Maßregeln des Zaren

Dort glaubte der unglückliche Prinz sich wenigstens gesichert vor den Verfolgungen seines Vaters. Aber dem russischen Abgesandten konnte es nicht schwer werden, diesen Aufenthalt des Prinzen zu erforschen.

Der Zar befand sich in Spa, als Rumjanzow, von seiner Sendung zurückkehrend, ihm die Nachricht brachte, daß Alexei sich unter kaiserlichem Schutz in Neapel befinde.


Sogleich wurde Rumjanzow, und mit ihm der Geheimrat Tolstoi, an den Kaiser abgesendet, um Demselben ein zweites Schreiben des Zaren zu überbringen, worin Dieser in den bestimmtesten Ausdrücken und auf das Nachdrücklichste die Auslieferung seines Sohnes forderte.

Unter Anderem schrieb er dem Kaiser: „Ich habe es immer gut mit Meinem Sohne gemeint und ihn so behandelt, daß Ich Meinerseits von allen Vorwürfen Mich frei fühle. Aber die guten Gesinnungen, die Ich für ihn hegte, sind nur durch Ungehorsam und Widerspenstigkeit erwidert worden. Höchst ungerecht und von den bedenklichsten Folgen würde es daher sein, wenn Mir Mein Sohn vorenthalten würde, über den Ich als Vater und Regent eine unumschränkte, von keinem andern Richter abhängige Gewalt habe.“

Diese kräftigen Worte des Zaren wurden mündlich von den russischen Abgeordneten auf das Nachdrücklichste unterstützt. Sie brachten es dahin, daß der Kaiser ihnen erlaubte, dem Prinzen nach Neapel zu folgen, um den Versuch zu machen, ihn durch gütliche Vorstellungen zur freiwilligen Rückkehr zu bewegen.

Mit Schrecken erfuhr der Prinz die Anwesenheit der russischen Abgesandten in Neapel. Er weigerte sich entschieden, sie vor sich zu lassen. Der damalige Vize-König von Neapel aber gebrauchte die List, daß er den Gefangenen zu sich einlud, unter dem Vorgeben, ihm wichtige Mittheilungen zu machen, und ihn alsdann nicht eben angenehm überraschte durch die Vorstellung der Abgeordneten Rumjanzow und Tolstoi.

Diese begrüßten den Sohn ihres Zaren respektvoll, wie es ihre Schuldigkeit war, und übergaben ihm einen Brief seines Vaters vom 10/21. Juli, aus Spa datiert, der die eindringlichsten Vorwürfe enthielt.

„Euer Ungehorsam,“ schrieb der Zar an Alexei, „Eure Verachtung Meiner Befehle sind weltkundig. Ihr habt sie aufs Höchste getrieben, da Ihr entflohen seid, und Euch als einen Verräter unter fremden Schutz begeben habt. Nie ist etwas Ähnliches erhört worden. Welche Beleidigung für Euren Vater! Welchen Kummer bringt Ihr über ihn! Welche Schande über Euer Vaterland! Tut, was Tolstoi und Rumjanzow von Euch fordern werden. Ich versichere Euch und verspreche hierdurch bei Gott und dem jüngsten Gerichte, daß Ich Euch nicht bestrafen, sondern, wenn Ihr Euch meinem Willen durch Gehorsam und Zurückkehr unterwerfet, mehr als je Euch lieben werde. Thut Ihr es aber nicht, so gebe Ich als Vater, kraft der Mir von Gott verliehenen Gewalt, Euch den ewigen Fluch, erkläre Euch, als Euer Oberherr, für einen Verräter, und Ich werde, das versichere Ich Euch, mit göttlicher Hülfe, deren Ich Mich in Meiner gerechten Sache getroste, schon Mittel finden, Euch als einen solchen zur Strafe zu ziehen. Übrigens erinnert Euch, daß Ich Euch nie, wie Ich wohl hätte tun können, zu irgend Etwas gezwungen habe.“

Diese Beweggründe suchten die russischen Abgesandten noch durch ihre mündlichen Vorstellungen zu verstärken. Aber alles Zureden, das Alexei nur mit Widerwillen und Misstrauen anhören konnte, würde vergeblich gewesen sein, hätte nicht der Unterkönig durch die herzliche Weise und die Gründe seiner Vorstellungen den Zarensohn wankend gemacht und endlich zur Nachgiebigkeit bewogen.

Jener führte ihm zu Gemüte, daß es geraten sei, sich dem Willen seines Vaters unbedingt zu unterwerfen, da der Kaiser ihn dem Zaren unter keinen rechtlichen Gründen vorenthalten könne. Auf keinen Fall würde er sich deshalb in einen Krieg mit dem Beherrscher von Rußland einlassen können, da er schon einen doppelten Krieg, mit der Pforte und Spanien, zu führen habe.

Den Ausschlag aber gaben die Vorstellungen und flehenden Bitten seiner Geliebten, der schönen Euphrosine, die dahin gingen, ihn geneigt zumachen, dem Rufe seines Vaters zu folgen, um sich nicht noch größeren Unannehmlichkeiten auszusetzen.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.