Nach Arkona und Stubbenkammer

Um nach Arkona zu kommen, mussten wir wieder zurück nach der westlichen Hälfte, an deren Nordspitze das Vorgebirge liegt, an der Spitze von Wittow. Und dies sollte zu Lande bewerkstelligt werden, obwohl der Jasmunder Bodden zwischen Jasmund und Wittow liegt. Da nämlich, wo das Meer beginnt, und der Bodden stolz und wohlgemut der großen Wassermutter, der See, in die Arme eilen könnte, da drängt sich wie eine skurille Ironie eine schmale, klägliche Landzunge zwischen den Bodden und das Meer, und zieht sich von Jasmund bis nach Wittow hinüber, wohl zwei gute Stunden Wegs lang. Dazu sieht diese Landenge höchst plebejisch aus und man begreift das Meer und den Bodden nicht, wie sie solch ein gemeines Hindernis dulden können — ein Schwert zwischen den Ehegatten mag respektiert werden im Nachtlager, aber eine dürre Gerte! Ich habe das Meer und den Bodden im Verdacht, dass sie keinen guten Willen zu einander haben: der Bodden mag vielleicht lieber ein kleiner, aber selbstständiger Herr sein, und das Meer vergisst in der tiefen Bucht den seichten, schwachen Gesellen, den kleinen Tausendsappermenter eines Provinzstädtchens, der die Cotillons aufführt. Wie dem sei, diese Landenge ist ein schmaler, kaum ein wenig über den Wasserspiegel erhöhter Sandstrich, und heißt die Schabe. Vielleicht seiner schäbigen, ganz unproduktiven Beschaffenheit wegen, die Seeraben halten hier kleine Casinos, aber sie genießen nichts da, sie kosten nur einmal die Landruhe. Nirgends hab' ich so viel Möwen gesehen, als auf der Schabe, von allen Farben, schwarz und weiß, grau und weiß, grau, weiß sitzen sie hier und konspirieren. Der Wagen, um festen Boden zu haben, fährt meist mit einem Rade in der See, und sie lassen ihn oft ganz nahe kommen, sie fliegen und schwimmen ein ungestörtes, sicheres Leben. Der Siebenbürgner war nicht so ruhig wie die Möwen, und die tiefe Zuneigung der einen Wagenhälfte zum Meere beunruhigte ihn. Er versicherte den Kutscher, nicht schwimmen zu können; der Sagarder aber lachte bloß; hier giebt es keine Unebenheiten, der Meeresstrand ist gleichmäßiger Sandboden.

So fuhren wir denn halb im Wasser und fortwährend zwischen zwei Wassern, an einigen Stellen ist die Schabe nicht breiter als zwei, drei Chausseen — wie die Kinder Israel durchs rote Meer. Der Siebenbürgner sagte: wenn nun plötzlich eine Überschwemmung einträte, was geschähe mit uns auf diesem Sandgrat? wir erfassen, erwiderte der Sagarder, sein Nachbar.


Im Winter mag wohl diese Passage durch das Eis gehemmt sein, das sich aufschiebt.

Die Meeresbucht, Wiek wird es hier genannt, auf deren innerem Landesbogen wir fuhren, hat auf der östlichen Inselhälfte das breiter mit der Brust sich bietende Jasmund zur Grenze, und schief vor uns liegend auf Wittow die eigentliche Spitze der Insel, Arcona zum Grenzpunkte. Beide Gestade glänzten wie Kreidefelsen aus der Ferne, und der Leuchtturm von Arkona, in dessen Nähe noch einige Wallreste einer alten Jaromarsburg sich finden, sah wie ein Castell über das Meer herüber zu uns.

Die Sonne schien freundlich, wir ließen zu großer Beunruhigung des Siebenbürgners den Wagen etwas weiter ins Meer fahren, machten ihn zur Garderobe und wateten in die See hinein. Auch das Wasser hält nicht einmal Wort, wenn der Anblick von Reinheit der Gesinnung spricht, schwarzer Schleim wie Rogen von schwarzen Fischen erfüllt die Strandwellen, und macht den Badenden schwarz statt weiß, in großer Masse schwimmt das merkwürdige Wasserphänomen, der Seestern, medusa aurita darin umher, der aus der Ferne einer kleinen platten Muschel gleicht, in der Nähe eine weißliche Gallertmasse zeigt mit dunklem Mittelpunkte. Dieser kleine, wunderliche Teller ist ein lebendiges Wesen, das sich selbst befruchtet, ein abgeschlossener Staat, der millionenfach in der Ostsee schwimmt.

Es war gegen Abend, als wir den Leuchtturm dicht vor uns sahen; der Himmel hatte sich bedeckt, die Sonne ging rot unter, wir stiegen aus, und traten an die nördlichste Spitze Deutschlands; vor einigen Jahren war ich an der südlichsten, beim adriatischen Meere gewesen, wie viel Schicksal lag dazwischen, Schicksal, das mich seitdem betroffen, Schicksal aller der Länder vom Rügener bis zum halbdeutschen Dalmatier. Von Rügen bis Triest, von Riga bis Straßburg und Genf wird deutsch gesprochen — wahrlich, der Burschenschaftstraum war als Traum ein artiger, dass eine Macht erweckt werden möge, so weit die deutsche Zunge klingt, wir wären auch politisch das Herz von Europa, wie wir der Magen sind, der Alles verarbeiten muss, was der lüsterne Mund Frankreichs und die langen Arme Englands bringen.

Und wie abgelöst von Deutschland ist mehr und mehr der Staat, aus welchem Jahrhunderte lang unsere Kaiser kamen, wie bildet sich die Herrsch- und Kulturaufgabe Österreichs immer mehr dahin aus, den gemischten Bereich hinab an der Landkarte zu bilden und zu regieren! Aber wenn die Politik, wie es sich jetzt ankündigt, eine total andere Wendung nimmt, wenn die jetzt mehr und mehr lallenden Fragen der letzten Zeit von ganz andern ersetzt sind, da kann der deutsche Norden eine Herrschbestimmung gewinnen, wie sie den hochgewachsenen Nordländern immer bestimmt gewesen scheint. Der Norden, mäßig und karg im Genießen und in den Sinnen dafür, nüchtern und besonnen, billig und stark, ist zum Herrschen berufen, er hat Rom zweimal gestürzt, die Imperatoren und die Päpste, er hat Napoleon gestürzt, er ist noch heute stark und mutig in seiner dünnen, kühlen Luft. Die Schweden und Dänen haben ihre Zeit gehabt, und sie nicht dauernd benutzen können; der Boden, auf dem ich bei Arkona stand, hat ihnen Jahrhunderte lang gehört, jetzt sind sie Provinzialstädte geworden unter den europäischen Mächten. Schweden verarmt und verkümmert immer tiefer in Haferbrot und Kälte, der Nordpol ist sein immer näher rückender Feind — aber Norddeutschland, das eigentlich noch nie kompakt in der Geschichte aufgetreten ist, hat noch eine große Zukunft. Wie kräftig sind seine Versuche mit Kultur, mit Friedrich dem Großen, mit Blücher gewesen — wir haben noch Gusseisen genug zu neuen Statuen. Süddeutschland hat seine Hohenstaufen, seinen Schiller und Uhland gehabt, ist reich aber nicht mächtig.

Treten Sie nicht so nahe an den Strand, der Boden bröckelt — dies Nordkap Deutschlands fällt ebenfalls nicht so imponierend ab, als man's zu beschreiben pflegt: es ist allerdings eine Bergspitze, aber nur in der mäßigen kleinen Weise, wie alles Derartige auf Rügen, es ist auch kein stolzer Fels, an dem sich die Brandung bräche, sondern ein Geröll aus Lehm und Erde; am Fuße sind Steine, und wenn das Meer ruhig ist, spielt es nur an diese heran und bedeckt sie nur zuweilen mit einer Sprungwelle. Wahrscheinlich löst es auch von Jahr zu Jahr ein wenig vom Boden, die runden berasten Filzkegel, die noch von der Jaromarsburg übrig sind, mögen eben so durch Meer und Wetter verloren haben, und in Rechnung auf das gefräßige Meer und den nachgiebigen Boden hat man auch den Leuchtturm eine Strecke zurück erbaut.

Solch ein Leuchtturm ist ein kostspielig Möbel; eine Meerbeleuchtung, die Meilen weit gesehen werden muss, hat ihre Schwierigkeit. In alter Zeit, wo das Holz noch wohlfeil war, machte man dies Geschäft mit Holzstößen ab; unterhielt doch mancher Rittersmann, dem die dicken Forste zu Gebote standen, allnächtlich auf seiner Burg eine Feuerwacht. Jetzt werden die Leuchttürme ganz modern versehen mit saubern Öllampen, deren Schein von einem dreifachen Kranze blankschimmernder Kupferkessel zurückprallt, und das sauberste Licht gewährt. Wir sahen in dem verglasten obersten Raume des Turms dem Anzünden zu, bewunderten die rein gehaltenen, glänzend polierten Geschirre, und ließen uns durch den knochigen, kurz gebundnen Pommer erzählen von den Schiffen, die zu Sturmeszeit in wilden Nächten aus der See herauf um Hilfe donnerten. Der Mann hatte Ordenszeichen und Medaillen, besonders von den Schweden, denen er mehrere bedrängte Schiffe gerettet hatte. Er versprach uns zur Nacht einen soliden Sturm.

In schmalen Stübchen wurden wir eingeschachtelt wie auf dem Schiffe, und noch waren wir nicht eingeschlafen, da erwachten draußen die Wetter, und spielten auf in allen Tonarten.

Ich suchte mir eine Luke zum Hinausblicken und dankte Gott, dass ich ein Schriftsteller und kein Leuchttürmer sei, der hinaushorchen muss, ob ein Notschuss mit den Winden kommen werde. Schwarz kam das Meer aus der Finsternis in den bleichen Lichtschimmer hereingestürzt, welchen der Leuchtturm auf die nächste Tiefe machte; dass es unten in der Tiefe lag und bäumte, gischte und tobte, erhöhte noch das Unbehagen, wenn man sich zu Boot hinein genöthigt dachte.

Der Siebenbürgner machte die triviale und doch in vieler Weise richtige Bemerkung, Übung tue Alles, und huschte sich tiefer in die Bettdecke, um den Sturm nicht heulen zu hören, und die Erschütterung des Turms weniger zu empfinden.

Übung gebiert auch den Mut der Gewohnheit, und der Siebenbürgner ward auch durch Übung täglich furchtsamer.

Mögt Ihr Russen-, Schweden- und Dänenfahrer Gott befohlen sein da draußen in der peitschenden Meeresnacht, sprach ich am Ende auch, ich kann nichts tun, als Euer Geschick beschreiben, wenn Ihr eins erlebt, oder nicht erlebt. So auf dem egoistischen Standpunkte rücken sich die Menschen Tag um Tag weiter, was Gutes davon abfällt, kommt von den Besten in unbesprochner Stille, übrigens waltet für die Indolenten der bequeme Glaube an eine wohl administrierende Weltordnung, und so lassen sie's gehn, und suchen ihre Bequemlichkeit.

Wir haben auch gut geschlafen, und als wir zum Sonnenaufgang geweckt wurden, war Alles vorbei, und wir hörten es eben mit an, dass ein Sturm gewesen sei, wie wir's in den Zeitungen lesen. Die Menschen können sich nur an sehr einzelnen Punkten der Geschichte bemächtigen, die sie selber mit erleben, ja machen helfen.

Den Lesern wird hier die Beschreibung eines Sonnenaufganges erlassen, den sie in jedem leidlichen Romane nachlesen können. Gewöhnlich geht die Sonne in den Romanen interessant auf — wir fuhren durch die vom nächtlichen Regen eingewässerten Wege eiligst zurück nach der Schabe. Da ich eben Altenkirchen in der Ferne liegen sehe, so sei noch erwähnt, dass hier am Strande von Wittow die berühmten Uferpredigten gehalten werden, in welche Kosegarten so viel Schwung gebracht hat. Der Heringsfang nämlich drängt sich auf wenige Tage zusammen, und die Leute wohnen da ganz und gar am Strande, und haben auch keine Zeit in die Kirche zu kommen. Die Kirche nimmt dann ein Einsehen und kommt zu ihnen; eine gute Kirche hat, man mag sagen was man will, immer die beste Lebensart. Der Herr Pastor kommt an den Strand — die Heringe warten das Stündchen, um dann gefangen zu werden — und predigt unter freiem Himmel, Angesichts des Meeres und der Heringe.

Das mag sehr gut sein, und liegt auch auf der andern Seite; aber wenn man die Schabe an einem rauen Herbstmorgen, in dessen Backen noch kleine Regenwetter nisten, auf einem offenherzigen Hollsteiner Wagen zum zweiten male passiert, da wird Einem diese Naturmerkwürdigkeit allgemach unbequem und langweilig.

Endlich waren wir wieder auf Jasmund, und die Sonne brach auch wieder durch — über kleine Hügel und Täler ging’s weiter, wir kamen in den lichten, grünen Wald der Stubnitz, und hofften bald Stubbenkammer und unsre Mecklenburgerinnen zu sehen. Wir hatten kein Glück mit Mecklenburg: mitten in unserem hoffnungsreichen Morgenliede rollten die Wagen mit Mecklenburgs Stolze an uns vorüber, verschlafen und melancholisch grüßte Coeur- und Pique Dame, besonders Coeurdame; ein ganz niedliches Gedicht mit schmollenden Vorwürfen lag auf ihrem Antlitze. Wir bildeten uns natürlich ein, es gälte uns, denn wo sich junge Männer und Mädchen begegnen, da findet auch sogleich ein offizielles Verhältnis statt, wie Studenten überall Brüder finden, Offiziere überall Kameraden, Refferendarien überall Refferendarien.

Nun werden die Leute sagen, wenn uns Stubbenkammer nicht gefällt, Coeurdame aus Mecklenburg sei schuld — Stubbenkammer hat uns aber gerade zum Possen sehr gut gefallen, der schöne Wald geht bis an den Abhang des Strandes, der hier, wenn auch nicht hoch, doch steil und zu wirklichem Kreidematerial, verdichtet ist. Aus dieser grünen Waldeshöhe sieht es sich prächtig ins Meer hinaus. Die Waldpartie ist hier auch artig kultiviert, und ein geschmackvoll Wirtshaus, wo Coeur Dame übernachtet hatte, liegt lockend in der Mitte.

Der Sachse erkundigte sich, und trank auf ihre Gesundheit; die Sachsen bleiben die höflichsten Deutschen.

Lauter lichtgrün schöner Wald ist diese Stubnitz, und da die Sonnenstrahlen den ganzen Tag über durchtändelten, so sprangen und sangen wir lustig darin umher.

Hier, unweit der Stubbenkammer, liegt die in allen Geschichtskompendien erwähnte Herthaburg und der Herthasee, von welchem Tacitus erzählt, wie der Herr Konrektor in Groß-Glogau versicherte.

Es ist ein schlimmer, schlimmer Punkt, diese Burg und dieser See, und er hat schon viel Kummer gebracht: Germanisch oder wendisch, Tempel oder Burg, Natur oder Kunst? Das sind die Fragen. Vergessen wir einen Augenblick dies schwere historische Problem, — ich fürchte auch, wir lösen es nicht — und sehen wir uns unbefangen um. Es ist ein schmaler, ziemlich hoher Damm, den die offiziellen Beschreibungen durchschnittlich zu achtzig bis hundert Fuß, ja an einigen Stellen zu zweihundert Fuß angeben. Besonders hoch erscheint er Einem eben nicht, der ringsum gelagerte Forst mag wohl zur Verkleinerung beitragen. Die Form dieses Dammes oder Walles ist ungefähr eiförmig, und plattet sich nach einer Seite tief ab, an dieser Seite schließt sich der See an, kreisrund, wie man sagt unendlich tief, kohlschwarz.

Wir wollten unsre freveln Gebeine in diesem heiligen Wasser baden, aber es war uns zu kalt — dies soll nun der See sein, welcher schauerlich einsam, totenstill von Buchen und Schilf umsäumt, wie ein Gewässer der Unterwelt tief im Walte ruht, von welchem Tacitus erzählt wie folgt:
„Auf einer Insel des Ozeans ist ein heiliger Hain, und es ist nur den Priestern gestattet, den darin stehenden heiligen Wagen zu berühren, welcher mit einem Gewande bedeckt ist. Wenn dieser Priester die Gegenwart der Göttin im Heiligtume wahrnimmt, und darauf ihrem von Kühen gezogenen Wagen nachfolgt, dann gibt es frohe Tage und Feste an den Orten, die ihrer Gegenwart geweiht sind. Kein Krieg wird geführt, keine Waffe erhoben, alle Eisenwehr ist verwahrt, nur dann sind Friede und Ruhe bekannt und geliebt, bis eben der Priester die Göttin, satt vom Umgange mit Sterblichen, dem Tempel wiedergibt, dann werden Wagen und Gewänder, ja die Gottheit selbst, wenn man dies glauben will, in einem verborgenen See abgewaschen, und derselbe See verschlingt die Sklaven, welche diesen Dienst verrichtet haben.“

Also Tacitus, den Herr v. Schönholz einen römischen Heerführer und Schriftsteller nennt, der uns aber nur bekannt ist als ein vorsichtiger Senator, welcher mit Heerführern nichts zu schaffen hatte, sondern, außen demütig und fügsam gegen die römischen Despoten, nur in der Stille seines Gemaches gegen sie schrieb. Dazu wählte er besonders eine Schilderung Germaniens, weil ihm die Zustände dieses Landes das beste versteckte Paroli gegen die römischen abgaben, und bei dieser Gelegenheit hat er auch vorstehende Mitteilung gemacht, welche auf die Stubnitz in Rügen bezogen wird.

Ist der Herthadienst hier wirklich gefeiert worden, so ginge dies beinahe zweitausend Jahr zurück, und findet sich nicht durch Ausgrabungen ein Dokument, so müssen wir äußere Beweise aufgeben. Der Wall nämlich hat wohl mehrmals gewechselt, er ist nicht einmal ein alter, noch weniger ein uralter Buchenhain, einem bloßen Erdwalle, wie der vorliegende, was kann dem in ein Paar tausend Jahren begegnen, und das Wasser ist stumm.

Übrigens macht der See einen bei Weitem tieferen und geheimnisvolleren Eindruck in seiner schwarzen, schweigenden Rundung, die mysteriös und tot wie das Altertum daliegt. Vom Walle gewinnt man auch keinen so heraustretenden Anblick, da die behenden jüngeren Buchen an vielen Orten hinan und hinauf streben.

Die Riegener haben ihn immer den „Borgwall“ genannt, darauf ist aber kein Nachdruck zu legen, da sie alles Ähnliche so nennen, deshalb könnte es immer noch eine Tempelwehr sein, wofür unsre antiquarische Liebhaberei durchaus gestimmt ist. Der innere Raum ist hundert Schritte lang und zweiundvierzig breit, und drängt an einer Seite auch wirklich ein Stück in den Damm, so dass der Raum für einen Tempel damit gegeben sein könnte.

In aller Weise war dies derjenige Ort, welcher uns in seiner absonderlichen Einsamkeit und Originalität zum ersten Male die frivole Anschauung vertrieb, die uns bei diesen meist kleinen, von Reisebeschreibern sehr übertriebenen Dingen nicht verlassen hatte, der Ort, welche uns eine sinnende Geschichtsstimmung aufnötigte und welchen wir ernst und gedankenvoll verließen.

In Sagard, wohin wir jetzt wieder zurückkehrten, verließ ich meine Reisegenossen, und wünschte dem Siebenbürgner statt einer glücklichen Reise die beste Courage. Gott sieht aufs Herz, Freund, nicht auf die Orthographie, und ich fuhr nun allein die schmale Heide entlang an der Granitzgrenze hin nach Putbus zurück. Die schmale Heide ist eine etwas breitere Landenge als die Schabe zwischen dem untern Teile des Boddens und dem Meere. Der Kutscher musste noch ein Stück in die Granitzforsten einlenken, und erquickt von Wald und Luft kam ich gegen Abend in das todesstille, weiße Putbus.

Rasch eilte ich nach dem Stranddorfe hinab, um nach dem Schiffer Ulrich zu fragen, der auf mich gewartet hatte, nach dem Winde, der nicht zu warten pflegt. Ulrich stand auf seinem Schooner, und sah sehr mürrisch aus, er begriff nicht, wie man bei so vortrefflichem Nordost, wie gemacht nach Swinemünde, mehrere Tage lang auf der Insel herumlaufen könne — solch 'n Nordost — ohst zu sprechen — krieg ich mein Lebtag nicht wieder.

Es flatterte ein lauer Südwind; dennoch ward beschlossen, am andern Morgen zeitig in See zu gehen. Erich, der zweite Schiffer, welcher dem Besitzer des Schooners, dem kurzstämmigen Ulrich zur Hand war, versprach, den lieben Herrgott die Nacht über fleißig zu bitten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise Novellen von Heinrich Laube, Teil 7