Böttiger, Karl August (1760-1835) deutscher Achäologe und Literat

Dieser berühmte deutsche Archäolog und Literator erblickte das Licht den 8. Juni 1760 zu Reichenbach im sächsischen Voigtlande, wo sein Vater, Johann Karl, damals die Konrektorstelle bekleidete, besuchte Schulpforte, studierte in Leipzig, war kurze Zeit Hauslehrer in Dresden, 1784 Rektor in Guben, 1790 Rektor am Gymnasium zu Bautzen, ging aber schon im folgenden Jahre, hauptsächlich durch Herders Vermittlung, als Direktor des Gymnasiums und Oberkonsistorialrat nach Weimar, genoss hier des Umganges mit Deutschlands herrlichsten Geistern, Schiller, Herder, Wieland und Goethe, und unternahm mildem gelehrten Künstler H. Meyer gemeinschaftliche Studien in Bezug auf Archäologie. Doch schon damals begann er, wozu er durch sein ganzes Leben sich neigte, seine literarischen Kräfte durch zu allseitiges Wirken zu zersplittern, indem er das „Journal des Luxus und der Mode“ unter Bertuchs Namen, später auch die Herausgabe des „Neuen deutschen Merkur“ und des Journals „London und Paris“ allein besorgte, die Kupfererklärungen selbst übernahm, viele Beiträge in die „Allgemeine Zeitung“ lieferte u. s. w. Gleichwohl fand er in Weimar noch Zeit zur Abfassung von Hauptwerken, wie: „Sabina, oder Morgenszenen einer reichen Römerin; ein Beitrag zur richtigen Beurteilung des Privatlebens der Römer und zum besseren Verständnis der römischen Schriftsteller;“ die nicht vollendeten „griechischen Vasengemälde,“ mit archäologischen und artistischen Erläuterungen und Originalkupfern,“ und zu anderen ähnlichen Abhandlungen.

1804 erhielt er, mit dem Charakter als Hofrath, den Ruf als Studiendirektor des Pagenhauses nach Dresden, und eröffnete hier in seiner Wohnung Vorlesungen über einzelne Zweige der Altertumskunde und alten Kunst, in deren Folge mehre neue, treffliche Werke dem Drucke übergeben wurden. Bei Vereinigung des Pageninstitutes mit dem Kadettenhause (1814) ward er Studiendirektor bei der Ritterakademie und Oberaufseher über die königlichen Museen der antiken Marmors und Mengs'schen Gipsabgüsse, seit welcher Zeit er, von dem ihm eigenen Mitteilungsdrange bewegt, bis 1825 während des Sommers unentgeltlich Vorlesungen über einzelne Teile der Kunst der Archäologie hielt, welche abermals die Herausgabe einiger schätzbaren Werke veranlassten. Zugleich stiftete er mehren ausgezeichneten Verstorbenen seiner Zeit literarische Denkmale. Nachdem er früher die Mechanik des griechischen und römischen Theaters beleuchtet und das Isfland'sche Spiel entwickelt hatte, behandelte er in der Dresdner „Abendzeitung“ die neuere Schauspielkunst, wobei man nicht Gelehrsamkeit und Tiefe, aber Energie des Urteils vermisste. Durch seine Anregung erhielt seit 1816 das „Morgenblatt“ ein Kunstblatt. Bei Neugestaltung der Ritterakademie wurde 1821 die Stelle eines Studiendirektors aufgehoben; doch behielt Böttiger lebenslänglich seinen früheren Gehalt. Seit dieser Zeit gab erheraus: das die Abendzeitung begleitende „artistische Notizenblatt: „Amalthea,“ oder Museum der Kunstmythologie und bildenden Alterthumskunde,“ fortgesetzt unter dem Titel: „Archäologie und Kunst;“ mit B. W. Seiler die „Erklärung der Muskeln und Basreliefs an Matthäis Pferdemodellen;“ „Ideen zur Kunstmythologie.“ Außerordentlich groß ist die Zahl seiner kleineren Gelegenheitsschriften und der in Journalen zerstreuten Aufsätze. Das Institut von Frankreich ernannte ihn 1832 zum auswärtigen Mitgliede; mehre andere verdiente Auszeichnungen waren vorausgegangen.


Böttiger starb zu Dresden am 17. November 1835, an den Folgen einer Erkältung, im sechsundsiebzigsten Lebensjahre. Sein Tod erregte die allgemeinste Trauer, da seine immer bereitwillige Mitteilung, seine hohe Würde als Gelehrter und seine Tugenden als Mensch ihm unter allen Ständen Verehrung und Liebe eingeerntet hatten. Für Dresden galt er durch dreißig Jahre als der Mittelpunkt der dortigen geistigen Bestrebungen, und seiner freundlichen Zugänglichkeit allein gebührt das Verdienst, diese Stadt, wo damals engherziges Cliquenwesen, vornehmes Zurückziehen und Absperren der älteren Gelehrten und deren dünkelhaftes Ignorieren jüngerer Talente, auf literarische Verknöcherung hinarbeiteten — vor ähnlicher Schmach gerettet zu haben. Keinem hatte er wehgetan, die Meisten — gern bekennt sich zu ihnen auch der Verfasser dieses Aufsatzes — sich zu Danke verpflichtet. Als daher am 21. November seine sterbliche Hülle unter dem Geläute aller Glocken zu ihrer Ruhestätte auf den Eliaskirchhof geführt wurde, schlossen sich unaufgefordert mehr als dreihundert Verehrer und Freunde des Dahingeschiedenen aus allen Ständen und Lebensverhältnissen an, und mehr als dreißig Wagen, darunter die Equipagen des Prinzen-Mitregenten (jetzigen Königs) Friedrich August, des Prinzen Johann und aller Minister und Gesandten, folgten dem Zuge. Männer, hochgestellt in Leben und Wissenschaft, wie der Oberhofprediger v. Ammon und der Staatsminister Bernhard von Lindenau, sprachen an seinem Grabe Worte der Rührung und der Liebe.

Nur durch genaue Kenntnis der alten und neueren Sprachen und ihrer Literatur, durch glückliches Zusammenstellungsvermögen beider ausgebreitetsten Belesenheit, durch lebhafte Darstellungsgabe bei umfassender Gelehrsamkeit und einem bewundernswürdigen Gedächtnisse, wurde es Böttiger möglich, sich in so viele Fächer menschlichen Wissens zu wagen. Dass dadurch seine Tätigkeit häufig mehr, als wünschenswert, zersplittert wurde, und man deshalb in seinem Wirken eine gewisse Einheit vermisst, müssen seine Freunde am Meisten beklagen. Sein erregbarer Geist ergriff jeden Gegenstand mit unwiderstehlichem Interesse; er liebte Alles, was ihm gut und würdig erschien, welcher Sphäre es auch angehören mochte. Dazu kam sein edles, wohlwollendes Herz, das überall zu ermuntern, zu helfen strebte und den Anteil für die Person auch gerne auf die Sache übertrug; nicht minder seine ungeheuren gelehrten Verbindungen, welche weit über Europa hinausreichten und ihm, außer dem Zeitaufwandt, auch manche Rücksichten auferlegten, denen der liebevolle Greis sich bisweilen fast zu bereitwillig unterordnete. Immerhin möge ihn dieser Tadel treffen. Das, was er geleistet, steht selbst in seiner Vereinzelung schön und groß da, getrennt in äußeren Formen, aber vereinigt durch die Harmonie eines reichen, unerschöpften Geistes, eines warmen, jugendlichen Herzens, und sichert dem edlen, dem hochverdienten Manne einen unvergänglichen Namen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Neuer Plutarch - Band 5
Böttiger, Karl August (1760-1835) deutscher Achäologe und Literat

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