10. Kapitel - Zweite Fortsetzung

Auch die Möwe, besonders die große dreizehige, dient für den Federhandel, und auf den Felsen der Voigtei Satten, bis Loppe an den Grenzen von Finnmarken, steigt man zu ihren Felsennestern auf, tötet sie, nimmt die Eier zur Speise, und bricht ihren Jungen die Flügel, damit sie ausgewachsen bequem gefangen und gerupft werden können. — Die Vogeljagd in diesen Felseninseln ist für die Bewohner eben so einträglich wie nötig, denn sie verschafft ihnen außer den Federn wohlschmeckende Speise, aber sie ist auch mühevoll und nicht selten gehen Menschenleben dabei verloren. Der Eidervögel dagegen nistet wenige Fuß über dem Meere auf flachen Klippen und Niemand darf ihn da stören. Das Tier hat seine Brutplätze und diese haben ihre Eigentümer, welche sie beschützen. Dreimal im Jahre brütet es und polstert sein Nest mit den besten Dunen, die es sich ausrupft. Zweimal gewöhnlich nimmt man ihm die Eier, um die Dunen so reinlich und gut, als möglich zu erhalten, zum dritten Male lässt man sie brüten, und der Vogel ist so zahm, dass er nicht allein seine Jungen vertrauensvoll in die Wohnungen der Menschen führt, sondern sich auch von seinen Eiern aufheben und wieder darauf setzen lässt. — In Nordland ist der Eidervogel am häufigsten, wie auch die ganze Vogeljagd dort zumeist getrieben wird.

Wenn nun das Schiff sich durch das Klippengewirr wand, und namentlich, wenn es sich von der Küste und den Mündungen der Fjorde entfernte, um durch die äußeren Schären zu laufen, waren wir oft von den mächtigen Schwärmen dieser Wasservögel umgeben. Die Lumbe mit ihren roten Kämmen saßen zu Haufen auf den niederen Felsen, welche mit ihrem Unrat bedeckt waren, und erst, wenn wir ganz in ihrer Nähe, sprangen sie in die Wellen und ruderten darunter fort. Zuweilen, wenn sie zu tief gehen, werden sie dabei eine Beute der Grundhaie; wie viele kommen um, werden von den Adlern gefressen, von den Menschen erschlagen, aber in jedem Frühjahr sind sie so zahlreich da, als früher; denn die Natur duldet nicht eher die Abnahme eines Geschlechts, bis dessen Lebenskraft erschöpft ist.


Am zweiten Tage fuhren wir an der Nordtrondhjemsküste hin, von einem Sturme begleitet, der das Wasser von den Wellen hob und dichtem Regenschauer gleich, hoch in die Luft wirbelte. Glücklicher Weise war er uns nicht entgegen. Er stürzte von den Uferbergen nieder und fand keinen Raum in den schmalen Meeresstraßen, seine volle Wut zu entwickeln. Nur auf den weiten Becken an den ins Land dringenden Buchten, besonders aber auf dem großen Foldenfjord, wo der Ozean seinen unermesslichen Spiegel schrankenlos ausbreitet, warfen die hohen Wellen uns in ihrem Schaum und Gebraus gewaltig auf und nieder. — Sonst ging es ohne Aufhören zwischen den Inselgruppen und unzähligen Klippen hin. — Die Ufer hatten wohl meist ein ödes nacktes Ansehen, aber hier herrscht im Innern doch viel Fruchtbarkeit, sowohl auf den Inseln, wie in Nummedals Voigtei, die an der Küste hinab geht. — Es ist ein guter Boden von Lehmsand und Ton in den Tälern, der Baumwuchs gedeiht überall und die Viehzucht ist nicht unbeträchtlich. Auch ist Nordtrondhjemsamt und Nordland keineswegs spärlich bewohnt. Viele schöne Güter gibt es hier und manche wohlhabende und gebildete Familie lebt vereinzelt mit Predigern und Sorenskrivern zwischen den Buchten der Fjorde und auf den Inseln. — Das Klima ist mehr feucht als kalt, der Winter nicht schwer, meist unterbrochen von Regengüssen, und das Vieh leichter zu ernähren, als südlicher im Lande. Man lässt es einen großen Teil des Winters im Freien. Grashalme sprießen in milden Tagen auf, die abgeweidet werden, und auf den Inseln nährt man die Kühe häufig mit den Fischabgängen, welche sie gern fressen. Bei dem großen Fischfange auf Lofoden werfen die Fischer die Köpfe der Kabeljaue nicht fort; sie tun sie in Fässer und nehmen sie mit nach Haus, um ihr Vieh damit zu füttern.

Ein Schiff ist immer ein Gefängnis, sein Raum ist bald durchmessen, seine Herrlichkeiten sind schnell erschöpft, und wenn man auf trostloser Wasserwüste schwimmt, stellt sich gern die Langeweile ein. Hier hatten wir nun zwar Land überall; allein doch war für die meisten meiner Reisegefährten wenig Abwechslung darin zu finden. Raues Wetter, Regenschauer und die hoch spritzenden Wellen jagten Alle unter Deck. Am Abend wurde der Sturm zum Orkan. Der Prinz Gustav ward in einem engen Kanal vor doppelte Anker gelegt, mit Tauen an beiden Ufern festgemacht, und dennoch schwankte er heftig auf und nieder. Es war schön in der schwarzen Nacht auf dem Deck zu stehen. Das Wimmern und Heulen des Windes in Takelwerk und Ketten klang wie Geisterstimmen; man musste sich zuweilen festhalten, um nicht von den Sturmstößen niedergeworfen zu werden, und unten flogen die Wellen hoch an den Planken auf, aus ihrem Dunkel wurden sie plötzlich leuchtender Silberschaum, in welchem unzählige goldene Funken aufblitzten und verschwanden. Ich habe das Meeresleuchten nie so schön gesehen, wie an jenem Abend.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise durch Skandinavien. Band 2