, welche den Kotikfang regelmäßig betreiben sollte. Diesen grausamen Vorsatz führte er im Jahr 1800 aus (Ein hier oder weiter oben zu vermutender Druckfehler in der Jahreszahl benimmt der Geschichte nichts von ihrer Glaubwürdigkeit) und landete in Cooks-Bai, wo er sich einer Anzahl Einwohner zu bemächtigen suchte. Die Schlacht soll blutig gewesen sein, da die tapfern Insulaner sich mit Unerschrockenheit verteidigten; sie mußten dennoch den furchtbaren europäischen Waffen unterliegen, und zwölf Männer mit zehn Weibern fielen lebendig in die Hände der herzlosen Amerikaner. Nach vollbrachter Tat wurden die Unglücklichen an Bord gebracht, während der ersten drei Tage gefesselt und erst, als kein Land mehr sichtbar war, von ihren Banden erlöst. Der erste Gebrauch, den sie von ihrer Freiheit machten, war, daß die Männer über Bord sprangen und die Weiber, welche ihnen folgen wollten, nur mit Gewalt zurückgehalten wurden. Der Kapitän ließ sogleich das Schiff beilegen, in der Hoffnung, daß sie doch wieder an Bord Rettung suchen würden, wenn die Wellen sie zu verschlingen drohten; er bemerkte aber bald, wie sehr er sich geirrt, denn diesen mit dem Elemente vertrauten Wilden schien es nicht unmöglich, trotz der Entfernung von drei Tagreisen ihr Vaterland zu erreichen, und auf jeden Fall zogen sie den Tod in den Wellen einem qualvollen Leben in der Gefangenschaft vor. Nachdem sie einige Zeit über die Richtung, die sie zu nehmen hatten, gestritten, teilte sich die Gesellschaft, einige schlugen den geraden Weg nach der Oster-Insel ein, und die übrigen wandten sich nach Norden. Der Kapitän, äußerst entrüstet über diesen unerwarteten Heldenmut, schickte ihnen ein Boot nach, das aber nach vielen fruchtlosen Versuchen wieder zurückkehrte; denn sie tauchten allemal bei seiner Annäherung unter, und die See nahm sie mitleidig in ihren Schutz. Endlich überließ der Kapitän die Männer ihrem Schicksale, brachte die Weiber nach Mas a fuero und soll noch öftere Versuche gemacht haben, Menschen von der Oster-Insel zu rauben. Adams, welcher diese Geschichte von ihm selbst hatte und ihn deshalb wahrscheinlich nicht nennen wollte, versicherte mir, 1806 an der Oster-Insel gewesen zu sein, wo er aber wegen des feindseligen Empfangs der Einwohner nicht landen konnte; ein gleiches Schicksal hatte nach seiner Aussage das Schiff ›Albatros‹ unter Kommando des Kapitän Windship im Jahr 1809.«

Ich ergreife diese Gelegenheit, auch hier gegen die Benennung »Wilde« in ihrer Anwendung auf die Südsee-Insulaner feierlichen Protest einzulegen. Ich verbinde gern, soviel ich kann, bestimmte Begriffe mit den Wörtern, die ich gebrauche. Ein Wilder ist für mich der Mensch, der, ohne festen Wohnsitz, Feldbau und gezähmte Tiere, keinen andern Besitz kennt als seine Waffen, mit denen er sich von der Jagd ernährt. Wo den Südsee-Insulanern Verderbtheit der Sitten schuld gegeben werden kann, scheint mir solche nicht von der Wildheit, sondern vielmehr von der Übergesittung zu zeugen. Die verschiedenen Erfindungen, die Münze, die Schrift usw., welche die verschiedenen Stufen der Gesittung abzumessen geeignet sind, auf denen Völker unseres Kontinentes sich befinden, hören unter so veränderten Bedingungen auf, einen Maßstab abzugeben für diese insularisch abgesonderten Menschenfamilien, die unter diesem wonnigen Himmel ohne Gestern und Morgen dem Momente leben und dem Genusse.

Die Fliegenden Fische, von denen wenigstens zwei Arten in dem Großen Ozean vorkommen, scheinen in der Nähe des Landes häufiger zu sein. Wir sahen deren viele in der Nähe der Oster-Insel.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise um die Welt