2. Frühklassizismus und Frühromantik in Potsdam.
1786-1810.
Es ist interessant zu beobachten, wie sich die ehemaligen Barockkünstler mit den neuen Aufgaben abfinden. Sie müssen sich aufs äußerste der kommenden Mode anpassen, und das ist ihnen nicht immer leicht geworden. Aber gerade dadurch ergeben sich reizvolle Wirkungen. Friedrich Wilhelm II. war ein Mann von künstlerischem Empfinden. Ihm war der neue Stil nicht nur eine Mode, er entsprach sicherlich seiner feinsinnigen Geistesrichtung. Auch er gab zu allen Neuerungen seine Genehmigung, unter allen Einzelheiten der Innenausstattung finden wir neben dem Künstlernamen sein: Gesehen und genehmigt, oft aus dem Feldlager heraus. Die Überzeugung von der größeren Berechtigung, der Richtigkeit des klassizistischen Stils erklärt auch den harten Eingriff in die Hinterlassenschaft des Großen Königs, die Umänderung des Schlafzimmers in Sanssouci durch Erdmannsdorff, den Abbruch der großen Kolonnade Knobelsdorffs im Park, die in ihrem Verfall als barockes Gerümpel erschien. Die Marmorsäulen verwandte man beim Aufbau der Säulenhallen am Marmorpalais. (Abb. 52). Dies wurde der Mittelpunkt für die Arbeiten der Berliner Bauschule. Gontard hatte noch den Grundriss angegeben. Ihm war die Aufgabe geworden, alle barocken Überlieferungen abzustreifen und modern zu bauen. Man hat wohl von einem Versagen seiner Kunst gesprochen, von einer Ermattung seiner überquellenden Schöpferkraft, wie sie noch am Waisenhaus in Potsdam und an den Gendarmentürmen in Berlin in die Erscheinung getreten war. Das ist aber nicht der Fall. Das Marmorschloß lehnt sich zwar noch in der Backsteinarchitektur an früheres an, es ist aber seiner Gesamterscheinung nach von gewollt klassischer Schlichtheit. Daher rührt der würfelförmige Mittelbau mit seinem kreisrunden Turm (Abb. 53), daher der eigentümliche Anbau der Flügel durch Viertelkreise. Dies letztere Motiv finden wir auch bei dem aus klassizistischer Zeit stammenden Schloss Wilhelmshöhe, nur daß die Flügel in schiefem Winkel gegen das Hauptgebäude zu verlaufen. Im Innern finden sich Reste des Gontardschen Barock, sonst aber sind die Räume nach Erdmannsdorffs Vorbild von Langhans im Sinne der Zeit ausgestattet worden. Auch Krüger ist an dem Ausbau beteiligt; von Schadow rührt der größte Teil des bildnerischen Schmuckes her.
Langhans ruft auch die kleineren Bauten im Park ins Leben. Klassisch wirken hier die Orangerie, der Innenraum der Einsiedelei (Abb. 54), romantisch die Meierei, die Muschelgrotte, der gotische Turm (Bibliothek) (Abb. 55), der jetzt verschwundene maurische Tempel, die chinesischen Türmchen am Eingang, der chinesische Schirm, das chinesische Schindelhaus. Boumann der Jüngere errichtet in der Stadt das Theater (Abb. 56) mit seinen klassischen Säulen, dem Inneren, das seine Herkunft aus dem Barock noch nicht verleugnen kann, dem von chinesischen Vorbildern romantisch bestimmten, riesigen Walmdach. In der Stadt sucht sich an einzelnen Häusern wie Friedrichstr. 17 (Abb. 57), Burgstr. 34, Berliner Straße 1 (Abb. 58) und 11, am Frankschen Stift in der Neuen Königstraße, an den Häusern des Alten Marktes 13 und 16 der Klassizismus auch des Bürgerhauses zu bemächtigen. Vom Klassizismus wird der neue Flügel des Armenhauses mit seiner Kapelle bestimmt. Gegen 1800 sind zwei Häuser am Wilhelmsplatz in einer romantischen Scheingotik errichtet worden (Abb. 59), ebenso ein Stallgebäude in der Weinmeisterstraße. Die Krone aller klassischen Werke ist
Das sentimentale das Haus der Gräfin Lichtenau (Behlertstr. 31), ein Musterstück des neuen klassischen Stils (Abb. 60). Der Westflügel des Stadtschlosses mit Ausnahme der Wohnung Friedrich Wilhelms I. und des Bronzesaals wird in klassizistischem Sinne umgeändert (Pompejanisches Zimmer). In der Umgebung Potsdams weist das Pfaueninselschloss Ruinenromantik auf, die gotische Meierei schließt sich den anderen Werken dieser Richtung an.
Naturempfinden, die empfindsame Erfassung der Natur wirkte auch auf die Gestaltung der Potsdamer Landschaft ein. — Seit Rousseau war eine schwärmerische Freude an schöner Natur in Deutschland erwacht. Das zeigte sich vor allem in den Parkanlagen. Von England her wirkte das Vorbild der Kew Gardens an der Themse, die der Architekt Chambers geschaffen. Der Park von Woerlitz wurde für den Neuen Garten vorbildlich. Natur wollte man haben, und man verwarf daher den strengen geometrischen Stil als Künstelei. Man schuf Anlagen, die der freien Natur ähnlich waren, man suchte die Naturstimmung durch Kontraste mit empfindsamen Bauwerken zu steigern. Man übersah dabei, daß man unbewusst in noch stärkere Künstelei verfiel, die im Gegensatz zu der streng architektonischen Behandlung der Gärten als überfeinert bezeichnet werden muss. Immerhin geht Hand in Hand mit dieser neuen Art das Verständnis für die Schönheiten unserer Havel. Die echte Künstlernatur Friedrich Wilhelms II. lässt sich in der neuen Anlage wohl erkennen. Das Motiv des Wassers spielte, wie in Woerlitz, im Gesamteindruck eine wichtige Rolle. Zwischen zwei Seen hatte der König diesen landschaftlich schönsten Punkt entdeckt, und die Romantik der Wasserfahrten fand ein Ziel in der unmittelbar an den Schlossbau anschließenden künstlerischen Gestaltung der Pfaueninsel. Wie ein seltsam fernes Wundereiland lockte sie zu Ausflügen mit ihrem uralten Eichenbestand, ihren künstlich halbverfallenen Bauten, der römischen Schlossruine, der gotischen Meierei. Auch im Neuen Garten half die Gotik die romantische Naturstimmung verstärken. Der gotische Pavillon der Bibliothek zeigt eine nur äußerliche, in der Anwendung des Maßwerkes sogar kindliche Erfassung dieser Bauart, ist im wesentlichen nur formell von ihr bestimmt, wie das die schmuckhaften Netz- und Sterngewölbe im Innern beweisen. Er bietet aber einen trefflich gewählten Standort für den Naturbetrachter; mit einem Blick erfasst man, namentlich vom oberen Saale aus, die schön geschwungene Linie des Sees und den grünen Kranz der gärtnerischen Anlagen. Die tiefe, schöne Einsamkeit wollte man durch fremdartige Bauten, ägyptische Motive von geheimnisvoller Bedeutung, stark und seltsam auf den Beschauer wirken lassen. Für jene Zeit war das selbstverständliches Spielen mit den Empfindungen; uns lassen diese Mittel, die Natur in ihrer Wirkung zu steigern, vollständig kalt. Sie sind aber ein Ausdruck jener Zeit, der langsam aufsteigenden romantischen Epoche.
Es ist die Entdeckung der landschaftlichen Schönheit des Heiligen- und Jungfernsees und der Pfaueninsel ein bleibendes Verdienst Friedrich Wilhelms II. Er hatte aber nicht nur ein Verständnis für die Einzelheiten; das gesamte Landschaftsbild wollte er erfassen. Zu diesem Zweck erhielt Boumann der Jüngere den Auftrag, auf dem Pfingstberge einen gotischen Aussichtsturm mit Zimmern für den König zu errichten, und umfangreiche Landankäufe sollten diese Absicht einleiten. — Boumann entwarf zunächst eine Zeichnung, die wahrscheinlich unter Friedrich Wilhelm III. auf dem Brauhausberge ihre Verwertung fand. Dann aber unterbreitete er dem König die Risse zu einem großen gotischen Schloss von kathedralartigem Äußeren mit hohem Turm. Der frühe Tod des Herrschers vereitelte alle diese Pläne.
Es ist interessant zu beobachten, wie sich die ehemaligen Barockkünstler mit den neuen Aufgaben abfinden. Sie müssen sich aufs äußerste der kommenden Mode anpassen, und das ist ihnen nicht immer leicht geworden. Aber gerade dadurch ergeben sich reizvolle Wirkungen. Friedrich Wilhelm II. war ein Mann von künstlerischem Empfinden. Ihm war der neue Stil nicht nur eine Mode, er entsprach sicherlich seiner feinsinnigen Geistesrichtung. Auch er gab zu allen Neuerungen seine Genehmigung, unter allen Einzelheiten der Innenausstattung finden wir neben dem Künstlernamen sein: Gesehen und genehmigt, oft aus dem Feldlager heraus. Die Überzeugung von der größeren Berechtigung, der Richtigkeit des klassizistischen Stils erklärt auch den harten Eingriff in die Hinterlassenschaft des Großen Königs, die Umänderung des Schlafzimmers in Sanssouci durch Erdmannsdorff, den Abbruch der großen Kolonnade Knobelsdorffs im Park, die in ihrem Verfall als barockes Gerümpel erschien. Die Marmorsäulen verwandte man beim Aufbau der Säulenhallen am Marmorpalais. (Abb. 52). Dies wurde der Mittelpunkt für die Arbeiten der Berliner Bauschule. Gontard hatte noch den Grundriss angegeben. Ihm war die Aufgabe geworden, alle barocken Überlieferungen abzustreifen und modern zu bauen. Man hat wohl von einem Versagen seiner Kunst gesprochen, von einer Ermattung seiner überquellenden Schöpferkraft, wie sie noch am Waisenhaus in Potsdam und an den Gendarmentürmen in Berlin in die Erscheinung getreten war. Das ist aber nicht der Fall. Das Marmorschloß lehnt sich zwar noch in der Backsteinarchitektur an früheres an, es ist aber seiner Gesamterscheinung nach von gewollt klassischer Schlichtheit. Daher rührt der würfelförmige Mittelbau mit seinem kreisrunden Turm (Abb. 53), daher der eigentümliche Anbau der Flügel durch Viertelkreise. Dies letztere Motiv finden wir auch bei dem aus klassizistischer Zeit stammenden Schloss Wilhelmshöhe, nur daß die Flügel in schiefem Winkel gegen das Hauptgebäude zu verlaufen. Im Innern finden sich Reste des Gontardschen Barock, sonst aber sind die Räume nach Erdmannsdorffs Vorbild von Langhans im Sinne der Zeit ausgestattet worden. Auch Krüger ist an dem Ausbau beteiligt; von Schadow rührt der größte Teil des bildnerischen Schmuckes her.
Langhans ruft auch die kleineren Bauten im Park ins Leben. Klassisch wirken hier die Orangerie, der Innenraum der Einsiedelei (Abb. 54), romantisch die Meierei, die Muschelgrotte, der gotische Turm (Bibliothek) (Abb. 55), der jetzt verschwundene maurische Tempel, die chinesischen Türmchen am Eingang, der chinesische Schirm, das chinesische Schindelhaus. Boumann der Jüngere errichtet in der Stadt das Theater (Abb. 56) mit seinen klassischen Säulen, dem Inneren, das seine Herkunft aus dem Barock noch nicht verleugnen kann, dem von chinesischen Vorbildern romantisch bestimmten, riesigen Walmdach. In der Stadt sucht sich an einzelnen Häusern wie Friedrichstr. 17 (Abb. 57), Burgstr. 34, Berliner Straße 1 (Abb. 58) und 11, am Frankschen Stift in der Neuen Königstraße, an den Häusern des Alten Marktes 13 und 16 der Klassizismus auch des Bürgerhauses zu bemächtigen. Vom Klassizismus wird der neue Flügel des Armenhauses mit seiner Kapelle bestimmt. Gegen 1800 sind zwei Häuser am Wilhelmsplatz in einer romantischen Scheingotik errichtet worden (Abb. 59), ebenso ein Stallgebäude in der Weinmeisterstraße. Die Krone aller klassischen Werke ist
Das sentimentale das Haus der Gräfin Lichtenau (Behlertstr. 31), ein Musterstück des neuen klassischen Stils (Abb. 60). Der Westflügel des Stadtschlosses mit Ausnahme der Wohnung Friedrich Wilhelms I. und des Bronzesaals wird in klassizistischem Sinne umgeändert (Pompejanisches Zimmer). In der Umgebung Potsdams weist das Pfaueninselschloss Ruinenromantik auf, die gotische Meierei schließt sich den anderen Werken dieser Richtung an.
Naturempfinden, die empfindsame Erfassung der Natur wirkte auch auf die Gestaltung der Potsdamer Landschaft ein. — Seit Rousseau war eine schwärmerische Freude an schöner Natur in Deutschland erwacht. Das zeigte sich vor allem in den Parkanlagen. Von England her wirkte das Vorbild der Kew Gardens an der Themse, die der Architekt Chambers geschaffen. Der Park von Woerlitz wurde für den Neuen Garten vorbildlich. Natur wollte man haben, und man verwarf daher den strengen geometrischen Stil als Künstelei. Man schuf Anlagen, die der freien Natur ähnlich waren, man suchte die Naturstimmung durch Kontraste mit empfindsamen Bauwerken zu steigern. Man übersah dabei, daß man unbewusst in noch stärkere Künstelei verfiel, die im Gegensatz zu der streng architektonischen Behandlung der Gärten als überfeinert bezeichnet werden muss. Immerhin geht Hand in Hand mit dieser neuen Art das Verständnis für die Schönheiten unserer Havel. Die echte Künstlernatur Friedrich Wilhelms II. lässt sich in der neuen Anlage wohl erkennen. Das Motiv des Wassers spielte, wie in Woerlitz, im Gesamteindruck eine wichtige Rolle. Zwischen zwei Seen hatte der König diesen landschaftlich schönsten Punkt entdeckt, und die Romantik der Wasserfahrten fand ein Ziel in der unmittelbar an den Schlossbau anschließenden künstlerischen Gestaltung der Pfaueninsel. Wie ein seltsam fernes Wundereiland lockte sie zu Ausflügen mit ihrem uralten Eichenbestand, ihren künstlich halbverfallenen Bauten, der römischen Schlossruine, der gotischen Meierei. Auch im Neuen Garten half die Gotik die romantische Naturstimmung verstärken. Der gotische Pavillon der Bibliothek zeigt eine nur äußerliche, in der Anwendung des Maßwerkes sogar kindliche Erfassung dieser Bauart, ist im wesentlichen nur formell von ihr bestimmt, wie das die schmuckhaften Netz- und Sterngewölbe im Innern beweisen. Er bietet aber einen trefflich gewählten Standort für den Naturbetrachter; mit einem Blick erfasst man, namentlich vom oberen Saale aus, die schön geschwungene Linie des Sees und den grünen Kranz der gärtnerischen Anlagen. Die tiefe, schöne Einsamkeit wollte man durch fremdartige Bauten, ägyptische Motive von geheimnisvoller Bedeutung, stark und seltsam auf den Beschauer wirken lassen. Für jene Zeit war das selbstverständliches Spielen mit den Empfindungen; uns lassen diese Mittel, die Natur in ihrer Wirkung zu steigern, vollständig kalt. Sie sind aber ein Ausdruck jener Zeit, der langsam aufsteigenden romantischen Epoche.
Es ist die Entdeckung der landschaftlichen Schönheit des Heiligen- und Jungfernsees und der Pfaueninsel ein bleibendes Verdienst Friedrich Wilhelms II. Er hatte aber nicht nur ein Verständnis für die Einzelheiten; das gesamte Landschaftsbild wollte er erfassen. Zu diesem Zweck erhielt Boumann der Jüngere den Auftrag, auf dem Pfingstberge einen gotischen Aussichtsturm mit Zimmern für den König zu errichten, und umfangreiche Landankäufe sollten diese Absicht einleiten. — Boumann entwarf zunächst eine Zeichnung, die wahrscheinlich unter Friedrich Wilhelm III. auf dem Brauhausberge ihre Verwertung fand. Dann aber unterbreitete er dem König die Risse zu einem großen gotischen Schloss von kathedralartigem Äußeren mit hohem Turm. Der frühe Tod des Herrschers vereitelte alle diese Pläne.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Potsdamer Baukunst