Enghien, Louis Antoine Henri von Bourbon, Herzog von (1772-1804) französischer General

Noch immer sind die näheren Umstände jenes heimlichen Blutgerichts, welchem der ritterliche Herzog zum Opfer fiel, nicht völlig aufgehellt; doch schon damals erhob sich aus dem Grabe des zwecklos Gemordeten ein Rachegeist, zeigte die französische Gewaltherrschaft, welche anfangs durch schmeichelnde Täuschungen die Gemüter verblendete, in ihrem wahren Lichte und erweckte den Flintenschüssen im Graben zu Vincennes endlich jenen donnernden Wiederhall, vor welchem zuletzt die ganze stolze Erscheinung zerstäuben musste.

Louis Antoine Henri von Bourbon, Herzog von Enghien, der letzte Nachkomme des großen Condé, kam am 2. August 1772 in Chantilly zur Welt, genoss als Zögling des Abbe Millot eine treffliche Erziehung und hatte sich bereits durch die vorzüglichen Eigenschaften seines Geistes und Herzens in der öffentlichen Achtung sehr hoch gestellt, als ihn die Revolution 1789 aus seinem Vaterlande entfernte. Nachdem er mehrere Reisen unternommen, trat er 1792 in das, durch seinen Großvater, den Prinzen Conde, am Rheine gebildete Emigrantenkorps, befehligte 1796 bis 1799 die Avantgarde desselben und teilte dessen größtenteils unglückliche Schicksale, bis es 1801 durch den Luneviller Frieden aufgelöset wurde. Er ließ sich darauf als Privatmann zu Ettenheim im Großherzogtume Baden nieder und lebte ruhig und sorglos im Umgange mit der von ihm zärtlich geliebten und heimlich ihm angetrauten Prinzessin Charlotte von Rohan-Rochefort. Damals quälte sich der erste Konsul, Bonaparte, mit finsteren Träumen von Verschwörungen und Anschlägen gegen seine Person. Die französischen Prinzen hatten, so überbrachten ihm seine Kundschafter, angeblich einen Plan entworfen, mit Hilfe Englands und unter tätiger Mitwirkung Pichegru's, der Herzoge von Polignac u. A., sich des französischen Thrones zu bemächtigen; Enghien sollte, was längst widerlegt worden, verkleidet in Paris gewesen sein und mit Dumouriez geheime Reisen gemacht haben. Napoleon Bonaparte glaubte aus Enghiens Papieren Näheres zu erfahren und beschloss dessen Verhaftung. In der Nacht vom l4. zum 15. März 1804 wurde, auf Befehl des ersten Konsuls, der Herzog auf neutralem Gebiete durch den General Ordener aufgehoben und samt seinen mitverhafteten Dienern in größter Eilfertigkeit über Straßburg nach Vineennes gebracht. Dort am Abende des 20. März im Gefängnisse vor Hunger und Ermüdung eben eingeschlummert, wurde er um elf Uhr in der Nacht wieder aufgeweckt und vor ein Kriegsgericht gestellt, in welchem der General Hulin präsidierte. Ungeachtet er so erschöpft war, dass ihm während des Verhörs öfter die Augen zufielen, verteidigte er sich doch über jeden einzelnen Punkt mit Fassung und Würde; nicht einmal ein Verteidiger wurde ihm gestattet. Er erklärte, dass er kein Verschwörer sei und sprach seinen Wunsch aus, Bonaparte zu sprechen oder an ihn zu schreiben; doch gab er zu, die Waffen gegen Frankreich geführt zu haben und von England einen Monatsgehalt zu beziehen. Dies nahm man zum Grunde, ihn zum Tode zu verurteilen. Der gegen den Herzog milder und gerechter gesinnte Hulin ließ sich leider durch Savary, den nachmaligen Herzog von Rovigo, der, als Befehlshaber der Gensd'armes d'Elite, ungesetzlich bei dem Kriegsgerichte gegenwärtig gewesen war, einschüchtern, und so erfolgte die Hinrichtung schon an demselben Morgen im Schloßgraben zu Vincennes. Enghien wollte einem Soldaten einen Brief, eine Locke und einen Ring zur Besorgung an die Prinzessin von Rohan zustellen, aber ein Offizier entriss ihm diese Gegenstände mit den Worten: „Von einem Verräter keine Aufträge!“ Der Herzog stellte sich hierauf mit männlicher Fassung den Gensd'armes gegenüber und fiel mit den Worten: „Wohlan, meine Freunde!“ von ihren Kugeln durchbohrt. Hulin fuhr eben durch das Thor von Vincennes, um sich zu dem ersten Konsul zu begeben und diesen um Gnade zu bitten, als ihn die Schüsse belehrten, dass es zu spät sei. Savary läugnet jedoch in seinen Memoiren diese Tatsache, und will die Schuld auf Talleyrand und Andere wälzen. Bonaparte erschrak, als er diese zu eilige Hinrichtung erfuhr, bereuete die Tat oft und erklärte später in seiner Gefangenschaft, dass er dem Staatsrate Rénal befohlen habe, Enghien zu verhören, und dass nur die vorschnelle Dienstfertigkeit seiner Untergebenen Schuld an dem Tode des Herzogs gewesen sei. Einen Brief, den er, zufolge seiner Memoiren, erst nach der Hinrichtung erhalten haben will, hat Enghien nicht geschrieben; vielleicht war es der Brief an die Prinzessin Rohan, den Bonaparte las. Nach der Restauration wurde Enghiens Leichnam ausgegraben, und bei ihm noch Uhren und Geld gefunden, was die Fabel von Beraubung des Leichnams nach der Exekution widerlegt. Eben so ungegründet ist die Sage, dass Murat bei der Exekution zugegen gewesen sei und dass er und Andere den Herzog mit Worten verletzt hätten. Ludwig XVIII. und die Kammern ließen dem Gemordeten in der Kirche zu Vincennes ein Denkmal setzen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Neuer Plutarch - Band 5
Enghien, Louis Antoine Henri von Bourbon, Herzog von (1772-1804) französischer General

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