Dessewffy, Kurel Graf von (1808-1842) ungarischer Politiker und Publizist

Einer der ersten Redner und Staatsmänner Ungarns neuester Zeit, und Gründer der jetzigen konservativen Partei, ward den 27. Juli 1808 zu Nagy-Mihály in Oberungarn geboren und genoss unter der Leitung seines, zu jener Zeit als Redner in Komitats - und Reichstags-Versammlungen berühmten Vaters eine sorgfältige Erziehung. Namentlich waren es die alten Klassiker, durch deren Lektüre der Vater schon früh den patriotischen Sinn seiner Söhne zu wecken und zu nähren bemüht war. Mit fünfzehn Jahren bezog Aurel die hohe Schule zu Kaschau; der im September 1825 begonnene Reichstag unterbrach aber seinen Kurs, da sein Vater, Deputierter des Szabolcser Komitats, den Bitten des Sohnes nachgebend, diesen mit sich nach Preßburg nahm, wo er, die Gesellschaft Gleichbejahrter verschmähend, sich ausschließend Männern von Ruf und Einfluss anschloss, bald auch Meinungen zu äußern und lebhaft zu vertreten begann. Um den Jüngling nicht zu sehr zu zerstreuen, und ihn den Belobungen, welche ihn bei solcher Jugend und Empfänglichkeit anmaßend und übermütig zu machen drohten, zu entziehen, sandte ihn der Vater im Frühjahre 1826 nach Hause, wo er in wenigen Monaten das versäumte Schuljahr einholte und 1827 den juristischen Kurs auf der Akademie vollendete. Zur selben Zeit hatte sein Vater eine neue Quartalschrift, „Minerva,“ in Kaschau gegründet, welche Aurel mit einer Reihe ästhetischer Abhandlungen nach Home, Blair, Sulzer und Bouterwek bereicherte, zugleich aber Staatengeschichte, Staatsrecht, Politik und die englischen Parlamentsredner zum Gegenstandeseiner Studien machte. Das Jahr 1828 brachte er nach ungarischer Sitte mit juristischer Praxis in Pesth zu; im November ward er bereits bei der ungarischen Hofkanzlei in Wien angestellt, wo er vier Jahre der Genüsse in den Salons der vornehmsten Häuser zubrachte. Dabei verschaffte sich aber auch Dessewffy's reger, durchdringender Geist, hier an der Quelle, eine Kenntnis der österreichischen und ungarischen Staatsmaschine und eine höhere, den beschränkten Gesichtskreis der meisten ungarischen Reichstagsmänner weit überfliegende, Ansicht von den Interessen seines Vaterlandes, die die Grundlage seiner publizistischen Laufbahn und der auf dieser nachmals eingeernteten Freuden und Leiden wurde. 1832 ward er als Statthaltereisekretär nach Ofen übersetzt; trat 1833 das erste Mal bei Gelegenheit der Verhandlungen über die Religionsfrage bei der Magnatentafel als Redner auf und riss alle Gegenwärtigen durch seine eindringende Auffassung, Gedankenreichtum und Leichtigkeit zur Bewunderung hin. Vom Präsidium der Statthaltern bald zurückberufen, benützte er sofort als Feld für seine mit Glück betretene Rednerbahn die Komitatsdebatten in Pesth; nahm zugleich an den Verhandlungen der ungarischen Akademie, die ihn im November zum korrespondierenden Mitgliede wählte, Teil, arbeitete am Journal „Jelenkor“ mit und schrieb über die Reform des ungarischen Reichstages: eine Schrift, welche erst nach seinem Tode erschien und vieles höchst Beachtungswerte über die noch nicht erledigte Frage enthält. Bald, als er 1839 zum Statthaltereirate ernannt wurde, erfolgte die Ausschreibung eines neuen Reichstages; Dessewffy wollte bei der unteren Tafel wirken, bewarb sich deshalb in Sáros um die Erwählung zum Deputierten, fiel aber durch; daher, und da die ultraliberale Partei bei der Magnatentafel fortwährend wuchs, unternahm er es, die konservativen Mitglieder dieser Tafel zu einer kompakten Partei zu verbinden, welche allerdings den Fortschritt, aber den gemäßigten auf der gegebenen historischen Basis mit Beachtung der allseitigen Interessen fortbauenden Fortschritt auf ihr Panier schrieb, und die Regierung, wo diese in ihrem guten Rechte war, unterstützte. Dessewsfy war eine der glänzendsten Erscheinungen auf diesem Reichstage; seine Reden zeichneten sich nicht durch rhetorischen Prunk, sondern durch einen höheren staatsmännischen Standpunkt, Würde der Gesinnung, wahrhaft praktische Auffassung, strenge Logik und Klarheit aus; er suchte nicht auf das Gefühl, sondern auf die Überzeugung zu wirken, und siegte zwar eben deshalb seltener, als die talentvollen Agitatoren der Gegenseite; aber er streute Samen aus, welche jetzt schon Früchte tragen, und erkämpfte sich bei dem unbefangeneren Teile der Gesetzgebung ein Zutrauen, welches ihm möglich machte, zu dem großen Werke der Versöhnung der Parteien, die sich am Anfange der Session schroffer als je gegenüber standen, ein Gutes beizutragen. Nach dem Schlusse derselben, die mit allgemeiner Amnestie endete, machte er im Auftrage der Regierung eine Reise nach England und Frankreich, um das Gefängniswesen daselbst in Augenschein zu nehmen; zurückgekehrt kaufte er das ultraliberale Blatt „Világ“ an, und führte es vom 18. August 1841 an im Geiste der gemäßigten Partei mit der ihm eigenen Umsicht und Gewandtheit; im November begann auch sein Anteil an den Arbeiten des Reichsausschusses, der mit dem Entwurfe eines Strafgesetzbuches betraut war. Seine seit Jahren her schon geschwächte Gesundheit, die fortwährende Tätigkeit, die sich keine Ruhe gönnte, die ununterbrochenen Angriffe sowohl in den Oppositionsjournalen, als in den Kongregationen des Pesther Komitats, die vielfältigen Verdächtigungen, die ihn verunglimpften, wirkten bei seiner sich mit jedem Tage krankhaft steigernden Reizbarkeit so zerstörend auf seine Kräfte, dass der zarte und heftig erschütterte Körper einer, durch heftige Verkühlung entstandenen Krankheit nicht widerstehen konnte, und diese ein Leben untergrub, das dem Vaterlande bereits höchst wichtige Dienste leistete und dazu berufen war, am großen Werke der Regeneration Ungarns wesentlichen Anteil zu nehmen. Er starb den 9. Februar 1842 in Pesth. Sein Tod, als des Führers einer durch Vereinigung mächtig werdenden Partei, weicherer soeben ein Organ, das erste, das sie besaß, gründete, hat auf die verschiedenen Nuancen der politischen Gesellschaft verschieden gewirkt. Alle haben ihn bedauert, und ließen seinen großen Talenten, als diese Niemanden mehr beunruhigten, Gerechtigkeit widerfahren. Einen Teil seiner Schriften sammelte sein Bruder Emil; auch deutsche erschienen in Pesth, 1843.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Neuer Plutarch - Band 5