Auch die Kapuziner werden des Landes verwiesen

Wie er die Jesuiten verjagte, so wurden auch die Kapuziner, die im Jahre 1705 Erlaubnis erhalten hatten, in Moskau eine Kirche und ein Kloster zu stiften, Landes verwiesen. Beide wegen ihrer politischen Einmischungen und Verbindungen mit dem Wiener Hofe.

So machte Peter reine Bahn überall, wo ihm die Hierarchie über den Kopf zu wachsen drohte, und bewies damit eine Energie gegen römische Anmaßungen und Umtriebe, die zum Heil des Staats manchem Regenten in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts — wo Nachsicht den Ultramontanen als Schwäche gilt — zu wünschen wäre.


Wie Peter der Große das Patriarchat aufgehoben und sich selbst zum Patriarchen erklärt hat, haben wir schon früher erzählt. Es hatte aber auch diese geistliche Macht alle Grenzen einer wohlgeordneten staatlichen Einrichtung überschritten gehabt. Ohne Zustimmung des Patriarchen durfte, nach alter Gewohnheit, der Zar in Rußland nicht das Geringste unternehmen oder verfügen, weder nach außen, noch nach innen. Er hieß der Hochheilige und überstrahlte alle Stände so sehr, daß die Angesehensten, wenn sie sich nur die leiseste Schmähung über ihn erlaubt hatten, an ihn ausgeliefert werden mußten, und dann, ohne Rücksicht auf ihren Rang, ihr Geschlecht oder Alter, mit Knutenhieben gezüchtigt wurden. Die Wahl des Patriarchen geschah durch die Prälaten aus ihrer Mitte. Sie stellten zwei Kandidaten, die Beide streng hierarchische Gesinnung haben mußten, dem Zaren zur Auswahl vor, und dieser mußte einen von Beiden erwählen, wenn sie auch Beide ihm missliebig waren. Dem Gewählten übergab dann der Zar den Hirtenstab mit den Worten: „Die Heilige Dreieinigkeit, welche Uns das Reich verliehen hat, ernennt Dich hiermit zum Patriarchen von Rußland.“

Diese tief in althergebrachten Volksgewohnheiten eingewurzelte Verehrung des Patriarchats in Rußland gibt noch heute dem russischen Monarchen den Glanz seiner Krone und die Basis seiner Macht; da er selbst Patriarch und damit Oberhaupt der Kirche ist, so gilt jede erklärte Willensmeinung des Kaisers dem Volke als unmittelbare Eingebung Gottes.

Auch haben wir gesehen, wie er den bis zum Unfuge eingerissenen Bilderdienst einzuschränken wußte, und daß er den rechtgläubigen Russen, statt der zahllosen Heiligen, das Bild der heiligsten Mutter Gottes zur Verehrung gab, haben wir bereits früher erzählt. Es ist bekannt, daß das russische Marienbild ein auf eine Fläche gemaltes Madonnengesicht nebst dem gemalten Christuskinde enthält, wogegen Kleidung und Glorie aus Gold mit Diamanten und Perlen und kostbaren Brokatstoffen besteht. Die katholischen Marienbilder sind dagegen oft kostbar bekleidete Holzpuppen mit bemalten Gesichtern. Für die Kunst interessieren nur die im erhebenden Stil gemalten Madonnenbilder von Raphael und anderen großen Meistern, denen aber der evangelische Christ keine göttliche Verehrung und Anbetung erweiset, in Beachtung des göttlichen Gebotes: „Ich bin Dein einiger Gott — Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.