Gotteslästerer werden hart bestraft

Peter duldete es nicht, daß Jemand in seinen Staaten das höchste Wesen ungestraft versuchte, oder mit Dingen, die sich ans wahre Religion beziehen, seinen Spott trieb. Ihm erschien es unmöglich, daß ein vernünftiger Mensch an dem Dasein einer höhern Macht zweifeln und ihr die gebührende Ehrfurcht versagen könnte.

Als er daher einst vernahm, daß Einer wegen Gotteslästerung verhaftet werden solle, befahl er, den Menschen als einen Rasenden in Ketten zu legen. Vergebens stellte man ihm vor, daß das Vergehen in der Trunkenheit begangen sei. Peters religiöse Entrüstung war so groß, daß er entgegnete: „Dann ist er doppelt strafbar, einmal wegen seines Verbrechens gegen Gott, und dann, daß er sich freiwillig in den Stand der Unvernunft gesetzt hat.“


Ja noch mehr — als Gotteslästerer sollte ihn die Zunge ausgeschnitten werden. Nur der nachdrücklichsten Verwendung der angesehensten Personen, die dem Zaren begreiflich machten, daß diese barbarische Strafe auch ein Überrest altrussischer Barbarei sei, welche er ja selbst auszurotten strebe, daß sie in keinem andern europäischen Lande mehr vorkomme, konnte den Zaren bewegen, davon abzustehen und die Strafe in Verbannung in ein Kloster nach Sibirien zu verwandeln, wo der Gotteslästerer täglich zu den härtesten Arbeiten angehalten werden sollte.

Peter sah es übrigens nicht gern, wenn wegen nicht notwendiger Arbeiten der Gottesdienst versäumt wurde; auch duldete er nicht, daß während desselben öffentliche Arbeiten vorgenommen wurden. Doch verfiel er auch nicht in das andere Extrem, wovon die Neuzeit so viele Beispiele enthält — alles Arbeiten, so wie jede Volksbelustigung während des Sonntags zu verbieten. Er war kein Freund von übertriebenen und erzwungenen Andachtsübungen. Als er bemerkte, daß die in der griechischen Kirche eingeführten, übertriebenen Fasten und die unzähligen Heiligenfeste zu häufig die öffentlichen Arbeiten störten und am Fortgange hinderten, befreite er zuerst die Truppen und Arbeitsleute von dieser Kasteiung und Heilighaltung der Kirchenfeste, und die Feld- und Schiffspopen mußten mit gutem Beispiel vorangehen, was Diese denn auch mehr als zu gern taten.

Peter erkannte die ganze Wichtigkeit der Religion für das Staatswohl und für die Aufrechthaltung der Gesetze und der öffentlichen Ordnung. Er duldete daher auch nicht, daß die äußeren Formen der Gottesverehrung vernachlässigt wurden. Nie sehr er auch die Arbeit schätzte, so sprach doch der fromme Monarch oft die Ansicht aus, daß Arbeit Nichts helfen könne, wenn man dabei Gott vergesse und seines Segens entbehre. Er ging selbst mit gutem Beispiel voran und besuchte den Gottesdienst fleißig, offenbar nicht zum Scheine. Er litt es nicht, daß man während des Gottesdienstes in den Kirchen plauderte, was früher häufig geschah, da die Gottesverehrung zu einer reinen Formalität herabgesunken war. Deshalb ließ er in den besuchtesten Kirchen Aufseher bestellen, um die Plauderer zu ermitteln. Die Reichen und Vornehmen mußten dann am Ausgange aus der Kirche einen Rubel Strafe in die Armenbüchse legen, während die geringeren Leute, wenn sie mit einander geplaudert hatten, vor der Kirche Knutenhiebe erhielten. Die strengsten Verordnungen wurden für die Besucher der für besonders heilig gehaltenen Alexander-Newsky-Kirche erlassen. Neben dem Haupt-Eingange zu derselben war ein Halseisen befestigt. An dieses wurden ohne Unterschied des Standes Diejenigen angeschlossen, welche man wiederholt auf Plaudereien oder anderen Unanständigkeiten in der Kirche betroffen hatte.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.