Aufenthalt in Holland

In Holland war es, wo er vor achtzehn Jahren bei dem Anblick des Waldes von Masten und dem bewegten Leben des Welthandels, welcher damals nach Holland so große Reichtümer brachte, den ersten Gedanken faßte, auch für Rußland eine solche Seemacht zu schaffen. Nun konnte er mit Befriedigung auf seine Leistungen für diesen Zweck zurückblicken, und die glänzendsten Hoffnungen für die Zukunft hegen. Seine Gemahlin war in Schwerin, am Hofe des Herzogs von Mecklenburg, des Gemahls ihrer Stieftochter, zurückgeblieben.

Die Generalstaaten hatten eine Deputation zu seiner Bewillkommnung erwählt. An der Spitze derselben stand der Graf Albemarle. Dieser redete den Zaren an, zwar in holländischer Sprache, aber mit hochpathetischen, schwülstigen Phrasen. Der Zar, dadurch gelangweilt antwortete: „Ich danke Ihnen, aber ich habe Sie nicht verstanden. Mein Holländisch lernte ich beim Schiffsbau in Saardam, doch diese Sprache lernte ich nicht.“


Auch jetzt schien es die Hauptaufgabe des Zaren zu sein, in der Verkleidung eines Schiffers auf den Werften umherzugehen und seine Kenntnisse zu erweitern, besonders durch genaue Besichtigung der Arsenale und der Vorratshäuser, der Admiralität und der ostindischen Compagnie.

Doch schadete er dem russischen Handel durch ein zu rasches Verfahren gegen den von ihm angestellten russischen Konsul Solowiew, den er, durch Verleumdung seiner Neider veranlaßt, im übereilten Zorne seinem blühenden Geschäft entreißen und nach Petersburg führen ließ. Nie gewann der Zar seitdem wieder das Vertrauen der Holländer, und es gelang ihm nicht wieder, ein russisches Handelscomptoir in Amsterdam zu errichten.

Mehr als auf seiner ersten Reise beschäftigte sich der Zar jetzt mit Wissenschaften und Künsten. Peter besuchte die öffentlichen und Privatsammlungen von Gemälden, Kunstwerken und Naturalien. Er verwendete große Summen, um zwei Sammlungen von bedeutendem Werte zu erwerben, als die anatomischen Präparate von Friedrich Reysch und die große Sammlung des Apothekers Seba von ausgestopften Land- und Seetieren. Sie bildeten die Grundlage für das noch jetzt bei der Akademie der Wissenschaften in Petersburg befindliche Naturalienkabinett.

Auch besuchte er die Ateliers der Künstler. Stundenlang konnte er den Arbeiten eines Malers zusehen. Besonderes Gefallen fand er an den Bildern aus den flamländischen und niederländischen Schulen. Rubens, Van Dyk, Rembrandt, van der Werft, Wouvermann, Ostade, von Jtoysum und andere niederländische Meister waren seine Lieblinge, besonders gab er den Seestücken den Vorzug. Mehrere namhafte Maler zog er in seine Dienste.

In Amsterdam befiel ihn ein langwieriges Fieber, und unterbrach auf längere Zeit seine Tätigkeit.

Als er zu genesen begann, erwartete er Katharina, seine Gemahlin, die ihn bis Schwerin begleitet hatte. Trotz ihrer hohen Schwangerschaft war sie gern bereit, dem Rufe ihres Gemahls zu folgen, denn sie sehnte sich, das Land zu sehen, welches Peter als die Wiege seiner Größe verehrte. Doch statt der Erwarteten kam die Nachricht, daß Katharina auf der Reise in Wesel von der Geburt eines Prinzen überrascht worden sei. Die Freude des Zaren war unbeschreiblich, doch leider nur von kurzer Dauer. Eben war er im Begriff, ein Schreiben an die Generalstaaten von Holland abgehen zu lassen, worin er diese einlud, Patenstelle bei dem jungen Prinzen zu vertreten, als jener ersten Freudenbotschaft die Trauerbotschaft folgte, daß der Neugeborene bald nach der Geburt wieder verschieden sei.

Nach wenigen Wochen konnte Peter seine schnell wieder genesene, geliebte Gattin in Amsterdam empfangen. Vereint mit ihr machte der Zar nun eine Reise nach Saardam. Er führte seine Katharina in das Häuschen ein, das er damals dort bewohnt hatte. Der Kaufmann Kalf, der Erste, welcher Handel nach Petersburg getrieben, hatte die Ehre, den großen Zaren von Rußland und dessen hohe Gemahlin in seiner bescheidenen Behausung zu bewirten.

Bis zum Anfang des April verweilten Beide in Holland, abwechselnd in den Städten Utrecht, Amsterdam, Lehden, Rotterdam und dem Haag. Durch sein Interesse für Mathematik und seine Kenntnisse in dieser Wissenschaft setzte er große Gelehrte, mit denen er gern verkehrte, in Erstaunen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.