Becker, Andolf Zacharias (1752-1822) deutscher Theologe, Herausgeber, Publizist und Schriftsteller

Rudolf Zacharias Becker gehört zu jenen seltenen Männern, die nicht nur durch Wort und Schrift für Heranbildung und Veredlung des Volkes fruchtbringend wirkten, sondern auch, mit Mut und Tatkraft ausgerüstet, sich in der Stunde der Gefahr der deutschen Sache nicht entzogen. Zu Erfurt den 9. April 1752 geboren, studierte er in Jena Theologie und lebte unter Dalbergs bildendem Einflusse eine Zeitlang als Hofmeister zu Erfurt. Frühzeitig bildete er sich durch eigene praktische Lebensansichten und durch ein rastloses Streben nach nützlicher Zweckmäßigkeit zu einem weltbürgerlichen Volksschriftsteller; ersteht in dieser Hinsicht sowohl durch seine vielfältigen, dahineinschlagenden schriftstellerischen Unternehmungen, als auch wegen des wahrhaften Nutzens, den er nicht allein unter dem Volke, sondern auch unter den höheren Ständen gestiftet haben dürfte, vielleicht vor allen anderen deutschen Schriftstellern als der Einzige da. Auf diese Bahn fühlte ihn zuerst eine Preisaufgabe der Berliner Akademie der Wissenschaften im Jahre 1779 über die Frage: „Ist es nützlich, das Volk zu täuschen?“ deren Preis er gewann. Später Lehrer im Philantropinum zu Dessau, wendete er sich 1783 nach Gotha, wo er im größeren Sinne wirkte und zugleich durch den umsichtigsten buchhändlerischen Betrieb seiner Unternehmungen seinen Wohlstand hob. Immer war er bemüht, in den mannigfaltigsten schriftstellerischen Gewändern diejenigen praktischen Grundsätze, welche er sich für das bürgerliche Leben gebildet hatte, zur Kenntnis des großen Haufens zu bringen und dadurch gleichsam als allgemeiner Volkslehrer allen denjenigen nützlich zu werden, die teils durch eigene, teils durch fremde Schuld in einem Zustande physischer und sittlicher Roheit gehalten worden sind, welcher auch dem gleichgültigsten Beobachter nicht entgangen sein kann: wir meinen die niederen Volksklassen. Unter seinen schriftstellerischen Unternehmungen, durch welche er die besagten Zwecke zu verwirklichen sich bemühte, steht sowohl seiner Nützlichkeit, als auch seiner größeren Verbreitung wegen, sein „Not- und Hilfsbüchlein“ in Vereinigung mit dem „mildheimischen Liederbuche“ oben an, von welchem ersteren nach Beckers eigener Angabe seit dessen Erscheinen die ungeheure Anzahl von vielleicht einer Million Exemplare gedruckt und nachgedruckt worden ist. Dieser beispiellose Absatz bürgt uns für die Zweckmäßigkeit des Werkes, also für die richtige und praktische Ansicht seines tätigen, um das allgemeine Wohl rastlos bemühten Verfassers. Eine nicht minder nützliche, obgleich nicht so sehr verbreitete, aber dessen ungeachtet sehr verdienstliche Unternehmung war sein „allgemeiner Reichsanzeiger,“ der 1791 begann und 1806 wegen der veränderten Lage Deutschlands den Titel „allgemeiner Anzeiger der Deutschen“ erhielt. Auch die „National-Zeitung der Deutschen,“ welche der im Jahre 1796 begonnenen „Zeitung für die Jugend“ von 1800 — 1811 folgte, bewährte die lobenswürdige Absicht und den rastlosen Eifer, mit welchem Becker für bürgerliches Wohl und vernünftige Aufklärung noch im Alter zu handeln strebte. Aber nicht minder, als die genannten Schriften, zweckten auch alle seine übrigen schriftstellerischen Unternehmungen, deren vollständige Erwähnung uns hier die Beschränktheit des Raumes verbietet, auf gleiche Nützlichkeit ab und erreichten diese Absicht, so mieden Vorteil des Verfassers, auf eine ausgezeichnete Weise. Ein unbekannter Anlass des Missfallens, den er im Iahre 1811 der französischen Regierung zu geben das Unglück hatte, war Ursache, dass man ihn von Gotha nach Magdeburg führte, wo er eine ziemlich lange Muße zur Durchsicht und gänzlichen Umarbeitung seines Not- und Hilfsbüchleins verwandte; worauf er im Frühlinge 1813 in den Schooß seiner Familie zurückkehrte. Eine Frucht dieser bitteren Erfahrung war die zeitgeschichtlich merkwürdige Schrift: „Beckers Leiden und Freuden in siebzehnmonatlicher französischer Gefangenschaft.“ Er starb am 28. März 1822. Seine Unternehmungen leben in dem Etablissement seines Sohnes fort.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Neuer Plutarch - Band 5