4. Dritter Abschnitt des Potsdamer Barockstils. Der palladianische Klassizismus Friedrichs II.
Der palladianische Klassizismus des Königs. 1753-1763.
Der neue palladianische Klassizismus, zuerst an Italien, dann an England orientiert, behauptete sich unter persönlicher Leitung des Herrschers von 1753 bis 1763. Auch in dieser Bauweise ist eine innere Entwickelung festzustellen. Friedrich hatte aufmerksam die Ansätze zu neuer Stilbildung beobachtet. Der Einfluss Algarottis ist dabei von großer Bedeutung.
Der Freund des Königs war ein begeisterter Bewunderer des Palladio. In einer Untersuchung über die Architektur hat er ihn gepriesen. In bezug auf die herrschende Barockkunst schrieb er (5. Oktober 1758) an den Grafen de Griscavallo, man könne wie von der Musik auch von der zeitgenössischen Architektur sagen, sie sei das Grab Christi in der Hand der Ungläubigen. Der Palladianismus blühte zuerst in England. Daher richteten sich die Augen aller Kunstfreunde nach dem britischen Inselreiche. Den Mittelpunkt für alle architektonischen Bestrebungen bildete hier der große Kunstliebhaber Earl of Burlington, der selber in der Architektur dilettierte. 1730 schrieb er ein Werk über die römischen Thermen auf Grund der Vorlagen bei Palladio. Sein Palast zu Chiswick war eine Nachahmung der Villa rotonda des Vicentiner Meisters. Sein Haus zu London in Picadilly (jetzt Royal Society of Arts), das Haus seines Freundes General Wade in London, nach seinem eigenen Entwürfe in der Old Burlingtonstreet, wurden allgemein bewundert. Man griff sogar auf Motive der griechisch-römischen Ruinenwelt zurück und baute nach Vitruvs Vorbild „ägyptische“ Säle. Die Stadthalle von York verkörperte diesen strengen Stil. Algarotti war mit Burlington bekannt. Der Gesandte Villiers vermittelte. Schon 1749 schickte der italienische Graf dem Könige eine Skizze für ein Haus in Potsdam, die auf Palladios sogenanntem „Wohnhaus“ in Vicenza beruhte. 1751 besorgt er für Friedrich die Zeichnungen zum Palazzo Pitti, wohl der Hochrenaissance-Gartenseite, die in England durch Inigo Jones’ Entwürfe in hohem Ansehen stand, ferner die Palladioausgabe Giacomo Leonis, die in Venedig für die Engländer mit neuen, herrlichen Kupfern statt der Holzschnitte hergestellt wurde. Er hofft, der König werde diesem Architekten dieselbe Ehre erweisen, wie denen von Rom und Versailles und seine Schöpfungen in Potsdam naturalisieren. Von England her kündet er im gleichen Jahre den Eingang des Thermenwerks, der Aufnahmen der Villa zu Chiswick, der Stadthalle in York an und fügt 1752 die Pläne des Hauses für den General Wade hinzu.
So kann er am 12. November 1753 aus Padua schreiben: Ich bin in Vicenza gewesen, wo ich das gesehen habe, was ich bald in Potsdam wiederzusehen hoffe. Einheit und Harmonie bezeichnet der Graf als die Seele der schönen Künste, niemand wisse das besser als der König selbst. Friedrich ging daran, den neuen Ideen in seiner Residenz eine Stätte der Verwirklichung zu schaffen. Zur Seite stehen ihm dabei Boumann, dann Hildebrandt, Manger, Büring, nach Manger der getreue Nachahmer Palladios, also kein einziger Mann von ursprünglicher Bedeutung. Sie sind die Organe des Herrschers bei der Durchführung seiner Pläne. In Roms klassizistisch gewordenem Barock fand er zunächst Anknüpfungen. Der zeitgenössische Meister Fernando Fuga wird mit Consultà (Abb. 15) und dem Portal von Sa. Maria Maggiore (Abb. 16, Titelbild) herangezogen. Eine Anzahl frei gestalteter Kopien Palladios (im ganzen 5) schließen sich an (Abb. 17—20). Nach klassischem Muster entstehen Berliner Tor und Französische Kirche. Kraftvollere Wirkung erstreben dann, durch Verwendung der ernsten toskanischen Säule, Lord Burlingtons Haus für General Wade (Abb. 21), das Haus Bramantes (Abb. 22), Sanmicheles Palazzo Pompei (Abb. 23), die alle ein Potsdamer Gegenstück erhalten. Sie bedeuten eine Wandlung des Empfindens Friedrichs von der „heiteren“ Pracht Palladios zur kraftvollen Harmonie der Hochrenaissance. Seit 1755 macht sich eine neue Wendung bemerkbar. Friedrich war in Amsterdam und im Haag gewesen. Hier berührte ihn die englisch-holländische Kunst aus der Nähe, hier fand er die Motive für die Krone seiner Palastschöpfungen, das Neue Palais. Wren, Vanbrugh, Inigo Jones haben ihn beeinflusst. Er griff damit auf den älteren Palladianismus zurück, wie er in England vor Burlington bestand, und war so zu freierem Schaffen befähigt. Kraft und Harmonie, das künstlerische Ziel der Hochrenaissance, stand ihm vor Augen; nicht mehr Nachahmung, Schöpfung wollte er haben. So entstand ein Werk, das kein unmittelbares Vorbild in Europa besitzt.
Es ist die gewaltige Schlossanlage des Neuen Palais (Abb. 24), dessen Entwürfe noch aus der Zeit von 1756 stammen und das 1763 — 1770 ausgeführt wurde.
Von Meisterhand, wie Manger sagt, war die Skizze, die der König aus Holland mitbrachte. Einen Schüler der Richtung Wrens vermutet Gurlitt als ihren Urheber. Seine Schule, vor allem aber die großartige Schlosskunst Vanbrughs sind unverkennbar. Die gewaltigen palladianischen Pilaster, wie sie sich am Castle Howard bei York finden, mit Backsteinarchitektur (Gartenseite von Hampton Court) zu verbinden, ist des Königs eigenster Gedanke. Die Kuppel (Abb. 25) über dem Mittelrisalit hat in Howard Castle an der Turmhalle einen Vorläufer.
Man muss sich auch der Backsteinbauten Schlauns in Münster erinnern, die der König vielleicht kannte. Sie sind aber stärker barock empfunden, und was in Westfalen stark an süddeutsche Barockkunst gemahnt, ist hier in Potsdam ins Klassische übersetzt. Das Neue Palais ist als Wohnschloss für die ganze königliche Familie gedacht; der König, sein Freund d’Argens, der Thronfolger Friedrich Wilhelm, Prinz Heinrich, der Herzog von Braunschweig, sie alle erhalten eigene Wohnungen. Der niedrige Trianonflügel, dem an der Nordseite ein Gegenstück entspricht, ist auf den Wunsch Friedrichs zurückzuführen, die einfache Eigenart Sanssoucis mit dem neuen Prunkschloss zu verbinden. Die versteckte Treppenanlage im Innern geht ebenfalls auf das Verlangen des Königs zurück, ebenso die Vermeidung des französischen Tempelschemas für den Mittelbau. Die Basen für die hier beabsichtigten freistehenden Säulen ließ Friedrich wieder entfernen. Die bequeme Wohnanlage gruppierte sich um die nötigen Prunkräume, von denen der große Marmorsaal wohl auf das Vorbild im Potsdamer Stadtschloss zurückzuführen ist.
Die Communs (Abb. 26) (1766 bis 1769) hinter dem Schloss bedeuten eine Abänderung des ursprünglichen Hauptplans. Wir besitzen einen Entwurf für das Neue Palais (im Kgl. Hausarchiv), der den Bau auf dem Kiewitt, genau südlich in der Achse von Sanssouci vorsieht. Hier sollte sich (1756) die Säulenhalle unmittelbar an die Rückflügel anschließen. Bei der Ausführung des Gebäudes westlich von Sanssouci stellte sich aber, da das Neue Palais ganz als Wohnschloss ausgenutzt war, die Notwendigkeit größerer Nebenräume für das Gefolge, die Bedienung, die Küche heraus. So wurde denn die Kolonnade vom Schloss getrennt, weiter zurückgeschoben und zur Verbindung zweier gleichartiger Villen, der Communs, benutzt. So entstand ein Platz von gewaltig malerischer Wirkung, ein Ruhmeshof preußischer Größe; denn die Kolonnade wird von einem Triumphbogen durchbrochen. Trophäen stehen auf den Attiken, auf den Kuppeln der Schlösser Siegesgöttinnen mit Palmen in der Hand. Die beiden Schlösschen weisen einen eigentümlichen Mischstil auf, Pavillonkuppeln, elliptisch geschwungene Barocktreppen, palladianische Säulenhallen. Der Künstler ist Legeay, von dem auch die Entwürfe zur Hedwigskirche (1747) in Berlin stammen. Französische Anklänge mischen sich an den Communs mit palladianischen. Palladios Villa Rotonda und die Säulenhallen der Gardemeuble-Paläste am Konkordienplatz in Paris vom jüngeren Gabriel kommen dem Beschauer in Erinnerung. Die Verbindungskolonnade entstammt aber schon dem Künstlergeiste Karl von Gontards.
Im Bunde mit dem Klassizismus zog auch von England her die Romantik in Potsdam ein. Das sogenannte ,,sinesische Haus“ (Abb. 27) im Park ist allerdings von der französischen Kunst aus bestimmt. Es ist eine durch starken phantastischen Bildhauerschmuck belebte und veränderte Nachbildung eines Teehauses von Héré, dem Hofarchitekten des Königs Stanislaus, Herzogs von Lothringen, im Park von Luneville. Das Drachenhaus (Abb. 28) dagegen geht auf die berühmte Pagode von Chambers im Garten von Kew an der Themse bei London zurück. Mit der chinesischen Romantik eng verbunden ist die gotische, die gleichzeitig in England aufkam. In Potsdam huldigte ihr Friedrich durch den Bau des Nauener Tores (1755) und durch den Plan für ein gotisches Gasthausgebäude nahe dem Neuen Palais.
Nach dem großen Krieg, der die gesamte Bautätigkeit unterbrach, gab Inigo Jones die Motive für einen höchst wirkungsvollen Prunkbau in der Stadt an der Ecke der Breiten Straße und des Kanals, das sogenannte Hiller-Brandtsche Haus (Abb. 29). Des großen Meisters Plan für den Neubau von Whitehall entstammen die Eckbauten und der verbindende Mitteltrakt. Die Säulen und die Quaderung sind Erbteil der Hochrenaissance (Palazzo Pitti, Gartenseite von Ammanati). Die drei Stockwerke der flankierenden Gebäude sind stark mit Halbsäulen geschmückt. Jedes Geschoss besitzt deren acht größere und zwölf kleinere, so daß jedes der beiden Häuser 60 Säulen aufzuweisen hat. Die Anordnung ist diese: Unten römischdorische Kapitale, das Bossenwerk zieht sich wie breite Bänder über die Säulen und Interkolumnien hinweg; zweiter Stock: starke Kompositen, die Quaderung ist nur an den Säulen der Fensterumbauten sichtbar; dritter Stock: Verzicht auf jede Quaderung, schöne korinthische Ordnung (1769). — Als Bauleiter wird Unger angegeben. Dies Gebäude ist der letzte, aber wirkungsvollste Ausklang des Anglizismus in Potsdam. Der mächtige Eindruck, den es hervorrief, beruhte nicht zum wenigsten auf seinem farbigen Schmuck. Alle Vertiefungen waren im Sinne englischen Backsteinbaus in rot, die Säulen, Rustikabänder und Quadern waren in weiß gehalten. Überraschend, wie ein Märchenschloss muss es dem damaligen Beschauer erschienen sein. Kraft und Harmonie, ein Kennzeichen der Hochrenaissance, zogen den König, der ähnliches in seinen eigenen Bauten erstrebte, wohl an der Vorlage besonders an.
In diesem Zusammenhang muss noch ein Wort über die Parkanlagen gesagt werden. Der Park von Sanssouci lässt nur noch ungefähr den früheren Charakter erkennen. Die stark barock wirkenden Bauten Knobelsdorffs am Eingang, das Tor mit den gekuppelten Säulen und die Muschelgrotte deuten auf den alten Zustand hin. Stark nivellierend hat in späterer Zeit der Landschaftsstil gewirkt, fast nur die Hauptallee und die Terrassen haben ihm getrotzt. — Wenn wir die ursprüngliche Gestalt vor uns erstehen lassen, so wird auch diese Anlage ein Dokument für die von mannigfachen Anregungen leicht berührte seelische Stimmung des Herrschers. Sein Garten liegt in der Ebene, wie es dem Geschmack des Barockzeitalters entsprach, er selbst geht auf die Höhe. Von hier aus übersah man damals das ganze Haveltal; das innerlich Befreiende eines solchen Anblicks wird auch seine Seele haben erklingen lassen. An den Sanssouci-Vorgarten schließt sich nach Westen der englische Garten oder, wie man damals sagte, ,,Jardin anglo-chinois“ an. Dort lockten Schlängelwege rechts und links neben der großen Hauptallee durch das Gehölz wie in natürliche Waldpartien hinein. Die damals aufsteigende Mode des englischen Parks entsprach Friedrichs Hang zur Einsamkeit. Kam man südlich durch den Irrgarten zum goldblitzenden sinesischen Hause, so mußte man auch hier die romantisch-bizarre Stimmung des Urhebers bewundern, aus der diese feinste Leistung orientalisierender Kunst entsprungen war. Im Rehgarten stand die jetzt verschwundene Kolonnade Knobelsdorffs. Das Motiv des Wassers, das den Park beleben sollte, klang in reicher architektonischer Umgebung aus. Schon vor dem Schlosse sollte eine große Fontäne, deren Herstellung scheiterte, es zu seinem Rechte bringen. Das große Reservoir auf dem Ruinenberge erhielt die klassische Form einer antiken Naumachie mit dem Rest eines Amphitheaters. Tempelruinen verstärkten die klassisch-sentimentale Stimmung. Am Ende des englischen Gartens begann dann, wieder in französischer Regelrichtigkeit, der Vorpark für das Neue Palais und die Communs. Diese Schlösser wie den Rehgarten gedachte der König ebenfalls in größerem Rahmen sich näher zu bringen, daher ließ er durch Unger 1770 das Belvedere auf dem Klausberg (Abbild. 30) als Pendant zu dem Ausblick von Sanssouci her errichten. Ein empfindungsvolles Bauwerk, der Freundschaftstempel (Abb. 31) mit heiteren korinthischen Säulen, dem Standbilde der Prinzessin Wilhelmine und den Medaillons berühmter Freundespaare kam hinzu (1768). Die ernsten dorischen Säulen eines feierlich-geschlossenen Rundtempels (Abb. 32), des Gegenstücks zu dem ersteren, luden ein, die harmonische Schönheit der Antike an der Gruppe des Lykomedes, den Gemmen der Stoschischen Sammlung auf den einsamen Besucher wirken zu lassen. — Klassisches, Sentimentales und Romantisches werden von den grünen Bäumen des Parks zur Einheit verbunden, die wechselnden Stimmungen desselben Mannes lernen wir kennen und auch sein Streben nach Befreiung und Erhebung. Das Bild des Künstlers und Philosophen Friedrich bleibt für alle Zeiten mit der Höhe von Sanssouci und seinem Park innig verbunden.
Der neue palladianische Klassizismus, zuerst an Italien, dann an England orientiert, behauptete sich unter persönlicher Leitung des Herrschers von 1753 bis 1763. Auch in dieser Bauweise ist eine innere Entwickelung festzustellen. Friedrich hatte aufmerksam die Ansätze zu neuer Stilbildung beobachtet. Der Einfluss Algarottis ist dabei von großer Bedeutung.
Der Freund des Königs war ein begeisterter Bewunderer des Palladio. In einer Untersuchung über die Architektur hat er ihn gepriesen. In bezug auf die herrschende Barockkunst schrieb er (5. Oktober 1758) an den Grafen de Griscavallo, man könne wie von der Musik auch von der zeitgenössischen Architektur sagen, sie sei das Grab Christi in der Hand der Ungläubigen. Der Palladianismus blühte zuerst in England. Daher richteten sich die Augen aller Kunstfreunde nach dem britischen Inselreiche. Den Mittelpunkt für alle architektonischen Bestrebungen bildete hier der große Kunstliebhaber Earl of Burlington, der selber in der Architektur dilettierte. 1730 schrieb er ein Werk über die römischen Thermen auf Grund der Vorlagen bei Palladio. Sein Palast zu Chiswick war eine Nachahmung der Villa rotonda des Vicentiner Meisters. Sein Haus zu London in Picadilly (jetzt Royal Society of Arts), das Haus seines Freundes General Wade in London, nach seinem eigenen Entwürfe in der Old Burlingtonstreet, wurden allgemein bewundert. Man griff sogar auf Motive der griechisch-römischen Ruinenwelt zurück und baute nach Vitruvs Vorbild „ägyptische“ Säle. Die Stadthalle von York verkörperte diesen strengen Stil. Algarotti war mit Burlington bekannt. Der Gesandte Villiers vermittelte. Schon 1749 schickte der italienische Graf dem Könige eine Skizze für ein Haus in Potsdam, die auf Palladios sogenanntem „Wohnhaus“ in Vicenza beruhte. 1751 besorgt er für Friedrich die Zeichnungen zum Palazzo Pitti, wohl der Hochrenaissance-Gartenseite, die in England durch Inigo Jones’ Entwürfe in hohem Ansehen stand, ferner die Palladioausgabe Giacomo Leonis, die in Venedig für die Engländer mit neuen, herrlichen Kupfern statt der Holzschnitte hergestellt wurde. Er hofft, der König werde diesem Architekten dieselbe Ehre erweisen, wie denen von Rom und Versailles und seine Schöpfungen in Potsdam naturalisieren. Von England her kündet er im gleichen Jahre den Eingang des Thermenwerks, der Aufnahmen der Villa zu Chiswick, der Stadthalle in York an und fügt 1752 die Pläne des Hauses für den General Wade hinzu.
So kann er am 12. November 1753 aus Padua schreiben: Ich bin in Vicenza gewesen, wo ich das gesehen habe, was ich bald in Potsdam wiederzusehen hoffe. Einheit und Harmonie bezeichnet der Graf als die Seele der schönen Künste, niemand wisse das besser als der König selbst. Friedrich ging daran, den neuen Ideen in seiner Residenz eine Stätte der Verwirklichung zu schaffen. Zur Seite stehen ihm dabei Boumann, dann Hildebrandt, Manger, Büring, nach Manger der getreue Nachahmer Palladios, also kein einziger Mann von ursprünglicher Bedeutung. Sie sind die Organe des Herrschers bei der Durchführung seiner Pläne. In Roms klassizistisch gewordenem Barock fand er zunächst Anknüpfungen. Der zeitgenössische Meister Fernando Fuga wird mit Consultà (Abb. 15) und dem Portal von Sa. Maria Maggiore (Abb. 16, Titelbild) herangezogen. Eine Anzahl frei gestalteter Kopien Palladios (im ganzen 5) schließen sich an (Abb. 17—20). Nach klassischem Muster entstehen Berliner Tor und Französische Kirche. Kraftvollere Wirkung erstreben dann, durch Verwendung der ernsten toskanischen Säule, Lord Burlingtons Haus für General Wade (Abb. 21), das Haus Bramantes (Abb. 22), Sanmicheles Palazzo Pompei (Abb. 23), die alle ein Potsdamer Gegenstück erhalten. Sie bedeuten eine Wandlung des Empfindens Friedrichs von der „heiteren“ Pracht Palladios zur kraftvollen Harmonie der Hochrenaissance. Seit 1755 macht sich eine neue Wendung bemerkbar. Friedrich war in Amsterdam und im Haag gewesen. Hier berührte ihn die englisch-holländische Kunst aus der Nähe, hier fand er die Motive für die Krone seiner Palastschöpfungen, das Neue Palais. Wren, Vanbrugh, Inigo Jones haben ihn beeinflusst. Er griff damit auf den älteren Palladianismus zurück, wie er in England vor Burlington bestand, und war so zu freierem Schaffen befähigt. Kraft und Harmonie, das künstlerische Ziel der Hochrenaissance, stand ihm vor Augen; nicht mehr Nachahmung, Schöpfung wollte er haben. So entstand ein Werk, das kein unmittelbares Vorbild in Europa besitzt.
Es ist die gewaltige Schlossanlage des Neuen Palais (Abb. 24), dessen Entwürfe noch aus der Zeit von 1756 stammen und das 1763 — 1770 ausgeführt wurde.
Von Meisterhand, wie Manger sagt, war die Skizze, die der König aus Holland mitbrachte. Einen Schüler der Richtung Wrens vermutet Gurlitt als ihren Urheber. Seine Schule, vor allem aber die großartige Schlosskunst Vanbrughs sind unverkennbar. Die gewaltigen palladianischen Pilaster, wie sie sich am Castle Howard bei York finden, mit Backsteinarchitektur (Gartenseite von Hampton Court) zu verbinden, ist des Königs eigenster Gedanke. Die Kuppel (Abb. 25) über dem Mittelrisalit hat in Howard Castle an der Turmhalle einen Vorläufer.
Man muss sich auch der Backsteinbauten Schlauns in Münster erinnern, die der König vielleicht kannte. Sie sind aber stärker barock empfunden, und was in Westfalen stark an süddeutsche Barockkunst gemahnt, ist hier in Potsdam ins Klassische übersetzt. Das Neue Palais ist als Wohnschloss für die ganze königliche Familie gedacht; der König, sein Freund d’Argens, der Thronfolger Friedrich Wilhelm, Prinz Heinrich, der Herzog von Braunschweig, sie alle erhalten eigene Wohnungen. Der niedrige Trianonflügel, dem an der Nordseite ein Gegenstück entspricht, ist auf den Wunsch Friedrichs zurückzuführen, die einfache Eigenart Sanssoucis mit dem neuen Prunkschloss zu verbinden. Die versteckte Treppenanlage im Innern geht ebenfalls auf das Verlangen des Königs zurück, ebenso die Vermeidung des französischen Tempelschemas für den Mittelbau. Die Basen für die hier beabsichtigten freistehenden Säulen ließ Friedrich wieder entfernen. Die bequeme Wohnanlage gruppierte sich um die nötigen Prunkräume, von denen der große Marmorsaal wohl auf das Vorbild im Potsdamer Stadtschloss zurückzuführen ist.
Die Communs (Abb. 26) (1766 bis 1769) hinter dem Schloss bedeuten eine Abänderung des ursprünglichen Hauptplans. Wir besitzen einen Entwurf für das Neue Palais (im Kgl. Hausarchiv), der den Bau auf dem Kiewitt, genau südlich in der Achse von Sanssouci vorsieht. Hier sollte sich (1756) die Säulenhalle unmittelbar an die Rückflügel anschließen. Bei der Ausführung des Gebäudes westlich von Sanssouci stellte sich aber, da das Neue Palais ganz als Wohnschloss ausgenutzt war, die Notwendigkeit größerer Nebenräume für das Gefolge, die Bedienung, die Küche heraus. So wurde denn die Kolonnade vom Schloss getrennt, weiter zurückgeschoben und zur Verbindung zweier gleichartiger Villen, der Communs, benutzt. So entstand ein Platz von gewaltig malerischer Wirkung, ein Ruhmeshof preußischer Größe; denn die Kolonnade wird von einem Triumphbogen durchbrochen. Trophäen stehen auf den Attiken, auf den Kuppeln der Schlösser Siegesgöttinnen mit Palmen in der Hand. Die beiden Schlösschen weisen einen eigentümlichen Mischstil auf, Pavillonkuppeln, elliptisch geschwungene Barocktreppen, palladianische Säulenhallen. Der Künstler ist Legeay, von dem auch die Entwürfe zur Hedwigskirche (1747) in Berlin stammen. Französische Anklänge mischen sich an den Communs mit palladianischen. Palladios Villa Rotonda und die Säulenhallen der Gardemeuble-Paläste am Konkordienplatz in Paris vom jüngeren Gabriel kommen dem Beschauer in Erinnerung. Die Verbindungskolonnade entstammt aber schon dem Künstlergeiste Karl von Gontards.
Im Bunde mit dem Klassizismus zog auch von England her die Romantik in Potsdam ein. Das sogenannte ,,sinesische Haus“ (Abb. 27) im Park ist allerdings von der französischen Kunst aus bestimmt. Es ist eine durch starken phantastischen Bildhauerschmuck belebte und veränderte Nachbildung eines Teehauses von Héré, dem Hofarchitekten des Königs Stanislaus, Herzogs von Lothringen, im Park von Luneville. Das Drachenhaus (Abb. 28) dagegen geht auf die berühmte Pagode von Chambers im Garten von Kew an der Themse bei London zurück. Mit der chinesischen Romantik eng verbunden ist die gotische, die gleichzeitig in England aufkam. In Potsdam huldigte ihr Friedrich durch den Bau des Nauener Tores (1755) und durch den Plan für ein gotisches Gasthausgebäude nahe dem Neuen Palais.
Nach dem großen Krieg, der die gesamte Bautätigkeit unterbrach, gab Inigo Jones die Motive für einen höchst wirkungsvollen Prunkbau in der Stadt an der Ecke der Breiten Straße und des Kanals, das sogenannte Hiller-Brandtsche Haus (Abb. 29). Des großen Meisters Plan für den Neubau von Whitehall entstammen die Eckbauten und der verbindende Mitteltrakt. Die Säulen und die Quaderung sind Erbteil der Hochrenaissance (Palazzo Pitti, Gartenseite von Ammanati). Die drei Stockwerke der flankierenden Gebäude sind stark mit Halbsäulen geschmückt. Jedes Geschoss besitzt deren acht größere und zwölf kleinere, so daß jedes der beiden Häuser 60 Säulen aufzuweisen hat. Die Anordnung ist diese: Unten römischdorische Kapitale, das Bossenwerk zieht sich wie breite Bänder über die Säulen und Interkolumnien hinweg; zweiter Stock: starke Kompositen, die Quaderung ist nur an den Säulen der Fensterumbauten sichtbar; dritter Stock: Verzicht auf jede Quaderung, schöne korinthische Ordnung (1769). — Als Bauleiter wird Unger angegeben. Dies Gebäude ist der letzte, aber wirkungsvollste Ausklang des Anglizismus in Potsdam. Der mächtige Eindruck, den es hervorrief, beruhte nicht zum wenigsten auf seinem farbigen Schmuck. Alle Vertiefungen waren im Sinne englischen Backsteinbaus in rot, die Säulen, Rustikabänder und Quadern waren in weiß gehalten. Überraschend, wie ein Märchenschloss muss es dem damaligen Beschauer erschienen sein. Kraft und Harmonie, ein Kennzeichen der Hochrenaissance, zogen den König, der ähnliches in seinen eigenen Bauten erstrebte, wohl an der Vorlage besonders an.
In diesem Zusammenhang muss noch ein Wort über die Parkanlagen gesagt werden. Der Park von Sanssouci lässt nur noch ungefähr den früheren Charakter erkennen. Die stark barock wirkenden Bauten Knobelsdorffs am Eingang, das Tor mit den gekuppelten Säulen und die Muschelgrotte deuten auf den alten Zustand hin. Stark nivellierend hat in späterer Zeit der Landschaftsstil gewirkt, fast nur die Hauptallee und die Terrassen haben ihm getrotzt. — Wenn wir die ursprüngliche Gestalt vor uns erstehen lassen, so wird auch diese Anlage ein Dokument für die von mannigfachen Anregungen leicht berührte seelische Stimmung des Herrschers. Sein Garten liegt in der Ebene, wie es dem Geschmack des Barockzeitalters entsprach, er selbst geht auf die Höhe. Von hier aus übersah man damals das ganze Haveltal; das innerlich Befreiende eines solchen Anblicks wird auch seine Seele haben erklingen lassen. An den Sanssouci-Vorgarten schließt sich nach Westen der englische Garten oder, wie man damals sagte, ,,Jardin anglo-chinois“ an. Dort lockten Schlängelwege rechts und links neben der großen Hauptallee durch das Gehölz wie in natürliche Waldpartien hinein. Die damals aufsteigende Mode des englischen Parks entsprach Friedrichs Hang zur Einsamkeit. Kam man südlich durch den Irrgarten zum goldblitzenden sinesischen Hause, so mußte man auch hier die romantisch-bizarre Stimmung des Urhebers bewundern, aus der diese feinste Leistung orientalisierender Kunst entsprungen war. Im Rehgarten stand die jetzt verschwundene Kolonnade Knobelsdorffs. Das Motiv des Wassers, das den Park beleben sollte, klang in reicher architektonischer Umgebung aus. Schon vor dem Schlosse sollte eine große Fontäne, deren Herstellung scheiterte, es zu seinem Rechte bringen. Das große Reservoir auf dem Ruinenberge erhielt die klassische Form einer antiken Naumachie mit dem Rest eines Amphitheaters. Tempelruinen verstärkten die klassisch-sentimentale Stimmung. Am Ende des englischen Gartens begann dann, wieder in französischer Regelrichtigkeit, der Vorpark für das Neue Palais und die Communs. Diese Schlösser wie den Rehgarten gedachte der König ebenfalls in größerem Rahmen sich näher zu bringen, daher ließ er durch Unger 1770 das Belvedere auf dem Klausberg (Abbild. 30) als Pendant zu dem Ausblick von Sanssouci her errichten. Ein empfindungsvolles Bauwerk, der Freundschaftstempel (Abb. 31) mit heiteren korinthischen Säulen, dem Standbilde der Prinzessin Wilhelmine und den Medaillons berühmter Freundespaare kam hinzu (1768). Die ernsten dorischen Säulen eines feierlich-geschlossenen Rundtempels (Abb. 32), des Gegenstücks zu dem ersteren, luden ein, die harmonische Schönheit der Antike an der Gruppe des Lykomedes, den Gemmen der Stoschischen Sammlung auf den einsamen Besucher wirken zu lassen. — Klassisches, Sentimentales und Romantisches werden von den grünen Bäumen des Parks zur Einheit verbunden, die wechselnden Stimmungen desselben Mannes lernen wir kennen und auch sein Streben nach Befreiung und Erhebung. Das Bild des Künstlers und Philosophen Friedrich bleibt für alle Zeiten mit der Höhe von Sanssouci und seinem Park innig verbunden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Potsdamer Baukunst