Aufenthalt in Siam.
Der König und die Königin von Siam.
Der König von Siam, Chulalongkorn*), sein voller Name besteht aus 27 Wörtern, ist ein aufgeklärter und milder Monarch, wie ein ähnlicher noch kaum über ein asiatisches Reich herrschte. Er ist ein Fürst, der, umgeben von allergrößter Pracht und Herrlichkeit, und ausgestattet mit despotischer Macht, doch von väterlichem Wohlwollen für sein Volk durchdrungen ist und demselben nach seinem besten Wissen die Vorschriften und Gesetze erteilt. Er schaffte die Sklaverei bis auf jene wegen Schulden ab, verordnete die Duldsamkeit gegen andere Nationen und andere Religionen, untersagte das bis zu seinem Regierungsantritte vorgeschriebene Niederwerfen von Hoch und Niedrig vor seiner Person, ernannte keinen zweiten König mehr, errichtete Schulen und Hospitäler, baute Straßen, über 300 km Eisenbahnen und gegen 5.000 km Telegraphenlinien, organisierte seine Armee von zirka 10.000 Mann teilweise nach europäischem Muster, schuf eine kleine Kriegsflotte, bestehend aus 28 See- und 46 Flussschiffen, die mit 60 Kanonen ausgerüstet sind, und förderte die Vermehrung der Handelsschiffe. Siam hat gar keine Staatsschuld.
*) Chulalongkorn oder Rama V., der Große (1853-1910) war von 1868 an bis zu seinem Tode im Jahre 1910 König von Siam, dem heutigen Thailand. In seiner 42jährigen Regierungszeit öffnete er Siam weiter dem Westen. Er modernisierte sein Militär, das Verwaltungssystem, reformierte das Bildungs- und Rechtswesen, entwickelte die Infrastruktur und schaffte die Leibeigenschaft ab.
Wenn das Volk noch auf einer sehr niederen Stufe der Entwicklung steht, so beruht dies hauptsächlich in der durch den bestehenden monströsen Aberglauben hervorgerufenen Verdummung und in der dem Volke eigenen Trägheit.
Der König steht im 50. Lebensjahre und besaß zwei rechtmäßige Gattinnen, die dem Landesgesetze gemäß von königlichem Blute sein müssen und demnach seine Stiefschwestern waren. Außerdem besitzt der König noch sehr viele Frauen, man spricht von 800, die zumeist aus den ersten und besten Familien des Landes stammen. Die Erwerbung der Gattinnen erfolgt dadurch, dass der König aus der Reihe der Prinzessinnen, seinen Schwestern, eine oder die andere auswählt, eine Zeitlang mit ihr lebt und, wenn sie sein Herz gewonnen hat, dann heiratet. Seine übrigen Frauen sind teils Geschenke, indem die edelsten Familien des Landes dem Könige an seinem Krönungstage ihre schönsten Töchter im jugendlichen Alter als Huldigung darbringen, teils sind sie in der späteren Zeit vom Könige aus eigener Initiative oder über Anempfehlung von Vermittlern gewählt. Diese Mädchen werden im Königspalaste von Gouvernanten erzogen und dann zu Frauen ernannt. Der Unterricht im Harem besteht in Musik, Tanz, Deklamation, englischer Sprache und weiblichen Handarbeiten. Viele der Geschenke, die der König seinen Hofleuten und den Priestern macht, sowie auch Gegenstände zur Ausschmückung der Räume bei königlichen Festen werden von den Frauen des Harems angefertigt.
Die erste Gattin des Königs ertrank im Menamfluss, als sie während einer Bootfahrt bei dem Aussteigen aus dem Schiffe ausglitt, in das Wasser fiel und es niemand von ihrer Begleitung wagte, sie als eine Halbgottheit zu berühren, um sie herauszuziehen. So fand die arme Königin infolge der ihr gezollten göttlichen Verehrung den Tod.
Die auf dem Bilde dargestellte Königin ist des Königs zweite Gattin, die im Lande einen bedeutenden Einfluss ausübt. Ihren ältesten Sohn ernannte der König zum Kronprinzen. Der älteste Sohn seiner ersten Gattin war nämlich gestorben, und der zweite Sohn aus dieser Ehe wurde seines Gesundheitszustandes halber als untauglich für die Thronfolge erklärt.
Die Nachkommen der königlichen Familie werden je nach ihrem Verwandtschaftsgrade in zwölf verschiedene Abstufungen geteilt, doch gelten die Glieder nach der fünften Generation nicht mehr für Abkömmlinge des Königs. Die höchsten Beamten des Reiches, die elf Minister, die Gouverneure in den Provinzen, die Gesandten in den fremden Staaten, die Generale etc. ernennt der König zumeist aus den zahlreichen Prinzen seines Hauses, und so kann das Königreich Siam als eine Familienherrschaft angesehen werden, die von dem Könige und seinen Verwandten verwaltet wird und über deren Erträgnis der König verfügt.
Die Amtsstunden der Behörden beginnen erst nachmittags. Täglich um 10 Uhr abends erstatten die Minister dem Könige im großen Ministersaale ihren Bericht; der König trifft sofort die Entscheidung, gegen die eine Einwendung absolut ausgeschlossen ist. Doch spricht man, dass die Königin und hier und da auch andere Frauen auf die Entschließungen des Königs nicht ganz ohne Einfluss sind. Nachstehendes Bild zeigt den ersten Sekretär im Ministerium des Äußeren.
Der erste Sekretär des Ministers des Äußeren in Siam.
Das Königreich Siam hat einen Flächeninhalt von 634.000 hm2 und ist von 6 1/2 Millionen Menschen bewohnt; es ist daher beinahe so groß wie Österreich-Ungarn, hat aber nur ein Siebentel der Bevölkerung unserer Monarchie; es entfallen daher in Siam im Durchschnitte nicht mehr als 10 Menschen auf einen Quadratkilometer. Nach Volksstämmen ist Siam von 2 Millionen Siamesen, 1 Million Laos, 1,3 Millionen Malaien und 2 Millionen eingewanderten Chinesen bewohnt. Diese Völkerschaften gehören nach den Religionen dem Buddhaismus, dem Brahmaismus und dem Mohammedanismus an. Das Christentum wird durch Missionare verbreitet, von denen die Mehrzahl französischen Ursprungs ist. Sie haben aber bis jetzt noch keine großen Fortschritte gemacht.
Die Siamesen sind kleiner Statur, schlanken, kräftigen Körperbaues; sie haben eine braune Hautfarbe, stumpfe, breite Nase, großen Mund, schwarze Haare, die sie kurz geschnitten tragen. Infolge der Unsitte des Betelnusskauens sind ihre Zähne und Mundhöhlen schwarz. Die Frauen sind zumeist hübscher als die Männer, tragen aber die gleiche Tracht wie diese und sind daher häufig nicht von den Männern zu unterscheiden.
Eine Siamesin der besseren Stände.
Eine Siamesin.
Eine Siamesin mit einem Kinde.
Die Siamesen winden um die Hüfte ein langes Stück Baumwollzeug, jene der besseren Stände ein solches von farbiger Seide, das eine Ende lose zwischen den Knien gezogen und rückwärts um die Mitte des Leibes aufgeknüpft. Mädchen und Frauen tragen häufig über Brust und Rücken eine Schärpe aus Zeug, Männer und Frauen der höheren Stände auch Jacken und farbige Bänder, die wie die Bänder der Großkreuze über die Schulter zur Hüfte gezogen sind. Die Kinder bleiben bis zum sechsten Jahre ganz unbekleidet. Eigentümlich ist die Art und Weise, wie die siamesische Mutter ihr Kind trägt. Die Hauptcharaktereigenschaften der Siamesen sind große Gutmütigkeit und Genügsamkeit, die sie bei jeder Gelegenheit beweisen, dabei aber äußerste Trägheit, die durch das heiße Klima sowie durch die unvergleichliche Fruchtbarkeit des Landes herbeigeführt wurde. Ihre entsetzliche Leidenschaft für das Spiel wird von den Chinesen in ihren Spielhöhlen arg ausgebeutet.
Die in dem nördlichen bergigen Teile des Königreiches wohnenden Laos gehören in die Reihe der Völker, welche mit dem Gesamtnamen Schan, dem Ursprungsworte von Siam, bezeichnet werden. Die Hautfarbe der auf den Bergen lebenden Laos ist hellbraun, jene der in den Tälern lebenden Laos ist etwas mehr dunkelbraun, ihre Köpfe sind gut geformt, die Nasen gerade, die Augen dunkelbraun und lebhaft. Ihre Tracht nähert sich jener ihrer Landesnachbarn, der Chinesen, und ihre Sprache ähnelt jener der Siamesen. Die Laos besitzen Wissbegierde und Keime für eine bessere Entwicklung, sie sind fleißig, aber gewinnsüchtig und leidenschaftlich dem Glücksspiele ergeben.
Die in Siam lebenden Malaien sind kleiner Statur, haben eine kupferbraune Hautfarbe, breite und glatte Nase, großen und breiten Mund mit dicken Lippen, schwarze Augen und Haare, sehr magere Schenkel und Waden. Der Malaie ist meist verschlossen und hart, dabei von gewissenloser Gewinnsucht. Er nimmt leicht fremde Sitten an. Als vorzüglich gute Seeleute sind die Malaien allgemein bekannt.
Die in großer Zahl nach Siam eingewanderten Chinesen gehören, sowie ihre Stammesgenossen der hochasiatischen Rasse an, tragen lange Zöpfe und haben das Vorderhaupt geschoren. Sie sind mittlerer Statur, neigen zur Wohlbeleibtheit und haben ein rundes Gesicht, kleine Nase, kleine Augen ohne Wimpern und dicke Lippen. Die Chinesen sind fleißig, geschickt, sehr mäßig, klug, aber auch betrügerisch, sehr feige, stolz auf ihren Volksstamm und dem Laster des Opiumrauchens stark unterworfen. Sie bereichern sich in Siam und auch in anderen Reichen auf Rechnung der übrigen Völkerschaften des Landes.
Ganz Siam wimmelt von buddhistischen Priestern, die in unzähligen Klöstern wohnen und an ihren glatt rasierten Köpfen sowie an der gelben Toga zu erkennen sind. Wenn sie ihr Leben auch nur durch Betteln fristen, so genießen sie im Volke doch großes Ansehen. Bei allen wichtigen Vorgängen im Leben der Siamesen spielen sie eine große Rolle. Sie fehlen weder bei Geburten, Heiraten, Verbrennungen, noch unternimmt der Siamese irgend ein Geschäft, ohne über dessen glücklichen Ausgang von seinem Priester versichert worden zu sein. Der Glaube, dass es Glücks- und Unglückstage gebe, wurzelt fest im Volke, sowie die Meinung, dass nur der Priester imstande sei, diese Tage zu unterscheiden. Dieser unheilvolle Aberglaube des Volkes wird von den Priestern ausgenützt, ja dieselben befestigen das Volk immer mehr im Aberglauben. Den Priestern ist auch die Leitung der Schulen, anvertraut, in die jeder Siamese von dem Königssohn bis zu dem letzten Jungen in seinem 8. — 10. Lebensjahre eintreten muss. Der Schulbesuch ist freilich unregelmäßig, er kann ein halbes Jahr dauern, aber auch auf drei bis vier Jahre ausgedehnt werden. Die Führung der Schule ist eine ganz klösterliche. Jeder, der eintritt, hat die zehn Gelübde, besonders jenes der Armut und Keuschheit abzulegen. Zum Zeichen, dass dies geschehen ist, wird dem Schüler der ihm bis dahin belassene vordere Haarbüschel auch abrasiert, und er trägt in der Schule, wie die Priester, das gelbe Klostergewand. Nach dem Austritte aus der Schule lässt sich der junge Mann, der sich nicht dem Priesterstande widmet, die Haare wieder wachsen, doch nur auf 3—5 cm Länge, und legt das Klosterkleid ab. Die Priestergelübde sind für jene, die sich dem Stande widmen, nicht lebenslänglich bindend; der Eintritt in das bürgerliche Leben kann ohne große Schwierigkeit jederzeit erfolgen.
Die Hauptlebens- und Handelsader des Landes ist der gewaltige Fluss Menam, der schon Myriameter oberhalb der Stelle, wo er sich in den Golf von Siam ergießt, 800—1.000 m breit und 50—100 m tief ist. Vor seiner Mündung hat der Fluss einen mächtigen Schlammwall abgesetzt, der die Schifffahrt insofern sehr beeinträchtigt, als die Schiffe nur in der Flutzeit über ihn fahren können. Der Menam hat für den unteren Teil Siams die gleiche Bedeutung wie der Nil für Ägypten. In der Zeit des Südwestmonsuns, also innerhalb der Monate vom Mai bis September, überflutet er die ganze Niederung und bedeckt die Reisfelder weithin mit Wasser. Außerdem bildet er nebst den vielen Kanälen, die besonders in dem der Hauptstadt näher gelegenen Gebiete das Land durchschneiden, die besten und zumeist auch einzigen Verkehrswege des Landes, da die Anlage und dann die Erhaltung von Straßen des üppigen Pflanzenwuchses und der zeitweisen Überflutung halber äußerst schwierig ist und daher auch nur in sehr geringer Ausdehnung bestehen. Man könnte sich wundem, warum, bei der Sorge der Regierung für die Kanalisierung und bei dem Geschicke der Bevölkerung für diese Arbeit, der die Schifffahrt hindernde Schlammwall, von dem die Rede war, noch nicht durchstochen ist. Mancherlei Gründe werden dafür angeführt. Man glaubt, dass mit dem öffnen des Walles zur Zeit der Flut eine viel zu große Menge von Meerwasser flussaufwärts getrieben würde, die dann zur Zeit der Überschwemmung auf die Reisfelder gelangen und diese verderben würde. Auch erblickt die Regierung in diesem Walle ein Mittel, das Vordringen von fremden Kriegsschiffen zu der 25 km oberhalb der Mündung gelegenen Hauptstadt Bangkok zu verhindern. Man vergisst dabei nur, dass es den Franzosen ungeachtet dieses Walles und ungeachtet der von dem siamesischen Militär ergriffenen Maßregeln im Jahr 1893 gelungen ist, mit zwei Kanonenbooten bis nach Bangkok vorzudringen und sich hierdurch den Besitz der sehr bedeutsamen östlichen Provinz Cambodge zu erwerben.
Der Menam und ein Kanal in Bangkok.
Tonnenartige Boote auf dem Menam und den Kanälen.
Selbst die Art des Häuserbaues und der Wohnung wird bei den Siamesen durch den Menam und seine Kanäle bedingt. Längs der Ufer sehen wir auf angefesselten Pontons schwimmende Holzhäuser, die um so zahlreicher werden, je mehr man sich Bangkok nähert. Sie dienen den Siamesen als Wohnung und als Verkaufshallen. Andererseits finden wir aber auch Boote mit tonnenartigen Behausungen, in welchen siamesische Familien ihrem Erwerb zufahren, den Schnecken gleich, die sich nie von ihren Häusern trennen.
Ein Wohnhaus in Bangkok.
Auf dem Lande, nächst dem Ufer, sind die notdürftig eingerichteten Holzhäuser zum Schutze gegen die Überflutung auf 1 — 2 1/2 m hohen Pfählen erbaut. Nur die Paläste der Königsstadt, die zahlreichen Tempel und Pagoden, sowie einige Paläste und Häuser der Großen des Reiches, der bedeutendsten Handelsfirmen und Hoteliers sind nach europäischem Muster aus Steinen und Ziegeln erbaut.
Siam ist eines der fruchtbarsten und reichsten Länder der Welt, wird aber bis heute nur zum geringen Teile ausgenutzt und birgt noch riesige Schätze in seinem Innern. In der Ebene gedeihen in reichlicher Fülle vorzüglich die Reisfelder, dann aber auch Zuckerrohr, Tabak, Tee, Baumwolle, der Maulbeerbaum, welcher ergiebige Seidenkultur ermöglicht, Gewürze, Gemüse und Früchte; in den ungeheuer ausgedehnten Wäldern wachsen in Üppigkeit die kostbarsten Hölzer, die für den Schiffsbau so überaus wichtigen Teakbäume, Sandel-, Rosen-, Ebenholz und viele harzhaltige Bäume. Das Holz wird auf dem Menam nach Bangkok geschwemmt, dort in Brettsägen verarbeitet und dann weiter verführt. Noch ruhen in den Bergen dieses glücklichen Landes ungehobene Schätze an Edelmetallen.
Das nachfolgende Bild zeigt uns das Einsetzen der Reispflanzen. Nachdem nämlich auf den kleinen, gut gepflegten und bewässerten Feldern, die sehr dicht mit Reis besät worden waren, die Pflänzchen bis zur Höhe von 80 cm emporgewachsen sind, werden sie herausgenommen und auf die Reisfelder versetzt. Diese sind mit einem sehr primitiven Pfluge oberflächlich bearbeitet worden und stehen bis zu 15 cm unter Wasser. Für die ununterbrochene Überflutung der Reisfelder sind besondere Vorkehrungen getroffen, denen große Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Ernte erfolgt im Monate Jänner, dann werden die Reiskörner durch Übertreten von Büffeln ausgedroschen und endlich in den in Bangkok bestehenden Reisschäldampfmühlen von ihren Hülsen befreit.
Einsetzen der Reispflanzen.
Die Feldarbeiter erhalten für ihre etwa neun Monate währende Arbeit 80 Tikals oder 96 Kronen, und somit entfallen für den Tag 85 Heller. In Siam besteht die Silberwährung und ist der Tikal die Einheitsmünze. Dieser Tikal hatte noch vor einiger Zeit den Wert von zwei Kronen, ist aber nun durch das starke Sinken der Silberagios bis auf 1 Krone und 20 Heller entwertet worden. Es besteht demnach jetzt in Siam sowie in Singapore eine bedeutende Handelskrisis.
Reis wird aus Siam jährlich um 85 Millionen Kronen ausgeführt. Im übrigen beträgt die Ausfuhr 6 1/2 Millionen Kronen für Teak- und andere Hölzer, über 2 Millionen Kronen für Gewürze, dann bedeutende Summen für Baumwolle, Zinn, Zucker, Elfenbein, auch Rindvieh und Tierhäute. Im ganzen beträgt die Ausfuhr den Wert von 236 Millionen Kronen, wogegen die Einfuhr nur den Wert von 148 Millionen Kronen erreicht.
Die Armee von Siam zählt, wie vorher gesagt, nur 10.000 Mann. Diese sind in Regimenter formiert, u. zw. 12 Infanterie-, 2 Artillerie- und 1 Kavallerie-Regiment. Von den Soldaten dienen aber nur ein Drittel aktiv, die übrigen sind beurlaubt. Die Wehrmacht des Staates ist daher sehr gering.
Nachdem ich bisher über die allgemeinen Verhältnisse im Königreiche Siam, die ich teils aus Mitteilungen, teils aus Büchern und teils aus eigener Anschauung erlangt habe, berichtete, will ich nun von meinen täglichen Erlebnissen Nachricht geben.
Am 15. Dezember 1902 vormittags übersetzten wir den Schlammwall und fuhren in den Menam ein. Da erblickten wir vorerst den herrlichen Tempel samt Pagode von Paknam, dann genossen wir, während der Fahrt nach der 25 km flussaufwärts liegenden Hauptstadt Bangkok, den überaus schönen Anblick der riesigen Üppigkeit und dschungelartigen Dichte der Vegetation an den beiden Ufern des über 800 m breiten Flusses.
Der Tempel und die Pagode von Paknam.
Ein Gelände am rechten Ufer des Menam.
Zwischen durch das dichte Laub der Bäume und Büsche gewahrten wir einzelne Holzhäuser, unzählig viele kleinere Tempel mit den dazu gehörigen kegelförmigen Pagoden, ja sogar auch an zwei Stellen kleine Türmchen, auf deren Spitzen das Wahrzeichen des Christentums, das Kreuz, emporragte. Besonders aber fielen uns auf dem linken Ufer eine größere Zahl von Fabrikschornsteinen auf. Es sind dies beinahe die einzigen Zeugen von größeren Industrie-Unternehmungen in dem ganzen Lande, und sie gehören hauptsächlich zu den bestehenden großen Reisschäl- und Holzsägemühlen. Hier und da gewahrte ich auch kleine Schanzen aus alter Zeit, von welchen einzelne armiert sind. Doch haben sie heutzutage keinen militärischen Wert mehr. Und nun eröffnet sich dem Blicke ein märchenhaft scheinendes Bild von einer zur Hälfte auf dem Wasser schwimmenden und zur anderen Hälfte auf festem Grunde erbauten Stadt mit vielen riesenhaft hohen pyramiden- und obeliskenartigen Pagoden und Tempeln, und dazwischen überall gewaltig große Bäume und hohe Tropenpflanzen. Bangkok ist wahrlich eine wunderbare, farbenprächtige Stadt; dieselbe dehnt sich am linken Ufer auf zwölf, am rechten Ufer aber nur auf wenige Kilometer aus. Die Einwohnerzahl wird verschiedenartig von 200.000 bis zu 500.000 Menschen angegeben. Hiervon entfallen auf Europäer und Amerikaner zirka 1.000. Die Zahl der dort lebenden Österreicher und Ungarn ist eine sehr geringe. Bangkok hat sich erst in den letzten 20 Jahren besser entwickelt, besitzt nun Straßen in der Ausdehnung von etwa 100 km elektrische Tramway in der Ausdehnung von etwa 10 km und durchaus elektrische Beleuchtung, dagegen keine Wasserleitung. Die Einheimischen trinken das schmutzige Wasser aus dem Menam und die Ausländer solches, das vom Regen aufgefangen und dann abgekocht wird. Zur richtigen Charakteristik der Einheimischen in Bangkok muss aber hervorgehoben werden, dass dieselben den Menam und die Kanäle sehr eifrig zum Baden benutzen und dass sich den ganzen Tag und an allen Orten Männer und Frauen, Kinder und Greise im Wasser herumtummeln.
Während der Dampfschifffahrt waren zwei siamesische Zollbeamte von der allgemeinen Zollbehörde und von der Opiumzollgesellschaft mit ihren barfüßigen Zollwachleuten auf dem Schiffe angelangt, um einerseits den sehr hohen Zoll von 3 Prozent des Wertes für einlangende Waren, andererseits einen noch weit höheren Zoll für einzuführendes Opium einzuheben und auch den Schmuggel, speziell jenen von Waffen und Munition, zu verhindern.
Obgleich ich nun dem Zollbeamten den mir von der siamesischen Gesandtschaft in Berlin ausgestellten offenen Brief, in welchem die Zollbehörde in Siam ersucht wurde, mir keine Schwierigkeiten zu machen, vorwies, so verwehrte mir doch der Zollbeamte die Mitnahme meiner Jagdwaffen und teilte mir mit, dass er dieselben erst ausfolgen werde, wenn ich von dem siamesischen Kriegsminister hierzu die Erlaubnis erhalten habe. Ich fuhr nun mit meinem übrigen Gepäck auf dem Dampfboote des Oriental-Hotels in Bangkok in dieses Hotel, und dort wurde mir ein Zimmer im ersten Stock mit ganzer Verpflegung zu dem Pensionspreise von 6 Dollars, also von 11 1/2 Kronen für den Tag angetragen. Das Zimmer hatte wohl ein großes Moskitozeltbett und die sonst nötige Einrichtung, doch befriedigte es mich dennoch nicht, weil es nicht groß genug war und nur ein Fenster besaß. Ich konnte aber kein besseres Zimmer bekommen, weil mehrere englische Marine-Offiziere von dem im Hafen weilenden englischen Kriegsschiffe die besten Zimmer in Anspruch genommen hatten, und so nahm ich diese Unterkunft an. Die Bedienung in dem Hotel wird, wie überall in Indien und China, von Chinesen besorgt.
Nun wollte ich in einem der in Bangkok gebräuchlichen Mietwagen, welche von einem Paar auffallend kleinen, ganz wenig über 1 m hohen Pferden gezogen werden, vorerst zum Konsul von Österreich-Ungarn und dann zu jenem von Deutschland fahren, wurde aber durch die Lokalunkenntnis des siamesischen Kutschers zuerst zu dem Konsul des Deutschen Reiches Dr. von der Heyde, einem artigen Herrn, welcher eben den Dienst des Geschäftsträgers versieht, und erst dann zu dem Honorarkonsul von Österreich-Ungarn Hermann Gente, Chef des Großhandlungshauses Makwald und Gente, geführt. Herr Gente, ein Bremer von Geburt, ein sehr gebildeter, tüchtiger und außerordentlich liebenswürdiger Herr, lud mich gleich so überaus freundlich und dringend ein, während meines Aufenthaltes in Siam bei ihm zu wohnen, dass ich diese Einladung um so lieber annahm, als die Unterkunft im Hotel, wie oben erwähnt, nicht besonders gut war.
Ich quartierte mich demnach von dem Hotel in das von demselben nicht weit entfernte Haus des Herrn Gente um, und ich erwähne hierbei zur Darlegung der dortigen Verhältnisse, dass der Inhaber des Hotels dafür, dass mein Gepäck etwa zwei Stunden dort gelegen war, den ganzen Pensionspreis von 11 1/2 Kronen forderte und davon nicht abstand. Für einen Mietwagen sind in Bangkok, ob man nun eine kurze Fahrt macht oder ob man den Wagen zwei Stunden lang benutzt, stets 2 Tikals oder 2 Kronen 40 Heller zu zahlen. Auch will ich hier gleich angeben, dass mir auf ein kurzes schriftliches Ansuchen des Honorarkonsuls Gente an demselben Tage die Kiste mit meinen Jagdgewehren von der Zollbehörde ausgefolgt wurde.
Meine Wohnung in einem der beiden Häuser des Herrn Gente war sehr schön und behaglich, bestand aus einem großen Schlaf-, einem Sitz- und einem Badezimmer, sowie aus einer Abteilung der das Haus umgebenden Veranda. Die Mitbewohner in den beiden Häusern und daher die Teilnehmer an den täglichen Tiffin- und Diner-Tafeln waren der Kompagnon Gentes, Herr Mohr, und vier angestellte junge Herren aus Deutschland, welche sämtlich mir sehr freundlich entgegenkamen und jedenfalls auch dazu beitrugen, mir den Aufenthalt im Hause des Herrn Gente und überhaupt in Bangkok angenehm und genussreich zu machen.
Am Nachmittag des 15. Dezember machte ich mit Herrn Gente in seinem sehr schönen Dampfboote eine Fahrt durch Bangkok auf dem Menam. Ich betrachtete dabei die sonderbare Eigentümlichkeit einer zur Hälfte schwimmenden Stadt, mit dem regen Leben auf dem Flusse, den zahlreichen Dampfbooten und unzähligen kleinen Kähnen, welche sich auf demselben hin und her bewegten, ohne je aneinander zu stoßen oder umzukippen, und da gab es auch hier einen dem Großstadt-Tramway-Geläute ähnlichen Lärm, nämlich schrille Töne der Dampfpfeifen, der vielen auf dem Menam fahrenden Dampfboote, mit welchen sie ihre Annäherung kundgeben. Nach der Durchfahrt eines größeren Teiles der Stadt auf dem Dampfboote bestiegen wir die an einem bestimmten Orte bestellte Equipage des Herrn Gente und fuhren zu dem seit 30 Jahren in Bangkok lebenden Österreicher Herrn Müller, der sich in Siam eines hohen Ansehens erfreut und von dem Könige den hohen Titel „Phra" erhalten hat. Ich traf denselben, so wie er mich am nächsten Tage, nicht an, und ich lernte ihn erst bei dem Diner kennen, zu welchem Herr Gente die in Bangkok lebenden Österreicher eingeladen hatte. Herr Müller hat unter anderen hervorragenden Tätigkeiten auch jene vollführt, einen sehr wichtigen langen Kanal im Lande erbaut zu haben, wofür ihm von dem Könige ausgedehnte Ländereien zu beiden Seiten des Kanales geschenkt wurden. Somit ist er nun ein mehrfacher Millionär geworden. Herr Müller, welcher seit einigen Jahren eine charmante Österreicherin aus Prag geheiratet hat, will nach dem voraussichtlich bald zustande gebrachten Verkauf seiner Liegenschaften nach Österreich übersiedeln und hat sich schon das eine Stunde von Graz entfernte sehr schöne Schloss Freiberg angekauft.
Dann fuhr ich noch mit Herrn Gente zum Deutschen Klub, welcher sich ein sehr schönes und elegantes Haus erbaut hat, machte mich mit den Mitgliedern bekannt und nahm wahr, dass sich die deutschen Herren nach des Tages Mühe und Arbeit im heitern und freundlichen Verkehr gut zu unterhalten wissen. Teils wird, um einen großen Tisch sitzend, geplaudert, teils wird auf den nebenstehenden Billards gespielt, teils auch wird in einem anstoßenden Lokale mit riesengroßen Kugeln nach Kegeln geschoben, und teils widmen sich einige Herren im Lesezimmer der Lektüre, und dabei wird überall besonders das Pilsner Bier gern getrunken. Dieses Getränk hat wohl den Namen und die Farbe unseres Pilsner Bieres, ist aber in Bremen erzeugt, was man jedoch an der Marke erst nach eingehender Durchsicht gewahr wird. Bei dieser Gelegenheit will ich bekannt geben, dass das in mehreren Städten Deutschlands erzeugte Pilsner Bier auch in Singapore, Batavia, Colombo u. s. w., sowie auch auf den deutschen Dampfschiffen reichlich getrunken wird. Es ist sehr bedauerlich, dass die Brauereien in Pilsen diesen sehr starken Absatz nicht selbst ausnützen.
Nach dem sehr guten Diner bei Herrn Gente fuhr ich mit demselben zu dem eben in diesem Zeiträume, sowie in jedem Jahr, abgehaltenen abendlichen Bazar. Derselbe war mit verschwenderischer Pracht geschmückt, mit tausend Lampions und elektrischen Lichtem erleuchtet, und in ihm hatten die Großen des Reiches, von dem König und der Königin angefangen, ihre Verkaufshallen eröffnet. Die Verkaufsgegenstände der mannigfaltigsten Art stammten aus Europa und bestanden hauptsächlich nur aus geringwertigen Markt- oder auch Ausschusswaren. Nur in der Halle des Königs und der Königin befanden sich im Lande erzeugte Waren, wie z. B. handgestickte Tücher oder gravierte Silbergefäße, welche aber auf keine bedeutende Kunstfertigkeit deuteten. Für alle diese Gegenstände wurden enorm hohe Geldbeträge gefordert und war die Totaleinnahme zum Baue von heidnischen Tempeln bestimmt. Dieser Bazar war sehr ausgedehnt, aber noch größer war der anliegende, für das Volk bestimmte Teil des Bazars, in welchem sich überaus viele Spiel-, dann auch Speisebuden, Theater und Singspielhallen befanden und in welchen sich die Leute manch mal massenhaft zusammendrängten. Bei alle dem kam es nirgends zu lärmenden Szenen, Siamesische Schauspielerinnen, sondern Überall, in den dichtgefüllten Schauspielhäusern sowie bei den unzähligen Spielbanken, verlief alles in bester Eintracht und Ruhe. Die Siamesen sind, ebenso wie die Chinesen und viele Tropen Völker, sehr friedliebender Natur.
Das vorstehende Bild zeigt siamesische Schauspielerinnen.
Die Kostüme der Schauspielerinnen sind farbenprächtig und mit Gold und Edelsteinen reich geschmückt, haben auch oft den Wert von mehr als 1.000 Kronen. Dieselben gehören aber nicht den Schauspielerinnen, sondern dem Theatereigentümer. Die Schauspieler zählen meist in die Klasse der Schuldsklaven und der von ihnen in dieser Eigenschaft geborenen Kinder, welche auch Sklaven sind. Das Schauspiel der Siamesen ist weit besser als jenes der Chinesen, denn hier kommt doch mehr Handlung zum Ausdruck, und hier sind die Gesänge etwas melodiöser als dort, wenn auch hier so wie dort die Instrumentalmusik roh und lärmend ist. Die Theateraufführungen stellen Szenen aus der siamesischen Göttersage dar.
Während der Rückfahrt von diesem Bazar um 11 Uhr nachts kamen wir an einem hell erleuchteten Tempel vorbei, aus welchem Musik ertönte. Wir fanden dort eine freistehende gedeckte Halle, in der einige Siamesen aus einem Phonographen alle möglichen europäischen Tonstücke erklingen ließen. Es geschah dies zur Weihe dessen, dass in den nächsten Tagen in dieser Halle ein gestorbener reicher Siamese aufgebahrt werden sollte, um dann an der Verbrennungsstätte (Wat Saket) auf einem steinernen Altare in feierlicher Weise verbrannt zu werden und sich hierdurch dem Nirwana, der Auflösung in das Nichts, mehr zu nähern. In der weiteren Folge während dieser Nachtfahrt wurde ich auch gewahr, dass die in Bangkok befindlichen unzählbar vielen Hunde die ähnliche hygienische Säuberung vornehmen, wie diese von den Hunden in Konstantinopel ausgeführt wird.
Am 16. Dezember früh machte ich mit Herrn Gente auf seinem Dampfboote eine Fahrt auf dem Menam und dann auf Seitenkanälen bis zu seiner Reisschälfabrik.
Der Menam in Bangkok.
Die Fahrt durch die Stadt auf dem Menam habe ich schon beschrieben. Ich will demnach hier nur anführen, dass auf dem Fluss eine lange Reihe von Dampfschiffen des Norddeutschen Lloyd aus dem Grunde unbeschäftigt zu sehen waren, weil der Reisexport aus Bangkok nach Hongkong teils wegen der schon beschriebenen unsicheren Münzverhältnisse und teils wegen der ungünstigen Nachrichten über die Reisernte in China und der daraus voraussichtlich folgenden Steigerung des Reiswertes auf einige Zeit zurückgehalten wurde.
Die Fahrt auf den Seitenkanälen hat einen eigenen Reiz. Da geht es oft durch sich dicht oben schließende Laubengänge von gewaltig großen Tropenbäumen, vorbei an den schon beschriebenen einfachen Häuschen oder auch an reichen Tempeln mit ihren Pagoden und vorbei an dichtem Tropenbuschwerk, aus welchen die langstieligen und langblätterigen Kokos- und Bananensträucher, sowie auch viele buntfarbige Blüten und Früchte die Blicke besonders auf sich ziehen.
Der Seitenkanal in Bangkok.
Die Reisschälmühle des Herrn Gente ist ein ausgedehntes mehrstöckiges Gebäude, in welchem die Maschinen den ausgedroschenen Reis, welcher dem Hafer ähnlich sieht, von der Hülle loslösen, reinigen und nach Größe sortieren. Die siamesischen Grundbesitzer führen in großen Booten den ausgedroschenen Reis zum Verkaufe zur Fabrik, und lässt es der Käufer zu, dass der Siamese ihn bei dem Ausmessen des Reises übervorteilt, weil dies eben dort schon seit langer Zeit so Sitte ist.
Am Nachmittag des 16. Dezember sandte ich den Brief, welchen ich von dem siamesischen Gesandten in Berlin für den Sekretär des Ministers des Äußern erhalten hatte, an den Adressaten und machte mit dem Konsul Gente dem Minister des Äußern, einem Bruder des Königs, einen Besuch, während welchem ich auch meinem Wunsche Ausdruck gab, von dem König in Audienz empfangen zu werden, und die Bitte stellte, in militärische Einrichtungen Einsicht nehmen zu dürfen. Hierauf machte ich noch mit dem Konsul einen Besuch dem eben auf einige Zeit nach Bangkok gelangten Ministerpräsidenten von Japan, Manjiro Inagaki, den ich von meiner vier Jahre früher unternommenen Reise nach Japan her kannte. Hierauf besuchte ich noch den schon erwähnten Deutschen Klub, und traf dort den in Siam lebenden Österreicher Herrn Baumann. Nach dem Diner fuhr ich noch einmal in den schon geschilderten sehr interessanten Jahresbazar, machte dort die Bekanntschaft des Österreichers Herrn Bock, welcher in Siam eine Eisenbahnstrecke erbaut hat und nun Besitzer eines Steinbruches, sowie der dazu gehörigen Fabrik ist, und trank mit demselben in der Bazar-Restauration ein Glas Pilsner Bier, welches aber nur durch den Namen an das heimatliche Bier erinnerte.
Die Reisschälmühle und das Brustbild des Herrn Gente.
Am 17. September vormittags hatte ich das Vergnügen, eine drei Stunden währende Fahrt in einem sehr seicht gehenden kleinen Dampfboote des Herrn Gente auf vielen der die Stadt durchschneidenden und umgebenden Kanäle zu machen und den Anblick der oft sehr schönen und meist sehr interessanten Ufer zu genießen. Die nachstehenden Bilder können nur annähernd die Vorstellung der Schönheit und Pracht derselben geben, denn es fehlt ihnen das Leben, die Farbe, sowie auch der Gesang der auf Bäumen und in Büschen sitzenden buntfarbigen Tropenvögel.
Am Nachmittag besuchte ich den permanent . bestehenden Volksbazar, um dort die Erzeugnisse des Landes kennen zu lernen und allenfalls hübsche oder doch ansprechende Gegenstände zu kaufen. Nach der Besichtigung dieses mehrere tausend Meter langen Bazars kam ich aber zur Erkenntnis, dass die Siamesen in ihrer Volksentwicklung noch sehr weit zurückgeblieben sind, denn außer den Nahrungsmitteln der aller einfachsten Sorte, gab es dort nur noch wenige Bekleidungs- und Haushaltungsgegenstände der primitivsten Gattung und sehr schlecht ausgeführte Buddah-Figürchen. Die Siamesen sind eben ganz bedürfnislos und kennen weder ein Streben nach dem Aufschwung des Geistes, noch nach der besseren Gestaltung des leiblichen Wohles. Dennoch könnten sie, bei dem ihnen eigenen Frohsinn, verhältnismäßig glücklich genannt werden, wenn sie nicht dem entsetzlichen Aberglauben und der maßlosen Spielwut verfallen wären.
Uferbild von einem Kanal in Bangkok.
Uferbild von einem Kanal in Bangkok.
Am 18. und 19. Dezember besichtigte ich eine große Zahl von sehr merkwürdigen Objekten. Vorerst führte mich der Konsul auf den Rennplatz, wo gerade von dem Oberststallmeister des Königs einige Pferde desselben trainiert wurden. Der Rennplatz hat einen Umfang von 2.000 m und ist eben mit großen Kosten neu hergerichtet worden. Da nun aber die Rennbahn einen noch zu weichen Boden hat, so dürfen im gegenwärtigen Jahre nur Pferde der kleinen Rasse darauf laufen, und es werden sich erst im folgenden Jahre die großen, zumeist aus Australien eingeführten Pferde auf derselben im Rennen messen dürfen. Die kleinen Pferde sind zirka 1,1O m hoch, haben einen guten Rücken, oft ein recht schneidiges Temperament und anerkennenswerte Ausdauer. Dieselben stammen meist aus Siam. Die besseren Sorten sind aus Java und aus Sumatra eingeführt, und unter den letzteren haben jene aus Deli den besten Ruf. Trainiert wurden zur Zeit, als ich am Rennplatze war, vier Pferde. Dieselben waren mit Wischzaum gezäumt, mit Pritsche gesattelt und wurden von siamesischen Jockeis geritten. Wohl haben diese jungen Leute nach ihrem Körperbau die Eignung zu einem Jockei, doch fehlen ihnen die Kenntnisse und Geschicklichkeit desselben. Es war sogar ein recht komischer Anblick, diese Leute auf den kleinen Pferdchen mit unruhiger Zügelhaltung, krampfhaft an das Pferd gepressten Beinen und schwerfälligem Sitz dahinstürmen zu sehen. Unter den Pferdchen war eines, welches einen sehr schönen, seiner Größe entsprechenden Galoppsprung zeigte.
Vom Rennplatze fuhren wir mit dem königlichen Oberststallmeister, einem sehr netten, jungen siamesischen Kavallerieoffizier, zu dem königlichen Pferdestall-Etablissement, in welchem sich etwa 50 Pferde und Füllen der vorbeschriebenen kleinen Rasse befanden. Die Ställe sind für das heiße Klima sehr verständnisvoll gebaut. Sie sind 4 m hoch und die Wände bestehen in den oberen 2 m ringsum aus voneinander getrennten Stangen. Auch der Boden ist aus voneinander getrennten Dielen gebildet, doch derart, dass die Pferde nicht durchtreten können. Etwa 1 m unter dem beschriebenen Dielenboden befindet sich eine aus Zement erzeugte, nach einer Seite geneigte Fläche, von welcher der Unrat abfließt. Die Ställe sind daher luftig und rein. Angrenzend an die Stallungen sind viele Ausläufe für die Pferde errichtet. In diesen Stallungen stand auch ein sehr schöner Lipizzaner-Schimmel, welchen der König vor zwei Jahren von Seiner Majestät unserem Kaiser und König zum Geschenk erhalten hat. Dieses bildschöne Pferd befand sich aber in einem erbärmlichen Zustande. Die Schulterblätter ragten weit vor, der Hals war ganz abgemagert, der Leib aufgedunsen und die Hufe ringförmig deformiert. Das Pferd soll nach seiner Ankunft in Siam zuerst viel zu wenig und hernach viel zu viel Bewegung erhalten haben und hat jedenfalls eine sehr schwere Akklimatisationskrankheit durchgemacht. Dasselbe scheint nun, nach dem Blicke der Augen zu schließen, in der Heilung begriffen zu sein und dürfte bei der rationellen Behandlung, welche der jetzige Oberststallmeister angeordnet hat, in einiger Zeit genesen sein. Das Pferd wird nämlich täglich zur kühleren Morgen- und Abendzeit je eine Stunde herumgeführt, tagsüber oftmals entsprechend gefüttert und getränkt und außerdem an jedem Tage eine Stunde lang in einen gut hergerichteten Lehmstand eingestellt.
Der Palast des Königs.
Von dort fuhren wir zu der am Menamflusse gelegenen, mit einer Steinmauer umgebenen Königsstadt, in welcher sich der vorstehend bildlich dargestellte Königspalast, ferner eine große Zahl von anderen Palästen für die Frauen des Königs und für viele Minister, die herrlichsten Tempel und Pagoden, sowie ein prachtvoller Park befinden. Märchenhaft schön ist dieser Anblick! Die vielfältigen Türme und Türmchen, die ornamentierten Dächer und Seitenwände glitzern und leuchten in Gold und buntfarbigem Porzellan, und überall stehen mächtige, aus Stein erbaute Riesen mit fratzenhaften Gesichtern, sowie Figuren von überlebensgroßen Elefanten. Die sogenannten weißen Elefanten werden in Siam heilig gehalten.
Die Vorhalle des Königspalastes.
Der Thronsaal.
Das Innere des Palastes ist feenhaft reich und farbenprächtig. Der Thron besteht aus massivem Gold, ist mit Edelsteinen reich besetzt und über demselben steht ein neunstöckiger goldener Schirm. In allen Räumen findet man eine Pracht und Herrlichkeit, die kaum zu beschreiben ist. Von einer Eigentümlichkeit will ich aber noch Erwähnung machen: Seitwärts der Eingänge in die Säle stehen große, sehr reich ornamentierte Vasen, welche die Bestimmung der Spucknäpfe haben, die in dem Lande, in dem das abscheuliche Betelkauen allen, Hoch und Niedrig, anhaftet, sehr notwendig sind.
Die nachfolgenden Bilder können nur in geringem Maße eine Darstellung geben von der Großartigkeit, dem Reichtum und der Farbenpracht der zum königlichen Palaste gehörenden Tempel samt Pagoden Hallen und Statuen. In einem Tempel befindet sich ein Buddha reich vergoldet in ruhender Lage, 50 m lang und über 10 m hoch, in einem zweiten Tempel ein solcher in sitzender Stellung, etwa 60 cm hoch, der Körper aus einem Stücke Nephrits und der Kopf aus einem Stücke Smaragds erzeugt; in einem dritten Tempel sind die in Siam bestehenden Orden auf der Decke des Tempels gigantisch dargestellt und mit Gold und Edelsteinen verziert.
In den Tempeln befanden sich auch viele Kleinodien, darunter kostbare Puppen, welche von den Siamesen als Opfergaben für erfüllte Wünsche oder in Hoffnung der Erfüllung von Wünschen gespendet wurden. Der zu den Tempeln gehörende Raum ist sehr ausgedehnt und mit Bäumen, besonders mit Ficus religiosa, bestockt. Von den in Bangkok bestehenden 300 Tempeln soll noch der großartigste und am meisten auffallende Bau von Bangkok erwähnt werden. Es ist dies der einer Riesenpyramide ähnliche Tempel „Wat Tscheng" mit zahlreichen übereinander stehenden Terrassen, geschmückt mit Arabesken, Blumenformen, Tier- und Menschengestalten und brillierend in den mannigfachsten Farben, die gebildet sind durch Millionen und Millionen von Porzellan- und Glasteilen, aus welchen die tausendfältigen Formen zusammengesetzt wurden.
Ein Tempel in der Königsstadt zu Bangkok.
Ein Tempel in der Königsstadt zu Bangkok.
Eingang in einen Tempel in der Königsstadt zu Bangkok.
Ein Elefantengötze in der Königsstadt zu Bangkok.
Die Rückseite eines Tempels und Pagoden in der Königsstadt zu Bangkok.
Eine Halle in der Königsstadt zu Bangkok.
An den Eingängen zu den Tempeln befinden sich gewöhnlich Riesenstatuen mit fratzenhaften Gesichtern, welche die Bestimmung haben sollen, die bösen Geister vor der Annäherung abzuwehren. Wie das nachstehende Bild zeigt, haben die Siamesen auch Männer mit aufgesetzten Zylinderhüten als solche Tempelwachen dargestellt. Noch will ich davon Erwähnung machen, dass ich die in der Königsstadt in vier prächtigen Stallungen untergebrachten vier sogenannten weißen Elefanten, welche in Siam für heilig gehalten werden, besichtigte. Die Angabe der weißen Farbe ist aber nur ein Märchen, denn dieselben haben nur wenige graue Haare an der Stirne oder an den Ohren. Wenn man in den Stall eintritt, schlagen dieselben infolge Aufforderung ihrer Wärter mit dem Rüssel nach aufwärts an ihre Stirnen, welche dann einen hohlen Klang geben. Die Wärter nehmen dafür sehr gerne eine Belohnung an.
Der Tempel „Wat Tscheng" in Bangkok.
Ein Tempeleingang mit Wachen in Zylinderhüten.
Durch die Vermittlung des Ministers des Äußeren konnte ich eine Infanteriekaserne und die dort untergebrachte Kadettenschule, sowie auch die Marinekaserne mit dem ganzen Marine-Etablissement besichtigen. Es war den Truppen diese Besichtigung aber angesagt worden, deshalb wurden dieselben mit ganz neuen Uniformen adjustiert, sowie auch die Betten usw. mit ganz neuem. Material versehen. Wohl anerkannte ich die mir hierdurch erwiesene Ehrenbezeigung, aber es entging mir dadurch die richtige Beurteilung über die gewöhnlich bestehende Ordnung und Sauberkeit. Somit kann ich nur sagen, dass die Truppen bei der Besichtigung eine gute soldatische Haltung und ein disziplinmäßiges Benehmen zeigten, sowie dass allenthalben die sorgsamste Reinlichkeit und Ordnung herrschte.
In die Infanterie-Kadettenschule treten die siamesischen Knaben im Alter von sechs bis zehn Jahren ein, bleiben in derselben acht Jahre, lernen dort Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen, englische Sprache, Geographie und Militärreglements, und treten dann als Kadetten in die Infanterie-Regimenter ein, um dort zu Offizieren befördert zu werden.
Die Marinewerkstätte und die Marinedocks sind klein und nur in beschränktem Maße eingerichtet. In dem genannten Arbeitslokale stellte sich mir der Österreicher Herr Suppancich, welcher dort als Beamter angestellt ist, vor und erzählte mir, dass er schon eine lange Reihe von Jahren von der Heimat entfernt und in seiner jetzigen Stellung recht zufrieden sei, dennoch aber sich sehr darauf freue, dereinst wieder mit seiner neugegründeten Familie in sein Heimatland zurückzukommen.
Eine Marine-Kadettenschule befindet sich in der Errichtung und soll nach den gleichen Grundsätzen wie die Infanterie-Kadettenschule organisiert werden. Die Marinesoldaten machen einen weit besseren soldatischen Eindruck als die Infanteriesoldaten. Kavallerie gibt es nur eine geringe Zahl, und es werden die Kavalleristen hauptsächlich im Ordonnanzdienste verwendet.
Die mich am Eingange der Kasernen empfangenden siamesischen Truppenkommandanten waren gegen mich sehr zuvorkommend. Sie benützten als Dolmetsch einerseits einen Oberst, welcher Militärattaché in Paris war und geläufig französisch sprach, und andererseits einen Oberstleutnant, der als junger Offizier im k. u. k. 7. Dragoner-Regiment unseren Kavalleriedienst lernte und jetzt noch ganz gut deutsch sprach. Die Truppenkommandanten luden mich nach der erfolgten Besichtigung vorerst zu einer Erfrischung und später, als es Mittagszeit war, zu dem Tiffin in dem Marineoffiziers-Speisesaal ein. Noch vor dem Tiffin ließ der Marineoberst Champagner, zu dem Tiffin Bier und nach dem Tiffin Sherry servieren. Das Mahl bestand nach der Landessitte aus Reis und mehreren verschiedenartig gewürzten Gerichten, welche gleichzeitig auf einen Teller zu gelangen haben und dort vor dem Genusse zu vermengen sind. Es ist dies die gleiche Speiseweise, welche die Holländer in Java annahmen und nach welcher in den dortigen Hotels das Tiffin oder der Lunch serviert und gegessen wird.
Am 19. Dezember nachmittags machte ich dem in Bangkok residierenden katholischen Bischof einen Besuch und am 20. Dezember nachmittags wohnte ich in dem katholischen Etablissement der dramatischen Vorstellung und der Preisverteilung an die zur katholischen Religion übergetretene siamesische Jugend bei.
Die katholische Hauptkirche in Bangkok.
Das katholische Etablissement besteht aus einer schönen katholischen Kirche, deren Bild nachstehend dargestellt ist, dann aus einem Palais für den Bischof, ferner aus einer großen Schule und aus Gebäuden für die übrigen Geistlichen. Der Bischof besitzt noch ein Palais in der Umgebung von Bangkok. Im Königreiche Siam sind bis jetzt schon zwölf katholische Kirchen erbaut worden, doch sind ungeachtet dessen, dass dem Übertritte zum christlichen Glauben seitens der siamesischen Regierung keine Schwierigkeit gemacht wird, bis jetzt nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von Siamesen der katholischen Religion beigetreten. Der Bischof sowie die Geistlichen gehören der französischen Nation an und verfolgen bei der Konvertierung der Siamesen auch das Ziel, ihre Religionsgenossen zu politischen Anhängern der französischen Nation heranzubilden. Hierzu werden diese Religionskinder mit allen Mitteln in ihrem weiteren Fortkommen unterstützt, die Erreichung ihrer Wünsche gefördert, die besten Schüler nach Möglichkeit bei der siamesischen Regierung untergebracht und dann fortwährend in inniger Beziehung mit der Geistlichkeit erhalten. Mit Rücksicht auf den aggressiven Charakter der Franzosen als Nachbarn von Siam und im Hinblick auf die an der andern Seite von Siam befindlichen Engländer ist diese Tätigkeit der französischen Geistlichkeit nicht zu unterschätzen. In dieser Richtung soll dargetan werden, dass sämtliche in Siam befindlichen Europäer anderer Nationen, speziell die Industriellen und Handelsleute, für die Engländer weit mehr Sympathie hegen als für die Franzosen.
Die dramatische Vorstellung der siamesischen Jugend bestand aus Chören und Duos, sowie aus einem kleinen englischen Schauspiel und einer kleinen französischen Operette, und lieferte den Beweis, dass diese Jugend recht bildungsfähig ist. Während einer Pause reichten die Geistlichen den zahlreichen Gästen eine opulent ausgestattete Jause. Die französische Geistlichkeit verstand es, sich durch verschiedene Unternehmungen, speziell durch den Bau und den Betrieb einer Reisschälfabrik, die für ihr Missionswerk nötigen Geldmittel zu verschaffen.
Bei dieser Gelegenheit will ich berichten, dass mir von glaubwürdigen Personen mitgeteilt wurde, es bestehe in norddeutschen Hafenstädten eine namhafte Partei, welche die entgegengesetzte Richtung, nämlich den Übertritt vom christlichen zum buddhistischen Glauben, ernstlich in Erwägung ziehe. Der Beweggrund soll darin liegen, die gleiche Friedfertigkeit und Zufriedenheit zu erlangen, die den Buddhabekennern durchgehends eigen ist.
Ohne mich in eine Polemik über die ohnehin anerkannten hohen Vorzüge der christlichen Religion gegen die Heidenlehren einzulassen, will ich vorerst darauf hinweisen, dass die Heidenvölker kein höheres Streben kennen, deshalb wohl stets mit allem zufriedengestellt, aber auch in der Entwicklung zurückgeblieben sind, während in den christlichen Völkern ein hoher Aufschwung, ein ernstes Streben nach Vervollkommnung, ein stetes geistiges Vorwärtsschreiten und ein Verlangen nach besserer Lebensführung herrschen, die ein fortgesetztes Ringen erheischen, wobei ein behagliches Befriedigtsein kaum Wurzel fassen kann. Auch die Weltgeschichte lehrt uns, dass die in der Entwicklung zurückgebliebenen Menschenrassen den hochentwickelten Völkern des christlichen Glaubens Untertan wurden, und es besteht kein Zweifel, dass dies auch weiter so bleiben wird. Selbst jene Heidenvölker, welche eine etwas höhere Stufe der Kultur einnehmen, können doch die Intelligenz der Christenvölker nicht erreichen. So haben die Japaner in den letzten Dezennien, dank ihrer Nachahmungsgabe und ihrer manuellen Geschicklichkeit, wohl anerkennenswerte Resultate erzielt, aber in ihrem Fortstürmen nach den Errungenschaften der Kultur haben sie schon so viele üble Eigenschaften der Kulturvölker in sich aufgenommen, dass zu vermuten ist, sie werden nie auf jene Höhe, die sie schon erreicht zu haben wähnen, gelangen, sondern es wird ihnen ihre Reputation wie eine Fata Morgana verschwinden. Das in alter Zeit sehr intelligente Volk der Chinesen blieb seit 1.000 Jahren in der Entwicklung stehen, ging demnach in seiner Intelligenz stark zurück. Die den Chinesen gebliebene Schlauheit und Ausdauer benutzen sie zur Übervorteilung der tiefer stehenden Völker, wie Siamesen, Inder, Malaien usw., doch gegen die dem christlichen Glauben angehörenden Völker werden die Chinesen nicht aufkommen. Von jenen werden sie in den Banken, Hotels, Verkaufshallen, Schiffen und bei der Bodenkultur verwendet, aber weiter hinauf werden sie nicht gelangen. Mit einem Worte, die zur tief stehenden Menschenrasse gehörenden Heidenvölker sind naturgemäß dazu bestimmt, den hochentwickelten Völkern des christlichen Glaubens untergeordnet zu sein und zu bleiben.
Am 20. Dezember besichtigte ich Vormittag das Museum. Auf dem nächsten Bilde ist das vom Museum aus fotografierte Gebäude des siamesischen Finanzministeriums dargestellt.
Das Gebäude des Finanzministeriums in Bangkok.
Im Museum wurde ich von den reichen Schätzen, die dort aufbewahrt sind, in hohem Maße überrascht. In dem ersten großen, rot tapezierten Saal standen mehrere alte Thronstühle, reich mit Gold und Edelsteinen geschmückt, dann auch zwei Goldthronsessel zum Tragen des Königs und der Königin bei Prozessionen, daneben aus Gold und Silber künstlerisch erzeugte Bäume, ein aus Elfenbein verfertigtes Bett, eine beträchtliche Zahl von 1 1/2 — 2 m langen Elfenbeinzähnen, in einigen von ihnen sind goldene Buddhas und Zieraten ausgeschnitten, Buddhafiguren in Edelsteinen gefeilt, Buddhas und Ungeheuer aus Gold oder Bronze erzeugt u. s. w. In den anderen Sälen gab es reiche Sammlungen von ausgestopften Tieren, Mineralien und Muscheln, dann Käfern und Schmetterlingen und endlich auch eine Sammlung von allen einheimischen Holzgattungen. Ein Saal war gefüllt mit Porzellangegenständen, gold- und silbergestickten Stoffen, mit Perlmutter eingelegten Schachteln u. s. w., welche vermutlich sämtlich aus China stammten. Zwischendurch standen kolossale Figuren mit ungeheuren Waffen und gräulichen Fratzen, sowie alte Kanonen, mit Gold eingelegte Lafetten, eine Goldobeliske u. dgl. mehr. Ein enormer Reichtum war dort aufgestapelt und repräsentierte augenfällig die kolossale Wohlhabenheit dieses Landes.
Zur vollen Erkenntnis des Volkslebens in Bangkok besuchte ich am 20. Dezember abends in Begleitung des liebenswürdigen Herrn Mohr, des Kompagnons des Herrn Gente, eines der vielen dort bestehenden Spielhäuser, welche sämtlich von Chinesen gehalten werden, die hierfür der Regierung wohl große Steuern zahlen, dafür aber das von der Spielwut besessene siamesische Volk ausbeuten. Diese Etablissements sind sehr ausgedehnt. In dem ersten großen, gedeckten Raum befinden sich etwa acht bis zehn Spielbanken, das sind auf dem Boden gezeichnete, in vier Felder geteilte Kreise, in welche die Mitspieler nach ihrer Wahl das Geld setzen. Die Entscheidung für den Gewinn oder Verlust wird dadurch herbeigeführt, dass der Bankhalter eine größere Zahl von Kugeln zur Seite nimmt, von diesen so lange je vier Kugeln wegnimmt, bis dann 1, 2, 3 oder 4 Kugeln übrig bleiben. Die erübrigende Zahl gibt das Feld an, dessen Einsätze gewonnen haben. Um alle diese Spielbanken hocken die Siamesen, Männer, Frauen und Kinder, in sehr großer Zahl, setzen oft sehr ansehnliche Beträge, deren Besitz man ihnen nach ihrem Aussehen gar nicht zugetraut hätte, und verlieren und gewinnen mit einer Ruhe, wie solche bei europäischen Hazardspielern kaum wahrzunehmen ist. Dabei sind dort die Frauen des vorgeschrittenen Alters am häufigsten tätig, so wie dies bei uns in den semitischen Kreisen der Fall sein soll.
Neben diesem Spielraum befindet sich ein beinahe ebenso großer Raum, in welchem die ganze Nacht hindurch Theater gespielt wird und in welchem die Schauspielerinnen von dem Etablissementbesitzer mit so reichen Kleidern ausgestattet werden, wie dies eingangs schon erzählt wurde. Endlich gelangt man von diesem Raum in kleine, halberleuchtete Zellen, in welchen die Opiumraucher sich ihrem gräulichen Laster hingeben. Der Etablissementbesitzer hat demnach dafür Sorge getragen, dass der leichtlebige Siamese während der ganzen Nacht bei ihm Unterhaltungen findet, und sieht mit Recht vorher, dass dieser sein Geld an der Spielbank verlieren werde. Der Etablissementbesitzer verlangt darum auch keine Eintrittsgelder, weder in die Spielhöhle, noch zum Theater, zahlt seine hohe Steuer und gewinnt dennoch sehr große Summen.
Für den 21. und 22. Dezember war eine kleine Reise nach dem königlichen Lustschlosse Ban-Pa-in und nach der ehemaligen Königsstadt Ajuthia, beide an dem Menamflusse gelegen, in Aussicht genommen, welche ich mit dem Konsul Gente zu machen gedachte. Hierzu wurde in freundlichster Weise von der königlichen Marine ein Dampfboot mit einem daran angehängten Kajütboot und vom königlichen Hofstaate in huldvoller Weise eine königliche Villa in Ban-Pa-in zur Verfügung gestellt. Die Fahrt in einem angehängten Boote hat für den Reisenden die Vorteile, von dem heißen Dampfkessel entfernt zu sein und in demselben ruhiger als in dem Dampfboote über das Wasser hinzufahren. Auf dem nachstehenden Bilde sind das Dampfboot mit dem Vorderteil des daran gehängten Kajütbootes und die zwei uns mitgegebenen siamesischen Matrosen dargestellt.
Eine Bootfahrt von Bangkok nach Ban-Pa-in.
Um ½ 8 Uhr des 21. Dezember fuhren wir, auf bequemen Rohrfauteuils sitzend, auf dem Menam flussaufwärts ab, gingen aber dessen ungeachtet mit der Strömung vor, weil die Meeresflut zu dieser Zeit ihre Wässer viele Kilometer weit nach vorwärts treibt. In der Zeit der Ebbe fließt das Wasser wieder dem Meere zu. Wieder bereitete mir die Fahrt auf dem Menam und die Betrachtung der wechselnden Bilder an den beiden Ufern ein großes Vergnügen. Die zwei nebenstehenden Kopien von Photographien zeigen Landschaftsbilder, wie sich solche viele Kilometer weit flussaufwärts ausdehnen.
Durch die rasche Fahrt wurde eine so starke Zugluft erzeugt, dass ich — in dem heißen Siam — eine Decke auf mich legen musste. Um 12 Uhr mittags langten wir in Ban-Pa-in an und wurden dort von dem königlichen Hausinspektor in die für uns bestimmte königliche Villa, bestehend aus 1 Sitz-, 1 Speise-, 2 Schlaf- und 1 Badezimmer, diese umringt von einer großen Veranda, geführt. Die Einrichtung der Zimmer war recht einfach, so z. B. bestand dieselbe im Schlafzimmer nur aus 1 Netzbett, 1 Waschtisch und 1 Nachtkästchen. Das Porzellangeschirr war sehr schön, ja es waren sogar auch Schwamm, Kopf- und Zahnbürste (!) bereit gelegt worden.
Die Zubereitung der Mahlzeiten erfolgte durch einen von Herrn Gente mitgenommenen Koch, aus den ebenfalls mitgebrachten Materialien, in der Küche eines Nebenhauses.
Nach dem Tiffln zog ich ungeachtet der Mittags-Tropenhitze mit meinem Jagdgewehre durch die Parkanlagen hinaus, gegen das sich jenseits derselben ausbreitende Steppen- und Waldland, um doch endlich auf ein in unseren Ländern nicht vorkommendes Tier zu Schuss zu kommen. Ich wurde wohl mancher sehr schöner Reiher und anderer buntfarbiger Tropenvögel gewahr, konnte aber, der großen Entfernung halber, nicht auf dieselben schießen. Erst bei meiner Birsche am nächsten Morgen brachte ich etliche Stücke, und zwar Seegeier und Reiher, zur Strecke.
Eine Landschaft am Ufer des Menam nördlich von Bangkok.
Eine Landschaft am Ufer des Menam nördlich von Bangkok.
Von 4 1/2 Uhr bis gegen 6 1/2 Uhr nachmittags besichtigten wir das sehr große, mit einer Mauer abgeschlossene Lustschloss-Etablissement, von welchem die zwei nachstehenden Bilder einen kleinen Überblick geben.
Ein Blick auf den königlichen Lustschlosspark Ban-Pa-in in Siam.
Ein Blick auf den königlichen Lustschlosspark Ban-Pa-in in Siam von einer anderen Seite.
Der weit ausgedehnte Park ist von vielen Teichen und Wasserlinien durchzogen; die letzteren sind mit schönen, hochgeschwungenen Brücken überwölbt, von welchen eine auch als Rutschbahn eingerichtet ist. Die Wege sind asphaltiert, da und dort stehen große Volieren, schöne Blumenbeete und blütenreiche Hecken, und alles ist überschattet von den schönsten, riesig hohen und mächtig sich ausbreitenden Tropenbäumen. In der Nähe der Paläste sieht man dagegen herzige Zwergbäumchen in Porzellanvasen. In einem der Teiche ist der auf dem folgenden Bilde dargestellte, reizend nette Pavillon erbaut.
Ein Pavillon im königlichen Lustschlosse Ban-Pa-in.
Das vorstehend abgebildete Lustschloss des Königs steht auf einer Marmorterrasse, zu welcher vier Marmorstufen emporführen. In dem prächtigen Thronsaale erhebt sich eine mit gelbem Samte überzogene Plattform, auf welcher der mit Goldstickereien überdeckte Thronpolster ruht. Dieser ist von einem roten Samtbaldachin überwölbt und über diesen ragen neun, übereinander befindliche und sich allmählich verkleinernde Königskronen bis an die Decke empor. In einem weiteren Salon hängen zwei große Bilder mit Marinemotiven, in einem kleineren Salon das wunderschöne Kunstbildwerk von Georgio „Der heilige Johannes" (!) und in dem Schreibzimmer des Königs stehen auf seinem Schreibtische Photographien mehrerer seiner Kinder. Sonst befinden sich noch in den vielen Räumen verschiedene schöne Glaskästen mit Gold-, Silber- und Porzellankunstgegenständen.
Von den vielen Villen für die Familie, die Frauen und das Gefolge des Königs zeigt das zweitnächste Bild eine derselben.
Umstehend ist auch die prachtvolle chinesische Villa abgebildet, welche ein chinesischer, in Siam lebender Nabob in einer dem chinesischen Schloss in Peking an Pracht gleichenden Weise im Parke von Ban-Pa-in erbaute und dem Könige zum Geschenke machte. Alles glänzt von Gold und Edelsteinen, die Möbeln sind kunstvoll mit Perlmutter eingelegt, die chinesischen Hängelampen sind mit den reizendsten Bildern bemalt und überall sieht man die schönsten chinesischen Samt- und Seidenstoffe, sehr schön präparierte Tierhäute und chinesische, kunstvoll erzeugte Gegenstände und Figuren.
Das Lustschloss Ban-Pa-in des Königs von Siam.
Eine Villa in Ban-Pa-in für die Familie des Königs von Siam.
Eine chinesische Villa des Königs von Siam.
Einer sonderbaren Laune des Königs verdankt das ganze Etablissement einen Heidentempel, welcher einer im gotischen Stile erbauten katholischen Kirche vollkommen gleicht. Nur das Kreuz auf dem Turme fehlt.
Die beiden nachstehenden Bilder zeigen die Nebenfront des königlichen Lustschlosses und einen im Bau begriffenen Aussichtsturm im Schlossparke.
Ein Aussichtsturm im Schlossparke zu Ban-Pa-in.
Eine Nebenfront des königlichen Lustschlosses in Ban-Pa-in.
Der Sonnenuntergang brachte großartige Farbeneffekte, wie ich solche auch in Bangkok schon öfter bewundert hatte, in der prachtvollsten Weise zur Wirkung. Der Himmel war weit über den Zenit des Beobachters hinaus durchaus dunkelrot glühend gefärbt, und von da lichtete sich die Färbung gegen den westlichen Horizont in der ganzen Breite des Halbkreises allmählich immer mehr ab und verfärbte sich nach und nach in goldiges Gelb, und die Reflexe hiervon auf dem Wasser ließen dasselbe wie flüssiges Gold erscheinen.
Am 22. Dezember wollten wir morgens eben das Schiff besteigen, um nach Ajuthia zu fahren, als ein Angestellter des Herrn Gente im Dampfboote des letzteren anlangte und mir einen Brief des Ministers des Äußern übergab, in welchem derselbe anzeigte, dass mich der König an diesem Tage, dem 22. Dezember, um 5 Uhr nachmittags in Audienz empfangen wolle. Diese Bestimmung, sowie auch der Umstand, dass der Brief des Ministers erst um 11 Uhr nachts in dem Hause des Herrn Gente abgegeben wurde, weist auf manche Zustände in Siam hin. Ich war nämlich für diesen Tag schon zum Besuch der königlichen Villa in Ba-Pa-in, zur Benützung der Marineboote für die Fahrt und endlich auch zur Besichtigung von Ajuthia eingeladen worden, und ein Reisender ist eben oft nicht in der Lage, binnen wenigen Stunden zur Disposition zu sein. Es scheint aber, dass es auch in diesem Falle dem Minister unmöglich war, den König auf die erfolgte, der Audienzzeit entgegenstehende Zusage aufmerksam zu machen
Nur dadurch, dass der Angestellte des Herrn Gente gleich dessen Dampfboot heizen ließ und die ganze Nacht hindurch bis Ban-Pa-in fuhr, und dass von Ban-Pa-in vormittags ein Eisenbahnzug nach Bangkok ging, war es mir ermöglicht, mich zur angegebenen Stunde im Königsschlosse einzufinden. Bei der Audienz war der König sehr huldreich gegen mich, gab seiner hohen Verehrung für Se. Majestät unserem allergnädigsten Kaiser und König Ausdruck, erkundigte sich um das Befinden Ihrer k. u. k. Hoheiten der durchlauchtigsten Herren Erzherzoge und gab auch seine besondere Hochschätzung für Se. Majestät ersten Generaladjutanten kund.
Bei dieser Audienz war ich von unserem Honorarkonsul Gente und von dem Minister des Äußern begleitet.
Bezüglich meiner Eisenbahnfahrt von Ban-Pa-in nach Bangkok will ich noch mitteilen, dass die Eisenbahnzüge nur Wagen II., III. und IV. Klasse führen, dass die Wagen II. Klasse salonartig geformt und mit Rohrsitzen versehen sind und dass die Fahrt verhältnismäßig langsam vor sich geht. In dem Waggon II. Klasse, in den wir einstiegen, befand sich der Österreicher Candutti, welcher schon längere Zeit in Siam weilte, dort auch eine 20 km lange Eisenbahn nach Prabat, dem heiligen Wallfahrtsorte der Buddhisten, erbaute und jetzt eben an der Weiterführung dieser Bahn arbeitet. Derselbe beging die Unvorsichtigkeit, in die Frucht eines der Bäume des Urwaldes, in welchem er eben arbeiten lässt, zu beißen. Hierdurch zog er sich eine solche Entzündung der Mund- und Rachenschleimhäute zu, dass er nichts mehr schlucken, ja kaum mehr reden konnte. Aus diesem Grunde fuhr er nach Bangkok, um sich dort heilen zu lassen. Ich will dieser Erzählung gleich beifügen, dass Herr Candutti eine Woche später vollkommen genesen war.
Was die Eisenbahnen betrifft, so hat Siam deren noch sehr wenige, denn abgesehen von den beiden eben genannten Bahnen, besitzt es nur noch die 20 km lange Eisenbahnlinie von Bangkok nach Paknam im Mündungsgebiete des Menamflusses. Ein reiches und gut geführtes Eisenbahnnetz ist aber auch für dieses Reich von der höchsten Wichtigkeit, um die im Innern des Landes noch ruhenden riesigen Schätze an Holz und Metallen verwerten zu können. Es wäre wünschenswert, wenn kapitalkräftige Konsortien unseres Reiches diese voraussichtlich sehr ertragreichen Eisenbahnbauten in die Hand nehmen würden. Hierbei darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass der Bahnbau in Siam der Überwucherung des Bodens und der stellenweise bestehenden Malaria halber nicht leicht zu bewerkstelligen ist.
Am 28. Dezember besuchte ich mit dem Konsul den Kommandanten und die OfQziersmesse des tags vorher bei Bangkok angelangten deutschen Kriegsschiffes Tigeb und besichtigte dieses schone und sehr gut gehaltene Kriegsschiff. Bald darauf erhielt ich die Gegenbesuche und am Abend traf ich mit den betreffenden Herren bei dem Diner des deutschen Konsuls Doktor von der Heyde, zu welchem ich geladen war, zusammen. In der übrigen Zeit an diesem Tage befaßte ich mich mit den Vorbereitungen zu meiner Abreise und machte meine Abschiedsbesuche, weil das Schiff Dbli des Norddeutschen Lloyd, mit welchem ich die Rückreise nach Singapore machen wollte, am 25. Dezember zeitlich morgens von Bangkok abdampfen sollte.
Jedenfalls wurde mir die Freude zuteil, dien Abend des 24. Dezember, den Christabend, bei dem Konsuln Gente und im Deutschen Klub zu feiern. Eben für diesen Abend bangte mir vor dem Antritte meiner Reise ein wenig, weil es in meinem Leben das erste mal war, dass ich dieses schöne Freudenfest außerhalb meiner Familie, allein und in fernen, fremden Ländern verleben sollte. Nun aber wurde ich von Herrn Gente zu dieser Festfeier eingeladen, und dann erhielt ich auch eine Einladung vom Deutschen Klub zur Anteilnahme an der dort abzuhaltenden Christabendfeier. Ich gestehe es, dass ich eine sehr große Freude über diese zwei Einladungen empfand. Es waren aber sowohl die Anordnungen zur Feier dieses Festes so schön getroffen, als auch die Gemüter in eine solche Festesstimmung versetzt, dass ich mich wahrend der Teilnahme an derselben wahrhaft sehr beglückt fühlte. Bei Herrn Gente gab es vorerst ein der Weihe des Festes angemessenes, sehr schön arrangiertes Diner, bei welchem derselbe in einem Trinkspruche auch meiner Lieben in der Heimat gedachte, und nach demselben wurden die Lichter des im Salon befindlichen, reizend aufgeputzten Christbaumes angezündet und von den Anwesenden das Christlied gesungen. Die Herrichtung des Christbaumes hatten die bei Herrn Gente angestellten jungen Herren sehr geschickt besorgt, und dies war nicht ganz leicht, denn sie wollten einen heimatlichen Tannenbaum, der dort nirgends wächst, darstellen. Hierzu hatten sie vorerst ein dem Tannenbaume ähnliches Gerippe aus Bambusstäben erzeugt und dann diese Stäbe mit grünem Moose so gut umwickelt, dass man wirklich einen Tannenbaum zu sehen meinte. Während der Besichtigungen des mit sehr viel Lichtern beleuchteten und mit vielfachem Zierrat und mit Leckerbissen aufgeputzten Baumes wurden Knallbonbons gezogen und die in denselben geschriebenen Wunschreime belacht. Nachdem ich an diesem herzlich lieben Feste mit voller Befriedigung und mit aufrichtig tiefer Dankbarkeit gegen Herrn Gente teilgenommen hatte, fuhren wir zum Deutschen Klub. Dort waren alle Räume festlich beleuchtet. In dem großen Saale stand ein, ähnlich, wie vorher beschrieben, schön hergerichteter, reichlich aufgeputzter und im Lichtmeere erglänzender Christbaum, und an den Wänden standen mit weißen Tüchern bedeckte Tische, auf welchen sich unzählig viele exquisite, reizende und auch recht wertvolle Geschenke, in geschmackvoller Weise aneinander gereiht und mit Gewinnnummern versehen, befanden.
Eine große Zahl von Herren, darunter alle Seeoffiziere des Kriegsschiffes, sowie Damen in schönen und eleganten Toiletten wogte im Saale, und allgemein herrschte eine fröhliche Feststimmung. Da ertönten von der Musikkapelle des Kriegsschiffes die bekannten zwei herzerhebenden Christfestlieder, und in lautem vollen Chor stimmten alle Festteilnehmer ein und sangen sämtliche Strophen dieser ergreifend schönen Lieder. Es war dies wahrlich ein unvergesslich schöner Moment. Hierauf wurden die Lose zur Ziehung verteilt, und dann ging es an das Suchen des gewonnenen Gegenstandes. Da sah man nun ausnahmslos befriedigte, erfreute und frohlockende Gesichter, und als dann die Musikkapelle unsere herrlichen deutschen Tondichtungen zum Vortrage brachte und auch der perlende Champagner serviert wurde, da gab es im ganzen Saale nur Heiterkeit und Entzücken, und diese äußerten sich bei vielen in humoristischen Kundgebungen oder Ulken, wie der Norddeutsche sagt. Der deutsche biedere Charakter mit dem ihm innewohnenden Frohsinn kam da voll zum Ausdrucke.
Das Fest nahm in frischer, lebensfroher Weise seinen Fortgang und endete nach einem splendiden Souper mit der Huldigung Terpsichorens.
Im Hinblick auf meine noch in dieser Nacht nötige Einschiffung und auf die mir vom Herrn Gente in liebenswürdiger Weise zugesagte Begleitung auf das Schiff musste ich noch vor dem Souper von dem mir so lieb gewordenen Kreise der Österreicher und Deutschen in Bangkok scheiden. Stets werde ich jedoch mit aufrichtiger Dankbarkeit zurückdenken an die freundliche Aufnahme bei unserem Honorarkonsul in Bangkok in seinem vortrefflich gehaltenen Hause, an seine zielbewusste Leitung, um in der kurzen Zeit meines Aufenthaltes in Siam mir doch einigen Einblick in das Leben des siamesischen Volkes zu verschaffen, und an all die schönen Unterhaltungen, die er mir bereitet und vermittelt hat, und ebenso werde ich mit großem Vergnügen an die heiteren Stunden zurückdenken, welche ich in dem trauten Kreise der von ihrer Heimat entfernten Österreicher und Deutschen im Deutschen Klub zu Bangkok verlebt habe.
Der König von Siam, Chulalongkorn*), sein voller Name besteht aus 27 Wörtern, ist ein aufgeklärter und milder Monarch, wie ein ähnlicher noch kaum über ein asiatisches Reich herrschte. Er ist ein Fürst, der, umgeben von allergrößter Pracht und Herrlichkeit, und ausgestattet mit despotischer Macht, doch von väterlichem Wohlwollen für sein Volk durchdrungen ist und demselben nach seinem besten Wissen die Vorschriften und Gesetze erteilt. Er schaffte die Sklaverei bis auf jene wegen Schulden ab, verordnete die Duldsamkeit gegen andere Nationen und andere Religionen, untersagte das bis zu seinem Regierungsantritte vorgeschriebene Niederwerfen von Hoch und Niedrig vor seiner Person, ernannte keinen zweiten König mehr, errichtete Schulen und Hospitäler, baute Straßen, über 300 km Eisenbahnen und gegen 5.000 km Telegraphenlinien, organisierte seine Armee von zirka 10.000 Mann teilweise nach europäischem Muster, schuf eine kleine Kriegsflotte, bestehend aus 28 See- und 46 Flussschiffen, die mit 60 Kanonen ausgerüstet sind, und förderte die Vermehrung der Handelsschiffe. Siam hat gar keine Staatsschuld.
*) Chulalongkorn oder Rama V., der Große (1853-1910) war von 1868 an bis zu seinem Tode im Jahre 1910 König von Siam, dem heutigen Thailand. In seiner 42jährigen Regierungszeit öffnete er Siam weiter dem Westen. Er modernisierte sein Militär, das Verwaltungssystem, reformierte das Bildungs- und Rechtswesen, entwickelte die Infrastruktur und schaffte die Leibeigenschaft ab.
Wenn das Volk noch auf einer sehr niederen Stufe der Entwicklung steht, so beruht dies hauptsächlich in der durch den bestehenden monströsen Aberglauben hervorgerufenen Verdummung und in der dem Volke eigenen Trägheit.
Der König steht im 50. Lebensjahre und besaß zwei rechtmäßige Gattinnen, die dem Landesgesetze gemäß von königlichem Blute sein müssen und demnach seine Stiefschwestern waren. Außerdem besitzt der König noch sehr viele Frauen, man spricht von 800, die zumeist aus den ersten und besten Familien des Landes stammen. Die Erwerbung der Gattinnen erfolgt dadurch, dass der König aus der Reihe der Prinzessinnen, seinen Schwestern, eine oder die andere auswählt, eine Zeitlang mit ihr lebt und, wenn sie sein Herz gewonnen hat, dann heiratet. Seine übrigen Frauen sind teils Geschenke, indem die edelsten Familien des Landes dem Könige an seinem Krönungstage ihre schönsten Töchter im jugendlichen Alter als Huldigung darbringen, teils sind sie in der späteren Zeit vom Könige aus eigener Initiative oder über Anempfehlung von Vermittlern gewählt. Diese Mädchen werden im Königspalaste von Gouvernanten erzogen und dann zu Frauen ernannt. Der Unterricht im Harem besteht in Musik, Tanz, Deklamation, englischer Sprache und weiblichen Handarbeiten. Viele der Geschenke, die der König seinen Hofleuten und den Priestern macht, sowie auch Gegenstände zur Ausschmückung der Räume bei königlichen Festen werden von den Frauen des Harems angefertigt.
Die erste Gattin des Königs ertrank im Menamfluss, als sie während einer Bootfahrt bei dem Aussteigen aus dem Schiffe ausglitt, in das Wasser fiel und es niemand von ihrer Begleitung wagte, sie als eine Halbgottheit zu berühren, um sie herauszuziehen. So fand die arme Königin infolge der ihr gezollten göttlichen Verehrung den Tod.
Die auf dem Bilde dargestellte Königin ist des Königs zweite Gattin, die im Lande einen bedeutenden Einfluss ausübt. Ihren ältesten Sohn ernannte der König zum Kronprinzen. Der älteste Sohn seiner ersten Gattin war nämlich gestorben, und der zweite Sohn aus dieser Ehe wurde seines Gesundheitszustandes halber als untauglich für die Thronfolge erklärt.
Die Nachkommen der königlichen Familie werden je nach ihrem Verwandtschaftsgrade in zwölf verschiedene Abstufungen geteilt, doch gelten die Glieder nach der fünften Generation nicht mehr für Abkömmlinge des Königs. Die höchsten Beamten des Reiches, die elf Minister, die Gouverneure in den Provinzen, die Gesandten in den fremden Staaten, die Generale etc. ernennt der König zumeist aus den zahlreichen Prinzen seines Hauses, und so kann das Königreich Siam als eine Familienherrschaft angesehen werden, die von dem Könige und seinen Verwandten verwaltet wird und über deren Erträgnis der König verfügt.
Die Amtsstunden der Behörden beginnen erst nachmittags. Täglich um 10 Uhr abends erstatten die Minister dem Könige im großen Ministersaale ihren Bericht; der König trifft sofort die Entscheidung, gegen die eine Einwendung absolut ausgeschlossen ist. Doch spricht man, dass die Königin und hier und da auch andere Frauen auf die Entschließungen des Königs nicht ganz ohne Einfluss sind. Nachstehendes Bild zeigt den ersten Sekretär im Ministerium des Äußeren.
Der erste Sekretär des Ministers des Äußeren in Siam.
Das Königreich Siam hat einen Flächeninhalt von 634.000 hm2 und ist von 6 1/2 Millionen Menschen bewohnt; es ist daher beinahe so groß wie Österreich-Ungarn, hat aber nur ein Siebentel der Bevölkerung unserer Monarchie; es entfallen daher in Siam im Durchschnitte nicht mehr als 10 Menschen auf einen Quadratkilometer. Nach Volksstämmen ist Siam von 2 Millionen Siamesen, 1 Million Laos, 1,3 Millionen Malaien und 2 Millionen eingewanderten Chinesen bewohnt. Diese Völkerschaften gehören nach den Religionen dem Buddhaismus, dem Brahmaismus und dem Mohammedanismus an. Das Christentum wird durch Missionare verbreitet, von denen die Mehrzahl französischen Ursprungs ist. Sie haben aber bis jetzt noch keine großen Fortschritte gemacht.
Die Siamesen sind kleiner Statur, schlanken, kräftigen Körperbaues; sie haben eine braune Hautfarbe, stumpfe, breite Nase, großen Mund, schwarze Haare, die sie kurz geschnitten tragen. Infolge der Unsitte des Betelnusskauens sind ihre Zähne und Mundhöhlen schwarz. Die Frauen sind zumeist hübscher als die Männer, tragen aber die gleiche Tracht wie diese und sind daher häufig nicht von den Männern zu unterscheiden.
Eine Siamesin der besseren Stände.
Eine Siamesin.
Eine Siamesin mit einem Kinde.
Die Siamesen winden um die Hüfte ein langes Stück Baumwollzeug, jene der besseren Stände ein solches von farbiger Seide, das eine Ende lose zwischen den Knien gezogen und rückwärts um die Mitte des Leibes aufgeknüpft. Mädchen und Frauen tragen häufig über Brust und Rücken eine Schärpe aus Zeug, Männer und Frauen der höheren Stände auch Jacken und farbige Bänder, die wie die Bänder der Großkreuze über die Schulter zur Hüfte gezogen sind. Die Kinder bleiben bis zum sechsten Jahre ganz unbekleidet. Eigentümlich ist die Art und Weise, wie die siamesische Mutter ihr Kind trägt. Die Hauptcharaktereigenschaften der Siamesen sind große Gutmütigkeit und Genügsamkeit, die sie bei jeder Gelegenheit beweisen, dabei aber äußerste Trägheit, die durch das heiße Klima sowie durch die unvergleichliche Fruchtbarkeit des Landes herbeigeführt wurde. Ihre entsetzliche Leidenschaft für das Spiel wird von den Chinesen in ihren Spielhöhlen arg ausgebeutet.
Die in dem nördlichen bergigen Teile des Königreiches wohnenden Laos gehören in die Reihe der Völker, welche mit dem Gesamtnamen Schan, dem Ursprungsworte von Siam, bezeichnet werden. Die Hautfarbe der auf den Bergen lebenden Laos ist hellbraun, jene der in den Tälern lebenden Laos ist etwas mehr dunkelbraun, ihre Köpfe sind gut geformt, die Nasen gerade, die Augen dunkelbraun und lebhaft. Ihre Tracht nähert sich jener ihrer Landesnachbarn, der Chinesen, und ihre Sprache ähnelt jener der Siamesen. Die Laos besitzen Wissbegierde und Keime für eine bessere Entwicklung, sie sind fleißig, aber gewinnsüchtig und leidenschaftlich dem Glücksspiele ergeben.
Die in Siam lebenden Malaien sind kleiner Statur, haben eine kupferbraune Hautfarbe, breite und glatte Nase, großen und breiten Mund mit dicken Lippen, schwarze Augen und Haare, sehr magere Schenkel und Waden. Der Malaie ist meist verschlossen und hart, dabei von gewissenloser Gewinnsucht. Er nimmt leicht fremde Sitten an. Als vorzüglich gute Seeleute sind die Malaien allgemein bekannt.
Die in großer Zahl nach Siam eingewanderten Chinesen gehören, sowie ihre Stammesgenossen der hochasiatischen Rasse an, tragen lange Zöpfe und haben das Vorderhaupt geschoren. Sie sind mittlerer Statur, neigen zur Wohlbeleibtheit und haben ein rundes Gesicht, kleine Nase, kleine Augen ohne Wimpern und dicke Lippen. Die Chinesen sind fleißig, geschickt, sehr mäßig, klug, aber auch betrügerisch, sehr feige, stolz auf ihren Volksstamm und dem Laster des Opiumrauchens stark unterworfen. Sie bereichern sich in Siam und auch in anderen Reichen auf Rechnung der übrigen Völkerschaften des Landes.
Ganz Siam wimmelt von buddhistischen Priestern, die in unzähligen Klöstern wohnen und an ihren glatt rasierten Köpfen sowie an der gelben Toga zu erkennen sind. Wenn sie ihr Leben auch nur durch Betteln fristen, so genießen sie im Volke doch großes Ansehen. Bei allen wichtigen Vorgängen im Leben der Siamesen spielen sie eine große Rolle. Sie fehlen weder bei Geburten, Heiraten, Verbrennungen, noch unternimmt der Siamese irgend ein Geschäft, ohne über dessen glücklichen Ausgang von seinem Priester versichert worden zu sein. Der Glaube, dass es Glücks- und Unglückstage gebe, wurzelt fest im Volke, sowie die Meinung, dass nur der Priester imstande sei, diese Tage zu unterscheiden. Dieser unheilvolle Aberglaube des Volkes wird von den Priestern ausgenützt, ja dieselben befestigen das Volk immer mehr im Aberglauben. Den Priestern ist auch die Leitung der Schulen, anvertraut, in die jeder Siamese von dem Königssohn bis zu dem letzten Jungen in seinem 8. — 10. Lebensjahre eintreten muss. Der Schulbesuch ist freilich unregelmäßig, er kann ein halbes Jahr dauern, aber auch auf drei bis vier Jahre ausgedehnt werden. Die Führung der Schule ist eine ganz klösterliche. Jeder, der eintritt, hat die zehn Gelübde, besonders jenes der Armut und Keuschheit abzulegen. Zum Zeichen, dass dies geschehen ist, wird dem Schüler der ihm bis dahin belassene vordere Haarbüschel auch abrasiert, und er trägt in der Schule, wie die Priester, das gelbe Klostergewand. Nach dem Austritte aus der Schule lässt sich der junge Mann, der sich nicht dem Priesterstande widmet, die Haare wieder wachsen, doch nur auf 3—5 cm Länge, und legt das Klosterkleid ab. Die Priestergelübde sind für jene, die sich dem Stande widmen, nicht lebenslänglich bindend; der Eintritt in das bürgerliche Leben kann ohne große Schwierigkeit jederzeit erfolgen.
Die Hauptlebens- und Handelsader des Landes ist der gewaltige Fluss Menam, der schon Myriameter oberhalb der Stelle, wo er sich in den Golf von Siam ergießt, 800—1.000 m breit und 50—100 m tief ist. Vor seiner Mündung hat der Fluss einen mächtigen Schlammwall abgesetzt, der die Schifffahrt insofern sehr beeinträchtigt, als die Schiffe nur in der Flutzeit über ihn fahren können. Der Menam hat für den unteren Teil Siams die gleiche Bedeutung wie der Nil für Ägypten. In der Zeit des Südwestmonsuns, also innerhalb der Monate vom Mai bis September, überflutet er die ganze Niederung und bedeckt die Reisfelder weithin mit Wasser. Außerdem bildet er nebst den vielen Kanälen, die besonders in dem der Hauptstadt näher gelegenen Gebiete das Land durchschneiden, die besten und zumeist auch einzigen Verkehrswege des Landes, da die Anlage und dann die Erhaltung von Straßen des üppigen Pflanzenwuchses und der zeitweisen Überflutung halber äußerst schwierig ist und daher auch nur in sehr geringer Ausdehnung bestehen. Man könnte sich wundem, warum, bei der Sorge der Regierung für die Kanalisierung und bei dem Geschicke der Bevölkerung für diese Arbeit, der die Schifffahrt hindernde Schlammwall, von dem die Rede war, noch nicht durchstochen ist. Mancherlei Gründe werden dafür angeführt. Man glaubt, dass mit dem öffnen des Walles zur Zeit der Flut eine viel zu große Menge von Meerwasser flussaufwärts getrieben würde, die dann zur Zeit der Überschwemmung auf die Reisfelder gelangen und diese verderben würde. Auch erblickt die Regierung in diesem Walle ein Mittel, das Vordringen von fremden Kriegsschiffen zu der 25 km oberhalb der Mündung gelegenen Hauptstadt Bangkok zu verhindern. Man vergisst dabei nur, dass es den Franzosen ungeachtet dieses Walles und ungeachtet der von dem siamesischen Militär ergriffenen Maßregeln im Jahr 1893 gelungen ist, mit zwei Kanonenbooten bis nach Bangkok vorzudringen und sich hierdurch den Besitz der sehr bedeutsamen östlichen Provinz Cambodge zu erwerben.
Der Menam und ein Kanal in Bangkok.
Tonnenartige Boote auf dem Menam und den Kanälen.
Selbst die Art des Häuserbaues und der Wohnung wird bei den Siamesen durch den Menam und seine Kanäle bedingt. Längs der Ufer sehen wir auf angefesselten Pontons schwimmende Holzhäuser, die um so zahlreicher werden, je mehr man sich Bangkok nähert. Sie dienen den Siamesen als Wohnung und als Verkaufshallen. Andererseits finden wir aber auch Boote mit tonnenartigen Behausungen, in welchen siamesische Familien ihrem Erwerb zufahren, den Schnecken gleich, die sich nie von ihren Häusern trennen.
Ein Wohnhaus in Bangkok.
Auf dem Lande, nächst dem Ufer, sind die notdürftig eingerichteten Holzhäuser zum Schutze gegen die Überflutung auf 1 — 2 1/2 m hohen Pfählen erbaut. Nur die Paläste der Königsstadt, die zahlreichen Tempel und Pagoden, sowie einige Paläste und Häuser der Großen des Reiches, der bedeutendsten Handelsfirmen und Hoteliers sind nach europäischem Muster aus Steinen und Ziegeln erbaut.
Siam ist eines der fruchtbarsten und reichsten Länder der Welt, wird aber bis heute nur zum geringen Teile ausgenutzt und birgt noch riesige Schätze in seinem Innern. In der Ebene gedeihen in reichlicher Fülle vorzüglich die Reisfelder, dann aber auch Zuckerrohr, Tabak, Tee, Baumwolle, der Maulbeerbaum, welcher ergiebige Seidenkultur ermöglicht, Gewürze, Gemüse und Früchte; in den ungeheuer ausgedehnten Wäldern wachsen in Üppigkeit die kostbarsten Hölzer, die für den Schiffsbau so überaus wichtigen Teakbäume, Sandel-, Rosen-, Ebenholz und viele harzhaltige Bäume. Das Holz wird auf dem Menam nach Bangkok geschwemmt, dort in Brettsägen verarbeitet und dann weiter verführt. Noch ruhen in den Bergen dieses glücklichen Landes ungehobene Schätze an Edelmetallen.
Das nachfolgende Bild zeigt uns das Einsetzen der Reispflanzen. Nachdem nämlich auf den kleinen, gut gepflegten und bewässerten Feldern, die sehr dicht mit Reis besät worden waren, die Pflänzchen bis zur Höhe von 80 cm emporgewachsen sind, werden sie herausgenommen und auf die Reisfelder versetzt. Diese sind mit einem sehr primitiven Pfluge oberflächlich bearbeitet worden und stehen bis zu 15 cm unter Wasser. Für die ununterbrochene Überflutung der Reisfelder sind besondere Vorkehrungen getroffen, denen große Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Ernte erfolgt im Monate Jänner, dann werden die Reiskörner durch Übertreten von Büffeln ausgedroschen und endlich in den in Bangkok bestehenden Reisschäldampfmühlen von ihren Hülsen befreit.
Einsetzen der Reispflanzen.
Die Feldarbeiter erhalten für ihre etwa neun Monate währende Arbeit 80 Tikals oder 96 Kronen, und somit entfallen für den Tag 85 Heller. In Siam besteht die Silberwährung und ist der Tikal die Einheitsmünze. Dieser Tikal hatte noch vor einiger Zeit den Wert von zwei Kronen, ist aber nun durch das starke Sinken der Silberagios bis auf 1 Krone und 20 Heller entwertet worden. Es besteht demnach jetzt in Siam sowie in Singapore eine bedeutende Handelskrisis.
Reis wird aus Siam jährlich um 85 Millionen Kronen ausgeführt. Im übrigen beträgt die Ausfuhr 6 1/2 Millionen Kronen für Teak- und andere Hölzer, über 2 Millionen Kronen für Gewürze, dann bedeutende Summen für Baumwolle, Zinn, Zucker, Elfenbein, auch Rindvieh und Tierhäute. Im ganzen beträgt die Ausfuhr den Wert von 236 Millionen Kronen, wogegen die Einfuhr nur den Wert von 148 Millionen Kronen erreicht.
Die Armee von Siam zählt, wie vorher gesagt, nur 10.000 Mann. Diese sind in Regimenter formiert, u. zw. 12 Infanterie-, 2 Artillerie- und 1 Kavallerie-Regiment. Von den Soldaten dienen aber nur ein Drittel aktiv, die übrigen sind beurlaubt. Die Wehrmacht des Staates ist daher sehr gering.
Nachdem ich bisher über die allgemeinen Verhältnisse im Königreiche Siam, die ich teils aus Mitteilungen, teils aus Büchern und teils aus eigener Anschauung erlangt habe, berichtete, will ich nun von meinen täglichen Erlebnissen Nachricht geben.
Am 15. Dezember 1902 vormittags übersetzten wir den Schlammwall und fuhren in den Menam ein. Da erblickten wir vorerst den herrlichen Tempel samt Pagode von Paknam, dann genossen wir, während der Fahrt nach der 25 km flussaufwärts liegenden Hauptstadt Bangkok, den überaus schönen Anblick der riesigen Üppigkeit und dschungelartigen Dichte der Vegetation an den beiden Ufern des über 800 m breiten Flusses.
Der Tempel und die Pagode von Paknam.
Ein Gelände am rechten Ufer des Menam.
Zwischen durch das dichte Laub der Bäume und Büsche gewahrten wir einzelne Holzhäuser, unzählig viele kleinere Tempel mit den dazu gehörigen kegelförmigen Pagoden, ja sogar auch an zwei Stellen kleine Türmchen, auf deren Spitzen das Wahrzeichen des Christentums, das Kreuz, emporragte. Besonders aber fielen uns auf dem linken Ufer eine größere Zahl von Fabrikschornsteinen auf. Es sind dies beinahe die einzigen Zeugen von größeren Industrie-Unternehmungen in dem ganzen Lande, und sie gehören hauptsächlich zu den bestehenden großen Reisschäl- und Holzsägemühlen. Hier und da gewahrte ich auch kleine Schanzen aus alter Zeit, von welchen einzelne armiert sind. Doch haben sie heutzutage keinen militärischen Wert mehr. Und nun eröffnet sich dem Blicke ein märchenhaft scheinendes Bild von einer zur Hälfte auf dem Wasser schwimmenden und zur anderen Hälfte auf festem Grunde erbauten Stadt mit vielen riesenhaft hohen pyramiden- und obeliskenartigen Pagoden und Tempeln, und dazwischen überall gewaltig große Bäume und hohe Tropenpflanzen. Bangkok ist wahrlich eine wunderbare, farbenprächtige Stadt; dieselbe dehnt sich am linken Ufer auf zwölf, am rechten Ufer aber nur auf wenige Kilometer aus. Die Einwohnerzahl wird verschiedenartig von 200.000 bis zu 500.000 Menschen angegeben. Hiervon entfallen auf Europäer und Amerikaner zirka 1.000. Die Zahl der dort lebenden Österreicher und Ungarn ist eine sehr geringe. Bangkok hat sich erst in den letzten 20 Jahren besser entwickelt, besitzt nun Straßen in der Ausdehnung von etwa 100 km elektrische Tramway in der Ausdehnung von etwa 10 km und durchaus elektrische Beleuchtung, dagegen keine Wasserleitung. Die Einheimischen trinken das schmutzige Wasser aus dem Menam und die Ausländer solches, das vom Regen aufgefangen und dann abgekocht wird. Zur richtigen Charakteristik der Einheimischen in Bangkok muss aber hervorgehoben werden, dass dieselben den Menam und die Kanäle sehr eifrig zum Baden benutzen und dass sich den ganzen Tag und an allen Orten Männer und Frauen, Kinder und Greise im Wasser herumtummeln.
Während der Dampfschifffahrt waren zwei siamesische Zollbeamte von der allgemeinen Zollbehörde und von der Opiumzollgesellschaft mit ihren barfüßigen Zollwachleuten auf dem Schiffe angelangt, um einerseits den sehr hohen Zoll von 3 Prozent des Wertes für einlangende Waren, andererseits einen noch weit höheren Zoll für einzuführendes Opium einzuheben und auch den Schmuggel, speziell jenen von Waffen und Munition, zu verhindern.
Obgleich ich nun dem Zollbeamten den mir von der siamesischen Gesandtschaft in Berlin ausgestellten offenen Brief, in welchem die Zollbehörde in Siam ersucht wurde, mir keine Schwierigkeiten zu machen, vorwies, so verwehrte mir doch der Zollbeamte die Mitnahme meiner Jagdwaffen und teilte mir mit, dass er dieselben erst ausfolgen werde, wenn ich von dem siamesischen Kriegsminister hierzu die Erlaubnis erhalten habe. Ich fuhr nun mit meinem übrigen Gepäck auf dem Dampfboote des Oriental-Hotels in Bangkok in dieses Hotel, und dort wurde mir ein Zimmer im ersten Stock mit ganzer Verpflegung zu dem Pensionspreise von 6 Dollars, also von 11 1/2 Kronen für den Tag angetragen. Das Zimmer hatte wohl ein großes Moskitozeltbett und die sonst nötige Einrichtung, doch befriedigte es mich dennoch nicht, weil es nicht groß genug war und nur ein Fenster besaß. Ich konnte aber kein besseres Zimmer bekommen, weil mehrere englische Marine-Offiziere von dem im Hafen weilenden englischen Kriegsschiffe die besten Zimmer in Anspruch genommen hatten, und so nahm ich diese Unterkunft an. Die Bedienung in dem Hotel wird, wie überall in Indien und China, von Chinesen besorgt.
Nun wollte ich in einem der in Bangkok gebräuchlichen Mietwagen, welche von einem Paar auffallend kleinen, ganz wenig über 1 m hohen Pferden gezogen werden, vorerst zum Konsul von Österreich-Ungarn und dann zu jenem von Deutschland fahren, wurde aber durch die Lokalunkenntnis des siamesischen Kutschers zuerst zu dem Konsul des Deutschen Reiches Dr. von der Heyde, einem artigen Herrn, welcher eben den Dienst des Geschäftsträgers versieht, und erst dann zu dem Honorarkonsul von Österreich-Ungarn Hermann Gente, Chef des Großhandlungshauses Makwald und Gente, geführt. Herr Gente, ein Bremer von Geburt, ein sehr gebildeter, tüchtiger und außerordentlich liebenswürdiger Herr, lud mich gleich so überaus freundlich und dringend ein, während meines Aufenthaltes in Siam bei ihm zu wohnen, dass ich diese Einladung um so lieber annahm, als die Unterkunft im Hotel, wie oben erwähnt, nicht besonders gut war.
Ich quartierte mich demnach von dem Hotel in das von demselben nicht weit entfernte Haus des Herrn Gente um, und ich erwähne hierbei zur Darlegung der dortigen Verhältnisse, dass der Inhaber des Hotels dafür, dass mein Gepäck etwa zwei Stunden dort gelegen war, den ganzen Pensionspreis von 11 1/2 Kronen forderte und davon nicht abstand. Für einen Mietwagen sind in Bangkok, ob man nun eine kurze Fahrt macht oder ob man den Wagen zwei Stunden lang benutzt, stets 2 Tikals oder 2 Kronen 40 Heller zu zahlen. Auch will ich hier gleich angeben, dass mir auf ein kurzes schriftliches Ansuchen des Honorarkonsuls Gente an demselben Tage die Kiste mit meinen Jagdgewehren von der Zollbehörde ausgefolgt wurde.
Meine Wohnung in einem der beiden Häuser des Herrn Gente war sehr schön und behaglich, bestand aus einem großen Schlaf-, einem Sitz- und einem Badezimmer, sowie aus einer Abteilung der das Haus umgebenden Veranda. Die Mitbewohner in den beiden Häusern und daher die Teilnehmer an den täglichen Tiffin- und Diner-Tafeln waren der Kompagnon Gentes, Herr Mohr, und vier angestellte junge Herren aus Deutschland, welche sämtlich mir sehr freundlich entgegenkamen und jedenfalls auch dazu beitrugen, mir den Aufenthalt im Hause des Herrn Gente und überhaupt in Bangkok angenehm und genussreich zu machen.
Am Nachmittag des 15. Dezember machte ich mit Herrn Gente in seinem sehr schönen Dampfboote eine Fahrt durch Bangkok auf dem Menam. Ich betrachtete dabei die sonderbare Eigentümlichkeit einer zur Hälfte schwimmenden Stadt, mit dem regen Leben auf dem Flusse, den zahlreichen Dampfbooten und unzähligen kleinen Kähnen, welche sich auf demselben hin und her bewegten, ohne je aneinander zu stoßen oder umzukippen, und da gab es auch hier einen dem Großstadt-Tramway-Geläute ähnlichen Lärm, nämlich schrille Töne der Dampfpfeifen, der vielen auf dem Menam fahrenden Dampfboote, mit welchen sie ihre Annäherung kundgeben. Nach der Durchfahrt eines größeren Teiles der Stadt auf dem Dampfboote bestiegen wir die an einem bestimmten Orte bestellte Equipage des Herrn Gente und fuhren zu dem seit 30 Jahren in Bangkok lebenden Österreicher Herrn Müller, der sich in Siam eines hohen Ansehens erfreut und von dem Könige den hohen Titel „Phra" erhalten hat. Ich traf denselben, so wie er mich am nächsten Tage, nicht an, und ich lernte ihn erst bei dem Diner kennen, zu welchem Herr Gente die in Bangkok lebenden Österreicher eingeladen hatte. Herr Müller hat unter anderen hervorragenden Tätigkeiten auch jene vollführt, einen sehr wichtigen langen Kanal im Lande erbaut zu haben, wofür ihm von dem Könige ausgedehnte Ländereien zu beiden Seiten des Kanales geschenkt wurden. Somit ist er nun ein mehrfacher Millionär geworden. Herr Müller, welcher seit einigen Jahren eine charmante Österreicherin aus Prag geheiratet hat, will nach dem voraussichtlich bald zustande gebrachten Verkauf seiner Liegenschaften nach Österreich übersiedeln und hat sich schon das eine Stunde von Graz entfernte sehr schöne Schloss Freiberg angekauft.
Dann fuhr ich noch mit Herrn Gente zum Deutschen Klub, welcher sich ein sehr schönes und elegantes Haus erbaut hat, machte mich mit den Mitgliedern bekannt und nahm wahr, dass sich die deutschen Herren nach des Tages Mühe und Arbeit im heitern und freundlichen Verkehr gut zu unterhalten wissen. Teils wird, um einen großen Tisch sitzend, geplaudert, teils wird auf den nebenstehenden Billards gespielt, teils auch wird in einem anstoßenden Lokale mit riesengroßen Kugeln nach Kegeln geschoben, und teils widmen sich einige Herren im Lesezimmer der Lektüre, und dabei wird überall besonders das Pilsner Bier gern getrunken. Dieses Getränk hat wohl den Namen und die Farbe unseres Pilsner Bieres, ist aber in Bremen erzeugt, was man jedoch an der Marke erst nach eingehender Durchsicht gewahr wird. Bei dieser Gelegenheit will ich bekannt geben, dass das in mehreren Städten Deutschlands erzeugte Pilsner Bier auch in Singapore, Batavia, Colombo u. s. w., sowie auch auf den deutschen Dampfschiffen reichlich getrunken wird. Es ist sehr bedauerlich, dass die Brauereien in Pilsen diesen sehr starken Absatz nicht selbst ausnützen.
Nach dem sehr guten Diner bei Herrn Gente fuhr ich mit demselben zu dem eben in diesem Zeiträume, sowie in jedem Jahr, abgehaltenen abendlichen Bazar. Derselbe war mit verschwenderischer Pracht geschmückt, mit tausend Lampions und elektrischen Lichtem erleuchtet, und in ihm hatten die Großen des Reiches, von dem König und der Königin angefangen, ihre Verkaufshallen eröffnet. Die Verkaufsgegenstände der mannigfaltigsten Art stammten aus Europa und bestanden hauptsächlich nur aus geringwertigen Markt- oder auch Ausschusswaren. Nur in der Halle des Königs und der Königin befanden sich im Lande erzeugte Waren, wie z. B. handgestickte Tücher oder gravierte Silbergefäße, welche aber auf keine bedeutende Kunstfertigkeit deuteten. Für alle diese Gegenstände wurden enorm hohe Geldbeträge gefordert und war die Totaleinnahme zum Baue von heidnischen Tempeln bestimmt. Dieser Bazar war sehr ausgedehnt, aber noch größer war der anliegende, für das Volk bestimmte Teil des Bazars, in welchem sich überaus viele Spiel-, dann auch Speisebuden, Theater und Singspielhallen befanden und in welchen sich die Leute manch mal massenhaft zusammendrängten. Bei alle dem kam es nirgends zu lärmenden Szenen, Siamesische Schauspielerinnen, sondern Überall, in den dichtgefüllten Schauspielhäusern sowie bei den unzähligen Spielbanken, verlief alles in bester Eintracht und Ruhe. Die Siamesen sind, ebenso wie die Chinesen und viele Tropen Völker, sehr friedliebender Natur.
Das vorstehende Bild zeigt siamesische Schauspielerinnen.
Die Kostüme der Schauspielerinnen sind farbenprächtig und mit Gold und Edelsteinen reich geschmückt, haben auch oft den Wert von mehr als 1.000 Kronen. Dieselben gehören aber nicht den Schauspielerinnen, sondern dem Theatereigentümer. Die Schauspieler zählen meist in die Klasse der Schuldsklaven und der von ihnen in dieser Eigenschaft geborenen Kinder, welche auch Sklaven sind. Das Schauspiel der Siamesen ist weit besser als jenes der Chinesen, denn hier kommt doch mehr Handlung zum Ausdruck, und hier sind die Gesänge etwas melodiöser als dort, wenn auch hier so wie dort die Instrumentalmusik roh und lärmend ist. Die Theateraufführungen stellen Szenen aus der siamesischen Göttersage dar.
Während der Rückfahrt von diesem Bazar um 11 Uhr nachts kamen wir an einem hell erleuchteten Tempel vorbei, aus welchem Musik ertönte. Wir fanden dort eine freistehende gedeckte Halle, in der einige Siamesen aus einem Phonographen alle möglichen europäischen Tonstücke erklingen ließen. Es geschah dies zur Weihe dessen, dass in den nächsten Tagen in dieser Halle ein gestorbener reicher Siamese aufgebahrt werden sollte, um dann an der Verbrennungsstätte (Wat Saket) auf einem steinernen Altare in feierlicher Weise verbrannt zu werden und sich hierdurch dem Nirwana, der Auflösung in das Nichts, mehr zu nähern. In der weiteren Folge während dieser Nachtfahrt wurde ich auch gewahr, dass die in Bangkok befindlichen unzählbar vielen Hunde die ähnliche hygienische Säuberung vornehmen, wie diese von den Hunden in Konstantinopel ausgeführt wird.
Am 16. Dezember früh machte ich mit Herrn Gente auf seinem Dampfboote eine Fahrt auf dem Menam und dann auf Seitenkanälen bis zu seiner Reisschälfabrik.
Der Menam in Bangkok.
Die Fahrt durch die Stadt auf dem Menam habe ich schon beschrieben. Ich will demnach hier nur anführen, dass auf dem Fluss eine lange Reihe von Dampfschiffen des Norddeutschen Lloyd aus dem Grunde unbeschäftigt zu sehen waren, weil der Reisexport aus Bangkok nach Hongkong teils wegen der schon beschriebenen unsicheren Münzverhältnisse und teils wegen der ungünstigen Nachrichten über die Reisernte in China und der daraus voraussichtlich folgenden Steigerung des Reiswertes auf einige Zeit zurückgehalten wurde.
Die Fahrt auf den Seitenkanälen hat einen eigenen Reiz. Da geht es oft durch sich dicht oben schließende Laubengänge von gewaltig großen Tropenbäumen, vorbei an den schon beschriebenen einfachen Häuschen oder auch an reichen Tempeln mit ihren Pagoden und vorbei an dichtem Tropenbuschwerk, aus welchen die langstieligen und langblätterigen Kokos- und Bananensträucher, sowie auch viele buntfarbige Blüten und Früchte die Blicke besonders auf sich ziehen.
Der Seitenkanal in Bangkok.
Die Reisschälmühle des Herrn Gente ist ein ausgedehntes mehrstöckiges Gebäude, in welchem die Maschinen den ausgedroschenen Reis, welcher dem Hafer ähnlich sieht, von der Hülle loslösen, reinigen und nach Größe sortieren. Die siamesischen Grundbesitzer führen in großen Booten den ausgedroschenen Reis zum Verkaufe zur Fabrik, und lässt es der Käufer zu, dass der Siamese ihn bei dem Ausmessen des Reises übervorteilt, weil dies eben dort schon seit langer Zeit so Sitte ist.
Am Nachmittag des 16. Dezember sandte ich den Brief, welchen ich von dem siamesischen Gesandten in Berlin für den Sekretär des Ministers des Äußern erhalten hatte, an den Adressaten und machte mit dem Konsul Gente dem Minister des Äußern, einem Bruder des Königs, einen Besuch, während welchem ich auch meinem Wunsche Ausdruck gab, von dem König in Audienz empfangen zu werden, und die Bitte stellte, in militärische Einrichtungen Einsicht nehmen zu dürfen. Hierauf machte ich noch mit dem Konsul einen Besuch dem eben auf einige Zeit nach Bangkok gelangten Ministerpräsidenten von Japan, Manjiro Inagaki, den ich von meiner vier Jahre früher unternommenen Reise nach Japan her kannte. Hierauf besuchte ich noch den schon erwähnten Deutschen Klub, und traf dort den in Siam lebenden Österreicher Herrn Baumann. Nach dem Diner fuhr ich noch einmal in den schon geschilderten sehr interessanten Jahresbazar, machte dort die Bekanntschaft des Österreichers Herrn Bock, welcher in Siam eine Eisenbahnstrecke erbaut hat und nun Besitzer eines Steinbruches, sowie der dazu gehörigen Fabrik ist, und trank mit demselben in der Bazar-Restauration ein Glas Pilsner Bier, welches aber nur durch den Namen an das heimatliche Bier erinnerte.
Die Reisschälmühle und das Brustbild des Herrn Gente.
Am 17. September vormittags hatte ich das Vergnügen, eine drei Stunden währende Fahrt in einem sehr seicht gehenden kleinen Dampfboote des Herrn Gente auf vielen der die Stadt durchschneidenden und umgebenden Kanäle zu machen und den Anblick der oft sehr schönen und meist sehr interessanten Ufer zu genießen. Die nachstehenden Bilder können nur annähernd die Vorstellung der Schönheit und Pracht derselben geben, denn es fehlt ihnen das Leben, die Farbe, sowie auch der Gesang der auf Bäumen und in Büschen sitzenden buntfarbigen Tropenvögel.
Am Nachmittag besuchte ich den permanent . bestehenden Volksbazar, um dort die Erzeugnisse des Landes kennen zu lernen und allenfalls hübsche oder doch ansprechende Gegenstände zu kaufen. Nach der Besichtigung dieses mehrere tausend Meter langen Bazars kam ich aber zur Erkenntnis, dass die Siamesen in ihrer Volksentwicklung noch sehr weit zurückgeblieben sind, denn außer den Nahrungsmitteln der aller einfachsten Sorte, gab es dort nur noch wenige Bekleidungs- und Haushaltungsgegenstände der primitivsten Gattung und sehr schlecht ausgeführte Buddah-Figürchen. Die Siamesen sind eben ganz bedürfnislos und kennen weder ein Streben nach dem Aufschwung des Geistes, noch nach der besseren Gestaltung des leiblichen Wohles. Dennoch könnten sie, bei dem ihnen eigenen Frohsinn, verhältnismäßig glücklich genannt werden, wenn sie nicht dem entsetzlichen Aberglauben und der maßlosen Spielwut verfallen wären.
Uferbild von einem Kanal in Bangkok.
Uferbild von einem Kanal in Bangkok.
Am 18. und 19. Dezember besichtigte ich eine große Zahl von sehr merkwürdigen Objekten. Vorerst führte mich der Konsul auf den Rennplatz, wo gerade von dem Oberststallmeister des Königs einige Pferde desselben trainiert wurden. Der Rennplatz hat einen Umfang von 2.000 m und ist eben mit großen Kosten neu hergerichtet worden. Da nun aber die Rennbahn einen noch zu weichen Boden hat, so dürfen im gegenwärtigen Jahre nur Pferde der kleinen Rasse darauf laufen, und es werden sich erst im folgenden Jahre die großen, zumeist aus Australien eingeführten Pferde auf derselben im Rennen messen dürfen. Die kleinen Pferde sind zirka 1,1O m hoch, haben einen guten Rücken, oft ein recht schneidiges Temperament und anerkennenswerte Ausdauer. Dieselben stammen meist aus Siam. Die besseren Sorten sind aus Java und aus Sumatra eingeführt, und unter den letzteren haben jene aus Deli den besten Ruf. Trainiert wurden zur Zeit, als ich am Rennplatze war, vier Pferde. Dieselben waren mit Wischzaum gezäumt, mit Pritsche gesattelt und wurden von siamesischen Jockeis geritten. Wohl haben diese jungen Leute nach ihrem Körperbau die Eignung zu einem Jockei, doch fehlen ihnen die Kenntnisse und Geschicklichkeit desselben. Es war sogar ein recht komischer Anblick, diese Leute auf den kleinen Pferdchen mit unruhiger Zügelhaltung, krampfhaft an das Pferd gepressten Beinen und schwerfälligem Sitz dahinstürmen zu sehen. Unter den Pferdchen war eines, welches einen sehr schönen, seiner Größe entsprechenden Galoppsprung zeigte.
Vom Rennplatze fuhren wir mit dem königlichen Oberststallmeister, einem sehr netten, jungen siamesischen Kavallerieoffizier, zu dem königlichen Pferdestall-Etablissement, in welchem sich etwa 50 Pferde und Füllen der vorbeschriebenen kleinen Rasse befanden. Die Ställe sind für das heiße Klima sehr verständnisvoll gebaut. Sie sind 4 m hoch und die Wände bestehen in den oberen 2 m ringsum aus voneinander getrennten Stangen. Auch der Boden ist aus voneinander getrennten Dielen gebildet, doch derart, dass die Pferde nicht durchtreten können. Etwa 1 m unter dem beschriebenen Dielenboden befindet sich eine aus Zement erzeugte, nach einer Seite geneigte Fläche, von welcher der Unrat abfließt. Die Ställe sind daher luftig und rein. Angrenzend an die Stallungen sind viele Ausläufe für die Pferde errichtet. In diesen Stallungen stand auch ein sehr schöner Lipizzaner-Schimmel, welchen der König vor zwei Jahren von Seiner Majestät unserem Kaiser und König zum Geschenk erhalten hat. Dieses bildschöne Pferd befand sich aber in einem erbärmlichen Zustande. Die Schulterblätter ragten weit vor, der Hals war ganz abgemagert, der Leib aufgedunsen und die Hufe ringförmig deformiert. Das Pferd soll nach seiner Ankunft in Siam zuerst viel zu wenig und hernach viel zu viel Bewegung erhalten haben und hat jedenfalls eine sehr schwere Akklimatisationskrankheit durchgemacht. Dasselbe scheint nun, nach dem Blicke der Augen zu schließen, in der Heilung begriffen zu sein und dürfte bei der rationellen Behandlung, welche der jetzige Oberststallmeister angeordnet hat, in einiger Zeit genesen sein. Das Pferd wird nämlich täglich zur kühleren Morgen- und Abendzeit je eine Stunde herumgeführt, tagsüber oftmals entsprechend gefüttert und getränkt und außerdem an jedem Tage eine Stunde lang in einen gut hergerichteten Lehmstand eingestellt.
Der Palast des Königs.
Von dort fuhren wir zu der am Menamflusse gelegenen, mit einer Steinmauer umgebenen Königsstadt, in welcher sich der vorstehend bildlich dargestellte Königspalast, ferner eine große Zahl von anderen Palästen für die Frauen des Königs und für viele Minister, die herrlichsten Tempel und Pagoden, sowie ein prachtvoller Park befinden. Märchenhaft schön ist dieser Anblick! Die vielfältigen Türme und Türmchen, die ornamentierten Dächer und Seitenwände glitzern und leuchten in Gold und buntfarbigem Porzellan, und überall stehen mächtige, aus Stein erbaute Riesen mit fratzenhaften Gesichtern, sowie Figuren von überlebensgroßen Elefanten. Die sogenannten weißen Elefanten werden in Siam heilig gehalten.
Die Vorhalle des Königspalastes.
Der Thronsaal.
Das Innere des Palastes ist feenhaft reich und farbenprächtig. Der Thron besteht aus massivem Gold, ist mit Edelsteinen reich besetzt und über demselben steht ein neunstöckiger goldener Schirm. In allen Räumen findet man eine Pracht und Herrlichkeit, die kaum zu beschreiben ist. Von einer Eigentümlichkeit will ich aber noch Erwähnung machen: Seitwärts der Eingänge in die Säle stehen große, sehr reich ornamentierte Vasen, welche die Bestimmung der Spucknäpfe haben, die in dem Lande, in dem das abscheuliche Betelkauen allen, Hoch und Niedrig, anhaftet, sehr notwendig sind.
Die nachfolgenden Bilder können nur in geringem Maße eine Darstellung geben von der Großartigkeit, dem Reichtum und der Farbenpracht der zum königlichen Palaste gehörenden Tempel samt Pagoden Hallen und Statuen. In einem Tempel befindet sich ein Buddha reich vergoldet in ruhender Lage, 50 m lang und über 10 m hoch, in einem zweiten Tempel ein solcher in sitzender Stellung, etwa 60 cm hoch, der Körper aus einem Stücke Nephrits und der Kopf aus einem Stücke Smaragds erzeugt; in einem dritten Tempel sind die in Siam bestehenden Orden auf der Decke des Tempels gigantisch dargestellt und mit Gold und Edelsteinen verziert.
In den Tempeln befanden sich auch viele Kleinodien, darunter kostbare Puppen, welche von den Siamesen als Opfergaben für erfüllte Wünsche oder in Hoffnung der Erfüllung von Wünschen gespendet wurden. Der zu den Tempeln gehörende Raum ist sehr ausgedehnt und mit Bäumen, besonders mit Ficus religiosa, bestockt. Von den in Bangkok bestehenden 300 Tempeln soll noch der großartigste und am meisten auffallende Bau von Bangkok erwähnt werden. Es ist dies der einer Riesenpyramide ähnliche Tempel „Wat Tscheng" mit zahlreichen übereinander stehenden Terrassen, geschmückt mit Arabesken, Blumenformen, Tier- und Menschengestalten und brillierend in den mannigfachsten Farben, die gebildet sind durch Millionen und Millionen von Porzellan- und Glasteilen, aus welchen die tausendfältigen Formen zusammengesetzt wurden.
Ein Tempel in der Königsstadt zu Bangkok.
Ein Tempel in der Königsstadt zu Bangkok.
Eingang in einen Tempel in der Königsstadt zu Bangkok.
Ein Elefantengötze in der Königsstadt zu Bangkok.
Die Rückseite eines Tempels und Pagoden in der Königsstadt zu Bangkok.
Eine Halle in der Königsstadt zu Bangkok.
An den Eingängen zu den Tempeln befinden sich gewöhnlich Riesenstatuen mit fratzenhaften Gesichtern, welche die Bestimmung haben sollen, die bösen Geister vor der Annäherung abzuwehren. Wie das nachstehende Bild zeigt, haben die Siamesen auch Männer mit aufgesetzten Zylinderhüten als solche Tempelwachen dargestellt. Noch will ich davon Erwähnung machen, dass ich die in der Königsstadt in vier prächtigen Stallungen untergebrachten vier sogenannten weißen Elefanten, welche in Siam für heilig gehalten werden, besichtigte. Die Angabe der weißen Farbe ist aber nur ein Märchen, denn dieselben haben nur wenige graue Haare an der Stirne oder an den Ohren. Wenn man in den Stall eintritt, schlagen dieselben infolge Aufforderung ihrer Wärter mit dem Rüssel nach aufwärts an ihre Stirnen, welche dann einen hohlen Klang geben. Die Wärter nehmen dafür sehr gerne eine Belohnung an.
Der Tempel „Wat Tscheng" in Bangkok.
Ein Tempeleingang mit Wachen in Zylinderhüten.
Durch die Vermittlung des Ministers des Äußeren konnte ich eine Infanteriekaserne und die dort untergebrachte Kadettenschule, sowie auch die Marinekaserne mit dem ganzen Marine-Etablissement besichtigen. Es war den Truppen diese Besichtigung aber angesagt worden, deshalb wurden dieselben mit ganz neuen Uniformen adjustiert, sowie auch die Betten usw. mit ganz neuem. Material versehen. Wohl anerkannte ich die mir hierdurch erwiesene Ehrenbezeigung, aber es entging mir dadurch die richtige Beurteilung über die gewöhnlich bestehende Ordnung und Sauberkeit. Somit kann ich nur sagen, dass die Truppen bei der Besichtigung eine gute soldatische Haltung und ein disziplinmäßiges Benehmen zeigten, sowie dass allenthalben die sorgsamste Reinlichkeit und Ordnung herrschte.
In die Infanterie-Kadettenschule treten die siamesischen Knaben im Alter von sechs bis zehn Jahren ein, bleiben in derselben acht Jahre, lernen dort Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen, englische Sprache, Geographie und Militärreglements, und treten dann als Kadetten in die Infanterie-Regimenter ein, um dort zu Offizieren befördert zu werden.
Die Marinewerkstätte und die Marinedocks sind klein und nur in beschränktem Maße eingerichtet. In dem genannten Arbeitslokale stellte sich mir der Österreicher Herr Suppancich, welcher dort als Beamter angestellt ist, vor und erzählte mir, dass er schon eine lange Reihe von Jahren von der Heimat entfernt und in seiner jetzigen Stellung recht zufrieden sei, dennoch aber sich sehr darauf freue, dereinst wieder mit seiner neugegründeten Familie in sein Heimatland zurückzukommen.
Eine Marine-Kadettenschule befindet sich in der Errichtung und soll nach den gleichen Grundsätzen wie die Infanterie-Kadettenschule organisiert werden. Die Marinesoldaten machen einen weit besseren soldatischen Eindruck als die Infanteriesoldaten. Kavallerie gibt es nur eine geringe Zahl, und es werden die Kavalleristen hauptsächlich im Ordonnanzdienste verwendet.
Die mich am Eingange der Kasernen empfangenden siamesischen Truppenkommandanten waren gegen mich sehr zuvorkommend. Sie benützten als Dolmetsch einerseits einen Oberst, welcher Militärattaché in Paris war und geläufig französisch sprach, und andererseits einen Oberstleutnant, der als junger Offizier im k. u. k. 7. Dragoner-Regiment unseren Kavalleriedienst lernte und jetzt noch ganz gut deutsch sprach. Die Truppenkommandanten luden mich nach der erfolgten Besichtigung vorerst zu einer Erfrischung und später, als es Mittagszeit war, zu dem Tiffin in dem Marineoffiziers-Speisesaal ein. Noch vor dem Tiffin ließ der Marineoberst Champagner, zu dem Tiffin Bier und nach dem Tiffin Sherry servieren. Das Mahl bestand nach der Landessitte aus Reis und mehreren verschiedenartig gewürzten Gerichten, welche gleichzeitig auf einen Teller zu gelangen haben und dort vor dem Genusse zu vermengen sind. Es ist dies die gleiche Speiseweise, welche die Holländer in Java annahmen und nach welcher in den dortigen Hotels das Tiffin oder der Lunch serviert und gegessen wird.
Am 19. Dezember nachmittags machte ich dem in Bangkok residierenden katholischen Bischof einen Besuch und am 20. Dezember nachmittags wohnte ich in dem katholischen Etablissement der dramatischen Vorstellung und der Preisverteilung an die zur katholischen Religion übergetretene siamesische Jugend bei.
Die katholische Hauptkirche in Bangkok.
Das katholische Etablissement besteht aus einer schönen katholischen Kirche, deren Bild nachstehend dargestellt ist, dann aus einem Palais für den Bischof, ferner aus einer großen Schule und aus Gebäuden für die übrigen Geistlichen. Der Bischof besitzt noch ein Palais in der Umgebung von Bangkok. Im Königreiche Siam sind bis jetzt schon zwölf katholische Kirchen erbaut worden, doch sind ungeachtet dessen, dass dem Übertritte zum christlichen Glauben seitens der siamesischen Regierung keine Schwierigkeit gemacht wird, bis jetzt nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von Siamesen der katholischen Religion beigetreten. Der Bischof sowie die Geistlichen gehören der französischen Nation an und verfolgen bei der Konvertierung der Siamesen auch das Ziel, ihre Religionsgenossen zu politischen Anhängern der französischen Nation heranzubilden. Hierzu werden diese Religionskinder mit allen Mitteln in ihrem weiteren Fortkommen unterstützt, die Erreichung ihrer Wünsche gefördert, die besten Schüler nach Möglichkeit bei der siamesischen Regierung untergebracht und dann fortwährend in inniger Beziehung mit der Geistlichkeit erhalten. Mit Rücksicht auf den aggressiven Charakter der Franzosen als Nachbarn von Siam und im Hinblick auf die an der andern Seite von Siam befindlichen Engländer ist diese Tätigkeit der französischen Geistlichkeit nicht zu unterschätzen. In dieser Richtung soll dargetan werden, dass sämtliche in Siam befindlichen Europäer anderer Nationen, speziell die Industriellen und Handelsleute, für die Engländer weit mehr Sympathie hegen als für die Franzosen.
Die dramatische Vorstellung der siamesischen Jugend bestand aus Chören und Duos, sowie aus einem kleinen englischen Schauspiel und einer kleinen französischen Operette, und lieferte den Beweis, dass diese Jugend recht bildungsfähig ist. Während einer Pause reichten die Geistlichen den zahlreichen Gästen eine opulent ausgestattete Jause. Die französische Geistlichkeit verstand es, sich durch verschiedene Unternehmungen, speziell durch den Bau und den Betrieb einer Reisschälfabrik, die für ihr Missionswerk nötigen Geldmittel zu verschaffen.
Bei dieser Gelegenheit will ich berichten, dass mir von glaubwürdigen Personen mitgeteilt wurde, es bestehe in norddeutschen Hafenstädten eine namhafte Partei, welche die entgegengesetzte Richtung, nämlich den Übertritt vom christlichen zum buddhistischen Glauben, ernstlich in Erwägung ziehe. Der Beweggrund soll darin liegen, die gleiche Friedfertigkeit und Zufriedenheit zu erlangen, die den Buddhabekennern durchgehends eigen ist.
Ohne mich in eine Polemik über die ohnehin anerkannten hohen Vorzüge der christlichen Religion gegen die Heidenlehren einzulassen, will ich vorerst darauf hinweisen, dass die Heidenvölker kein höheres Streben kennen, deshalb wohl stets mit allem zufriedengestellt, aber auch in der Entwicklung zurückgeblieben sind, während in den christlichen Völkern ein hoher Aufschwung, ein ernstes Streben nach Vervollkommnung, ein stetes geistiges Vorwärtsschreiten und ein Verlangen nach besserer Lebensführung herrschen, die ein fortgesetztes Ringen erheischen, wobei ein behagliches Befriedigtsein kaum Wurzel fassen kann. Auch die Weltgeschichte lehrt uns, dass die in der Entwicklung zurückgebliebenen Menschenrassen den hochentwickelten Völkern des christlichen Glaubens Untertan wurden, und es besteht kein Zweifel, dass dies auch weiter so bleiben wird. Selbst jene Heidenvölker, welche eine etwas höhere Stufe der Kultur einnehmen, können doch die Intelligenz der Christenvölker nicht erreichen. So haben die Japaner in den letzten Dezennien, dank ihrer Nachahmungsgabe und ihrer manuellen Geschicklichkeit, wohl anerkennenswerte Resultate erzielt, aber in ihrem Fortstürmen nach den Errungenschaften der Kultur haben sie schon so viele üble Eigenschaften der Kulturvölker in sich aufgenommen, dass zu vermuten ist, sie werden nie auf jene Höhe, die sie schon erreicht zu haben wähnen, gelangen, sondern es wird ihnen ihre Reputation wie eine Fata Morgana verschwinden. Das in alter Zeit sehr intelligente Volk der Chinesen blieb seit 1.000 Jahren in der Entwicklung stehen, ging demnach in seiner Intelligenz stark zurück. Die den Chinesen gebliebene Schlauheit und Ausdauer benutzen sie zur Übervorteilung der tiefer stehenden Völker, wie Siamesen, Inder, Malaien usw., doch gegen die dem christlichen Glauben angehörenden Völker werden die Chinesen nicht aufkommen. Von jenen werden sie in den Banken, Hotels, Verkaufshallen, Schiffen und bei der Bodenkultur verwendet, aber weiter hinauf werden sie nicht gelangen. Mit einem Worte, die zur tief stehenden Menschenrasse gehörenden Heidenvölker sind naturgemäß dazu bestimmt, den hochentwickelten Völkern des christlichen Glaubens untergeordnet zu sein und zu bleiben.
Am 20. Dezember besichtigte ich Vormittag das Museum. Auf dem nächsten Bilde ist das vom Museum aus fotografierte Gebäude des siamesischen Finanzministeriums dargestellt.
Das Gebäude des Finanzministeriums in Bangkok.
Im Museum wurde ich von den reichen Schätzen, die dort aufbewahrt sind, in hohem Maße überrascht. In dem ersten großen, rot tapezierten Saal standen mehrere alte Thronstühle, reich mit Gold und Edelsteinen geschmückt, dann auch zwei Goldthronsessel zum Tragen des Königs und der Königin bei Prozessionen, daneben aus Gold und Silber künstlerisch erzeugte Bäume, ein aus Elfenbein verfertigtes Bett, eine beträchtliche Zahl von 1 1/2 — 2 m langen Elfenbeinzähnen, in einigen von ihnen sind goldene Buddhas und Zieraten ausgeschnitten, Buddhafiguren in Edelsteinen gefeilt, Buddhas und Ungeheuer aus Gold oder Bronze erzeugt u. s. w. In den anderen Sälen gab es reiche Sammlungen von ausgestopften Tieren, Mineralien und Muscheln, dann Käfern und Schmetterlingen und endlich auch eine Sammlung von allen einheimischen Holzgattungen. Ein Saal war gefüllt mit Porzellangegenständen, gold- und silbergestickten Stoffen, mit Perlmutter eingelegten Schachteln u. s. w., welche vermutlich sämtlich aus China stammten. Zwischendurch standen kolossale Figuren mit ungeheuren Waffen und gräulichen Fratzen, sowie alte Kanonen, mit Gold eingelegte Lafetten, eine Goldobeliske u. dgl. mehr. Ein enormer Reichtum war dort aufgestapelt und repräsentierte augenfällig die kolossale Wohlhabenheit dieses Landes.
Zur vollen Erkenntnis des Volkslebens in Bangkok besuchte ich am 20. Dezember abends in Begleitung des liebenswürdigen Herrn Mohr, des Kompagnons des Herrn Gente, eines der vielen dort bestehenden Spielhäuser, welche sämtlich von Chinesen gehalten werden, die hierfür der Regierung wohl große Steuern zahlen, dafür aber das von der Spielwut besessene siamesische Volk ausbeuten. Diese Etablissements sind sehr ausgedehnt. In dem ersten großen, gedeckten Raum befinden sich etwa acht bis zehn Spielbanken, das sind auf dem Boden gezeichnete, in vier Felder geteilte Kreise, in welche die Mitspieler nach ihrer Wahl das Geld setzen. Die Entscheidung für den Gewinn oder Verlust wird dadurch herbeigeführt, dass der Bankhalter eine größere Zahl von Kugeln zur Seite nimmt, von diesen so lange je vier Kugeln wegnimmt, bis dann 1, 2, 3 oder 4 Kugeln übrig bleiben. Die erübrigende Zahl gibt das Feld an, dessen Einsätze gewonnen haben. Um alle diese Spielbanken hocken die Siamesen, Männer, Frauen und Kinder, in sehr großer Zahl, setzen oft sehr ansehnliche Beträge, deren Besitz man ihnen nach ihrem Aussehen gar nicht zugetraut hätte, und verlieren und gewinnen mit einer Ruhe, wie solche bei europäischen Hazardspielern kaum wahrzunehmen ist. Dabei sind dort die Frauen des vorgeschrittenen Alters am häufigsten tätig, so wie dies bei uns in den semitischen Kreisen der Fall sein soll.
Neben diesem Spielraum befindet sich ein beinahe ebenso großer Raum, in welchem die ganze Nacht hindurch Theater gespielt wird und in welchem die Schauspielerinnen von dem Etablissementbesitzer mit so reichen Kleidern ausgestattet werden, wie dies eingangs schon erzählt wurde. Endlich gelangt man von diesem Raum in kleine, halberleuchtete Zellen, in welchen die Opiumraucher sich ihrem gräulichen Laster hingeben. Der Etablissementbesitzer hat demnach dafür Sorge getragen, dass der leichtlebige Siamese während der ganzen Nacht bei ihm Unterhaltungen findet, und sieht mit Recht vorher, dass dieser sein Geld an der Spielbank verlieren werde. Der Etablissementbesitzer verlangt darum auch keine Eintrittsgelder, weder in die Spielhöhle, noch zum Theater, zahlt seine hohe Steuer und gewinnt dennoch sehr große Summen.
Für den 21. und 22. Dezember war eine kleine Reise nach dem königlichen Lustschlosse Ban-Pa-in und nach der ehemaligen Königsstadt Ajuthia, beide an dem Menamflusse gelegen, in Aussicht genommen, welche ich mit dem Konsul Gente zu machen gedachte. Hierzu wurde in freundlichster Weise von der königlichen Marine ein Dampfboot mit einem daran angehängten Kajütboot und vom königlichen Hofstaate in huldvoller Weise eine königliche Villa in Ban-Pa-in zur Verfügung gestellt. Die Fahrt in einem angehängten Boote hat für den Reisenden die Vorteile, von dem heißen Dampfkessel entfernt zu sein und in demselben ruhiger als in dem Dampfboote über das Wasser hinzufahren. Auf dem nachstehenden Bilde sind das Dampfboot mit dem Vorderteil des daran gehängten Kajütbootes und die zwei uns mitgegebenen siamesischen Matrosen dargestellt.
Eine Bootfahrt von Bangkok nach Ban-Pa-in.
Um ½ 8 Uhr des 21. Dezember fuhren wir, auf bequemen Rohrfauteuils sitzend, auf dem Menam flussaufwärts ab, gingen aber dessen ungeachtet mit der Strömung vor, weil die Meeresflut zu dieser Zeit ihre Wässer viele Kilometer weit nach vorwärts treibt. In der Zeit der Ebbe fließt das Wasser wieder dem Meere zu. Wieder bereitete mir die Fahrt auf dem Menam und die Betrachtung der wechselnden Bilder an den beiden Ufern ein großes Vergnügen. Die zwei nebenstehenden Kopien von Photographien zeigen Landschaftsbilder, wie sich solche viele Kilometer weit flussaufwärts ausdehnen.
Durch die rasche Fahrt wurde eine so starke Zugluft erzeugt, dass ich — in dem heißen Siam — eine Decke auf mich legen musste. Um 12 Uhr mittags langten wir in Ban-Pa-in an und wurden dort von dem königlichen Hausinspektor in die für uns bestimmte königliche Villa, bestehend aus 1 Sitz-, 1 Speise-, 2 Schlaf- und 1 Badezimmer, diese umringt von einer großen Veranda, geführt. Die Einrichtung der Zimmer war recht einfach, so z. B. bestand dieselbe im Schlafzimmer nur aus 1 Netzbett, 1 Waschtisch und 1 Nachtkästchen. Das Porzellangeschirr war sehr schön, ja es waren sogar auch Schwamm, Kopf- und Zahnbürste (!) bereit gelegt worden.
Die Zubereitung der Mahlzeiten erfolgte durch einen von Herrn Gente mitgenommenen Koch, aus den ebenfalls mitgebrachten Materialien, in der Küche eines Nebenhauses.
Nach dem Tiffln zog ich ungeachtet der Mittags-Tropenhitze mit meinem Jagdgewehre durch die Parkanlagen hinaus, gegen das sich jenseits derselben ausbreitende Steppen- und Waldland, um doch endlich auf ein in unseren Ländern nicht vorkommendes Tier zu Schuss zu kommen. Ich wurde wohl mancher sehr schöner Reiher und anderer buntfarbiger Tropenvögel gewahr, konnte aber, der großen Entfernung halber, nicht auf dieselben schießen. Erst bei meiner Birsche am nächsten Morgen brachte ich etliche Stücke, und zwar Seegeier und Reiher, zur Strecke.
Eine Landschaft am Ufer des Menam nördlich von Bangkok.
Eine Landschaft am Ufer des Menam nördlich von Bangkok.
Von 4 1/2 Uhr bis gegen 6 1/2 Uhr nachmittags besichtigten wir das sehr große, mit einer Mauer abgeschlossene Lustschloss-Etablissement, von welchem die zwei nachstehenden Bilder einen kleinen Überblick geben.
Ein Blick auf den königlichen Lustschlosspark Ban-Pa-in in Siam.
Ein Blick auf den königlichen Lustschlosspark Ban-Pa-in in Siam von einer anderen Seite.
Der weit ausgedehnte Park ist von vielen Teichen und Wasserlinien durchzogen; die letzteren sind mit schönen, hochgeschwungenen Brücken überwölbt, von welchen eine auch als Rutschbahn eingerichtet ist. Die Wege sind asphaltiert, da und dort stehen große Volieren, schöne Blumenbeete und blütenreiche Hecken, und alles ist überschattet von den schönsten, riesig hohen und mächtig sich ausbreitenden Tropenbäumen. In der Nähe der Paläste sieht man dagegen herzige Zwergbäumchen in Porzellanvasen. In einem der Teiche ist der auf dem folgenden Bilde dargestellte, reizend nette Pavillon erbaut.
Ein Pavillon im königlichen Lustschlosse Ban-Pa-in.
Das vorstehend abgebildete Lustschloss des Königs steht auf einer Marmorterrasse, zu welcher vier Marmorstufen emporführen. In dem prächtigen Thronsaale erhebt sich eine mit gelbem Samte überzogene Plattform, auf welcher der mit Goldstickereien überdeckte Thronpolster ruht. Dieser ist von einem roten Samtbaldachin überwölbt und über diesen ragen neun, übereinander befindliche und sich allmählich verkleinernde Königskronen bis an die Decke empor. In einem weiteren Salon hängen zwei große Bilder mit Marinemotiven, in einem kleineren Salon das wunderschöne Kunstbildwerk von Georgio „Der heilige Johannes" (!) und in dem Schreibzimmer des Königs stehen auf seinem Schreibtische Photographien mehrerer seiner Kinder. Sonst befinden sich noch in den vielen Räumen verschiedene schöne Glaskästen mit Gold-, Silber- und Porzellankunstgegenständen.
Von den vielen Villen für die Familie, die Frauen und das Gefolge des Königs zeigt das zweitnächste Bild eine derselben.
Umstehend ist auch die prachtvolle chinesische Villa abgebildet, welche ein chinesischer, in Siam lebender Nabob in einer dem chinesischen Schloss in Peking an Pracht gleichenden Weise im Parke von Ban-Pa-in erbaute und dem Könige zum Geschenke machte. Alles glänzt von Gold und Edelsteinen, die Möbeln sind kunstvoll mit Perlmutter eingelegt, die chinesischen Hängelampen sind mit den reizendsten Bildern bemalt und überall sieht man die schönsten chinesischen Samt- und Seidenstoffe, sehr schön präparierte Tierhäute und chinesische, kunstvoll erzeugte Gegenstände und Figuren.
Das Lustschloss Ban-Pa-in des Königs von Siam.
Eine Villa in Ban-Pa-in für die Familie des Königs von Siam.
Eine chinesische Villa des Königs von Siam.
Einer sonderbaren Laune des Königs verdankt das ganze Etablissement einen Heidentempel, welcher einer im gotischen Stile erbauten katholischen Kirche vollkommen gleicht. Nur das Kreuz auf dem Turme fehlt.
Die beiden nachstehenden Bilder zeigen die Nebenfront des königlichen Lustschlosses und einen im Bau begriffenen Aussichtsturm im Schlossparke.
Ein Aussichtsturm im Schlossparke zu Ban-Pa-in.
Eine Nebenfront des königlichen Lustschlosses in Ban-Pa-in.
Der Sonnenuntergang brachte großartige Farbeneffekte, wie ich solche auch in Bangkok schon öfter bewundert hatte, in der prachtvollsten Weise zur Wirkung. Der Himmel war weit über den Zenit des Beobachters hinaus durchaus dunkelrot glühend gefärbt, und von da lichtete sich die Färbung gegen den westlichen Horizont in der ganzen Breite des Halbkreises allmählich immer mehr ab und verfärbte sich nach und nach in goldiges Gelb, und die Reflexe hiervon auf dem Wasser ließen dasselbe wie flüssiges Gold erscheinen.
Am 22. Dezember wollten wir morgens eben das Schiff besteigen, um nach Ajuthia zu fahren, als ein Angestellter des Herrn Gente im Dampfboote des letzteren anlangte und mir einen Brief des Ministers des Äußern übergab, in welchem derselbe anzeigte, dass mich der König an diesem Tage, dem 22. Dezember, um 5 Uhr nachmittags in Audienz empfangen wolle. Diese Bestimmung, sowie auch der Umstand, dass der Brief des Ministers erst um 11 Uhr nachts in dem Hause des Herrn Gente abgegeben wurde, weist auf manche Zustände in Siam hin. Ich war nämlich für diesen Tag schon zum Besuch der königlichen Villa in Ba-Pa-in, zur Benützung der Marineboote für die Fahrt und endlich auch zur Besichtigung von Ajuthia eingeladen worden, und ein Reisender ist eben oft nicht in der Lage, binnen wenigen Stunden zur Disposition zu sein. Es scheint aber, dass es auch in diesem Falle dem Minister unmöglich war, den König auf die erfolgte, der Audienzzeit entgegenstehende Zusage aufmerksam zu machen
Nur dadurch, dass der Angestellte des Herrn Gente gleich dessen Dampfboot heizen ließ und die ganze Nacht hindurch bis Ban-Pa-in fuhr, und dass von Ban-Pa-in vormittags ein Eisenbahnzug nach Bangkok ging, war es mir ermöglicht, mich zur angegebenen Stunde im Königsschlosse einzufinden. Bei der Audienz war der König sehr huldreich gegen mich, gab seiner hohen Verehrung für Se. Majestät unserem allergnädigsten Kaiser und König Ausdruck, erkundigte sich um das Befinden Ihrer k. u. k. Hoheiten der durchlauchtigsten Herren Erzherzoge und gab auch seine besondere Hochschätzung für Se. Majestät ersten Generaladjutanten kund.
Bei dieser Audienz war ich von unserem Honorarkonsul Gente und von dem Minister des Äußern begleitet.
Bezüglich meiner Eisenbahnfahrt von Ban-Pa-in nach Bangkok will ich noch mitteilen, dass die Eisenbahnzüge nur Wagen II., III. und IV. Klasse führen, dass die Wagen II. Klasse salonartig geformt und mit Rohrsitzen versehen sind und dass die Fahrt verhältnismäßig langsam vor sich geht. In dem Waggon II. Klasse, in den wir einstiegen, befand sich der Österreicher Candutti, welcher schon längere Zeit in Siam weilte, dort auch eine 20 km lange Eisenbahn nach Prabat, dem heiligen Wallfahrtsorte der Buddhisten, erbaute und jetzt eben an der Weiterführung dieser Bahn arbeitet. Derselbe beging die Unvorsichtigkeit, in die Frucht eines der Bäume des Urwaldes, in welchem er eben arbeiten lässt, zu beißen. Hierdurch zog er sich eine solche Entzündung der Mund- und Rachenschleimhäute zu, dass er nichts mehr schlucken, ja kaum mehr reden konnte. Aus diesem Grunde fuhr er nach Bangkok, um sich dort heilen zu lassen. Ich will dieser Erzählung gleich beifügen, dass Herr Candutti eine Woche später vollkommen genesen war.
Was die Eisenbahnen betrifft, so hat Siam deren noch sehr wenige, denn abgesehen von den beiden eben genannten Bahnen, besitzt es nur noch die 20 km lange Eisenbahnlinie von Bangkok nach Paknam im Mündungsgebiete des Menamflusses. Ein reiches und gut geführtes Eisenbahnnetz ist aber auch für dieses Reich von der höchsten Wichtigkeit, um die im Innern des Landes noch ruhenden riesigen Schätze an Holz und Metallen verwerten zu können. Es wäre wünschenswert, wenn kapitalkräftige Konsortien unseres Reiches diese voraussichtlich sehr ertragreichen Eisenbahnbauten in die Hand nehmen würden. Hierbei darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass der Bahnbau in Siam der Überwucherung des Bodens und der stellenweise bestehenden Malaria halber nicht leicht zu bewerkstelligen ist.
Am 28. Dezember besuchte ich mit dem Konsul den Kommandanten und die OfQziersmesse des tags vorher bei Bangkok angelangten deutschen Kriegsschiffes Tigeb und besichtigte dieses schone und sehr gut gehaltene Kriegsschiff. Bald darauf erhielt ich die Gegenbesuche und am Abend traf ich mit den betreffenden Herren bei dem Diner des deutschen Konsuls Doktor von der Heyde, zu welchem ich geladen war, zusammen. In der übrigen Zeit an diesem Tage befaßte ich mich mit den Vorbereitungen zu meiner Abreise und machte meine Abschiedsbesuche, weil das Schiff Dbli des Norddeutschen Lloyd, mit welchem ich die Rückreise nach Singapore machen wollte, am 25. Dezember zeitlich morgens von Bangkok abdampfen sollte.
Jedenfalls wurde mir die Freude zuteil, dien Abend des 24. Dezember, den Christabend, bei dem Konsuln Gente und im Deutschen Klub zu feiern. Eben für diesen Abend bangte mir vor dem Antritte meiner Reise ein wenig, weil es in meinem Leben das erste mal war, dass ich dieses schöne Freudenfest außerhalb meiner Familie, allein und in fernen, fremden Ländern verleben sollte. Nun aber wurde ich von Herrn Gente zu dieser Festfeier eingeladen, und dann erhielt ich auch eine Einladung vom Deutschen Klub zur Anteilnahme an der dort abzuhaltenden Christabendfeier. Ich gestehe es, dass ich eine sehr große Freude über diese zwei Einladungen empfand. Es waren aber sowohl die Anordnungen zur Feier dieses Festes so schön getroffen, als auch die Gemüter in eine solche Festesstimmung versetzt, dass ich mich wahrend der Teilnahme an derselben wahrhaft sehr beglückt fühlte. Bei Herrn Gente gab es vorerst ein der Weihe des Festes angemessenes, sehr schön arrangiertes Diner, bei welchem derselbe in einem Trinkspruche auch meiner Lieben in der Heimat gedachte, und nach demselben wurden die Lichter des im Salon befindlichen, reizend aufgeputzten Christbaumes angezündet und von den Anwesenden das Christlied gesungen. Die Herrichtung des Christbaumes hatten die bei Herrn Gente angestellten jungen Herren sehr geschickt besorgt, und dies war nicht ganz leicht, denn sie wollten einen heimatlichen Tannenbaum, der dort nirgends wächst, darstellen. Hierzu hatten sie vorerst ein dem Tannenbaume ähnliches Gerippe aus Bambusstäben erzeugt und dann diese Stäbe mit grünem Moose so gut umwickelt, dass man wirklich einen Tannenbaum zu sehen meinte. Während der Besichtigungen des mit sehr viel Lichtern beleuchteten und mit vielfachem Zierrat und mit Leckerbissen aufgeputzten Baumes wurden Knallbonbons gezogen und die in denselben geschriebenen Wunschreime belacht. Nachdem ich an diesem herzlich lieben Feste mit voller Befriedigung und mit aufrichtig tiefer Dankbarkeit gegen Herrn Gente teilgenommen hatte, fuhren wir zum Deutschen Klub. Dort waren alle Räume festlich beleuchtet. In dem großen Saale stand ein, ähnlich, wie vorher beschrieben, schön hergerichteter, reichlich aufgeputzter und im Lichtmeere erglänzender Christbaum, und an den Wänden standen mit weißen Tüchern bedeckte Tische, auf welchen sich unzählig viele exquisite, reizende und auch recht wertvolle Geschenke, in geschmackvoller Weise aneinander gereiht und mit Gewinnnummern versehen, befanden.
Eine große Zahl von Herren, darunter alle Seeoffiziere des Kriegsschiffes, sowie Damen in schönen und eleganten Toiletten wogte im Saale, und allgemein herrschte eine fröhliche Feststimmung. Da ertönten von der Musikkapelle des Kriegsschiffes die bekannten zwei herzerhebenden Christfestlieder, und in lautem vollen Chor stimmten alle Festteilnehmer ein und sangen sämtliche Strophen dieser ergreifend schönen Lieder. Es war dies wahrlich ein unvergesslich schöner Moment. Hierauf wurden die Lose zur Ziehung verteilt, und dann ging es an das Suchen des gewonnenen Gegenstandes. Da sah man nun ausnahmslos befriedigte, erfreute und frohlockende Gesichter, und als dann die Musikkapelle unsere herrlichen deutschen Tondichtungen zum Vortrage brachte und auch der perlende Champagner serviert wurde, da gab es im ganzen Saale nur Heiterkeit und Entzücken, und diese äußerten sich bei vielen in humoristischen Kundgebungen oder Ulken, wie der Norddeutsche sagt. Der deutsche biedere Charakter mit dem ihm innewohnenden Frohsinn kam da voll zum Ausdrucke.
Das Fest nahm in frischer, lebensfroher Weise seinen Fortgang und endete nach einem splendiden Souper mit der Huldigung Terpsichorens.
Im Hinblick auf meine noch in dieser Nacht nötige Einschiffung und auf die mir vom Herrn Gente in liebenswürdiger Weise zugesagte Begleitung auf das Schiff musste ich noch vor dem Souper von dem mir so lieb gewordenen Kreise der Österreicher und Deutschen in Bangkok scheiden. Stets werde ich jedoch mit aufrichtiger Dankbarkeit zurückdenken an die freundliche Aufnahme bei unserem Honorarkonsul in Bangkok in seinem vortrefflich gehaltenen Hause, an seine zielbewusste Leitung, um in der kurzen Zeit meines Aufenthaltes in Siam mir doch einigen Einblick in das Leben des siamesischen Volkes zu verschaffen, und an all die schönen Unterhaltungen, die er mir bereitet und vermittelt hat, und ebenso werde ich mit großem Vergnügen an die heiteren Stunden zurückdenken, welche ich in dem trauten Kreise der von ihrer Heimat entfernten Österreicher und Deutschen im Deutschen Klub zu Bangkok verlebt habe.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise nach Siam, Java, Deutsch-Neu-Guinea und Australasien.