Peters Reise nach Holland

Im November 1716 traf Peter der Große mit dem Könige Friedrich Wilhelm I. von Preußen in Havelberg an der Elbe zusammen. Beide Monarchen sympathisierten ungemein in vielen Charakterzügen, besonders in dem der Selbstherrschaft und der gewaltsamen Regelung aller Dinge nach dem einmal für gut und tüchtig erkannten eigenen Willen. So war denn auch während ihres viertägigen Zusammenseins ihre Freundschaft für immer befestigt. Sie beredeten sich über ihre gemeinschaftlichen Angelegenheiten, namentlich über die politische Lage Polens und der Stadt Elbingen, wofür Preußen noch eine ansehnliche Summe zu fordern hatte.

Von Havelberg fuhr der Zar die Elbe hinab nach Altona, ohne Hamburg zu berühren. Mit dieser freien Reichsstadt stand er damals in Unterhandlung, welche den Magistrat von Hamburg in nicht geringe Verlegenheit setzte. Es galt die Auslieferung eines Schwestersohns des Landesverräters Mazeppa. Dieser war sein Erbe, und kurz vor dem Ausbruche der Verräterei seines Oheims auf Reisen geschickt worden. Nach der Schlacht von Pultawa hatte er das Geschick seines Oheims geteilt, und war mit dem Könige Karl in Bender gewesen. Jetzt auf der Reise nach Schweden begriffen, um bedeutende Summen vom Könige zu fordern, die sein Oheim Mazeppa Demselben vorgeschossen hatte, wurde er in Hamburg auf Requisition des russischen Residenten, der dazu Befehl von Petersburg erhalten hatte, verhaftet. Dieser verlangte die Auslieferung Winianowskys, und die Schweden verlangten seine Befreiung, weil er in schwedischen Diensten stand. Auch der österreichische Hof verwendete sich dafür. Der Magistrat geriet in die höchste Verlegenheit, welche der Graf nur dadurch beendigen konnte, daß er, in der Hoffnung Gnade vor dem Zaren zu finden, den Magistrat bat, ihn nach Altona führen zu lassen. Er wählte den Namenstag der Zarin Katharina, die sich mit in Altona befand, um durch deren Verwendung Begnadigung zu erlangen. Diese wurde ihm gewährt, und Peter selbst kam in sein Gefängnis, um ihm die Freiheit zu schenken. Doch wurde ihm der Aufenthalt in Sibirien, und zwar in Irkutsk, angewiesen, wo er in Freiheit von dem Gelde lebte, welches ihm die Krone reichen ließ.


Von der Stadt Hamburg empfing er das Geschenk eines mit Diamanten besetzten Degens, dessen Annahme bewies, daß das frühere gute Verhältnis mit dem Zaren wieder hergestellt war.

Von Altona verfolgte Peter seinen Weg über Stade nach Bremen, wo ihn der Magistrat mit großer Feierlichkeit freudig empfing.

Viele aus dem Volke riefen ihm zu: „Unser Erretter ist gekommen!“ Man wollte ihn mit Feuerwerk und anderen Lustbarkeiten unterhalten; aber er lehnte es ab, denn seine Sehnsucht zog ihn fort, sobald als möglich sein liebes Holland wiederzusehen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.