Der Säuferorden wird gegründet

„Der Zar selbst hat dieses Sauf-Kollegium errichtet, aus keiner andern Ursache, als um dadurch das in Rußland, besonders unter den Großen seines Reichs, tief eingerissene Laster der Trunkenheit lächerlich und verächtlich zu machen. So sonderbar dieses Mittel auch ist, so hat es doch das Gute gehabt, daß Jeder sich hütete, daß er nicht als Trunkenbold bekannt wurde, weil selbst der hohe Rang eines Gouverneurs nicht davor schützte, in diesen Säuferorden eintreten zu müssen und dadurch gebrandmarkt zu werden. Daneben wurde der römische Papst mit seinen Kardinälen verspottet. Ja, es verschonte der Zar mit seinem Spott den Patriarchen und die Geistlichkeit der russisch-griechischen Kirche nicht, weil diese früher in Moskau eine Prozession am Palmsonntage hielten, wobei der Zar das Pferd, welches der Patriarch ritt, demütig am Zügel führen mußte, zum Zeichen der Hoheit der Kirche über den Staat. Peter aber war anderer Meinung. Er hielt dafür, daß die Kirche der Staatsregierung untertänig sein müsse, und zum Zeichen dessen ordnete er an Psalmsonntagen Prozessionen an, wobei der Knes-Papst mit seinen Kardinälen entweder auf Ochsen oder Eseln reiten, oder auch in Schlitten mit vorgespannten Schweinen, Bären oder Ziegenböcken in der Stadt umher fahren oder reiten mußten.“

„Um diese Sache noch lächerlicher zu machen, so hielt der Zar dem Knes-Papst 10 bis 12 Bedienten, welche im ganzen Lande zusammengesucht, die größten Stammler waren, und bei den Versuchen zu reden grässlich stotterten und Gesichter schnitten, was denn nach dem Geschmack jener Zeit zur ungeheuren Belustigung gereichte. Diese Leute mußten den Knes-Papst bei öffentlichen Festen bedienen und dabei ihre eigentümliche lächerliche Kleidung tragen.“


,Übrigens waren außerdem wohl noch an hundert andere groteske verschiedene Charaktermasken vorhanden, welche mit Peitschen, woran sich mit Erbsen angefüllte Blasen befanden, mit Harlekin-Pritschen und anderem Klapperwerk und Pfeifen umherliefen und lautschallende Schläge austeilten.“

„Es gab auch andere sonderbare Masken, welche nur die tollste Laune erfunden haben konnte; so einen türkischen Mufti in seiner Amtskleidung, Bacchus mit einer Tigerhaut und Weinranken behangen. Der diese Rolle hier vorstellte, war ein ungeheurer Dickwanst — ein wahrer Falstaff— mit einem vollen, weinroten, aufgedunsenen Gesicht, der schon seit drei Tagen beständig hatte saufen müssen, wobei ihm kein Augenblick Ruhe zum Schlafen gelassen war — ein echter Bacchus, auch im Leben.“

„Neptunus und andere Götter waren sehr natürlich nach der travestierten Antike kostümiert. Ein Satyr, des Fürsten Mentschikoff Tanzmeister, machte die wunderlichsten Schritte und Sprünge. Andere waren sehr künstlich als Kraniche verkleidet.“

„Der große Franzose des Zaren, ein Riese, und einer der größten Heiducken waren wie kleine Kinder gekleidet, mit Fallhut und Laufzaum, und Beide wurden daran gegängelt durch zwei der kleinsten Zwerge, welche, wie Greise, weiße Bärte trugen.“

„Einige erschienen — um die alte Tracht zu verspotten — wie russische Bojaren in der alten reichen Kleidung mit hohen Zobelmützen, in langen Kleidern von Goldstoff, mit seidenen Mänteln darüber, auch mit langen Bärten, und ritten auf gezähmten Bären.“

„Der sogenannte Wilaschi oder geheime Kuchelmeister war in eine große Bärenhaut ganz eingenäht, und stellte einen Bären sehr natürlich vor. Anfangs wurde er in einer solchen Rollmaschine, worin Eichhörnchen laufen, herumgewälzt. Nachher mußte er auf einem andern Bären reiten.“

„Ein Anderer stellte einen indianischen Götzenpriester vor, welcher mit Schellen behängt war, und einen Hut mit einem ungeheuer breiten Rande trug. Einige erschienen als indianische Könige mit Federkronen und Federschurz von mancherlei bunten Farben.“

„Nachdem nun alle diese über tausend Masken ein Paar Stunden auf dem großen gedielten Platze umhergegangen waren, und einander recht beschaut hatten, gingen sie in derselben Ordnung in den Senat und in die übrigen Kollegienhäuser, wo an einer großen Menge Tafeln alle Masken Platz fanden, um das Hochzeitmahl des Knes-Papst zu feiern.“

„Der Knes-Papst und seine junge, einige sechzig Jahre alte Gemahlin — eine würdige Matrone, die sich, wie gesagt, nur gezwungen dem Bündnis mit einem Trunkenbold und dem allgemeinen Gelächter preisgab — saßen am Tisch unter prächtigen Baldachinen, nämlich den Knes-Papst neben dem Vize-Zaren umgab das Kardinal-Kollegium der Säufer. Die Braut des Knes-Papstes saß mit ihren Damen an einer andern Tafel. Über dem Haupte des Knes-Papstes hing ein Bacchus von Silber, der auf einer Tonne ritt, welche mit Branntwein angefüllt war. Der Branntwein wurde von dem Bacchus aus, auf dem natürlichen, eben nicht anständigen Wege, in einem Strahl in das darunter gehaltene Glas des Knes-Papstes ergossen. Dieses mußte Derselbe austrinken — ein roher, unanständiger Scherz, der aber bei den damaligen unzivilisierten Sitten allgemein erheiterte. Während der Tafel mußte ein Kerl, welcher neben dem Knes-Papst auf einem Weinfasse saß, Demselben tapfer zutrinken.“

„Nach aufgehobener Tafel wurde angefangen zu tanzen, bis der Zar und die Zarin endlich das Brautpaar, von welchem der Mann unbeschreiblich berauscht war, mit einem großen Gefolge von Masken nach dem Brautbette begleiteten. Dieses war, seltsam genug, in der großen, breiten, hölzernen Pyramide vor dem Senatsgebäude errichtet. Die Pyramide war im Innern mit vielen Lichtern erleuchtet. Das Brautbett war mit lauter Hopfen belegt, und rund um dasselbe her standen mit Wein, Bier und Branntwein angefüllte Fässer.“

Kurz, dieses seltsame Fest, das mehrere Wochen hindurch fast täglich den Zaren und seine Umgebungen, so wie das, Volk höchlich ergötzte, zeigte mehr als alles Andere, daß Peter der Große noch weit davon entfernt war, selbst auf der Höhe der Zivilisation und Bildung zu stehen, wozu er sein Volk erheben wollte.

Peter war ein Sohn seiner Zeit, aber ein kräftiger Charakter, der selbst die Fehler derselben benutzte, um ihre Mängel und Vorurteile zu beseitigen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.