Den 28. Juli

Ich reiste nach Ludwigslust, der Residenz des Herzogs, wo er ein prächtiges Schloss gebaut hat, welches Kenner als eins der vollkommensten Resultaten, von der richtigen Anwendung der Regeln der Baukunst beibrachten. Die natürliche Lage desselben kann nicht unter die angenehmsten gerechnet werden. Die ganze Gegend ist sandig und mager. Hinter dem Schlosse liegt zwar etwas Waldung; aber dies ist eigentlich nur ein Ellernmohr. Denn wenn gleich die Ellernbäume eine ansehnliche Höhe erreicht haben, so sind sie doch ihrem Ende nahe: so dass sie, wenn sie nicht gehauen werden, umfallen. Wie es aber auch damit gehen mag: so wird man sich doch in einigen Jahren darin finden müssen, sich mit einem schlechten und rechten Ellernsumpf zu begnügen, wo man jetzt einen Wald zu haben glaubt. Um das Unangenehme davon so viel möglich zu vermindern, müsste man, meiner Meinung nach, den Wald je eher je lieber in Gehaue einteilen, und jedes Jahr ein Stück schlagen: denn sonst fällt das Ganze auf einmal über den Haufen. So undankbar und traurig aber dieser Wald von Natur ist: so bezaubernd angenehm hat doch der Herzog, durch seinen Geschmack und durch seine hydrostatischen Kenntnisse, die darin von ihm angelegten Spaziergänge zu machen gewusst.

Der Wald ist mit Kanälen durchschnitten, worin Wasserfälle aus mannigfach abwechselnde Weise, eine Schleuse, welche sich selbst öffnet und schließt, ein Bassin mit 21 Bouillons, und viele andere sehr angenehme Veränderungen, angebracht sind. Kurz, dies ist ein wahres philosophisches Paradies.


Um diese herrlichen Sachen zu besehen; hat der Herzog einen Wagen verfertigen lassen, welchen man dort die Walze nennt. Er besteht in dem Oberteile einen Jagdwagen, welcher auf zwei Zylindern oder Walzen, statt auf vier Rädern, ruht, und von einem Pferde gezogen wird. Diese Art zu fahren hat den Vorteil, dass die an den Seiten der Kanäle auf morastigem Erdreiche aufgefüllten Spatziergänge nicht ausgefahren werden, welches durch Räder geschehen würde, und das die Spur des Pferdes von den Walzen wieder geebnet wird: so dass die Spatziergänge immer fester werden, je mehr man darauf fährt.

Das Prächtigste unter Allem ist die vor dem Schlosse aufgeführte Kaskade mit zwei Wasserfällen, deren breite der Fassade des Schlosses gleich ist. Man findet sie in Nugents Reise in Kupfer gestochen. Wenn man diesen Kupferstich ansieht: so kann man sich einen vollkommnen deutlichen Begriff davon machen, welchen ich doch durch die längste Beschreibung schwerlich würde geben können. Doch darf ich nicht unterlassen, die auf der Kaskade angebrachte Grouppe anzuführen. Sie ist einfach, wahr, und im edeln Stile. Es ist das Mecklenburgische Wappen, unterstützt von alten Männern zu beiden Seiten, welche Wasserkrüge unter den Armen haben, (das gewöhnliche Bild der Flüsse,) aus denen das Wasser mit reißender Kraft stürzt. Auf dem einen Kruge steht: Stör, und auf dem andern: Reckenitz, welches die Namen der beiden Flüsse sind, die der Herzog abdämmen, und hieher leiten ließ, um diese und die übrigen Wasserfälle zu bilden. Sie haben aber vielleicht auch nicht wenig zu der Feuchtigkeit beigetragen, worüber man sich, besonders in dem untersten Stockwerke des Schlosses beklagt, So ist das Gute überall mit Übel vermischt.

Jenseits der Kaskade, und gerade dem Schlosse gegenüber hat der Herzog die Kirche von einer edeln Bauart, sowohl inwendig als von außen, erbaut. Das Gewölbe über dem Altare ist bis an den Fuß desselben herunter al Fresco gemalt, und stellt die den Hirten auf dem Felde geschehene Verkündigung der Geburt Christi durch die Engel vor. Der Maler, Johann Findorph, starb während der Arbeit: so dass die untersten Figuren nur mit Kreide angelegt sind; aber die obersten Figuren, welche den Himmel und die posaunenden Engel vorstellen, sind fertig. Hinten ist ein Platzt zum Orchester angebracht: so dass die Personen, welche wirklich die Musik machen, ein Chor mit den gemalten Engeln zu sein scheinen, und eine recht hinreißende und erbauliche Täuschung verursachen.

Über dem Eingang steht folgende Inschrift:

Jesu Christo

Magno Peccatorium Redemptori hoc Templum

consecratum est

A magno Peccatore redempto

Dei Gratia Friderico Duce Megapolitano

Aedificari coeptum Anno MDCCLXV Mense

Martio

Finitum Anno MDCCLXX Mense Julio.

Vier doppelte Lindenalleen gehören zu dieser ehrwürdigen Kirche, welche mit todten Leichnamen, deren entsetzliche Fäulung die Luft der meisten Kirchen in der Christenheit vergiftet, weder angefüllt noch umringt ist.

Mecklenburg ist eines von den wenigen Ländern, wo dieses höchst schädliche Überbleibsel des Aberglaubens und des lächerlichen Eigendünkels ausgerottet ist, so weit nämlich der Herzog dafür sorgen kann: nämlich in den Städten. Denn den hochadeligen Vorzug der Edelleute nach ihrem Tode da zu stinken, wo sie vielleicht in ihrem Leben selten hinkommen, darf der Herzog nicht antasten.

Dieser Fürst ist kein Freund des gewöhnlichen Lärmen der Höfe. Er lebt als ein reicher Privatmann: er wohnt gut, er isst gut, und hat gute Musik, nebst vielen Künstlern von aller Art, um sich. Er ist selbst ein großer Mechaniker, und teilt seine Zeit zwischen Regierungsgeschäften und den Wissenschaften. Er soll einmal gesagt haben, dass ihm das, was man von einem Menschen, in Ansehung seines Gemüts, sagte, bei Besetzung der Ämter gleichgültig sei: denn die Verständigen würden gemeiniglich von den Dummen und Faulen eines bösen Herzens beschuldigt, damit diese wegen ihres Gott allein bekannten Herzens den Vorzug erhalten mögten, welcher ihnen, wie jedermann einsehen könnte, wegen ihres Verstandes nicht gebührte. Da seine rechtschaffene und christliche Denkungsart verursacht hat, dass verschiedene Buben unter der Maske der Religion seine Gnade und sein Vertrauen gemissbraucht haben: so soll er auch geäußert haben, dass er die Religion eines Menschen als gleichgültig in Absicht auf die Dienste des Staats, und als eine Sache, welche nur allein den Menschen selbst beträfe, ansähe.

In Nugent`s bereits angeführter Reisebeschreibung, welche im vorigen Jahre (1781) zu Berlin bei Nicolai herausgekommen ist, findet man verschiedenes Merkwürdige von Schwerin und Ludwigslust angeführt, welches ich deshalb mit Stillschweigen vorbeigehen zu müssen geglaubt habe.