Alexei begibt sich nach Wien

Der wohlüberlegte Rat Kikins ging Anfangs dahin, daß der Prinz nach Frankreich entfliehen möge, um sich in den Schutz des Regenten dieses Landes zu begeben. Da diese Regierung jetzt mit Rußland in keiner Verbindung stehe, so sei dort eine Sicherheit gegen Auslieferung zu finden, welche ihm kein anderer Staat gewähren würde.

Der Prinz aber dachte an die schwägerliche Verwandtschaft des deutschen Kaisers mit ihm, und hegte das Vertrauen, daß Dieser noch geneigter sein würde, ihn aufzunehmen und verborgen zu halten.


Kikin übernahm es, den Wiener Hof darüber zu sondieren. Unter dem Vorwand einer Reise nach Karlsbad begab er sich in dieser Angelegenheit auf den Wunsch des Prinzen nach Wien. Alexei konnte berechnen, wann er sich auf der Rückreise befinden würde, und hoffte, wenn er seinen Weg nach Deutschland nehmen würde, ihm dort zu begegnen.

Der Drang der Umstände gab dem schwachen, schwankenden Charakter dieses unglücklichen Prinzen eine gewisse Energie. Alexei machte sich auf den Weg, und verließ Petersburg unter dem Vorwande, auf Befehl seines Vaters, des Zaren, sich zu ihm nach Kopenhagen begeben zu wollen. Daß der Weg nicht dahin gehe, hielt er sehr geheim, und entdeckte den Entschluß dazu nicht einmal seiner geliebten Euphrosine, die ihn auf dieser Reise begleiten mußte.

Seinen Vertrauten Kikin traf er schon in Libau, und die Mittheilungen Desselben über die zu erwartende günstige Aufnahme in Wien bewogen ihn nun ganz entschieden, sich in die Arme seines Schwagers, des deutschen Kaisers, zu werfen, der, wie Kikins Mittheilungen hoffen ließen, ihn nie an den Zaren ausliefern würde.

Um seinen Vater zu täuschen, schrieb er Demselben einen aus Königsberg fälschlich datierten Brief, worin er ihm seine nahe bevorstehende Ankunft in Kopenhagen meldete.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.