Das Dienstbotenwesen

Jeder Dienst im Familienkreise, wie in den Wirts- und Boardinghäusern, d. h. in solchen Privathäusern, wo Kost und Wohnung gegeben wird, wird von Fremden, von Eingewanderten verrichtet. Die Iren kommen, meist zu diesem Zwecke, allwöchentlich zu Tausenden auf den Liverpooler Dampfschiffen an und man merkt die Ankunft eines solchen Schiffes daran, dass man in den Gassen von Weibern mit der Frage angeredet wird: „Haben Sie ein Mädchen nötig?“ Bedarf man eines solchen, so wird der Handel noch auf der Gasse abgeschlossen und man nimmt den erbeuteten Schatz, dessen ganze Habe in der Regel in einem am Arm getragenen Bündelchen besteht, mit nach Hause. Man hat aber nicht selten eine große Plage ins Haus bekommen, indem diesen Geschöpfen an Frechheit, Unverschämtheit und Dieberei, in der Regel auch an Schmutz nichts gleich kommt, so dass man Gott danken muss, sie möglichst schnell wieder los zu werden. Das kostet aber Geld, zumal bei dem bedeutend hohen Lohne; wenn eine Herrschaft das Dienstmädchen entlässt, muss sie den voraus bedungenen monatlichen Lohn voll bezahlen, wenn sie nicht vor Gericht klagbar werden will, was das Doppelte, ja Dreifache kosten würde, da das Gerichtsverfahren hier sehr teuer ist.

Mietet man ein deutsches Mädchen, so hat man eine große Last, indem man es wegen seiner Unkenntnis der englischen Sprache nur im Hause, außerhalb desselben auch nicht zum kleinsten Einkaufe verwenden kann, folglich alle Wege und Einkäufe selbst machen muss. In der Regel sind auch diese deutschen Mädchen der Abhub der Nation, indem alles, was als faul, trotzig, diebisch und sittenlos im Vaterlande nicht fortkam, hierher strömt, was mit dreißig Thalern bewerkstelligt werden kann. Trotz der Untüchtigkeit dieser Mädchen werden sie doch gesucht, weil sie immer noch etwas besser als die irischen sind, welche letztere nur den Vorzug vor ihnen haben, sehr tüchtige Arbeiterinnen zu sein und wenigstens notdürftig englisch zu sprechen. Gefällt es nun einer Magd oder einem Diener aus irgend einem Grunde in einem Hause nicht, so schnüren sie ihren Bündel und gehen, ohne ein Wort vorher gesagt zu haben, wobei man ihnen den vollen Lohn geben muss, wenn der Monat ausgehalten wurde, sonst bekommt der Abgehende nichts.


Nun stelle man sich die Verlegenheiten vor, die durch einen solchen oft völlig unerwarteten Abgang im Hausstande entstehen müssen. Da muss denn die Hausfrau oft Tage und Wochen lang die Dienstmagd spielen, bis es ihr geglückt, ein neues Mädchen zu finden, was oft sehr schwer hält, da trotz der starken Einwanderung doch dem Bedarfe nicht immer Genüge geleistet wird. Und nach Verlauf eines Monats, einer Woche, ja sogar weniger Tage kann man sich wieder in derselben unangenehmen Lage befinden, da das dienende Subjekt sicher auf der Stelle abzieht, wenn ihm irgendwo ein höherer Lohn geboten wird. Wahrlich, hier ist es schwerer als sonst irgendwo, einem Hausstande vorzustehen! Will man einen Dienstboten behalten, so muss man wie mit einem Bruder oder einer Schwester mit ihm umgehen und in kleineren Hausständen ihn sogar mit an den Tisch nehmen.

Vor allen Dingen darf man sich nie des Wortes Dienstbote gegen denselben bedienen, was als eine tödtliche Beleidigung angesehen würde; ein weibliches Wesen der Art heißt „Gehilfin,“ ein männliches „Gehilfe.“ Ferner muss man sich des Befehlens gänzlich entwöhnen und jeden zu leistenden Dienst mit den höflichsten Worten erbitten. Als eine Eigentümlichkeit der hiesigen Dienstmädchen muss ich noch bemerken, dass keine das Haus auch nur auf eine Minute ohne Hut verlässt; ja selbst im Hause sieht man sie in der Regel mit einem solchen auf dem Kopfe; sie sind also in der Tat immer reisefertig. Das erste, was eine hier landende Magd lernt, ist, wahrhaft unverschämt großen Lohn zu fordern, das zweite, nicht ohne Hut auf die Straße zu gehen, das dritte, der Herrschaft bei der geringsten Veranlassung zur Unzufriedenheit ohne Weiteres den Rücken zu kehren. Kann sie „yes“ und „no“ sagen, was schnell erlernt und bis zum Ekel angebracht wird, so glaubt sie, als englisch sprechend gleich größere Ansprüche machen zu dürfen, und erhöht man den Lohn nicht, so zieht sie sicher ab, da sie eines andern Dienstes gewiss ist.

Unter den Iren gibt es oft außerordentlich tüchtige Arbeiterinnen, die in dieser Hinsicht die Deutschen weit hinter sich lassen und in großen Haushaltungen deshalb, trotz ihrer großen Fehler und Laster, gesucht werden; allein das ist auch das einzige Gute, das man ihnen nachrühmen kann. Es versteht sich, dass unter solchen Umständen ein trauliches Verhältnis zwischen Herrschaft und Dienstboten, wie man es namentlich in Frankreich findet, wo alte Diener und Dienerinnen als Familienerbstücke fast in jedem einigermaßen angesehenen Hause zu finden sind, sich nicht bilden kann. Hier wird, wie in allen andern Dingen, nur dem augenblicklichen Bedürfnisse Genüge geleistet, und Dienstboten, die Jahre lang bei einer und derselben Familie aushalten, gehören zu den großen Seltenheiten. — Was die männlichen „Gehilfen“ betrifft, so würden solche sich nie herbeilassen, Livree zu tragen; sieht man einmal eine solche, so sind es gewiss ausländische Diener, die mit ihren Herrschaften herüber gekommen sind. Ich glaube nicht, dass die Dienerschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten Livree trägt, so sehr ist jeder Anschein von Dienstbarkeit verpönt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches New-York – Juni 1852