Die Polizei und die öffentliche Sicherheit

Die Watschmen haben auch die Verpflichtung, streng über die Aufrechterhaltung der guten Sitten in der Stadt, namentlich am Abend, zu wachen, und sie müssen dieser Pflicht sehr gut nachkommen. Niemals wird das Auge durch den Anblick des nackt einherstolzierenden Lasters, der Zucht- und Schamlosigkeit beleidigt. Zwar schleicht auch hier — wie könnte es in einer Stadt, die beinahe eine Million Einwohner hat, anders sein? — die geschminkte Sünde Abends in den belebtesten Gassen umher und späht nach Beute, zwar gibt es auch hier schlechte Häuser; aber man darf letztere nicht öffentliche Häuser nennen; sie sind nicht, wie z. B. in Hamburg, gegen gewisse Abgaben privilegiert; ihre Besitzer würden mit der äußersten Strenge verfolgt werden, wenn sie nicht die außerordentlichste Vorsicht anwendeten. Mag das Übel nun auch innerlich nicht gering sein, so wird doch das öffentliche Zurschautragen des Lasters durchaus verhindert, und schon dies ist dankenswert.

Gleich löhliche Strenge wird in Hinsicht des Hazardspiels geübt, und auch das Lotto ist in den Vereinigten Staaten überall streng verboten. Dass es trotzdem heimliche Spielhäuser gibt, auch wohl heimliche Lotteriekollekten, versteht sich wohl von selbst; allein die außerordentliche Vorsicht, die bei diesen verpönten Geschäften geübt werden muss, rettet doch manchen Leichtsinnigen vom Verderben und der Zorn über an ihm verübte Gaunerei bringt auch manchen dahin, selbst auf die Gefahr, mit bestraft zu werden, den Angeber zu machen, und somit werden sehr oft Spielhöllen ausgenommen.


Noch gefährlicher ist es, Bankscheine nachzumachen, worauf nach hiesigen Gesetzen die Todesstrafe steht. Trotzdem ist die Aussicht auf großen und schnellen Gewinn zu reizend, als dass nicht Fälle der Art häufig vorkommen sollten; so erst ganz kürzlich, wo eine Masse so vortrefflich nachgeahmter Bankscheine in Umlauf gesetzt war, dass selbst die Vorsteher der betreffenden Bank sie nur nach genauester Prüfung von den ächten zu unterscheiden vermochten. Natürlich ist die Folge eines solchen Betrugs, dass die Bank auf längere Zeit in Misskredit kommt und wohl gar, wenn der Fälscher nicht entdeckt wird, gänzlich ins Stocken gerät. Für das hiesige Geld- und Bankwesen erscheint in New-York eine eigene Zeitung, in der Fälle dieser Art aufs rascheste angezeigt werden und daher von jedem Geschäftsmann gehalten werden muss, wenn er sich nicht den größten Verlusten aussetzen will.

Überhaupt ist das Banknotenwesen, wie schon früher bemerkt, ein großes Übel, namentlich für den täglichen Verkehr. Man sieht wenig Silber und Gold, und oft trifft es sich, dass ein Ladeninhaber lieber auf den kleinen Gewinn verzichtet, den er an diesem oder jenem Artikel machen könnte, als dass er wechselte. In solchen Fällen nimmt der Verkäufer die bereits abgewogene oder abgemessene Ware mit dem Bedeuten zurück: „I have no change“ (ich habe nicht zu wechseln). Der Käufer muss dann mit seiner „Bill“ gewissermaßen beschämt abziehen und zu einem andern Laden wandern, wo es ihm vielleicht nicht besser ergeht. Bei der enormen Einfuhr von Gold und Silber, namentlich seit der Entdeckung der kalifornischen Goldgruben, müsste der Mangel an Gold- und Silbergeld sehr auffallen, wenn man nicht wüsste, dass auf bares Geld Agio gegeben werden muss, folglich Spekulanten es unaufhörlich an sich raffen und es dem kleinen Verkehr entziehen. Es existieren sogar eine Menge bedeutender Bankhäuser allein davon, dass sie den Ankommenden die Landesmünze gegen hiesiges Papiergeld verkaufen, wobei begreiflicherweise erstere oft zu unerhörtem Kurs gekauft wird. Bei der Masse von Einwanderern, die täglich eintreffen, machen die Wechsler in der dicht am Hafen liegenden Weststreet wahrhaft kolossale Geschäfte und werden schon in einigen Jahren reich. Indes wendet man sich doch, da fremde Münzen im gewöhnlichen Verkehr gar nicht anzubringen sind, am besten an diese Herren, schon weil man bei ihnen nicht Gefahr läuft, mit falschen Bankscheinen oder mit denen längst gebrochener Banken betrogen zu werden, was sicher der Fall wäre, wenn man sich an minder solide Geldspekulanten wendete. Dem Einwanderer ist vor allen Dingen zu raten, seine Landesmünze schon im Vaterlande bei anerkannt soliden und in Deutschland in der Regel auch billigen Geldwechslern gegen Gold- oder Silberdollars einzuwechseln, oder sich von soliden Häusern Wechsel geben zu lassen. Freilich kann das nicht jeder, und wer es nicht kann, dem sei hiemit geraten, seine vaterländische Münze zu einem Wechsler der Weststreet zu tragen, und zwar zu dem renommiertesten; er wird dann zwar auch bluten müssen, ist aber gegen den gänzlichen Verlust seines Vermögens geschützt. Überhaupt kann der Einwanderer nicht vorsichtig, ja nicht misstrauisch genug sein, weil einmal verlorenes Eigentum hier schwer oder gar nicht wieder erlangt werden kann, da der Schwindler oder Betrüger sich mit der erhaschten Beute nur auf den zunächst abgehenden Bahnzug zu setzen braucht, um seinen Raub in Sicherheit zu bringen.

Bei manchen Arten von Betrug ist auch die Polizei nach den hiesigen Gesetzen völlig machtlos, so z. B. bei den fast täglich und unter ihren Augen gehaltenen Moc- oder falschen Auktionen, wobei die Käufer aufs Schändlichste betrogen werden, ohne dass man das Unwesen verbieten oder den gespielten Betrug bestrafen kann. Bei solchen Mocauctionen geht es so zu. Es werden wirklich wertvolle Sachen, am häufigsten Pretiosen, Uhren usw. im öffentlichen Ausruf ausgeboten, und nachdem sich das Publikum durch Umherzeigen vom wirklichen Wert der Sachen überzeugt hat, dem Meistbietenden zugeschlagen. Jetzt wird ihm zwar eine ganz ähnliche Uhr oder sonstige Kostbarkeit zugestellt; allein durch Taschenspielerkünste ist das wirklich wertvolle Stück auf die Seite und dagegen ein unechtes, oft gänzlich wertloses an die Stelle gebracht worden. Man sollte glauben, der Gesetzgebung stehen Mittel und Wege zu Gebot, einen so offenbaren Betrug zu hintertreiben oder doch die Betrüger zu bestrafen; allein sie vermag weder das eine noch das andere, einmal weil Handel und Wandel hier ganz frei sind, und dann, weil man nicht im Stande wäre, den Beweis zu führen, dass die versteigerten Sachen vertauscht worden. Man muss also dem Unwesen zusehen und weiß ihm nur dadurch einigermaßen zu begegnen, dass man Beamte in solchen Mocauctionen aufstellt, die einen großen Zettel in die Höhe halten, worauf zu lesen steht: „Nehmt euch vor Mocauctionen in Acht!“ Dies warnt nun zwar die der englischen Sprache Mächtigen, auf die es aber auch am wenigsten abgesehen ist, weil sie in der Regel den Humbug wohl kennen; aber der der Landessprache Unkundige oder „Grüne,“ wie er hier genannt wird, geht nur zu häufig in die ihm gelegte Falle, und somit erreichen die Betrüger fast immer ihren Zweck.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches New-York – Juni 1852