Den 29. Juni

Ich reiste nach Rosenfeldt, einem Gute, das einem Herrn von Steineck, der Landrat ist, zugehört. Die erste Meile nach dem Dorfe Damm fährt man auf einem kostbaren Wege, welcher aus Brücken über verschiedene Arme der Oder, und aus einem sieben bis acht Fuß hoch aufgeführten Damme über die dazwischen liegenden Werder besteht, welche sowohl im Winter, als bei Nordwinde, welcher das Wasser der Oder verhindert, in die Ostsee zu fallen, unter Wasser stehen, und die herrlichsten Wiesen sind, welche das Auge sehen kann. Sie werden auch zwei- bis dreimal gemäht, aber die Ernte davon ist, wegen der Überschwemmungen, ungewiss.

Auf dem Felde von Damm sah ich längst dem Wege die ersten Maulbeerbäume. Es ist bekannt genug, dass die Anpflanzung dieser Bäume in den Preußischen Staaten sehr ermuntert wird, weil ihre Blätter zur Nahrung der Seidenwürmer dienen, deren Vermehrung sehr betrieben wird, indem man sich Hoffnung macht, dafür das Geld zu ersparen, was jährlich für rohe Seide aus dem Lande geht. 1) Die Akademie der Wissenschaften in Berlin hat sich deshalb schon seit dem Jahre 1700 Mühe gegeben; doch soll die erste Pflanzung von Maulbeerbäumen erst im Jahr 1714 von Johann Frisch, Conrector an dem Gymnasio im grauen Kloster zu Berlin, angelegt worden sein. Dieser fiel zugleich darauf, dass die Kirchhöfe damit bepflanzt werden sollten, weil der Boden derselben immer, wegen der daselbst verwesenden Leichen, fett ist, und weil die Prediger und Küster mehr, als andre, Zeit übrig haben, auf den Seidenbau Acht zu geben. Der Vorteil davon sollte alsdann der Kirche zufallen. Der Hofrath und Domainenfiscal Pfeiffer erbot sich, die Maul- beerbäume, das Stück zu drei Schilling Dänisch, (1 ½ Schilling Lübsch oder 9 Pfenninge,) zu liefern, und gab eine Anweisung zum richtigen Anbau derselben heraus. Dass die Diener des göttlichen Worts viele ungegründete Einwendungen gegen diese Einrichtung zu machen fanden, wird in seinem Bericht an den König, welchen er den 1sten November 1719 eingab, und welcher gedruckt ist, angeführt. Dem unerachtet blieb alles beim Alten, bis der jetzige König die Eroberung von Schlesien vollendet hatte. Denn im Jahr 1746 wurde diese Arbeit mit Ernst angegriffen. Alles Wortspiel: dass Gottes Acker nicht zu einer greulichen Eitelkeit angewandt werden müsse; dass die Gebeine der Kinder Gottes bis zu jenem großen Tage in Frieden ruhen müssten; und was dergleichen saubere Einwendungen mehr waren, galt nun alles nichts mehr. Denn der König befahl es, und man musste dem Könige so gehorchen, dass im Jahr 1777 in Pommern, Brandenburg, Magdeburg und Halberstadt, von Geistlichen und andern, 10.000 Pfund Seide, deren Wert man jedes Pfund zu drei bis sechs Rthlr. rechnen kann, gewonnen wurden.


Dies ist gewiß eine ansehnliche Summe. Aber doch ist vielleicht unter allen Anlagen, welche in den Preußischen Staaten gemacht worden sind, keine, welche mehr gekostet und weniger Nutzen verschafft hat. 2) In der Nähe von Berlin, recht in dem warmen Sande, der zur Zucht der weißen Maulbeerbäume das beste Erdreich sein soll, liegt ein königlicher Hof, Namens Segel, welcher im Jahr 1750 jährlich 140 Rthlr. 5 Ggr. 6 Pfenninge Pacht gab, und damals an einen Kammerdiener des Prinzen Ferdinand für 168 Rthlr. verpachtet wurde. Dieser machte im folgenden Jahre, statt die Pacht zu bezahlen, folgendes Projekt. Da dieser Hof zur Anlegung einer Maulbeerpflanzung sehr geschickt sei, die, außer den Hecken, aus 100.000 Bäumen bestehen könnte, wie eine beigelegte Zeichnung bewiese: so wollte er eine solche auf seine Kosten anlegen, wenn ihm dieser Hof, nebst einem Wirtshause, das zu 50 Rthlr. angeschlagen war, etwas Fischerei, 58 Faden Brennholz, allem erforderlichen Bauholzen und vier Schweinen im Walde, gegen eine jährliche Abgabe von 147 Rthlr. in Erbpacht überlassen würde. Der König genehmigte dieses Projekt den 23sten Jenner 1752.

Statt aber sein Versprechen zu erfüllen, übergab der Kammerdiener im Jahr 1755 eine Bittschrift an den König: dass Seine Majestät allergnädigst untersuchen lassen mögten, wieviele Maulbeerbäume mit Nutzen auf diesem Hofe gepflanzt werden könnten. Die Untersuchung ward angestellt, und der Kammerdiener ward für die Zukunft nur verpflichtet, 6.000 Maulbeerbäume zu pflanzen, welches innerhalb sechs Jahren geschehen sollte.

Im folgenden Jahre verkaufte der Kammerdiener sein Erbpachtsstück an Herrn Imberth für 3.600 Rthlr.; und dieser verkaufte es wieder 1760 an den Major Struve für 5.300 Rthlr. Noch war an die 6.000 Maulbeerbäume nicht gedacht worden. Major Struve verkaufte es 1762 an den Baron Hollvede für 6.000 Rthlr. schlecht Geld; dieser 1764 wieder an seinen Bruder für 4.000 Rthlr. in Louisd’or, und damals fanden sich auf Segel 3.500 Stück Maulbeerbäume. Aber diese gingen in dem strengen Winter 1767 aus.

Endlich berichtete im Jahr 1770 der königliche Inspector über die Maulbeerpflanzungen, Thym, ein: dass der gegenwärtige Besitzer die anbefohlenen 6.000 Stämme wirklich angepflanzt hätte; dass aber, unerachtet auf den Stellen, wo die Bäume gepflanzt werden sollten, große Löcher gegraben und mit guter Erde angefüllt worden wären, und die Bäume fleißig begossen und beschnitten würden, dennoch die meisten jährlich ausgingen; und dass auf Segel, nach der genauesten Untersuchung, für nicht mehr als 2.000 Stämme taugliches Erdreich gefunden würde.

So ging es dem König von Preußen unter seinen Augen, dicht bei Berlin. Sollte wohl nicht eben dies an mehreren Orten geschehen sein? und müssen nicht alle Könige das nämliche Schicksal befürchten, wenn sie die Natur zwingen wollen?

In Frankreich geben 2.300 Seidenwürmereier ein Pfund Seide, Pariser Gewicht; im Brandenburgischen aber sind zu einem Pfund Seide, Berliner Gewicht, welches leichter als das Pariser ist, 3.000 Eier erforderlich.

Es kostet also die Seide im Brandenburgischen 24 pro Cent oder ¼ mehr, als in Frankreich, wo man von der nämlichen Anzahl Eier fünf Pfund bekommt, welche im Brandenburgischen nur vier Pfund geben. Aus dieser Ursache allein müssen folglich vier Ellen Seidenzeuges in Berlin eben so viel kosten, als fünf Ellen in Lion.

Der Grund davon liegt, wie ich glaube, vornämlich im Klima, welches sowohl auf die Würmer selbst, als auf ihre Nahrung wirkt.

Eben so wenig, als es in diesem Lande der Mühen lohnen würde, Pfirsiche oder Aprikosen zu ziehen, um daraus Confituren zu machen, wozu sie reifer sein müssen, als sie hier werden, eben so wenig wird man hier, meiner Meinung nach, bei der Seidenwürmerzucht seine Rechnung finden.

Wollte man einwenden, dass doch, unerachtet aller dieser wahrscheinlichen Ursachen, jährlich der Wert der im Lande erzeugten Seide in der Handelsbilanz gewonnen würde: so glaube ich, dass, ehe man diesen als Gewinnst berechnen kann, zuvor davon abgezogen werden müssen:

1) die Zinsen der Kapitalien, welche auf diese Kultur, sowol bei glücklichen als bei verunglückten Versuchen, verwandt worden sind;

2) was die Menschen, welche die Zeit mit dieser Arbeit verderben, an Nahrung, Kleidung, Wohnung und Wärme verbrauchen, in so fern diese Artikel sonst zum Vorteil der Handelsbilanz hätten verkauft werden können;

3) was diese Leute durch andere nützlichere Arbeiten dein Staate hätten einbringen können;

4) was das Erdreich worauf nun Maulbeere bäume stehen, oder welches davon beschattet wird, bei einer andern Kultur hätte eintragen können ;

5) muss man erwägen, ob nicht der gemeine Mann auf dem Lande dadurch, dass man ihm Ge-legenheit verschafft, mit einer so bequemen und zärtlichen Arbeit sein Brod zu verdienen, ungeschickt gemacht, und von nützlichern Geschäften, wie vom Garten- und Ackerbau, abgehalten wird? Dieses kann, wenn die Seide missglückt, welches man in den kälteren Ländern oft befürchten muss, die schädlichsten Folgen haben.

Ehe diese Punkte nicht genauer bestimmt werden, glaube ich nicht, dass man wissen kann, wie viel durch die Kultur der Seide verdient wird, und ob nicht vielleicht gar dabei Verlust ist. Ich glaube vielmehr, dass sie nicht als nützlich angesehen werden könne, außer nur, wenn sie betrieben wird:

1) ohne Unterstützung aus der Kasse des Staats;

2) von Personen, welche dadurch nicht von andern Verrichtungen abgehalten werden, oder dadurch nicht mehr von den Produkten des Staats verzehren, wie z. B. Predigern und Küstern; und

3) wenn die Bäume an solchen Stellen gepflanzt werden, welche zur Hervorbringung anderer Produkte untauglich sind, z.B. auf Kirchhöfen, Landstrassen, Dämmen, u. s. f.




1) Büsching’s Reise von Berlin nach Rekahn. S. 189 sf.
2) Büschings Reise von Berlin nach Kyritz. S. 14.