Friedensunterhandlungen auf den Alandsinseln

Auch bei dem Könige Karl fand Görz ein geneigtes Gehör mit seinen Vorschlägen, und der Friedenskongress wurde in aller Stille im Mai 1718 auf einer der Alands-Inseln eröffnet. Diese Inselgruppe, nur zum Teil bewohnt, ist zwischen Finnland und Upland gelegen, und war ganz geeignet, um das Geheimnis der diplomatischen Unterhandlungen zu bewahren. Peter ließ dort zwei Blockhäuser bauen als Wohnung für die Gesandten, und die Unterhandlungen begannen.

Wir fürchten zu ermüden und von Peters Lebensgeschichte zu weit abzulenken, wenn wir diesen Unterhandlungen folgen, die so manche Beziehungen auf die Neuzeit darbieten.


Alles ging nach Wunsch. Schon waren die Hauptgrundlagen des Friedens, welche Rußlands Machtstellung wie der von Schweden gleich förderlich waren, festgestellt, und Görz eilte damit zum Könige, um dessen letzte Erklärung entgegenzunehmen, als das Verhängnis den beginnenden Bund der beiden kräftigsten Monarchen ihrer Zeit, der geeignet gewesen wäre, dem Norden Europas eine ganz andere Gestaltung und überwindende Machtstellung zu geben, mit einem Schlage zerriss.

Es war am 30. November, als Karl XII. vor Friedrichshall von einer feindlichen Kugel erschossen wurde. Bald darauf erlag auch sein talentvoller Wortführer, der Staatsmann Görz, den Intrigen seiner zahllosen Feinde. Es wurde ihm der Prozess gemacht, und er endigte auf dem Blutgerüste sein tatenreiches und drangsalvolles Leben.

Die Kunde von dem plötzlichen Tode seines großen Feindes traf den Zaren wie ein Donnerschlag. „Ach Karl,“ rief er aus, „mein Bruder Karl, wie beklage ich Dich!“ und Tränen entrollten seinen Augen. — Es ist der Seelengröße eigen, die Größe eines Andern selbst am Feinde zu bewundern.

Während sich Peter in Olonetz zum Gebrauch der dortigen Mineralwasser aufhielt, wurde ihm gemeldet, daß die jüngste Schwester Karls XII., die mit dem Erbprinzen von Hessen vermählte Prinzessin Ulrike Eleonore, durch Aufopferung der Souverainitätsrechte den Herzog von Holstein (Sohn ihrer ältern Schwester) von der Thronfolge Schwedens verdrängt, und den schwedischen Thron selbst bestiegen habe, und daß sie geneigt sei, die Friedensunterhandlungen mit ihm fortzusetzen.

Sofort versah Peter seinen Gesandten Ostenmann mit neuen Instruktionen. Dasselbe geschah von preußischer Seite dem Gesandten Friedrich Wilhelms I., Baron Mardefeld. Indes bald erkannte Peter, daß die in Schweden herrschende Partei es gar nicht ernstlich mit dem Frieden meinte, sondern nur Zeit zu gewinnen suchte, um die Küsten Schwedens durch die englische Flotte decken zu lassen, und dann gegen Rußland eine andere Stellung einzunehmen.

Der König von England hatte sich bereit erklärt, gegen Abtretung von Bremen und Verden Schweden gegen den Zaren zu schützen. Das war eine Lockspeise, die schon Karl XII. angeboten worden war, die er aber auf Görzens Rat verschmäht hatte. Jetzt wurde sie angenommen.

Als der Zar einsehen mußte, daß bei diesen Machinationen der schwedischen Diplomatie die Friedensunterhandlungen keinen Erfolg haben konnten, rief er aus: „So will ich denn 40.000 bewaffnete Bevollmächtigte senden, die werden meinen Worten schon Nachdruck geben. Zweimal habe ich meinem Bruder Karl den Frieden geboten, einmal einen Notfrieden, und dann einen großmütigen Frieden; jetzt mögen die Schweden den Zwangsfrieden nehmen.“



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.