Den 24. Juli

Ich kam nach Schwerin , wo ich einige Tage blieb, und viele angenehme Stunden in dem in sehr gutem Geschmacke angelegten Schlossgarten; und auf andern Spaziergängen, zubrachte, welche durch den dicht daran stoßenden großen See, von drei Meilen im Umkreis, sehr abwechselnd gemacht werden. Der angenehmste darunter für mich führt nach Schilfwerder, einer kleinen dicht am Lande in dem Schwerinischen See gelegenen Insel, welche zu einem Tiergarten mit einem Jagdhause eingerichtet ist. Hier ist ein junger Eichenwald den man mit Eicheln gesäht hat, und der in gutem Wachstume steht, und an allen feuchten Stellen sind vortreffliche Weidenpflanzungen. Der zu Weidenpflanzungen bestimmte Platz wird als Acker gegraben, und durch Gräben, welche eine Elle breit sind, eben so breit gemacht, und mit der Erde, die aus den Gräben ausgeworfen wird, erhöht. Mitten auf dem Acker werden die Weiden, eine Elle von einander, gepflanzt, und wenn man sie 2 ½ Ellen lang bekommen kann: so werden sie in schräger Richtung 1 ½ Elle in die Erde niedergesteckt. Das Loch wird mit einem zugespitzten eichenen Pfahl gemacht, welches um so notwendiger ist, da die Weiden an beiden Enden gleich, und nicht schräg, abgeschnitten sein müssen. Durch die auf diese Weise angelegten Pflanzungen sind die sumpfigen Stellen so dick mit Korbmacher- und andern Weiden bewachsen, dass es unmöglich ist, sich anders, als mit dem Messer in der Hand, durchzudrängen. Ähnliche Anlagen könnten an vielen Orten hier zu Lande mit Vorteil gemacht werden, und um deswillen habe ich auch die Art, wie man dabei zu Werke geht, so genau beschrieben, wobei das Wesentlichste dies ist, dass die Weiden tief in die Erde gesetzt werden müssen.

Unter den Bekanntschaften, welche ich in Schwerin mit verschiedenen Personen machte, war die Bekanntschaft des Generalfiscals, Herrn Hofrat Buchholz, nicht am wenigsten unterrichtend für mich. Er ist ein sehr gelehrter und einsichtsvoller Mann, welchen ich jeden Reisenden, der Kenntnisse von dem Mecklenburgischen Staatsrechte wünscht, zu suchen empfehlen will. Er war damit beschäftigt, einen Plan zu einer Brandassecuranz-Gesellschaft auszuarbeiten, von dem keiner, der die Brandkassen anderer Länder kennt, leugnen wird, dass er zur Vollkommenheit zu kommen verdient.


Nach eingekommenen Berichten beläuft sich der Wert der sämtlichen Gebäude, welche sich in beiden Herzogtümern, Schwerin und Streng befinden, auf 48 Millionen Rthlr.; und der Wert von den Brandschäden, welche in den letzten zwanzig Jahren vorgefallen sind, auf 240.000 Rthlr.. Dieses macht auf jedes Jahr 12.000 Rthlr., und folglich auf jede 100 Rthlr. des Werts der assecurierten Gebäude nur einen jährlichen Beitrag von 12 Schilling. Wer andere Länder kennt und weiß, wie es dort dem Allerhöchsten gefällt, die Häuser der Menschen in Asche verwandeln zu lassen, und dass dort der jährliche Beitrag sechs- bis siebenmal so hochsteigt, der wird diesem Plane schwerlich seinen Beifall versagen. Er hat keinen andern wesentlichen Fehler, als den Mangel an einer anständigen Besoldung für die dazu erforderlichen neuen Bedienten. Der Hofrat hat diesen nicht für nötig gehalten, weil nichts bezahlt wird, wenn kein Schade geschieht, und weil er glaubt, dass in diesen Fällen der Herzog und der Adel bereits so viele Bediente hätten, welche sie besoldeten, das diese gern auch diese Arbeit bestreiten könnten.

Die angeführte Niedrigkeit des Beitrages scheint um so mehr zu bewundern zu sein, da wenige Länder den Gewitterschäden so sehr ausgesetzt sind, als Mecklenburg, wegen seiner fielen großen Seen. Dem unerachtet wird doch diese Sache wol noch Schwierigkeiten genug finden, weil dort im Lande eine besondere Denkungsart herrscht. Diese ist: dass sich der Adel gegen alles, was der Herzog will und vorschlägt, es mag gut oder schlecht sein, mit Händen und Füßen widersetzen müsse , damit seine Vorrechte nicht ihre Kraft verlieren mögten.

Was gegenwärtig alle Gemüter in Bewegung erhält, das ist das dem Herzoge im Teschenschen Frieden vom Kaiser zugestandene Vorrecht de non appellando, welches darin besteht, dass die Untertanen des Herzogs künftig nicht von dem höchsten Gericht des Herzogs an die beiden höchsten deutschen Reichsgerichte, das Kammergericht in Wetzlar und den Reichshofrat in Wien, appellieren sollen. Dass der Kaiser dem Herzoge, indem er ihm das Privilegium verlieh, etwas weggibt, was nicht sein Eigentum ist, sondern auf gut Deutsch aus Anderer, nämlich Adels, Leder Riemen schneidet, ist wol unleugbar: denn es gehört zu den Gerechtigkeiten des Adels, dass er unter den höchsten deutschen Reichsgerichten steht; aber dies ist ja der Welt Lauf: und also genug hiervon. Wenn man indessen auf der andern Seite die Welt kennt, wie sie ist; wenn man weiß, dass Jemand, welcher bei des heiligen Römischen Reichs-Gerichten einen Prozess gewinnt, gewöhnlich ärmer ist , als da er ihn anfing: so muss man dem Adel zu dem Verluste dieses langsam tötenden Heilungsmittels Glück wünschen. Man sagt, dass der Herzog dem Adel das Recht anbieten will, einige von den Beisitzern zu ernennen, welches gewiss kein geringer Vorzug ist, besonders nachdem der Adel, seit der Einführung des Indigenatrechts keine Hoffnung mehr hat, in Dänemark versorgt zu werden, und folglich die Dienste des Königs von Preußen jetzt seine einzige Zuflucht sind. Da aber zugleich eine traurige Erfahrung gelehrt hat, dass das Herzogliche Kabinett bisweilen für gut findet, sich in Justizsachen zu mischen, und sogar an seine bisherigen Justizcollegia, wenn sie gleich unter Oberrichtern stehen, Cabinetsordres sendet, wodurch der ordentliche Lauf des Rechts gehemmet wird, indem z. B. einem Gerichte verboten wird, eine Klage von einem Gläubiger gegen N. N. anzunehmen: so läßt sich auch begreifen, dass es Männern, welche ein Eigentum besitzen, bedenklich scheinen kann, ihrer einzigen Zuflucht gegen despotische Cabinetsordres zu entgehen. 1)




1) Diese Zuflucht wird den Mecklenburgern durch das Privilegium de non appellando nicht benommen. Denn bekanntlich hebt solches die Klagen der Untertanen gegen ihren Landesherrn, ingleichen die Nullitätsklagen, und die Klagen wegen verweigerter Gerechtigkeit nicht auf.